23. Auszug aus der Verfügung der Strafkammer in Sachen Bundesanwaltschaft gegen A. vom 2. Oktober 2013 (SK.2013.34)
Dokumentationspflicht; Anklageprinzip; Angebracht-Sein des abgekürzten Verfahrens.
Art. 77

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 77 Verfahrensprotokolle - Die Verfahrensprotokolle halten alle wesentlichen Verfahrenshandlungen fest und geben namentlich Auskunft über: |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 100 Aktenführung - 1 Für jede Strafsache wird ein Aktendossier angelegt. Dieses enthält: |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 325 Inhalt der Anklageschrift - 1 Die Anklageschrift bezeichnet: |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 362 Urteil oder ablehnender Entscheid - 1 Das Gericht befindet frei darüber, ob: |
Die Dokumentationspflicht verlangt, dass alle wesentlichen Vorgänge beim Zustandekommen der Anklageschrift im abgekürzten Verfahren in den Akten festgehalten werden (E. 3).
TPF 2013 169, p.170
Eine ausreichende Anklage wegen Betrugs erfordert unter anderem die Bezeichnung des Getäuschten und dessen Verfügungshandlung (E. 4).
Ist die Durchführung des abgekürzten Verfahrens angebracht, wenn sie verfügt wird, nachdem die Voruntersuchung bereits abgeschlossen ist und der Beschuldigte ein umfassendes Geständnis abgelegt hat? Frage offen gelassen (E. 5).
Obligation de documenter; principe de l'accusation; caractère "justifié" de la procédure simplifiée.
Art. 77, 100, 325 al. 1, 362 al. 1 let. a CPP
L'obligation de documenter exige que toutes les démarches aboutissant à l'établissement de l'acte d'accusation dans la procédure simplifiée soient documentées dans le dossier (consid. 3).
Une accusation suffisante pour escroquerie nécessite notamment la désignation de la personne trompée ainsi que son acte de disposition (consid. 4).
L'application de la procédure simplifiée est-elle appropriée après la fin de l'instruction préalable et les aveux complets du prévenu? Question laissée ouverte (consid. 5).
Obbligo di documentazione; principio accusatorio; opportunità della procedura abbreviata.
Art. 77, 100, 325 cpv. 1, 362 cpv. 1 lett. a CPP
L'obbligo di documentazione esige che tutti gli atti essenziali che hanno condotto a stilare l'atto di accusa in procedura abbreviata siano documentati nel fascicolo processuale (consid. 3).
Un'accusa sufficiente per truffa esige segnatamente la designazione della persona ingannata, nonché la descrizione del suo atto di disposizione (consid. 4).
L'attuazione della procedura abbreviata è opportuna quando viene decretata al termine della procedura preliminare e l'imputato ha reso una piena confessione? Questione lasciata indecisa (consid. 5).
Zusammenfassung des Sachverhalts:
Die Bundesanwaltschaft reichte beim Bundesstrafgericht nach umfassender Voruntersuchung gegen A. eine Anklageschrift im
TPF 2013 169, p.171
abgekürzten Verfahren wegen versuchten Betrugs, mehrfachen gewerbsmässigen Betrugs, mehrfacher Urkundenfälschung im Amt und mehrfacher Geldwäscherei ein. A. wurde vorgeworfen, er habe sich als Mitarbeiter des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) widerrechtlich Zahlungen zu seinen Gunsten auszahlen lassen und in einem Falle die Zahlung auszulösen versucht, indem er entweder fingierte Rechnungen benutzt oder zu Recht bezahlte Rechnungen ein zweites Mal in den Zahlungsverkehr des SECO eingeschleust habe.
Der Einzelrichter kam nach der Prüfung der Anklageschrift und der Akten zum Schluss, dass ein Urteil zurzeit nicht ergehen kann. Das Verfahren wurde sistiert; Anklageschrift und Akten wurden an die Bundesanwaltschaft zurück gewiesen.
Aus den Erwägungen:
3. Die Strafprozessordung statuiert in Art. 77

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SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 76 Allgemeine Bestimmungen - 1 Die Aussagen der Parteien, die mündlichen Entscheide der Behörden sowie alle anderen Verfahrenshandlungen, die nicht schriftlich durchgeführt werden, werden protokolliert. |
3.1 Zur gerichtlichen Prüfung der Anklage im abgekürzten Verfahren gehört jene bezüglich Rechtmässigkeit des Verfahrens und dabei jene bezüglich Einhaltung der Dokumentationspflicht (SCHWARZENEGGER, in Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich etc. 2010, Art. 362

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 362 Urteil oder ablehnender Entscheid - 1 Das Gericht befindet frei darüber, ob: |
3.2 In den Akten ist nicht dokumentiert, was sich zwischen der Übermittlung des ersten Anklageentwurfs durch die Bundesanwaltschaft vom 6. September 2013 und der zweiten Übermittlung vom 10. September 2013 abgespielt hat. Auffällig ist die Verschärfung der Sanktionen in der
TPF 2013 169, p.172
definitiven Anklage gegenüber dem ersten Entwurf. Zudem ist nicht dokumentiert, wie die Fassung lautete, welche die Bundesanwaltschaft am 10. September 2013 an die Verteidigung überwiesen hat und welche vom Beschuldigten genehmigt wurde, auch wenn zu vermuten ist, dass sie mit der schlussendlich beim Gericht eingereichten identisch ist. Die gerichtliche Überprüfung der Vorgänge beim Zustandekommen der Anklageschrift im abgekürzten Verfahren ist somit nicht in ausreichendem Mass möglich.
4. Es macht sich des Betrugs i.S.v. Art. 146 Abs. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 146 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.206 |
3 | Der Betrug zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt. |
4.1 Die vorliegende Anklageschrift enthält teilweise keine konkreten Angaben über die genauen Zahlungsabläufe, d.h. darüber, wer letztendlich die Zahlungen ausgelöst hat. War es der Beschuldigte selbst oder eine (welche) getäuschte Drittperson? Ist die Frage nach einer Beteiligung von (getäuschten) Drittpersonen für alle drei Vorgehensvarianten gleich zu beantworten?
4.2 Bei dieser Sachlage erfüllt die Anklageschrift die gesetzlichen Anforderungen an den Inhalt der Anklage gemäss Art. 325 Abs. 1

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 325 Inhalt der Anklageschrift - 1 Die Anklageschrift bezeichnet: |
5. Selbst wenn die Mängel in der Dokumentation und in der Anklageschrift bereinigt sein werden, stellt sich für das Gericht immer noch die Frage, ob die Durchführung eines abgekürzten Verfahrens in concreto angemessen sei (Art. 362 Abs. 1 lit. a

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SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 359 Einleitung - 1 Die Staatsanwaltschaft entscheidet über die Durchführung des abgekürzten Verfahrens endgültig. Die Verfügung muss nicht begründet werden. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 358 Grundsätze - 1 Die beschuldigte Person kann der Staatsanwaltschaft bis zur Anklageerhebung die Durchführung des abgekürzten Verfahrens beantragen, wenn sie den Sachverhalt, der für die rechtliche Würdigung wesentlich ist, eingesteht und die Zivilansprüche zumindest im Grundsatz anerkennt. |
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