2021 VI/4

Auszug aus dem Urteil der Abteilung V
i.S. A. gegen Staatssekretariat für Migration
E-4607/2019 vom 16. November 2021

Revisionsverfahren. Erledigungsart und Ausgestaltung des Spruchkörpers, wenn der angerufene Revisionsgrund bereits im ordentlichen Verfahren hätte geltend gemacht werden können und eine drohende Verletzung völkerrechtlicher Wegweisungsvollzugshindernisse nicht schlüssig nachgewiesen ist. Grundsatzurteil.

Art. 123 Abs. 2 Bst. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 123 Andere Gründe - 1 Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
1    Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
2    Die Revision kann zudem verlangt werden:
a  in Zivilsachen und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind;
b  in Strafsachen, wenn die Voraussetzungen von Artikel 410 Absätze 1 Buchstaben a und b sowie 2 StPO108 erfüllt sind;
c  in Sachen, die Ansprüche auf Ersatz von nuklearem Schaden betreffen, aus den in Artikel 5 Absatz 5 Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 13. Juni 2008110 genannten Gründen.
BGG. Art. 23 Abs. 1
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 23 Einzelrichter oder Einzelrichterin - 1 Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin entscheidet als Einzelrichter beziehungsweise Einzelrichterin über:
1    Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin entscheidet als Einzelrichter beziehungsweise Einzelrichterin über:
a  die Abschreibung von gegenstandslos gewordenen Verfahren;
b  das Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Rechtsmittel.
2    Vorbehalten bleiben die besonderen Zuständigkeiten des Einzelrichters beziehungsweise der Einzelrichterin nach:
a  Artikel 111 Absatz 2 Buchstabe c des Asylgesetzes vom 26. Juni 19988;
b  den Artikeln 29, 31 und 41 des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. September 20159 (NDG);
c  den Bundesgesetzen über die Sozialversicherung.10
VGG.

1. Tatsachen und Beweismittel, welche die Partei, die um Revision nachsucht, bereits im ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können, gelten nicht als Revisionsgründe. Ein entsprechendes Revisionsgesuch erweist sich vorbehältlich einer schlüssig nachgewiesenen drohenden völkerrechtswidrigen Behandlung als unzulässig, womit auf das Revisionsgesuch nicht einzutreten ist (E. 6-9.1).

2. Die Fragen der fehlenden Entschuldbarkeit von verspätet geltend gemachten Revisionsgründen und einer drohenden Verletzung völkerrechtlicher Wegweisungsvollzugshindernisse lassen sich nicht zweifelsfrei und ohne weitere Abklärungen beantworten. Über entsprechend begründete Revisionsgesuche ist in Besetzung mit drei Richterinnen und Richtern zu entscheiden (E. 11.2-11.3).

Procédure de révision. Mode de liquidation et constitution du collège des juges lorsque le motif de révision en cause aurait déj pu être invoqué durant la procédure ordinaire et que l'existence d'un obstacle l'exécution du renvoi découlant du droit international public n'a pas été établie de manière concluante. Arrêt de principe.

Art. 123 al. 2 let. a LTF. Art. 23 al. 1 LTAF.

1. Les faits et moyens de preuve que le requérant aurait déj pu invoquer dans la procédure ordinaire ne sont pas considérés comme des motifs de révision. Il n'est pas entré en matière sur la demande de révision, sauf si l'exécution du renvoi se révèle illicite en raison d'une menace établie de traitement contraire au droit international (consid. 6-9.1).

2. Les questions en lien avec le caractère non excusable de l'invocation tardive des motifs de révision et l'existence d'un obstacle l'exécution du renvoi découlant du droit international public ne peuvent être résolues de manière certaine et sans autre clarification. Les demandes de révision motivées de la sorte requièrent la constitution d'un collège trois juges (consid. 11.2 et 11.3).

Procedura di revisione. Modalit di liquidazione e composizione del collegio giudicante in presenza di un motivo di revisione che avrebbe potuto gi essere invocato nella procedura ordinaria e non viene fornita la prova decisiva della potenziale violazione di ostacoli all'allontanamento fondati sul diritto internazionale pubblico. Sentenza di principio.

Art. 123 cpv. 2 lett. a LTF. Art. 23 cpv. 1 LTAF.

