(Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 1. Dezember 1995; b.302)
Fernsehen. Sachgerechtigkeitsgebot bei Satiresendungen.
Art. 64 Abs. 3
SR 784.40 Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG) RTVG Art. 64 Offene Schnittstellen und technische Ausgestaltung - Soweit dies für die Sicherung der Meinungsvielfalt erforderlich ist, kann der Bundesrat nach Anhörung der betroffenen Kreise für Vorrichtungen oder Dienste, die der Aufbereitung von Programmen dienen, offene Schnittstellen vorschreiben oder andere Bestimmungen über deren technische Ausgestaltung erlassen. Er berücksichtigt dabei in angemessener Weise die bereits im Markt vorhandenen Vorrichtungen oder Dienste und räumt angemessene Übergangsfristen ein. |
Soweit Fragen, welche die freie Meinungsbildung des Publikums betreffen, losgelöst vom Ausgang hängiger Zivil- und Strafrechtsprozesse beurteilt werden können, ist eine Sistierung des Verfahrens nicht angezeigt.
Art. 4 Abs. 1
SR 784.40 Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG) RTVG Art. 4 Mindestanforderungen an den Programminhalt - 1 Alle Sendungen eines Radio- oder Fernsehprogramms müssen die Grundrechte beachten. Die Sendungen haben insbesondere die Menschenwürde zu achten, dürfen weder diskriminierend sein noch zu Rassenhass beitragen noch die öffentliche Sittlichkeit gefährden noch Gewalt verherrlichen oder verharmlosen. |
|
1 | Alle Sendungen eines Radio- oder Fernsehprogramms müssen die Grundrechte beachten. Die Sendungen haben insbesondere die Menschenwürde zu achten, dürfen weder diskriminierend sein noch zu Rassenhass beitragen noch die öffentliche Sittlichkeit gefährden noch Gewalt verherrlichen oder verharmlosen. |
2 | Redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt müssen Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen, so dass sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann. Ansichten und Kommentare müssen als solche erkennbar sein. |
3 | Die Sendungen dürfen die innere oder äussere Sicherheit des Bundes oder der Kantone, ihre verfassungsmässige Ordnung oder die Wahrnehmung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Schweiz nicht gefährden. |
4 | Konzessionierte Programme müssen in der Gesamtheit ihrer redaktionellen Sendungen die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten angemessen zum Ausdruck bringen. Wird ein Versorgungsgebiet durch eine hinreichende Anzahl Programme abgedeckt, so kann die Konzessionsbehörde einen oder mehrere Veranstalter in der Konzession vom Vielfaltsgebot entbinden. |
Die Eigenart der Satireform räumt einen gestalterischen Spielraum ein, der seine Grenzen in den Bestimmungen des Programmrechts findet. Obwohl sich das Sachgerechtigkeitsgebot schwergewichtig an Informationssendungen richtet, ist es auch bei Satiresendungen zu beachten.
Télévision. Obligation de présenter fidèlement les faits dans des émissions satiriques.
Art. 64 al. 3 LRTV. Suspension de la procédure devant l'AIEP.
Lorsque des questions touchant à la libre formation de l'opinion du public peuvent être tranchées indépendamment de procédures civile et pénale pendantes, il ne convient pas de suspendre la procédure.
Art. 4 al. 1er LRTV. Obligation de présenter fidèlement les faits dans des émissions satiriques.
Le caractère particulier de la satire permet une fantaisie créatrice qui trouve ses limites dans les dispositions relatives au droit des programmes. Bien que l'obligation de présentation fidèle s'adresse de manière prépondérante aux émissions d'information, elle doit aussi être observée dans les émissions satiriques.
Televisione. Obbligo di presentare fedelmente gli avvenimenti nelle emissioni satiriche.
Art. 64 cpv. 3 LRTV. Sospensione della procedura dinanzi all'AIER.
Nella misura in cui questioni relative alla libera formazione delle opinioni del pubblico possano essere valutate a prescindere dall'esito delle procedure civili e penali pendenti, una sospensione della procedura non s'impone.
Art. 4 cpv. 1 LRTV. Obbligo di presentare fedelmente gli avvenimenti nelle emissioni satiriche.
Il carattere specifico del genere satirico dà spazio a una creatività che trova i suoi limiti nelle disposizioni relative al diritto dei programmi. Nonostante sia rivolto prevalentemente alle emissioni informative, l'obbligo di presentare fedelmente gli avvenimenti deve essere rispettato anche nelle emissioni satiriche.
