VPB 51.31

(Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 12. September 1986)

Fernmeldeverkehr. Beanstandung der einseitigen Schilderung der politischen Lage in einem fremden Land (Nicaragua; Einflussnahme der Vereinigten Staaten) in drei verschiedenartigen Fernsehsendungen. Anforderungen an die Objektivität von Sendungen im Dienste von Hilfswerken. Journalistische Sorgfaltspflicht bei der Ausstrahlung von Filmen fremder Produzenten.

Télécommunications. Plainte contre la description unilatérale de la situation politique dans un pays étranger (Nicaragua; prise d'influence des Etats-Unis) dans trois émissions télévisées de genre différent. Exigences relatives à l'objectivité d'émissions au service d'oeuvres d'entraide. Obligation de diligence journalistique dans le cadre de la diffusion de films de producteurs étrangers.

Telecomunicazioni. Ricorso contro la descrizione unilaterale della situazione politica in un Paese estero (Nicaragua: influenza degli Stati Uniti) in tre emissioni televisive di genere differenziato. Esigenze poste all'oggettività di emissioni al servizio di opere umanitarie. Obbligo di diligenza giornalistica nell'ambito della diffusione di pellicole di produttori stranieri.

I

A. Am 12. April 1986 hat die Sendung «Ausser man tut es» am Deutschschweizer Fernsehen DRS während rund fünf Minuten über die vom Schweizerischen Arbeiterhilfswerk (SAH) geleistete Aufbauhilfe in Nicaragua berichtet. Der Film schildert zunächst kurz die Schwierigkeiten seit dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Somoza, welche etwa die Gegner des neuen sandinistischen Regimes (Contras) oder die wirtschaftlichen Sanktionen der USA verursachen, und kommt dann auf die Fortschritte zu sprechen, die seit 1979 zu verzeichnen sind, Rückgang der Analphabeten und der Kindersterblichkeit etwa. Die sandinistische Regierung setze sich stark für die Verbesserung der Lebensbedingungen ein; deshalb sei Aufbauhilfe in Nicaragua auch erfolgversprechend, beispielsweise in der Landwirtschaft, wo man nach anfänglichen Verstaatlichungen nun auf Genossenschaftsbetriebe, Kooperativen setze. Das SAH unterstütze die Anstrengungen in der Ausbildung, in der Landwirtschaft und im Baugewerbe. Der Beitrag schliesst mit der Angabe der Adresse des Hilfswerkes.

Am 17. April 1986 wird in der Sendereihe «Zeitspiegel» ein 40minütiger Film der kommerziellen britischen Fernsehgesellschaft «Granada» ausgestrahlt, der mit «Contra Nicaragua - Der Geheimkrieg der CIA gegen die Sandinisten» betitelt ist. In der Einleitung dazu macht der Moderator auf die Antworten aufmerksam, welche der Dokumentarfilm auf die Fragen zu geben versuche, wer die Contras seien und wer dahinter stecke: Seit 1981 baue sie der US-amerikanische Geheimdienst (CIA) systematisch auf - selbst unter Umgehung des Kongresses, der seit 1984 Militärhilfe verweigert habe. Positiv sei immerhin, dass solche schmutzigen Operationen an die Öffentlichkeit gezerrt würden und dass man darüber sprechen dürfe. Als Zeugen für die Terrorpraktiken der Contras (welche Reagan mit den amerikanischen Gründervätern vergleicht) und ihre Unterstützung durch die CIA treten im Film vor allem ehemalige Kaderleute der Geheimarmee und des Geheimdienstes auf. Von ihnen erfährt man viele Details über die Art des Kampfes, Organisation des Nachschubes, Waffenbeschaffung, Ziele der Anschläge, Ausbildungs- und weitere Hilfe durch die CIA, Einsatz von Saboteuren, private finanzielle Unterstützung etwa aus den USA, weiters US-Hilfe auch nach dem
damaligen gegenteiligen Entscheid des Kongresses unter anderem. Der Film erklärt, der amerikanische Druck habe die Sandinisten gezwungen, von der sowjetischen Hilfe abhängig zu werden. Am Ende bezeichnet er den Einsatz der Contras als Privatkrieg Präsident Reagans. Der Moderator fügt anschliessend «einige Retouchen» bei: Obwohl ehemalige Anhänger von Somoza bestimmend seien, gebe es bei den Contras auch viele unzufriedene Sandinisten sowie von den Regierenden sehr schlecht behandelte Miskito-Indianer. Trotz der grossen Unzufriedenheit heute in Nicaragua wolle aber wohl niemand wieder Somoza-ähnliche Zustände. Der Kampf der Contras verursache vor allem ein Blutbad unter der Zivilbevölkerung. Er treibe die Sandinisten auch weiter in die Arme Moskaus und liefere ihnen einen prächtigen Vorwand, den Pfad von Pluralismus und Demokratie endgültig zu verlassen.