1. I fatti e i mezzi di prova che la parte richiedente la revisione avrebbe gi potuto invocare nella procedura ordinaria non configurano motivi di revisione. Salvo prova decisiva della potenziale esistenza di un trattamento contrario al diritto internazionale pubblico, tali motivi risultano inammissibili, e pertanto non occorre entrare nel merito della domanda di revisione (consid. 6-9.1).

2. L'assenza di natura giustificabile dell'invocazione tardiva di un motivo di revisione e dell'esistenza di una potenziale violazione di ostacoli all'allontanamento fondati sul diritto internazionale pubblico sono questioni che non possono essere esaminate in modo esaustivo e senza ulteriori accertamenti. Le domande di revisione motivate in tal senso devono essere giudicate da un collegio composto da tre giudici (consid. 11.2-11.3).

Der Gesuchsteller suchte am 21. Juli 2015 in der Schweiz um Asyl nach. Zu seinen Asylgründen führte er aus, er sei im Jahr 2013 unter dem Verdacht der Anhängerschaft der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) festgenommen und beschuldigt worden, am Heldengedenktag und an der Geburtstagsfeier eines LTTE-Anführers teilgenommen zu haben. Am Tag darauf sei er freigelassen worden. Im Jahr 2014 habe er sich an der Organisation des Heldengedenktages beteiligt und sei im selben Jahr mit einem Freund von Mitarbeitern des Criminal Investigation Departments (CID) festgenommen worden. Er habe beteuert, kein Anhänger der LTTE zu sein. Aus Angst habe er aber zugegeben, am Heldengedenktag teilgenommen zu haben. Mithilfe eines Mitarbeiters des CID seien sie nach Bezahlung von Geld freigelassen worden. Nach seiner Ausreise habe seine Familie in Sri Lanka Mitte Februar 2015 einen Brief erhalten, in dem er aufgefordert worden sei, zu einer Befragung zu erscheinen.

Mit Verfügung vom 21. Juni 2017 verneinte das Staatssekretariat für Migration (SEM) die Flüchtlingseigenschaft des Gesuchstellers, lehnte das Asylgesuch ab, verfügte die Wegweisung aus der Schweiz und ordnete den Vollzug an.

Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil E-4073/2017 vom 1. Juli 2019 ab.

Mit Eingabe vom 28. August 2019 reichte der Gesuchsteller beim SEM eine als " qualifiziertes Wiedererwägungsgesuch, eventualiter Mehrfachgesuch, subeventualiter Revisionsgesuch " bezeichnete Eingabe ein.

Als Beweismittel gab er einen Haftbefehl aus dem Jahr 2018 zu den Akten.

Mit Schreiben vom 11. September 2019 überwies das SEM die Eingabe vom 28. August 2019 zur Prüfung als Revisionsgesuch an das Bundesverwaltungsgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht tritt auf das Gesuch nicht ein.

Aus den Erwägungen:

5.
In den nachfolgenden Erwägungen wird zunächst die Frage zu beantworten sein, ob auf ein Revisionsgesuch nicht einzutreten oder dieses abzuweisen ist, wenn die vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel bei zumutbarer Sorgfalt bereits im ordentlichen Verfahren hätten geltend gemacht werden können, mithin verspätet vorgebracht worden sind. In einem weiteren Schritt wird zu klären sein, ob in solchen Fällen in einem Spruchkörper aus drei Richterinnen und Richtern oder als Einzelrichterin beziehungsweise Einzelrichter zu entscheiden ist. In den Asylabteilungen des Bundesverwaltungsgerichts hat sich in Bezug auf die Erledigungsart und Ausgestaltung des Spruchkörpers in solchen Fallkonstellationen eine divergierende Praxis entwickelt, weshalb ein Koordinationsverfahren eingeleitet wurde.

Im Sinne eines Überblicks werden im Folgenden die bundesverwaltungsgerichtliche sowie die bundesgerichtliche Rechtsprechung und die Meinungen in der Lehre dargelegt.

6.

