RRB Nr. 1092/2023 - Beschluss des Kantonsrates zum Postulat KR-Nr. 170/2020 betreffend Geschlechterunterschiede in der Medizin, Bericht und Antrag an den Kantonsrat 170a_2020_Geschlechterunterschiede_in_der_Medizin
Auszug aus dem Protokoll

des Regierungsrates des Kantons Zürich

Sitzung vom 20.September 2023

1092. Postulat
Die Gesundheitsdirektion unterbreitet mit Antrag vom 6.September 2023 einen Bericht und Antrag zum Postulat KR-Nr. 170/2020 betreffend Geschlechterunterschiede in der Medizin. Der Regierungsrat zieht den Antrag in Beratung und verabschiedet ihn zuhanden des Kantonsrates
(siehe ABl 2023-09-29; Vorlage KR-Nr. 170a/2020).

Vor dem Regierungsrat

Die Staatsschreiberin:

Kathrin Arioli


170a_2020_geschlechterunterschiede_in_der_medizin.pdf
Antrag des Regierungsrates vom 20. September 2020

Beschluss des Kantonsrates

zum Postulat KR-Nr.170/2020 betreffend

Geschlechterunterschiede in der Medizin

KR-Nr. 170a/2020

(vom . . . . . . . . . . . .)

Der Kantonsrat,
nach Einsichtnahme in den Bericht und Antrag des Regierungsrates vom
20.September 2023,

beschliesst:

I.Das Postulat KR-Nr.170/2020 betreffend Geschlechterunterschiede in der Medizin wird als erledigt abgeschrieben.

II.Mitteilung an den Regierungsrat.

Der Kantonsrat hat dem Regierungsrat am 27.September 2021 folgendes von den Kantonsrätinnen Nicola Yuste, Zürich, und Katrin ComettaMüller, Winterthur, am 25.Mai 2020 eingereichte Postulat zur Berichterstattung und Antragstellung überwiesen: Der Regierungsrat wird gebeten, in einem Bericht geeignete Massnahmen aufzuzeigen, wie den Auswirkungen der geschlechtsspezifischen Unterschiede in der medizinischen Forschung, Prävention und Versorgung
im Kanton Zürich mehr Rechnung getragen werden kann.

Bericht des Regierungsrates:

1. Ausgangslage
Das Thema der geschlechtsspezifischen Medizin erfährt in letzter Zeit grosses Interesse in der öffentlichen Diskussion. So wurden neben kantonalen und kommunalen Vorstössen auch auf Bundesebene mehrere Vorstösse eingereicht, unter anderem die Motionen 20.3092 «Geschlechterunterschiede als Thema in der medizinischen Lehre und Forschung» und 22.3868 «Gender-Medizin. Schluss mit Frauen als Ausnahme in der Medizin» sowie das Postulat 19.3910 «Gesundheit der Frauen. Bessere Berücksichtigung ihrer Eigenheiten». Und auch in den Medien findet das

­ 2 ­
Thema zunehmend Beachtung, nicht zuletzt aufgrund von Erkenntnissen zu unterschiedlichen Krankheitsverläufen von Covid-19-Patientinnen und
-Patienten.
Der Regierungsrat anerkennt, dass sowohl das biologische als auch das soziokulturell geprägte Geschlecht Auswirkungen auf Prävention, Diagnostik, Verlauf und Therapie von Krankheiten haben. Wie im Rahmen der Stellungnahme zum vorliegenden Postulat ausgeführt, wird dem Thema Geschlechterunterschiede in der Medizin im Kanton Zürich bereits in verschiedenen Bereichen Rechnung getragen (vgl.RRB Nr.872/2020). Insbesondere in Bezug auf den regulatorischen Rahmen im Forschungsbereich ist auf die Ausführungen in RRB Nr.872/2020 zu verweisen. Im vorliegenden Bericht wird detaillierter auf den Bereich Prävention sowie auf mögliche Massnahmen in der Versorgung eingegangen. Aber auch aktuelle Entwicklungen im Bereich Lehre und Forschung werden ausgeführt, da diese für zukünftige Massnahmen im Bereich der geschlechtsspezifischen Medizin äusserst wichtig sind.
2. Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich
Im Auftrag der Gesundheitsdirektion setzt die Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich des Institutes für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich im Rahmen von Schwerpunktprogrammen eine breite Palette an Projekten um. Grundlage dafür ist das Konzept für Prävention und Gesundheitsförderung im Kanton Zürich, das derzeit überarbeitet wird. Bei der Planung und Umsetzung der Projekte werden aktuelle gesellschaftliche Bedürfnisse und wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt. Dazu gehören auch geschlechtsspezifische Aspekte. Dies ist entscheidend, damit Präventionsmassnahmen auch tatsächlich greifen. Nachfolgend werden einige ausgewählte Beispiele aufgezeigt: ­ Im schulischen Kontext wird themenbezogen bei Bedarf in geschlechtergetrennten Gruppen gearbeitet. Ein Beispiel sind Massnahmen zur
Stärkung eines positiven Körperbildes.
­ Im Bereich Suchtprävention gibt es unter anderem die digitale Kampagne Suchttests zu Alkohol-, Tabak- und Cannabis- sowie OnlineKonsum (vgl. suchtpraevention-zh.ch/selbsttests-freundetests): Die Kampagne ist auf junge Menschen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren ausgerichtet. Gemäss den geschlechtsspezifischen Prävalenzen des Suchtmittelkonsums werden diese von jungen Männern auch stärker genutzt, d.h., junge Männer schliessen häufiger die Selbsttests zum Konsumverhalten ab und erhalten bei Bedarf entsprechende auf ihr
Geschlecht angepasste Handlungsempfehlungen.