I
A. In der Sendung «Victors Spätprogramm» vom 15. März 1995 führte der Sendeleiter Victor Giacobbo unter anderem ein Gespräch mit dem Kabarettisten Lorenz Keiser. Darin kam Giacobbo auch auf das Buch «Der Erreger» zu sprechen, das Lorenz Keiser vor einiger Zeit publizieren wollte. Keiser erklärte, dass seit zweieinhalb Jahren eine provisorische richterliche Verfügung den Buchverkauf verbiete. Giacobbo ergänzte: «Du hast darin behauptet, und das ist ja das, was nicht erlaubt ist, du hast den ehemaligen Nationalrat und heutigen Volksbankpräsidenten, Gianfranco Cotti, mit Geldwäscherei in Verbindung gebracht. Und das darf man ja nicht sagen.» Keiser entgegnete, dass Cotti nur meine, dass dies darinstehe und das Buch aus diesem Grunde habe verbieten lassen. Giacobbo und Keiser verständigten sich in der Folge darauf, dass die entscheidenden Stellen des Buches abzuschwärzen seien, so dass es wieder vertrieben werden dürfe. Giacobbo kommentierte das Hantieren Keisers mit einem dicken schwarzen Filzstift an einem mitgebrachten Exemplar des Buches: «...Jawohl, er schwärzt ab, dass Herr Cotti einmal etwas zu tun gehabt hat mit Geldwäscherei.» Wenig später doppelte Giacobbo nach: «...Das Wort Geldwäscherei und Gianfranco Cotti kommt
nicht über unsere Lippen».
B. In der Sendung «Victors Spätprogramm» vom 14. Juni 1995 unterhielt sich Victor Giacobbo mit zwei Kabarettisten über Giuliano Bignasca, der am Vortag als Nationalrat vereidigt worden war. Der eine Kabarettist trat als «Bignasca» mit verbundenem Mund, der andere, Stolte Benrath, als «Bignasca-Experte» auf. Nachdem sich Giacobbo und Benrath über den Meinungsbildungsprozess Bignascas, der vor allem im Bauch stattfinde, belustigt hatten, fragte Giacobbo, ob es nicht ein Problem sei, dass Bignasca vorbestraft sei und mit ihm ein Delinquent im Parlament Einsitz nehme. Benrath antwortete: «Ich glaube nicht, dass das wirklich ein Problem ist. Ich meine, wir haben im Parlament auch andere Kriminelle. Da wäre einmal der Gianfranco...». Giacobbo fiel ihm ins Wort: «Ja den Namen nicht nennen, nicht schon wieder...».
C. Gegen beide Sendungen erhebt Gianfranco Cotti (hiernach: Beschwerdeführer) am 28. Juli 1995 Programmrechtsbeschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). Er stellt namentlich den Antrag, «es sei festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin mit ihren Sendungen vom 15. März und vom 14. Juni 1995 die Programmbestimmungen des BG vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG, SR 784.40) sowie die Konzession für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft verletzt hat.» Konkret rügt er, dass sein Name in der Sendung vom 15. März 1995 von Giacobbo und Keiser wiederholt in Verbindung mit Geldwäscherei gebracht worden sei. In der zweiten angefochtenen Sendung vom 14. Juni 1995 sei er wider besseres Wissen als kriminell tituliert worden. Damit verstiessen beide Sendungen hauptsächlich gegen das Sachgerechtigkeitsgebot.
D. In Anwendung von Art. 64 Abs. 1
SR 784.40 Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG) RTVG Art. 64 Offene Schnittstellen und technische Ausgestaltung - Soweit dies für die Sicherung der Meinungsvielfalt erforderlich ist, kann der Bundesrat nach Anhörung der betroffenen Kreise für Vorrichtungen oder Dienste, die der Aufbereitung von Programmen dienen, offene Schnittstellen vorschreiben oder andere Bestimmungen über deren technische Ausgestaltung erlassen. Er berücksichtigt dabei in angemessener Weise die bereits im Markt vorhandenen Vorrichtungen oder Dienste und räumt angemessene Übergangsfristen ein. |
Sie beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie zu sistieren, weil gegenwärtig zivil- und strafrechtliche Verfahren zwischen dem Beschwerdeführer und Lorenz Keiser hängig seien. Subeventuell sei die Beschwerde abzuweisen. Materiell macht sie geltend, dass dem Publikum der satirische Charakter der fraglichen Sendungen erkennbar gewesen sei. Es seien keine affirmativen «schuldzuweisenden» Aussagen gemacht worden; vielmehr liessen gerade die verwirrenden Wortspiele das Publikum im Klaren darüber, dass der Inhalt des «Erregers» rechtlich nach wie vor umstritten und Gegenstand eines Prozesses sei.