6.1 In den Asylabteilungen des Bundesverwaltungsgerichts hat sich - wie bereits ausgeführt - in Bezug auf die Erledigungsart eines gestützt auf Art. 123 Abs. 2 Bst. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 123 Andere Gründe - 1 Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
1    Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
2    Die Revision kann zudem verlangt werden:
a  in Zivilsachen und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind;
b  in Strafsachen, wenn die Voraussetzungen von Artikel 410 Absätze 1 Buchstaben a und b sowie 2 StPO108 erfüllt sind;
c  in Sachen, die Ansprüche auf Ersatz von nuklearem Schaden betreffen, aus den in Artikel 5 Absatz 5 Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 13. Juni 2008110 genannten Gründen.
BGG eingereichten Revisionsgesuchs eine unterschiedliche Rechtspraxis entwickelt. Einerseits sind Nichteintretensentscheide - sowohl im einzelrichterlichen Verfahren (vgl. etwa Urteile des BVGer E-4716/2020 vom 30. September 2020; D-6814/2019 vom 13. Januar 2020) als auch in Besetzung mit drei Richterinnen und Richtern (vgl. etwa Urteile des BVGer D-1688/2020 vom 11. Juni 2020;
E-3868/2019 vom 6. September 2019) - ergangen, wenn sich die Revisionsgründe als verspätet vorgebracht erwiesen haben und das Vorliegen von völkerrechtlichen Wegweisungsvollzugshindernissen gemäss Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission (EMARK) 1995 Nr. 9 nicht schlüssig nachgewiesen wurde. Andererseits finden sich ebenso zahlreiche Urteile, in welchen bei gleicher Konstellation auf Abweisung geschlossen wurde (vgl. etwa Urteile des BVGer
E-3421/2020 vom 22. Juli 2020; D-6191/2018 vom 17. Juni 2020).

6.2 Die Abteilungen I bis III sowie VI des Bundesverwaltungsgerichts treten mehrheitlich auf Revisionsgesuche nicht ein, wenn der Gesuchsteller die vorgebrachten Revisionsgründe bereits im früheren Verfahren hätte geltend machen können (vgl. etwa Urteile des BVGer
C-1299/2020 vom 3. August 2020; B-1252/2018 vom 28. Mai 2018;
F-2139/2018 vom 2. Mai 2018; A-5899/2008 vom 6. Januar 2009). Eine Abweisung in einer solchen Konstellation bildet die Ausnahme (vgl. etwa Urteil des BVGer A-6457/2017 vom 15. Februar 2018).

6.3 Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichts ist diesbezüglich nicht einheitlich. In BGE 121 IV 317 führte das Gericht aus, damit die Revision zulässig sei, sei unter anderem erforderlich, dass die Gesuchstellenden die Tatsachen nicht im früheren Verfahren hätten vorbringen können. In Übereinstimmung mit diesem Entscheid finden sich einige Urteile, in welchen festgehalten wird, der Gesuchsteller hätte die vorgebrachten Einwendungen bereits im früheren Verfahren erheben können, weshalb die Revision unzulässig und auf das Revisionsgesuch nicht einzutreten sei (vgl. etwa Urteile des BGer 1F_42/2019 vom 28. August 2019 E. 4; 2F_23/2017 vom 9. Januar 2018 E. 3.2). Hingegen finden sich auch Urteile, in welchen in der gleichen Konstellation auf Abweisung geschlossen wurde, wobei teilweise nur beiläufig auf die Erledigungsart eingegangen wird (vgl. etwa Urteile des BGer 4A_763/2011 vom 30. April 2012; 8F_9/2010 vom 10. März 2011).

7.
Nachfolgend werden die Meinungen in der Lehre dargelegt:

7.1 Nach Karin Scherrer Reber (in: Praxiskommentar VwVG, 2. Aufl. 2016, Art. 66 N. 45) gelten Gründe, welche die Partei, die um Revision nachsucht, bereits im ordentlichen Beschwerdeverfahren hätte geltend machen können, nicht als Revisionsgründe. Diese Subsidiarität habe zur Folge, dass auf ein Revisionsgesuch nicht einzutreten sei, wenn der angerufene Revisionsgrund bereits im ordentlichen Rechtsmittelverfahren hätte vorgebracht werden können; sie sei mithin Prozessvoraussetzung. Das Revisionsverfahren stehe nicht zur Verfügung, wenn Revisionskläger ihre Rechte anderweitig hätten wahren können. Folglich sei in diesen Fällen die Revision nicht zulässig, womit auf das Revisionsgesuch nicht einzutreten sei.