­ 3 ­
­ Über die gesamte Bevölkerung gesehen leben Männer weniger gesund als Frauen. Insbesondere im mittleren Lebensalter, wenn die Beanspruchung durch Familie und Beruf besonders gross ist, kommen Bewegung und Sport bei vielen Männern zu kurz und auch das Essverhalten wird ungesünder. Im Bereich Bewegungsförderung wurde daher das Projekt «Men on the Move» (vgl. gesundheitsfoerderung-zh.ch/themen/ ernaehrung-und-bewegung/men-on-the-move) lanciert, dessen Ziel die Stärkung der Gesundheitskompetenz und des Gesundheitsverhaltens
von inaktiven Männern mittleren Alters ist.
­ Bei der Durchführung von moderierten Gesprächsrunden, sogenannten Femmes- und Männer-Tischen (vgl. femmestische.ch/de/standorte-27. html), werden die Teilnehmenden unter anderem darin unterstützt, ein gesundes Ernährungs- und Bewegungsverhalten zu etablieren und werden über psychische Gesundheit informiert und sensibilisiert. Der Gender-Ansatz, also die Berücksichtigung des sozialen Geschlechts bzw. des spezifischen Rollenverständnisses von Frauen und Männern, ist
dabei ein zentraler Wirkfaktor.
Daneben gibt es das Projekt primaZüri und das Programm Gesundheitskompetenz Zürich. Dies sind zwei Projekte im Bereich Prävention in der Gesundheitsversorgung, die von der Gesundheitsdirektion unterstützt werden. primaZüri hat zum Ziel, die Prävention chronischer Krankheiten in der medizinischen Grundversorgung zu stärken. Das Programm Gesundheitskompetenz will mit Praxisprojekten und Kampagnen dazu beitragen, die Gesundheitskompetenz der Zürcher Bevölkerung und der Gesundheitsversorger zu fördern. Bisher war das Thema Geschlechterunterschiede in diesen beiden Projekten nur implizit ein Thema. Es ist jedoch vorgesehen, zu überprüfen, ob es für die Bereiche Prävention in der Gesundheitsversorgung und Gesundheitskompetenz in der Literatur konkrete Erkenntnisse zum Thema Geschlechterunterschiede gibt. Das Thema wird ausserdem nach Möglichkeit in die Schulungen integriert und Geschlechterunterschiede werden zukünftig, wo möglich und sinnvoll, bei der Evaluation berücksichtigt werden.
3. Medizinische Fakultät der Universität Zürich
Die Medizinische Fakultät (MeF) der Universität Zürich hat das Thema der geschlechtsspezifischen Medizin (Gendermedizin) bereits 2016 aufgenommen und seither verschiedene Anstrengungen in diesem Bereich mit grossem Einsatz vorangetrieben, unter anderem bei der Integration der Gendermedizin in das medizinische Curriculum. In diesem Zusammenhang wird auf die Ausführungen in RRB Nr.872/2020 verwiesen. Zusätzlich sind seither die folgenden neuen Bestrebungen und aktuellen
Entwicklungen hervorzuheben:

­ 4 ­
­ Ganz aktuell erfolgt die Schaffung des neuen Lehrstuhls in Gendermedizin an der Universität Zürich. Das Berufungsverfahren ist im Gange, der Lehrstuhl soll Anfang 2024 besetzt werden. Es handelt sich schweizweit um den ersten Lehrstuhl in diesem Querschnittfach. In diesem Zusammenhang ist weiterhin ein Institut für Gendermedizin in Planung. Der Professur und dem Institut kommt eine wichtige Bedeutung zu, damit das Wissen zu geschlechtsspezifischen Krankheitsmechanismen und Krankheitsmanifestationen und deren Bedeutung für die Patientenversorgung in die klinische Medizin integriert werden
können.
­ Der CAS-Weiterbildungsgang in Sex- and Gender-Specific Medicine befindet sich nun bereits in zweiter Durchführung. Das Ziel dieser Weiterbildung ist, das Bewusstsein für die Thematik zu verstärken und die Teilnehmenden zu befähigen, das erworbene Wissen in der Klinik, Forschung sowie Aus- und Weiterbildung anzuwenden. ­ Im Rahmen der Integration des Themas Gendermedizin in das Medizinische Curriculum steht den Studierenden der Humanmedizin neu das Mantelstudium Sex and Gender in Medicine zur Verfügung. Die MeF der Universität Zürich zeigt mit ihren Projekten im Bereich Gendermedizin Innovationskraft und leistet so einen wichtigen Beitrag zur Erlangung und Verbreitung des Wissens in diesem Bereich und zu einem verstärkten Bewusstsein für das Thema in der Gesellschaft.
4. Versorgung
Wichtig ist nicht zuletzt, dass neue Erkenntnisse aus der Forschung in die medizinische Versorgung einfliessen. Im Bereich der geschlechtsspezifischen Medizin gibt es bereits zahlreiche Daten, die zeigen, dass Geschlechterunterschiede für die medizinische Diagnostik und Versorgung eine Rolle spielen und dem Thema verstärkt Beachtung geschenkt werden muss. Für die Ableitung von konkreten Handlungsempfehlungen für die Ärzteschaft oder Vorgaben an die Spitäler ist die Evidenz allerdings insgesamt noch zu gering.Die beschriebenen Bestrebungen der MeF im Bereich Gendermedizin, die an der Schnittstelle von Lehre, Forschung und Versorgung angesiedelt sind, spielen eine wichtige Rolle, um entsprechende Grundlagen und mehr wissenschaftliche Evidenz für den Versorgungsbereich zu schaffen. Ausserdem können dadurch auch ein Bewusstsein und eine Akzeptanz für das Thema bei den medizinischen Fachpersonen und in der Bevölkerung geschaffen werden. Dies ermöglicht es, in Zukunft konkrete und wirksame Massnahmen und Empfehlungen für
die Gesundheitsversorgung abzuleiten.

­ 5 ­
Für die Erstellung und Verbreitung von fachspezifischen Handlungsrichtlinien für die Ärzteschaft sind in erster Linie die verschiedenen Fachgesellschaften in der Pflicht. Es ist allerdings denkbar, dass der Kanton in Zukunft eine Fortbildungsveranstaltung für die Zürcher Ärzteschaft in Zusammenarbeit mit der neuen Professur für Gendermedizin unterstützt. Im Weiteren sind die entsprechenden Bestrebungen auf Bundesebene zu berücksichtigen. Der Bericht des Bundesrates zum erwähnten Postulat 19.3910 «Gesundheit der Frauen. Bessere Berücksichtigung ihrer Eigenheiten» soll voraussichtlich Ende 2023 veröffentlich werden. Auch diese Erkenntnisse werden im Anschluss sorgfältig geprüft werden.
5. Antrag
Gestützt auf diesen Bericht beantragt der Regierungsrat dem Kantonsrat, das Postulat KR-Nr.170/2020 als erledigt abzuschreiben.

Im Namen des Regierungsrates

Der Präsident:

Die Staatsschreiberin:

Mario Fehr

Kathrin Arioli

Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : RRB Nr. 1092/2023
Datum : 20. September 2023
Publiziert : 28. September 2023
Quelle : ZH-Kantonale Verwaltung
Status : RRB Nr. 1092/2023
Sachgebiet : Gesundheitsdirektion
Gegenstand : Beschluss des Kantonsrates zum Postulat KR-Nr. 170/2020 betreffend Geschlechterunterschiede in der Medizin, Bericht...


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
regierungsrat • postulat • wissen • geschlecht • integration • weiterbildung • entscheid • wissenschaft und forschung • lehrer • schutzmassnahme • zürich • abstimmungsbotschaft • bundesrat • sport • cannabis • motion • therapie • berichterstattung • leben • tabak • medien • patient • literatur • schnittstelle • wille • familie
... Nicht alle anzeigen