In der Sendereihe «Zeitgeist» befasst sich das Fernsehen am 4. Mai 1986 unter dem Titel: «Die Lüge als Waffe; wie die Öffentlichkeit in die Irre geführt wird», mit Informationspraktiken aus Krisengebieten. In einem von «Channel Four Television London» produzierten Film wird während zwölf Minuten über fiktive Geschichten berichtet, die die CIA in Angola zum Beispiel gegen Kubaner lanciert hat und die in diversen Zeitungen abgedruckt, aber kaum mehr dementiert worden sind. Als anderes Beispiel dient Nicaragua. Der Film zeigt während acht Minuten, wie die Amerikaner die Sandinisten trotz fehlenden Beweisen als Exportherd kommunistischer Revolution bezeichnen und dementsprechend die Contras als Freiheitskämpfer unterstützen. Dies werde fortgesetzt, obwohl ein CIA-Bericht selber zum Beispiel die lebendigste Oppositionspresse von Mittelamerika in Nicaragua geortet habe. Ebenso hätten sich Meldungen über sowjetische Stützpunkte im Land oder über Flugzeuglieferungen nicht bestätigt. An den Film schliesst sich ein Interview von acht Minuten Dauer mit dem Tagesschau-Moderator an. Darin kommt unter anderem zum Ausdruck, wie wichtig es sei, die Interessenlage einer Nachrichtenquelle zu ergründen. Die Angabe und Kenntnis der Quelle
erhöhe die Transparenz und ermögliche dem Publikum eine eigene Bewertung. Desinformation sei ein Mittel der Kriegsführung. Wo eine offene Gesellschaft bestehe, verfüge man über mehrere Quellen, womit die Zuverlässigkeit der Information zunehme. Es gelte, einen präsentierten Stoff in einen umfassenderen Rahmen zu bringen, um dem Publikum die Bedeutung eines Ereignisses zu zeigen und so irrationale Reaktionen zu vermeiden.

B. Gegen die drei Sendungen hat am 14. bzw. 19. Mai 1986 X eine Beschwerde eingereicht. Er wird von 20 weiteren Personen unterstützt.

Der Beschwerdeführer macht geltend, die drei Sendungen wie auch die gesamte Nicaragua-Berichterstattung vermittelten ein einseitiges Bild zugunsten der Sandinisten. Den USA werde unterstellt, durch ihre Unterstützung eine günstige Entwicklung zu verhindern. In Nicaragua herrschte aber ein diktatorisches Regime. In dieser Beziehung habe ein Beamter des Eidg. Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in der ersten beanstandeten Sendung (12. April 1986) eine Falschaussage gemacht, wenn er erklärte: «... in keinem Land hätten Entwicklungsprogramme derart hohe Erfolgsaussichten ...». Der am 17. April 1986 ausgestrahlte Film habe mit den Anschuldigungen gegenüber Präsident Reagan eine Beleidigung eines fremden Staatsoberhauptes begangen. Alle drei Sendungen hätten eine höchst umstrittene Darstellung als die einzig richtige ausgegeben. Damit werde die Konzession verletzt, die eine objektive und umfassende Information verlange.

C. Gemäss Art. 19 des BB vom 7. Oktober 1983 über die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (SR 784.45; im folgenden BB genannt) ist die Beschwerde der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) zur Vernehmlassung überwiesen worden.

In ihrer Stellungnahme vom 16. Juni 1986 macht die SRG geltend, bei den Sendungen «Ausser man tut es» handle es sich um Beiträge mit Public-Relations-Charakter, die nicht mit eigentlichen Informationssendungen zu verwechseln seien. Die am Schluss erfolgte Nennung des SAH habe diese weitesten Publikumskreisen bekannte Tatsache offengelegt. Ob der betreffende Beamte zu seiner Aussage befugt war, sei eine Frage interner Kompetenzen. Für die Zuschauer habe es sich um dessen subjektive Einschätzung gehandelt.

