2017 VI/1

Auszug aus dem Urteil der Abteilung IV
i. S. A. gegen Staatssekretariat für Migration
D-2427/2016 vom 10. Februar 2017

Nichteintreten auf ein Asylgesuch (Dublin-Verfahren). Zuständigkeit der Schweiz, wenn sich der Ehepartner als Begünstigter internationalen Schutzes in der Schweiz befindet.

Art. 31a Abs. 1 Bst. b
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 31a Entscheide des SEM - 1 Das SEM tritt in der Regel auf Asylgesuche nicht ein, wenn Asylsuchende:
1    Das SEM tritt in der Regel auf Asylgesuche nicht ein, wenn Asylsuchende:
a  in einen sicheren Drittstaat nach Artikel 6a Absatz 2 Buchstabe b zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben;
b  in einen Drittstaat ausreisen können, welcher für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist;
c  in einen Drittstaat zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben;
d  in einen Drittstaat weiterreisen können, für welchen sie ein Visum besitzen und in welchem sie um Schutz nachsuchen können;
e  in einen Drittstaat weiterreisen können, in dem Personen, zu denen sie enge Beziehungen haben, oder nahe Angehörige leben;
f  nach Artikel 31b in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat weggewiesen werden können.
2    Absatz 1 Buchstaben c-e findet keine Anwendung, wenn Hinweise bestehen, dass im Einzelfall im Drittstaat kein effektiver Schutz vor Rückschiebung nach Artikel 5 Absatz 1 besteht.
3    Das SEM tritt auf ein Gesuch nicht ein, welches die Voraussetzungen von Artikel 18 nicht erfüllt. Dies gilt namentlich, wenn das Asylgesuch ausschliesslich aus wirtschaftlichen oder medizinischen Gründen eingereicht wird.
4    In den übrigen Fällen lehnt das SEM das Asylgesuch ab, wenn die Flüchtlingseigenschaft weder bewiesen noch glaubhaft gemacht worden ist oder ein Asylausschlussgrund nach den Artikeln 53 und 54 vorliegt.96
AsylG. Art. 2 Bst. g und Art. 9 Dublin-III-VO.

1. Asylsuchende können sich direkt auf Art. 9 Dublin-III-VO berufen. Bestätigung der Rechtsprechung (BVGE 2015/41; E. 4.2).

2. Art. 2 Bst. g Dublin-III-VO, welcher Familienangehörige definiert, stellt für (formelle) Ehegatten keine weiteren Voraussetzungen auf, wohingegen für nicht verheiratete Partner eine dauerhafte Beziehung verlangt wird (E. 4.2).

3. Art. 9 Dublin-III-VO verlangt, dass der sich in der Schweiz aufhaltende Familienangehörige in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in der Schweiz aufenthaltsberechtigt ist (vgl. BVGE 2015/18). Internationaler Schutz umfasst nebst der Flüchtlingseigenschaft auch einen Schutzstatus aufgrund einer ernsthaften Bedrohung von Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts. Darunter ist auch eine vorläufige Aufnahme wegen Unzumutbarkeit zu subsumieren, welche mit einer prekären Sicherheitslage begründet ist (E. 4.3).

Non-entrée en matière sur une demande d'asile (procédure Dublin). Compétence de la Suisse lorsque le conjoint séjourne en Suisse au bénéfice d'une protection internationale.

Art. 31a al. 1 let. b LAsi. Art. 2 let. g et art. 9 règlement Dublin III.

1. Les requérants d'asile peuvent requérir l'application directe de l'art. 9 du règlement Dublin III. Confirmation de la jurisprudence (ATAF 2015/41; consid. 4.2).

2. L'art. 2 let. g du règlement Dublin III, qui définit la notion de membres de la famille, ne pose aucune condition supplémentaire pour les conjoints (au sens formel), alors que les partenaires non mariés doivent être engagés dans une relation stable (consid. 4.2).

3. L'art. 9 règlement Dublin III exige que le membre de la famille du demandeur soit admis résider en Suisse en tant que bénéficiaire d'une protection internationale (cf. ATAF 2015/18). La protection internationale englobe, outre la qualité de réfugié, le statut destiné protéger contre une menace grave envers la vie et l'intégrité corporelle en raison d'une violence aveugle en cas de conflit armé. Partant, il convient d'admettre que l'admission provisoire, accordée pour inexigibilité de l'exécution du renvoi en raison d'une situation sécuritaire précaire, équivaut une protection internationale (consid. 4.3).

Non entrata nel merito di una domanda d'asilo (procedura Dublino). Competenza della Svizzera quando il coniuge vi soggiorna in qualit di beneficiario di protezione internazionale.