E. Im Rahmen eines von der UBI angeordneten zweiten Schriftenwechsels hielten die Parteien an ihren Anträgen fest. Soweit angezeigt, wird auf die einzelnen Vorbringen der Parteien in den Erwägungen eingegangen.
II
1. Der Beschwerdeführer beschwert sich gegen zwei Sendungen, die am 15. März 1995 und am 14. Juni 1995 ausgestrahlt worden sind und somit innerhalb der dreimonatigen Frist von Art. 60 Abs. 2
SR 784.40 Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG) RTVG Art. 60 Weitere Aufschaltungspflichten - 1 Auf Gesuch eines Programmveranstalters verpflichtet das BAKOM eine Fernmeldedienstanbieterin für eine bestimmte Dauer zur leitungsgebundenen Verbreitung eines Programms in einem bestimmten Gebiet, sofern: |
|
1 | Auf Gesuch eines Programmveranstalters verpflichtet das BAKOM eine Fernmeldedienstanbieterin für eine bestimmte Dauer zur leitungsgebundenen Verbreitung eines Programms in einem bestimmten Gebiet, sofern: |
a | das Programm in besonderem Mass zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrags beiträgt; und |
b | der Fernmeldedienstanbieterin die Verbreitung unter Berücksichtigung der verfügbaren Übertragungskapazitäten sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zumutbar ist. |
2 | Der Bundesrat legt die Höchstzahl der Programme fest. |
3 | Das BAKOM kann das Recht vor Ablauf der verfügten Dauer entziehen, wenn der Programmveranstalter die in der Verfügung festgehaltenen Leistungen nicht mehr erbringt. |
4 | Der Bundesrat kann die Verbreitungspflicht auf mit zugangsberechtigten Programmen gekoppelte Dienste ausdehnen. |
Damit auf eine sogenannte Zeitraumbeschwerde eingetreten werden kann, bedarf es nach der Praxis der UBI zusätzlich eines sachlichen Konnexes beziehungsweise eines thematischen Zusammenhanges der fraglichen Sendungen (VPB 59.42, S. 350; 55.34, S. 316). Weil in beiden Sendungen Gianfranco Cotti in Verbindung mit Geldwäschereigeschäften beziehungsweise kriminellen Handlungen gebracht wurde, ist dieser Zusammenhang vorliegend gegeben.
Der Beschwerdeführer war selbst Gegenstand der angefochtenen Sendung und ist somit zur Individualbeschwerde im Sinne von Art. 63 Abs. 1 Bst. b
SR 784.40 Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG) RTVG Art. 63 Grundsätze - 1 Programmveranstaltern ist der Zugang zur Aufbereitung zu chancengleichen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen zu gewähren. Entspricht die Aufbereitung durch die Vorrichtungen der Fernmeldedienstanbieterin im Wesentlichen dem Stand der Technik, so besteht kein Anspruch des Programmveranstalters auf den Betrieb eigener Vorrichtungen zur Aufbereitung. |
|
1 | Programmveranstaltern ist der Zugang zur Aufbereitung zu chancengleichen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen zu gewähren. Entspricht die Aufbereitung durch die Vorrichtungen der Fernmeldedienstanbieterin im Wesentlichen dem Stand der Technik, so besteht kein Anspruch des Programmveranstalters auf den Betrieb eigener Vorrichtungen zur Aufbereitung. |
2 | Wer Dienste anbietet, die als übergeordnete Benutzeroberfläche die Auswahl von Programmen steuern, muss nach dem Stand der Technik dafür sorgen, dass im ersten Nutzungsschritt deutlich auf zugangsberechtigte Programme hingewiesen wird. |
3 | Betreiber und Anbieter von Aufbereitungsdiensten oder -vorrichtungen haben: |
a | gegenüber Dritten, die ein berechtigtes Interesse geltend machen, alle Auskünfte zu erteilen und Unterlagen offen zu legen, deren Kenntnis erforderlich ist, um die Rechte nach Absatz 1 geltend zu machen; |
b | gegenüber dem BAKOM auf dessen Verlangen alle Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die erforderlich sind für die Überprüfung, ob die Verpflichtungen nach den Bestimmungen über die Aufbereitung eingehalten werden. |
4 | Der Bundesrat kann die Bestimmungen über die Aufbereitung auf gekoppelte Dienste ausdehnen. |
5 | Bestehen für einen bestimmten Sachverhalt keine Vorschriften, so trifft das BAKOM im Einzelfall die zum Schutz der Meinungs- und Angebotsvielfalt notwendigen Entscheide. |
2. Die SRG beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten beziehungsweise sie sei zu sistieren, weil gegenwärtig zivil- und strafrechtliche Verfahren zwischen dem Beschwerdeführer und Lorenz Keiser im Zusammenhang mit dem Buch und dem Theaterstück «Der Erreger» hängig seien.