Für die «Beleidigung eines fremden Staatsoberhauptes» gebe der Beschwerdeführer keine nähere Begründung. Die tatsächlich in der Sendung «Contra Nicaragua» geübte Kritik an der US-Administration stamme zudem zur Hauptsache von amerikanischen Staatsbürgern und sei auch mit den Auseinandersetzungen zwischen Republikanern und Demokraten im Kongress vergleichbar. Für die Zuschauer von entscheidender Bedeutung sei gewesen, dass der Film vorwiegend aus Statements genau bezeichneter und damit problemlos zu situierender Personen bestanden habe. Schliesslich habe der Moderator am Ende nützliche Relativierungen und Präzisierungen angebracht.

Gegen die Sendung «Zeitgeist» erhebe der Beschwerdeführer - neben dem Vorwurf der Einseitigkeit - keine konkreten Beanstandungen. Gerade aber auch mit Hilfe des anschliessenden Studiogesprächs mit dem Moderator habe sich der Zuschauer eine eigene Meinung bilden können.

Zu Unrecht bemängle der Beschwerdeführer die Gesamtheit des vom Fernsehen DRS vermittelten «Nicaragua-Bildes». Die SRG verweist dabei auf mehrere Beiträge in der «Tagesschau» oder auf einen «Ziischtigs-Club», wo immer wieder Persönlichkeiten zu Wort gekommen seien, die sich ausgesprochen engagiert zugunsten der Contras und deren Unterstützung durch die CIA geäussert hätten.

Aus diesen Gründen sei die Beschwerde in allen Teilen abzuweisen.

II

1. (Formelles)

2. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des in Art. 13 Abs. 1 der Konzession SRG (BBl 1981 I 311) verankerten Gebotes der objektiven und umfassenden Information geltend.

(Zum Gebot der objektiven Berichterstattung und der umfassenden Information, vgl. VPB 50.81 E. 8)

3. Die Prüfung der Sendungen aufgrund dieser Anforderungen ergibt folgendes:

a. Die Sendereihe «Ausser man tut es» ist einem breiten Publikum bekannt als Sendung im Dienste der Hilfswerke. Sie soll mithelfen, die Bevölkerung zu bewegen, ihre Spendetätigkeit nicht zu vergessen, Sammelkampagnen zu unterstützen oder andere Formen von Hilfe in die Wege zu leiten. In einem früheren Entscheid betreffend Meldungen der VCS-Mitfahrzentrale auf Radio DRS (VPB 48.73 E. 5) hat die Unabhängige Beschwerdeinstanz festgehalten, dass Ausstrahlungen, die einem guten Zweck dienen, zweifellos einen Beitrag an die Erfüllung der Programmrichtlinien von Art. 13 der Konzession leisten können. Dies gilt auch für den vorliegenden Fall. Der Public-Relations-Charakter ist dabei - wie die SRG geltend macht - für das Publikum offensichtlich. Er kann nicht beanstandet werden; denn, ähnlich wie bei Werbespots, erscheint deutlich, dass man in erster Linie die positiven Aspekte hervorheben will. Deshalb ist der Auffassung der SRG zuzustimmen, dass keine an den normalen Massstäben zu messende Informationssendung vorliegt und die Zuschauer auch keine solche erwartet haben. Der Beitrag ist denn auch nur kurz auf die USA und die von ihnen unterstützten Contras eingegangen, und hat hauptsächlich über die Aufbauarbeiten und die
Entwicklungsanstrengungen im Lande berichtet. Dass die Aussagen des EDA-Beamten über die Erfolgsaussichten der Entwicklungshilfe nicht ganz falsch sein konnten, zeigt sich daran, dass diese Arbeiten und insbesondere auch die Tätigkeiten des SAH ebenfalls von seiten des Bundes unterstützt werden; auf jeden Fall handelte es sich dabei aber um eine persönliche Meinungsäusserung, über deren Zulässigkeit - gerade auch angesichts der Stellung des Sprechers - nicht noch weiter zu recherchieren war.

b. Die Beiträge im «Zeitspiegel» sowie im «Zeitgeist», die sich um Nicaragua drehen, weisen Parallelen auf. In beiden gezeigten Filmen wird über die Rolle der Contras, der CIA sowie der amerikanischen Regierung in praktisch ausschliesslich negativer Weise berichtet. Eine Haltung, welche die Beweggründe für die Unterstützung der Contras und die Art ihres Kampfes erhellt, kommt kaum zum Ausdruck. In dieser Hinsicht handelt es sich um einseitige Filme. Zu prüfen ist, ob die Ausstrahlung von Filmen dieser Art aus konzessionsrechtlicher Sicht zulässig ist.