Art. 31a cpv. 1 lett. b LAsi. Art. 2 lett. g e art. 9 regolamento Dublino III.

1. I richiedenti l'asilo possono invocare direttamente l'art. 9 del regolamento Dublino III. Conferma della giurisprudenza (DTAF 2015/41; consid. 4.2).

2. L'art. 2 lett. g del regolamento Dublino III, che definisce i familiari, non prevede ulteriori presupposti per i coniugi (in senso formale), mentre per i partner non sposati esige una relazione stabile (consid. 4.2).

3. L'art. 9 del regolamento Dublino III presuppone che il familiare che risiede in Svizzera sia autorizzato a soggiornarvi in qualit di beneficiario di protezione internazionale (cf. DTAF 2015/18). Oltre alla qualit di rifugiato, la protezione internazionale include anche uno statuto di protezione giustificato da una grave minaccia per la vita e l'integrit fisica, dovuta a violenza arbitraria esercitata nell'ambito di un conflitto armato. In tale definizione occorre inglobare anche l'ammissione provvisoria per inesigibilit dell'esecuzione dell'allontanamento giustificata dalla precariet delle condizioni di sicurezza (consid. 4.3).

Die Beschwerdeführerin ersuchte in der Schweiz am 28. September 2015 um Asyl.

Mit Verfügung vom 30. März 2016 trat das Staatssekretariat für Migration (SEM) in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 31a Entscheide des SEM - 1 Das SEM tritt in der Regel auf Asylgesuche nicht ein, wenn Asylsuchende:
1    Das SEM tritt in der Regel auf Asylgesuche nicht ein, wenn Asylsuchende:
a  in einen sicheren Drittstaat nach Artikel 6a Absatz 2 Buchstabe b zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben;
b  in einen Drittstaat ausreisen können, welcher für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist;
c  in einen Drittstaat zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben;
d  in einen Drittstaat weiterreisen können, für welchen sie ein Visum besitzen und in welchem sie um Schutz nachsuchen können;
e  in einen Drittstaat weiterreisen können, in dem Personen, zu denen sie enge Beziehungen haben, oder nahe Angehörige leben;
f  nach Artikel 31b in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat weggewiesen werden können.
2    Absatz 1 Buchstaben c-e findet keine Anwendung, wenn Hinweise bestehen, dass im Einzelfall im Drittstaat kein effektiver Schutz vor Rückschiebung nach Artikel 5 Absatz 1 besteht.
3    Das SEM tritt auf ein Gesuch nicht ein, welches die Voraussetzungen von Artikel 18 nicht erfüllt. Dies gilt namentlich, wenn das Asylgesuch ausschliesslich aus wirtschaftlichen oder medizinischen Gründen eingereicht wird.
4    In den übrigen Fällen lehnt das SEM das Asylgesuch ab, wenn die Flüchtlingseigenschaft weder bewiesen noch glaubhaft gemacht worden ist oder ein Asylausschlussgrund nach den Artikeln 53 und 54 vorliegt.96
AsylG (SR 142.31) auf das Asylgesuch der Beschwerdeführerin nicht ein und ordnete die Überstellung nach Kroatien an.

Das SEM begründete seine Verfügung damit, Kroatien sei für das Asylverfahren zuständig, da sich die Beschwerdeführerin vor ihrer Einreise in die Schweiz dort aufgehalten habe. Aus der Berufung auf den in der Schweiz lebenden Ehemann vermöge sie nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Unter Art. 2 Bst. g der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABI. L 180/31 vom 29.6.2013 (nachfolgend: Dublin-III-VO), würden unter den Begriff der Familienangehörigen unter anderem Ehegatten und nicht verheiratete Partner, welche eine dauerhafte Beziehung führen würden, fallen. In diesem Zusammenhang sei Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK zu beachten. Zur Bestimmung der tatsächlichen Beziehung seien unterschiedliche Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere das gemeinsame Wohnen, die finanzielle Verflochtenheit, die Bindung der Partner aneinander sowie die Stabilität und die Dauer der Beziehung. Die Beschwerdeführerin habe geltend gemacht, ihren Ehemann 2013
nach Brauch im Iran geheiratet zu haben, als dieser dort zu Besuch gewesen sei. Danach sei er noch einmal zu Besuch im Iran gewesen. In der Zwischenzeit hätten sie telefonischen Kontakt gepflegt. Somit hätten sie sich vor Einreichung des Gesuchs lediglich zweimal für kurze Zeit gesehen und nie zusammen in einem Haushalt gelebt. Es liege daher keine dauerhafte Beziehung im Sinne von Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK vor.