7.2 Gemäss August Mächler (in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2. Aufl. 2019, Art. 66 N. 30-33) stehe das Revisionsverfahren nicht zur Verfügung, wenn Revisionskläger ihre Rechte anderweitig hätten wahren können. Folglich sei in diesen Fällen die Revision nicht zulässig, womit darauf nicht einzutreten sei. Zulässig sei dagegen eine Berufung auf einen Revisionsgrund, wenn eine Tatsache effektiv nicht bekannt gewesen sei oder aufgrund der herrschenden Umstände mit den damals gebotenen Abklärungen auch nicht bekannt geworden wäre.

7.3 Nach Rhinow et al. (in: Öffentliches Prozessrecht, 3. Aufl. 2014, S. 484) trete das Bundesverwaltungsgericht auf ein Revisionsgesuch nicht ein, wenn es an einer Verfahrensvoraussetzung mangle, etwa die Frist nicht eingehalten sei, die Legitimation abgehe, aber auch wenn der vorgebrachte Grund keinen zulässigen Revisionsgrund darstelle. Es weise dieses ab, wenn sich der formrichtig geltend gemachte Revisionsgrund als nicht rechtserheblich erweise. In diesen Fällen trete es auf das Revisionsgesuch ein, fälle aber einen den Vorentscheid bestätigenden Sachentscheid.

7.4 Gemäss Elisabeth Escher (in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, Art. 123 N. 8) habe die Beurteilung der Frage, ob die Geltendmachung von erheblichen und vorbestandenen Sachverhaltsumständen oder das Beibringen von Beweismitteln im früheren Verfahren in der Tat unmöglich oder unzumutbar gewesen sei, restriktiv zu erfolgen.

7.5 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass in der Lehre Einigkeit darüber besteht, dass die Subsidiarität der Revision eine Prozessvoraussetzung darstellt. Dies hat zur Folge, dass auf ein Revisionsgesuch nicht einzutreten ist, wenn der angerufene Revisionsgrund bereits im früheren Verfahren hätte vorgebracht werden können.

8.
Für die Unzulässigkeit und damit ein Nichteintreten bei verspäteter Geltendmachung von Revisionsgründen sprechen die Praxis der Abteilungen I bis III sowie VI des Bundesverwaltungsgerichts sowie die Einigkeit in der Lehre. Mit der Beschränkung der Zulässigkeit der Revision in Art. 123 Abs. 2 Bst. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 123 Andere Gründe - 1 Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
1    Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
2    Die Revision kann zudem verlangt werden:
a  in Zivilsachen und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind;
b  in Strafsachen, wenn die Voraussetzungen von Artikel 410 Absätze 1 Buchstaben a und b sowie 2 StPO108 erfüllt sind;
c  in Sachen, die Ansprüche auf Ersatz von nuklearem Schaden betreffen, aus den in Artikel 5 Absatz 5 Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 13. Juni 2008110 genannten Gründen.
BGG trägt das Gesetz dem besonderen Charakter dieses ausserordentlichen Rechtsmittels Rechnung. Das Revisionsverfahren steht nicht zur Verfügung, wenn Gesuchstellende ihre Rechte anderweitig hätten wahren können. Es dient insbesondere nicht dazu, bisherige Unterlassungen in der Beweisführung gutzumachen. Diese Subsidiarität hat zur Folge, dass auf ein Revisionsgesuch nicht einzutreten ist, wenn der angerufene Revisionsgrund bereits im früheren Verfahren hätte vorgebracht werden können.

9.