Zunächst ist festzuhalten, dass sich die UBI zu Rügen nicht zu äussern hat, die sich - explizit oder implizit - auf Bestimmungen des Straf- oder Zivilrechts beziehen. Ihre Beurteilung fällt in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Weiter ist zu betonen, dass es in den erwähnten Prozessen um Ehr- und um Persönlichkeitsrechte zweier Privatpersonen im Zusammenhang von Publikationen und deren richterlichem Verbot geht. Im konkreten Fall stehen demgegenüber die Rechte des Publikums auf eine freie Meinungsbildung zur Prüfung; zu beurteilen ist mithin die kommunikative Wirkung der angefochtenen Sendungen auf die Zuschauer und die Erfüllung der durch die konkreten Umstände gebotenen Sorgfaltspflicht durch den Veranstalter (VPB 53.48, S. 342; BGE 119 Ib 166, 169). Diese Fragen können hier losgelöst vom Ausgang der hängigen Zivil- und Strafrechtsprozesse entschieden werden (BGE 120 Ib 156, 160).
3. Tritt die UBI auf eine Beschwerde ein, ist sie nach Art. 65
SR 784.40 Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG) RTVG Art. 65 Entbündelung - 1 Wer Programme als gebündelte Pakete anbietet, Vorrichtungen betreibt oder Dienste anbietet, die der Aufbereitung von Programmen dienen, muss die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Dritte diese Programme zu kostengünstigen Bedingungen einzeln verbreiten können sowie die Vorrichtungen beziehungsweise die Dienste einzeln nutzen können. |
|
1 | Wer Programme als gebündelte Pakete anbietet, Vorrichtungen betreibt oder Dienste anbietet, die der Aufbereitung von Programmen dienen, muss die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Dritte diese Programme zu kostengünstigen Bedingungen einzeln verbreiten können sowie die Vorrichtungen beziehungsweise die Dienste einzeln nutzen können. |
2 | Der Bundesrat kann entsprechende Vorschriften zur Entbündelung erlassen, soweit dies zur Sicherung der Meinungsvielfalt erforderlich ist. |