Zuerst muss festgehalten werden, dass die Beschwerdeinstanz nicht in der Lage ist, den Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Auch das Fernsehen selber kann die Gefahr, bei der Übernahme eines anderswo hergestellten Films zum Opfer gewisser inhaltlicher Manipulationen zu werden, nicht ohne weiteres ausschliessen. Demgegenüber wäre es nicht im Sinne der Informationspflicht und des Informationsauftrages, wenn das Fernsehen erst bei letzter eigener Gewissheit die Berichterstattung aufnehmen und nicht zunächst einmal auf die Authentizität des gelieferten Materials vertrauen dürfte, sonst wäre kaum eine Informationssendung mehr möglich. Zu verlangen ist dann aber, dass das Material in der Sendung möglichst transparent präsentiert und in einen geeigneten Rahmen gebettet wird. Dies ist in den vorliegenden Fällen geschehen. Dem Film «Contra Nicaragua» liess der Leiter der Sendung insbesondere einen Kommentar nachfolgen, in dem er Relativierungen anbrachte und auch auf die herrschende Unzufriedenheit in Nicaragua selber hinwies. Und die «Lüge als Waffe», worin im übrigen zum kleineren Teil auf Nicaragua Bezug genommen wurde, erfuhr eine direkte Infragestellung durch das nachfolgende Studiogespräch. Ausserdem bestanden beide Filme hauptsächlich aus Statements genau bezeichneter und damit leicht einzuordnender Personen. So blieb es auch den Zuschauern
überlassen, welches Gewicht sie den Aussagen der Interviewten geben wollten, die ihre Position, über die sie berichteten, mehr oder weniger freiwillig verlassen hatten. Da die Filme auch nicht von unbekannten Lieferanten stammten, jedenfalls nicht von Organisationen, von denen man allenfalls geradezu Machwerke erwarten musste, kommt die Unabhängige Beschwerdeinstanz zum Schluss, dass es aus der Sicht der journalistischen Sorgfaltspflicht vertretbar war, die beiden Filme in der präsentierten Form auszustrahlen. In dieser Hinsicht sind die Anforderungen, welche das Gebot der Objektivität stellt, erfüllt.

c. Zum Vorwurf der «Beleidigung eines fremden Staatsoberhauptes» ist zu bemerken, das es sich um einen Straftatbestand handelt, der vom Richter überprüft wird. In gleicher Weise nimmt auch Art. 2 Abs. 1 BB die Beurteilung einer allfälligen Gefährdung von völkerrechtlichen Beziehungen aus der Kompetenz der Unabhängigen Beschwerdeinstanz und belässt sie dem Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement. Aus der Sicht des Gebots einer objektiven und umfassenden Berichterstattung ist aber grundsätzlich auch ein kritischer Blickwinkel möglich.

Damit kommt die Beschwerdeinstanz zum Ergebnis, dass das Gebot der Objektivität eingehalten worden ist. Die in den drei beanstandeten Sendungen enthaltenen Informationen sind den Fernsehzuschauern in transparenter Weise und mit den nötigen Relativierungen präsentiert worden.

4. Zum Vorwurf, das Fernsehen orientiere über Nicaragua nicht umfassend, das heisst nicht auch aus der Perspektive des antikommunistischen Einsatzes, hält die Beschwerdeinstanz folgendes fest: In der Tat zeigt sich bei der Visionierung der drei beanstandeten Sendungen ein recht einseitiges Bild. Allerdings ist es notorisch, dass in anderen Sendungen ebenfalls Stimmen zu Wort kamen, die sich kritisch gegenüber dem sandinistischen Regime äusserten. Die vorliegend zur Diskussion stehenden Beiträge stellen keine repräsentative Auswahl von Fernsehsendungen zum Thema Nicaragua dar. Der Vorwurf einer nicht umfassenden Berichterstattung - welche über einen dem Thema angepassten Zeitraum zu erfolgen hat - lässt sich daher mit ihnen nicht begründen, dies um so mehr nicht, als die Rolle der Contras und ihrer Unterstützung nur im «Zeitspiegel» im Vordergrund stand, in den beiden anderen Beiträgen jedoch lediglich Nebenpunkte betraf.

Dokumente der UBI
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : VPB-51.31
Datum : 12. September 1986
Publiziert : 12. September 1986
Quelle : Vorgängerbehörden des BVGer bis 2006
Status : Publiziert als VPB-51.31
Sachgebiet : Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI)
Gegenstand : Fernmeldeverkehr. Beanstandung der einseitigen Schilderung der politischen Lage in einem fremden Land (Nicaragua; Einflussnahme...


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BBl
1981/I/311
VPB
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