9.1 Revisionsweise Vorbringen, die verspätet sind, können, dessen ungeachtet, zur Revision eines rechtskräftigen Urteils führen, wenn aufgrund dieser Vorbringen offensichtlich wird, dass einem Gesuchsteller Verfolgung oder menschenrechtswidrige Behandlung droht und damit ein völkerrechtliches Wegweisungsvollzugshindernis besteht (vgl. analog EMARK 1995 Nr. 9 E. 7). Aus Gründen der Rechtssicherheit genügt es bei solchen Konstellationen praxisgemäss nicht, eine drohende Verletzung von Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK respektive Art. 33
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 33 Verbot der Ausweisung und Zurückstellung - 1. Kein vertragsschliessender Staat darf einen Flüchtling in irgendeiner Form in das Gebiet eines Landes ausweisen oder zurückstellen, wo sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauungen gefährdet wäre.
1    Kein vertragsschliessender Staat darf einen Flüchtling in irgendeiner Form in das Gebiet eines Landes ausweisen oder zurückstellen, wo sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauungen gefährdet wäre.
2    Auf diese Vorschrift kann sich ein Flüchtling nicht berufen, wenn erhebliche Gründe dafür vorliegen, dass er als eine Gefahr für die Sicherheit des Aufenthaltsstaates angesehen werden muss oder wenn er eine Bedrohung für die Gemeinschaft dieses Landes bedeutet, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist.
des FK (SR 0.142.30) lediglich zu behaupten. Der Gesuchsteller muss die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr vielmehr schlüssig nachweisen.

9.2-10.(...)

11.
In einem weiteren Schritt bleibt die Frage zu beantworten, ob über Revisionsgesuche in Konstellationen wie der vorliegenden im einzelrichterlichen Verfahren oder in einer Besetzung von drei Richterinnen und Richtern zu entscheiden ist.

11.1 Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Revisionsgesuche in einer Besetzung von drei Richterinnen oder Richtern (Art. 21 Abs. 1
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 21 Besetzung - 1 Die Abteilungen entscheiden in der Regel in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen (Spruchkörper).
1    Die Abteilungen entscheiden in der Regel in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen (Spruchkörper).
2    Sie entscheiden in Fünferbesetzung, wenn der Präsident beziehungsweise die Präsidentin dies im Interesse der Rechtsfortbildung oder der Einheit der Rechtsprechung anordnet.
VGG), sofern der Entscheid nicht in die einzelrichterliche Zuständigkeit fällt. Gemäss Art. 23 Abs. 1
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 23 Einzelrichter oder Einzelrichterin - 1 Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin entscheidet als Einzelrichter beziehungsweise Einzelrichterin über:
1    Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin entscheidet als Einzelrichter beziehungsweise Einzelrichterin über:
a  die Abschreibung von gegenstandslos gewordenen Verfahren;
b  das Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Rechtsmittel.
2    Vorbehalten bleiben die besonderen Zuständigkeiten des Einzelrichters beziehungsweise der Einzelrichterin nach:
a  Artikel 111 Absatz 2 Buchstabe c des Asylgesetzes vom 26. Juni 19988;
b  den Artikeln 29, 31 und 41 des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. September 20159 (NDG);
c  den Bundesgesetzen über die Sozialversicherung.10
VGG ist die einzelrichterliche Zuständigkeit vorgesehen bei Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Rechtsmittel und Abschreibung von gegenstandslos gewordenen Verfahren.

11.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts können Rechtsmittel nur dann als offensichtlich unzulässig gelten, " wenn die Sachumstände der Rechtsmittelerhebung klar und unbestritten sind, sodass die von Amtes wegen zu prüfende Eintretensfrage zweifelsfrei und ohne weitere Abklärungen beantwortet werden kann und insoweit keine Notwendigkeit besteht, den Rechtsmittelkläger [...] anzuhören " (vgl. etwa Urteile des BGer H 181/05 vom 16. März 2006 E. 2.3; 1P.259/1996 vom 8. Juli 1996 E. 2c [in: Die Praxis 1996 Nr. 217 S. 837 ff.]). Die Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege (BBl 2001 4202) nennt als Gründe für das Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Rechtsmittel etwa das Nichtleisten des Kostenvorschusses oder das klar verspätete Erheben eines Rechtsmittels (vgl. BBl 2001 4202, 4384).