4. Der Beschwerdeführer macht hauptsächlich die Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots geltend.
4.1. Das Gebot der sachgerechten Darstellung von Ereignissen ergibt sich dem Grundsatz nach aus dem umfassenden Leistungsauftrag von Art. 55bis Abs. 2
SR 784.40 Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG) RTVG Art. 65 Entbündelung - 1 Wer Programme als gebündelte Pakete anbietet, Vorrichtungen betreibt oder Dienste anbietet, die der Aufbereitung von Programmen dienen, muss die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Dritte diese Programme zu kostengünstigen Bedingungen einzeln verbreiten können sowie die Vorrichtungen beziehungsweise die Dienste einzeln nutzen können. |
|
1 | Wer Programme als gebündelte Pakete anbietet, Vorrichtungen betreibt oder Dienste anbietet, die der Aufbereitung von Programmen dienen, muss die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Dritte diese Programme zu kostengünstigen Bedingungen einzeln verbreiten können sowie die Vorrichtungen beziehungsweise die Dienste einzeln nutzen können. |
2 | Der Bundesrat kann entsprechende Vorschriften zur Entbündelung erlassen, soweit dies zur Sicherung der Meinungsvielfalt erforderlich ist. |
SR 784.40 Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG) RTVG Art. 65 Entbündelung - 1 Wer Programme als gebündelte Pakete anbietet, Vorrichtungen betreibt oder Dienste anbietet, die der Aufbereitung von Programmen dienen, muss die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Dritte diese Programme zu kostengünstigen Bedingungen einzeln verbreiten können sowie die Vorrichtungen beziehungsweise die Dienste einzeln nutzen können. |
|
1 | Wer Programme als gebündelte Pakete anbietet, Vorrichtungen betreibt oder Dienste anbietet, die der Aufbereitung von Programmen dienen, muss die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Dritte diese Programme zu kostengünstigen Bedingungen einzeln verbreiten können sowie die Vorrichtungen beziehungsweise die Dienste einzeln nutzen können. |
2 | Der Bundesrat kann entsprechende Vorschriften zur Entbündelung erlassen, soweit dies zur Sicherung der Meinungsvielfalt erforderlich ist. |
SR 784.40 Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG) RTVG Art. 65 Entbündelung - 1 Wer Programme als gebündelte Pakete anbietet, Vorrichtungen betreibt oder Dienste anbietet, die der Aufbereitung von Programmen dienen, muss die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Dritte diese Programme zu kostengünstigen Bedingungen einzeln verbreiten können sowie die Vorrichtungen beziehungsweise die Dienste einzeln nutzen können. |
|
1 | Wer Programme als gebündelte Pakete anbietet, Vorrichtungen betreibt oder Dienste anbietet, die der Aufbereitung von Programmen dienen, muss die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Dritte diese Programme zu kostengünstigen Bedingungen einzeln verbreiten können sowie die Vorrichtungen beziehungsweise die Dienste einzeln nutzen können. |
2 | Der Bundesrat kann entsprechende Vorschriften zur Entbündelung erlassen, soweit dies zur Sicherung der Meinungsvielfalt erforderlich ist. |
4.2. Auf Gesetzesstufe findet sich das Sachgerechtigkeitsgebot in Art. 4
SR 784.40 Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG) RTVG Art. 4 Mindestanforderungen an den Programminhalt - 1 Alle Sendungen eines Radio- oder Fernsehprogramms müssen die Grundrechte beachten. Die Sendungen haben insbesondere die Menschenwürde zu achten, dürfen weder diskriminierend sein noch zu Rassenhass beitragen noch die öffentliche Sittlichkeit gefährden noch Gewalt verherrlichen oder verharmlosen. |
|
1 | Alle Sendungen eines Radio- oder Fernsehprogramms müssen die Grundrechte beachten. Die Sendungen haben insbesondere die Menschenwürde zu achten, dürfen weder diskriminierend sein noch zu Rassenhass beitragen noch die öffentliche Sittlichkeit gefährden noch Gewalt verherrlichen oder verharmlosen. |
2 | Redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt müssen Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen, so dass sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann. Ansichten und Kommentare müssen als solche erkennbar sein. |
3 | Die Sendungen dürfen die innere oder äussere Sicherheit des Bundes oder der Kantone, ihre verfassungsmässige Ordnung oder die Wahrnehmung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Schweiz nicht gefährden. |
4 | Konzessionierte Programme müssen in der Gesamtheit ihrer redaktionellen Sendungen die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten angemessen zum Ausdruck bringen. Wird ein Versorgungsgebiet durch eine hinreichende Anzahl Programme abgedeckt, so kann die Konzessionsbehörde einen oder mehrere Veranstalter in der Konzession vom Vielfaltsgebot entbinden. |
5. «Victors Spätprogramm» ist eine Humor- und Satiresendung, die sich im Programm des Fernsehens der deutschen und rätoromanischen Schweiz (DRS) etabliert hat.