Diese Verfügung focht die Beschwerdeführerin mit Eingabe ihrer Rechtsvertreterin beim Bundesverwaltungsgericht an. In der Beschwerde wurde gegen die Argumentation des SEM eingewendet, der Ehemann habe aufgrund fehlender Papiere der Beschwerdeführerin kein Gesuch um Familiennachzug einreichen können. Sie seien jedoch über das Internet in ständigem Kontakt gestanden und der Ehemann habe die Beschwerdeführerin einmal pro Jahr besucht. Ihr Ziel sei die Schweiz gewesen, da ihr Ehemann seit längerer Zeit hier lebe, einer Arbeit nachgehe und für ihren Unterhalt aufkomme. Gemäss Art. 9 Dublin-III-VO sei die Schweiz aufgrund der hiesigen Anwesenheit des Ehemannes für die Prüfung des Asylgesuchs zuständig.

In der Vernehmlassung erwiderte das SEM, nach den Kriterien von Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK sei in erster Linie nicht das rechtliche Band, sondern eine tatsächlich gelebte und dauerhafte Beziehung geschützt. Es lasse sich festhalten, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann im Iran keinen gemeinsamen Haushalt geführt hätten und auch in der Schweiz erst seit dem Frühjahr 2016 zusammenwohnen würden. Vor der Einreise in die Schweiz hätten sie sich zweimal kurz gesehen. Daraus lasse sich nicht erkennen, dass eine tatsächlich gelebte und dauerhafte Beziehung bestehe. Somit könne der Ehemann nicht als Familienangehöriger im Sinne von Art. 9 Dublin-III-VO gelten. Aus denselben Gründen verstosse der Nichteintretensentscheid auch nicht gegen Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK.

In der Replik wendete die Beschwerdeführerin ein, durch die Heiratsurkunde sei belegt, dass sie nicht nur nach Brauch verheiratet sei. Sie habe auch stets beabsichtigt, mit ihrem Ehemann eine Familie zu gründen, und ihr Ehemann hätte sie früher in die Schweiz gebracht, wenn dies möglich gewesen wäre. Art. 9 Dublin-III-VO verlange nicht, dass die Beziehung bereits im Heimatland bestanden habe. Ausschlaggebend sei die Frage, ob in der Vergangenheit ein Zusammenleben im Iran oder in der Schweiz möglich gewesen sei. Die Antwort sei nein, da sie illegal im Iran gelebt habe und ihr Ehemann eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz gehabt habe. Hier in der Schweiz würden sie nun jedoch ein intaktes Familienleben führen.

Das Bundesverwaltungsgericht heisst die Beschwerde gut, hebt den Nichteintretensentscheid auf und weist die Vorinstanz an, das Asylverfahren in der Schweiz durchzuführen.

Aus den Erwägungen:

4.

4.1 Das SEM hat im vorliegenden Fall das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 9 Dublin-III-VO zu Unrecht verneint. Eingangs ist zu bemerken, dass das SEM diese Bestimmung in der angefochtenen Verfügung nicht geprüft hat und in seinem Übernahmeersuchen an Kroatien auch nicht erwähnte, dass die Beschwerdeführerin gemäss eigenen Angaben mit einer in der Schweiz anwesenden Person verheiratet sei. Da sich die Vorinstanz in der Vernehmlassung jedoch explizit mit Art. 9 Dublin-III-VO auseinandergesetzt hat und der Beschwerdeführerin in der Replik die Möglichkeit zu einer Stellungnahme eingeräumt wurde, kann ersterer Mangel als geheilt betrachtet werden. Aufgrund der Gutheissung offenbleiben kann die Rechtsfolge der Unterlassung, die kroatischen Behörden auf die Anwesenheit des Ehemanns in der Schweiz hinzuweisen.

4.2 Gemäss bundesverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung kann sich die Beschwerdeführerin direkt auf Art. 9 Dublin-III-VO berufen (vgl. BVGE 2015/41 E. 5). Art. 2 Bst. g Dublin-III-VO, welcher die Familienangehörigen definiert, stellt für (formelle) Ehegatten keine weiteren Voraussetzungen auf, wohingegen für nicht verheiratete Partner eine dauerhafte Beziehung verlangt wird (vgl. BVGE 2015/41 E. 8.1 m.w.H.). Die Argumentation des SEM, wonach die Anwendbarkeit von Art. 9 Dublin-III-VO daran scheitere, dass die Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrem Ehemann nicht als dauerhaft und gefestigt erachtet werden könne, ist daher unzutreffend. Aufgrund der eingereichten Heiratsurkunde sowie der Aussagen der Beschwerdeführerin ist als erwiesen zu erachten, dass sie und ihr in der Schweiz lebende Partner als Ehegatten im Sinne von Art. 2 Bst. g Dublin-III-VO zu erachten sind (vgl. zum Beweismass E. 7.1â¿¿7.3). Der blosse Umstand, dass sich die Eheleute vor ihrer Vereinigung in der Schweiz erst zweimal gesehen haben, vermag demgegenüber nicht zum gegenteiligen Schluss zu führen.