11.3 Da die Fragen der fehlenden Entschuldbarkeit von verspätet geltend gemachten Revisionsgründen und einer drohenden Verletzung völkerrechtlicher Wegweisungsvollzugshindernisse nicht ohne Weiteres beantwortet werden können, fehlt es an der verlangten Offensichtlichkeit gemäss Art. 23 Abs. 1
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 23 Einzelrichter oder Einzelrichterin - 1 Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin entscheidet als Einzelrichter beziehungsweise Einzelrichterin über:
1    Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin entscheidet als Einzelrichter beziehungsweise Einzelrichterin über:
a  die Abschreibung von gegenstandslos gewordenen Verfahren;
b  das Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Rechtsmittel.
2    Vorbehalten bleiben die besonderen Zuständigkeiten des Einzelrichters beziehungsweise der Einzelrichterin nach:
a  Artikel 111 Absatz 2 Buchstabe c des Asylgesetzes vom 26. Juni 19988;
b  den Artikeln 29, 31 und 41 des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. September 20159 (NDG);
c  den Bundesgesetzen über die Sozialversicherung.10
VGG. Es handelt sich demnach bei der vorliegenden Konstellation nicht um ein Revisionsgesuch, dessen Unzulässigkeit ohne Weiteres feststellbar ist, womit es nicht in die einzelrichterliche Zuständigkeit fällt.

12.
Gestützt auf die vorangegangenen Erwägungen ist festzuhalten, dass auf ein Revisionsgesuch in einem Spruchkörper aus drei Richterinnen und Richtern nicht einzutreten ist, wenn der angerufene Revisionsgrund bereits im ordentlichen Verfahren hätte geltend gemacht werden können und wenn eine drohende Verletzung völkerrechtlicher Wegweisungsvollzugs-hindernisse nicht schlüssig nachgewiesen ist.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2021/VI/4
Datum : 16. November 2021
Publiziert : 10. Oktober 2022
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2021/VI/4
Sachgebiet : VI (Asylrecht)
Gegenstand : Asylverfahren (Übriges)


Gesetzesregister
Abk Flüchtlinge: 33
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 33 Verbot der Ausweisung und Zurückstellung - 1. Kein vertragsschliessender Staat darf einen Flüchtling in irgendeiner Form in das Gebiet eines Landes ausweisen oder zurückstellen, wo sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauungen gefährdet wäre.
1    Kein vertragsschliessender Staat darf einen Flüchtling in irgendeiner Form in das Gebiet eines Landes ausweisen oder zurückstellen, wo sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauungen gefährdet wäre.
2    Auf diese Vorschrift kann sich ein Flüchtling nicht berufen, wenn erhebliche Gründe dafür vorliegen, dass er als eine Gefahr für die Sicherheit des Aufenthaltsstaates angesehen werden muss oder wenn er eine Bedrohung für die Gemeinschaft dieses Landes bedeutet, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist.
BGG: 123
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 123 Andere Gründe - 1 Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
1    Die Revision kann verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
2    Die Revision kann zudem verlangt werden:
a  in Zivilsachen und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind;
b  in Strafsachen, wenn die Voraussetzungen von Artikel 410 Absätze 1 Buchstaben a und b sowie 2 StPO108 erfüllt sind;
c  in Sachen, die Ansprüche auf Ersatz von nuklearem Schaden betreffen, aus den in Artikel 5 Absatz 5 Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 13. Juni 2008110 genannten Gründen.
EMRK: 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
VGG: 21 
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 21 Besetzung - 1 Die Abteilungen entscheiden in der Regel in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen (Spruchkörper).
1    Die Abteilungen entscheiden in der Regel in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen (Spruchkörper).
2    Sie entscheiden in Fünferbesetzung, wenn der Präsident beziehungsweise die Präsidentin dies im Interesse der Rechtsfortbildung oder der Einheit der Rechtsprechung anordnet.
23
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 23 Einzelrichter oder Einzelrichterin - 1 Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin entscheidet als Einzelrichter beziehungsweise Einzelrichterin über:
1    Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin entscheidet als Einzelrichter beziehungsweise Einzelrichterin über:
a  die Abschreibung von gegenstandslos gewordenen Verfahren;
b  das Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Rechtsmittel.
2    Vorbehalten bleiben die besonderen Zuständigkeiten des Einzelrichters beziehungsweise der Einzelrichterin nach:
a  Artikel 111 Absatz 2 Buchstabe c des Asylgesetzes vom 26. Juni 19988;
b  den Artikeln 29, 31 und 41 des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. September 20159 (NDG);
c  den Bundesgesetzen über die Sozialversicherung.10
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EMARK
1995/9
BBl
2001/4202
Pra
85 Nr. 217