5.1. Die Satire stellt ein besonderes Mittel der Meinungsäusserung dar, in dem sich die Form bewusst nicht kongruent zur angestrebten Aussage verhält. Die Form der Satire übersteigert die Wirklichkeit, verfremdet sie, stellt sie um, kehrt wieder zu ihr zurück, banalisiert sie, karikiert sie, macht sie lächerlich (nicht publizierter Entscheid der UBI [UBIE] b. 273 vom 27. August 1993, S. 5). Ob sie jeweilen das Prädikat geistreich verdient, ist nicht Gegenstand einer Beurteilung durch die UBI. Voraussetzung der Tolerierung auch einer geschmacklosen Sendung ist aus programmrechtlicher Sicht freilich, dass die Zuhörer oder Zuschauer die von den Medienschaffenden gewählte Form auch als Satire erkennen können, und dass sie nicht verletzend ist. Solches kann leicht der Fall sein, wenn sie etwa den sensiblen Bereich des Religiösen, anderer gesellschaftlicher Wertvorstellungen oder von Liebe und Sexualität berührt, oder wenn sie Gewalt gegenüber Frauen, die Ausgrenzung benachteiligter Minderheiten, die Diskriminierung von Menschen anderer Rasse oder anderweitige Verletzungen der Menschenwürde banalisiert oder sich darüber lustig macht (11. Jahresbericht der UBI vom 19. Mai 1995, S. 18).
5.2. Hingegen liegt es im Rahmen der von der Verfassung gewährten Programmautonomie, dass sich ein Veranstalter auch in der Form der Satire kritisch mit den verschiedenen Bereichen des staatlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und - in zurückhaltender Weise - religiösen Lebens auseinandersetzt, dabei auch mit dominierenden politischen Meinungen, herrschenden Strukturen, Mehrheitsauffassungen sowie etablierten Ansichten und Institutionen. Die UBI hat jedoch in ihrer Praxis (VPB 55.37, 53.48, 52.30, zuletzt im nicht veröffentlichten UBIE b. 273 vom 27. August 1993) festgehalten, dass auch der satirischen Behandlung eines Themas Grenzen gesetzt sind. Abgesehen von den oben erwähnten sensiblen Bereichen, die in concreto nicht tangiert sind, ergeben sich diese aus dem Sachgerechtigkeitsgebot.
5.3. Gemäss der Praxis der UBI richtet sich das Sachgerechtigkeitsgebot - zwar nicht ausschliesslich, aber doch schwergewichtig - an Sendungen, in denen Informationen übertragen werden. Bei Satiresendungen ist das Gebot unter Berücksichtigung der besonderen Formmerkmale des Genres anzuwenden, die in der in E. 5.1. erwähnten Definition zum Ausdruck kommen. Demnach besteht die Eigenart der Satireform darin, dass sie einen bestimmten Ausschnitt der Realität durch Veränderungen der Form übersteigert, verfremdet, umstellt, banalisiert, karikiert usw. Inhaltlicher Ausgangspunkt satirischer Verzerrungen ist grundsätzlich die von der Allgemeinheit als gültig erachtete Wirklichkeit. Sachgerecht ist somit eine Satire nur solange, als die ihr zugrundeliegende Wirklichkeit - trotz aller Verzerrung - identifizierbar bleibt und nicht etwa durch eine falsche Wirklichkeit, die Gültigkeit beansprucht, ersetzt wird.
6. Diese Grundsätze sind auf die beiden angefochtenen Sendungen vom 15. März beziehungsweise 14. Juni 1995 anzuwenden.
6.1. Die UBI hat den umstrittenen Beitrag der Sendung vom 15. März 1995 visioniert und kommt zum Ergebnis, dass er den Toleranzbereich, den die Satire zubilligt, überschritten hat. In concreto diente die Form der Satire lediglich als Deckmantel, um den Zuschauern den Aussagegehalt mitzuteilen, dass es sich bei Gianfranco Cotti um einen Geldwäscher handle. Entgegen der Behauptung der SRG stand weniger der Ausgang des Prozesses zum Publikationsverbot von Keisers Buch «Der Erreger» im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern - wegen ihrer Brisanz - vielmehr die Bezichtigung Cottis zur Geldwäscherei. Die UBI geht davon aus, dass die Sendung «Victors Spätprogramm» von einem Publikum rezipiert wird, das mit den Formen der Satire vertraut ist. Obwohl deshalb eine spezifische Erwartungshaltung der Zuschauer vorausgesetzt werden kann, verfügt die fragliche Sendung nicht über einen Freipass, sondern lediglich über einen gestalterischen Spielraum innerhalb der Grenzen des Programmrechts.