4.3 Art. 9 Dublin-III-VO setzt voraus, dass der sich in der Schweiz befindende Familienangehörige in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in der Schweiz aufenthaltsberechtigt sein muss (vgl. zum Ganzen BVGE 2015/18 E. 3). Art. 2 Bst. f Dublin-III-VO verweist für die Definition dieser Eigenschaft auf Art. 2 Bst. a der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung), ABI. L 337/9 vom 20.12.2011 (nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie). Der Terminus " internationaler Schutz " umfasst die Flüchtlingseigenschaft sowie den subsidiären Schutzstatus. Letzterer liegt vor, wenn eine Person zwar die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt, ihr aber Schutz gewährt wird, da sie in ihrem Heimatstaat â¿¿ unter anderem â¿¿ einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder
innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (Art. 2 Bst. f und g i.V.m. Art. 15 Bst. c Qualifikationsrichtlinie).

Der Ehemann der Beschwerdeführerin wurde mit Verfügung des SEM vom 12. Mai 2010 wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs in der Schweiz vorläufig aufgenommen. Diese vorläufige Aufnahme besteht bis heute fort. Der Grund für die Anordnung der vorläufigen Aufnahme war einerseits, dass der Ehemann über keine Familienangehörigen in Afghanistan verfügt und andererseits aus einem Landesteil Afghanistans mit einer prekären Sicherheitslage stammt. Die Unzumutbarkeit gründet somit (teilweise) in der mangelhaften Sicherheitslage und der damit verbundenen Gefahr, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, und ist somit unter den Begriff des internationalen Schutzes zu subsumieren.

4.4 Schliesslich haben die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann ihren Wunsch, dass das Asylgesuch in der Schweiz geprüft werde (vgl. Art. 9 in fine Dublin-III-VO), schriftlich kundgetan, wobei betreffend den Ehemann auf die bei der kantonalen Migrationsbehörde eingereichte Eingabe vom 4. September 2014 (als Beschwerdebeilage eingereicht) und betreffend die Beschwerdeführerin auf die Eingabe vom 16. März 2016 ([...]) verwiesen werden kann.

4.5 Somit ist die Schweiz nach Art. 9 Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens der Beschwerdeführerin zuständig. Die Vorinstanz ist damit zu Unrecht auf ihr Asylgesuch nicht eingetreten, weshalb die angefochtene Verfügung aufzuheben ist. Das SEM ist anzuweisen, sich für die Behandlung ihres Asylgesuchs für zuständig zu erklären und die kroatischen Behörden entsprechend zu informieren.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2017/VI/1
Datum : 10. Februar 2017
Publiziert : 27. September 2018
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2017/VI/1
Sachgebiet : VI (Asylrecht)
Gegenstand : Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren)
Einordnung : Bestätigung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
AsylG: 31a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 31a Entscheide des SEM - 1 Das SEM tritt in der Regel auf Asylgesuche nicht ein, wenn Asylsuchende:
1    Das SEM tritt in der Regel auf Asylgesuche nicht ein, wenn Asylsuchende:
a  in einen sicheren Drittstaat nach Artikel 6a Absatz 2 Buchstabe b zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben;
b  in einen Drittstaat ausreisen können, welcher für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist;
c  in einen Drittstaat zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben;
d  in einen Drittstaat weiterreisen können, für welchen sie ein Visum besitzen und in welchem sie um Schutz nachsuchen können;
e  in einen Drittstaat weiterreisen können, in dem Personen, zu denen sie enge Beziehungen haben, oder nahe Angehörige leben;
f  nach Artikel 31b in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat weggewiesen werden können.
2    Absatz 1 Buchstaben c-e findet keine Anwendung, wenn Hinweise bestehen, dass im Einzelfall im Drittstaat kein effektiver Schutz vor Rückschiebung nach Artikel 5 Absatz 1 besteht.
3    Das SEM tritt auf ein Gesuch nicht ein, welches die Voraussetzungen von Artikel 18 nicht erfüllt. Dies gilt namentlich, wenn das Asylgesuch ausschliesslich aus wirtschaftlichen oder medizinischen Gründen eingereicht wird.
4    In den übrigen Fällen lehnt das SEM das Asylgesuch ab, wenn die Flüchtlingseigenschaft weder bewiesen noch glaubhaft gemacht worden ist oder ein Asylausschlussgrund nach den Artikeln 53 und 54 vorliegt.96
EMRK: 8
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EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
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