Die Bestimmungen des Programmrechts jedoch sind durch den beanstandeten Beitrag verletzt worden, weil der satirischen Verfremdung der Form die in E. 5.3. erwähnte reale Ausgangsbasis bezüglich des Inhalts fehlte. Es entspricht einem anerkannten Grundsatz der schweizerischen Rechtsordnung, dass jemand hinsichtlich eines bestimmten Tatbestandes des Strafgesetzbuches so lange als unschuldig zu gelten hat, als nicht ein rechtskräftiger Richterspruch das Gegenteil feststellt. Die SRG bringt nichts vor, das auf eine rechtskräftige Verurteilung Cottis schliessen liesse. Somit ist von der Unschuld Cottis hinsichtlich des Tatbestandes der Geldwäscherei auszugehen. Stellt die Unschuld Cottis die reale Basis dar, verletzt der angefochtene Beitrag das Sachgerechtigkeitsgebot, indem er suggeriert, dass die gegenteilige Aussage der Wirklichkeit besser entsprechen würde. Sätze wie: «...er schwärzt ab, dass Cotti einmal etwas zu tun gehabt hat mit Geldwäscherei» oder «Das Wort Geldwäscherei und Gianfranco Cotti kommt nicht über unsere Lippen», unterstellen, dass Cotti in Tat und Wahrheit ein Geldwäscher sei, diese «Wahrheit» aber weder gedruckt noch am Fernsehen verbreitet werden dürfe. Die Behauptung der SRG in ihrer Stellungnahme,
dass keine «affirmativen Aussagen» gemacht worden seien, erscheint vor diesem Hintergrund als zu formalistisch. Würdigt man die umstrittene Sequenz in ihrer Gesamtheit, ist die mehrfache Gleichsetzung von Cotti mit Geldwäscherei das, was davon im Gedächtnis der Zuschauer haften bleibt; daran vermag auch der Trick nichts zu ändern, dass man die Aussage jeweils gleichsam algebraisch einklammerte und eine Negation vor die Klammer setzte.
Aufgrund der Würdigung des angefochtenen Beitrags in seiner Gesamtheit kommt die UBI zum Ergebnis, dass die Sendung «Victors Spätprogramm» vom 15. März 1995 das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt hat.
6.2. Aus der E. 6.1. folgt, dass die Beschwerde ebenfalls bezüglich der Sendung «Victors Spätprogramm» vom 14. Juni 1995 begründet ist. Umstritten ist hier die Formulierung Stolte Benraths: «Ich meine, wir haben im Parlament auch andere Kriminelle. Da wäre einmal der Gianfranco...» und die unmittelbar anschliessende Antwort Victor Giacobbos, der ihm mit folgender Äusserung die Rede abschnitt: «Ja den Namen nicht nennen, nicht schon wieder...». Auch die SRG räumt ein, dass mit diesem Wortwechsel offensichtlich Gianfranco Cotti gemeint war, und das Publikum dies auch so verstand. Diese tatsachenwidrige und wider besseres Wissen formulierte Suggestion ist auch nicht durch die Form der Satire zu rechtfertigen und vermag den Anforderungen journalistischer Sorgfaltspflicht nicht zu genügen. Bei Zuschauern, die lediglich diese eine Sendung gesehen haben, konnte der Eindruck haften bleiben, dass Gianfranco Cotti ein Rechtsbrecher sei. Zuschauer, die bereits die Sendung vom 15. März 1995 gesehen hatten, konnten in ihrem möglicherweise dort erzeugten Verdacht bestärkt werden,
dass es sich bei Cotti um einen Geldwäscher handle. Unter dem Gesichtspunkt der journalistischen Sorgfaltspflicht fällt erschwerend ins Gewicht, dass dieselbe Person in demselben Sendegefäss innert kurzer Frist ein zweites Mal ungerechtfertigt der Geldwäscherei beziehungsweise Kriminalität bezichtigt worden ist. Unabhängig von Fragen des Persönlichkeitsrechts und des Ehrenschutzes ist aus programmrechtlicher Sicht eine erhöhte Sorgfalt hinsichtlich der Verwendung von Kriminalitätsbezichtigungen zu fordern, die auch für Satiresendungen gelten muss. Diese Sorgfalt liess der fragliche Beitrag vermissen. Aus diesen Gründen hat er das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt.
7. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die angefochtenen Beiträge der Sendungen «Victors Spätprogramm» vom 15. März 1995 und vom 14. Juni 1995 das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt haben und die Beschwerde gutzuheissen ist.
Dokumente der UBI