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Auszug aus dem Urteil der Abteilung V

i. S. G. gegen Bundesamt für Migration

E-6496/2009 vom 16. November 2011

Asylverfahren. Wiedererwägungsrecht der Vorinstanz bei Beschwerden gegen Nichteintretensverfügungen.

Art. 32 -Art. 35a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 35a Wiederaufnahme des Asylverfahrens im Rahmen des Dublin-Verfahrens - Ist die Schweiz aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013101 für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig, so wird das Asylverfahren wieder aufgenommen, und zwar auch dann, wenn das Asylgesuch zuvor abgeschrieben wurde.
AsylG. Art. 58 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 58
1    Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen.
2    Sie eröffnet eine neue Verfügung ohne Verzug den Parteien und bringt sie der Beschwerdeinstanz zur Kenntnis.
3    Die Beschwerdeinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch die neue Verfügung der Vorinstanz nicht gegenstandslos geworden ist; Artikel 57 findet Anwendung, wenn die neue Verfügung auf einem erheblich veränderten Sachverhalt beruht oder eine erheblich veränderte Rechtslage schafft.
und 2
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 58
1    Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen.
2    Sie eröffnet eine neue Verfügung ohne Verzug den Parteien und bringt sie der Beschwerdeinstanz zur Kenntnis.
3    Die Beschwerdeinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch die neue Verfügung der Vorinstanz nicht gegenstandslos geworden ist; Artikel 57 findet Anwendung, wenn die neue Verfügung auf einem erheblich veränderten Sachverhalt beruht oder eine erheblich veränderte Rechtslage schafft.
VwVG.

1. Bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es das Bundesamt für Migration (BFM) ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu überprüfen (Art. 32 -Art. 35a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 35a Wiederaufnahme des Asylverfahrens im Rahmen des Dublin-Verfahrens - Ist die Schweiz aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013101 für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig, so wird das Asylverfahren wieder aufgenommen, und zwar auch dann, wenn das Asylgesuch zuvor abgeschrieben wurde.
AsylG), beschränkt sich die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz praxisgemäss auf die Überprüfung der Frage, ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist (E. 3).

2. Feststellung der Nichtigkeit einer Verfügung des BFM, mit der die Vorinstanz nach Abschluss des Schriftenwechsels ihren beim Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Nichteintretensentscheid aufgehoben und durch eine neue Nichteintretensverfügung (gestützt auf einen anderen gesetzlichen Tatbestand) ersetzt hatte, ohne das Bundesverwaltungsgericht von der neuen Verfügung in Kenntnis zu setzen (E. 4 und 5).

Procédure d'asile. Droit de réexamen de l'instance inférieure dans les cas de recours contre une décision de non-entrée en matière.

Art. 32-art. 35a LAsi. Art. 58 al. 1 et 2 PA.

1. En cas de recours contre des décisions de non-entrée en matière par lesquelles l'Office fédéral des migrations (ODM) refuse d'examiner le bien-fondé de la demande d'asile (art. 32-art. 35a LAsi), le pouvoir d'examen de l'autorité de recours est limité, dans la pratique, à examiner si l'instance inférieure a refusé à juste titre d'entrer en matière sur la demande d'asile (consid. 3).

2. Constatation de la nullité d'une décision de l'ODM par laquelle celui-ci, après la fin de l'échange d'écritures, a annulé sa décision de non-entrée en matière qui était attaquée devant le Tribunal administratif fédéral et l'a remplacée par une nouvelle décision de non-entrée en matière (fondée sur une autre disposition légale), sans informer le Tribunal administratif fédéral de cette nouvelle décision (consid. 4 et 5).

Procedura di asilo. Diritto di riesame dell'autorità inferiore in caso di ricorso contro una decisione di non entrata nel merito.

Art. 32-art. 35a LAsi. Art. 58 cpv. 1 e 2 PA.

1. In caso di ricorso contro una decisione di non entrata nel merito in cui l'Ufficio federale della migrazione (UFM) rifiuta di esaminare la fondatezza della domanda di asilo (art. 32-35a LAsi), l'autorità di ricorso si limita, secondo la prassi, a esaminare se l'autorità inferiore ha rifiutato a giusto titolo di entrare nel merito della domanda di asilo (consid. 3).

2. Costatazione della nullità di una decisione dell'UFM con cui l'autorità inferiore, terminato lo scambio di scritti, ha annullato una sua decisione di non entrata nel merito impugnata dinnanzi al Tribunale amministrativo federale sostituendola con una nuova decisione di non entrata nel merito (fondata su un'altra disposizione legale) senza informarne il Tribunale amministrativo federale (consid. 4 e 5).


Faits

Aus den Erwägungen:


3. Bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es das Bundesamt für Migration (BFM) ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu überprüfen (Art. 32 -Art. 35a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 35a Wiederaufnahme des Asylverfahrens im Rahmen des Dublin-Verfahrens - Ist die Schweiz aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013101 für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig, so wird das Asylverfahren wieder aufgenommen, und zwar auch dann, wenn das Asylgesuch zuvor abgeschrieben wurde.
des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]), ist die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz praxisgemäss auf die Überprüfung der Frage beschränkt, ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist. Die Beschwerdeinstanz enthält sich, sofern sie die Anwendung des Nichteintretenstatbestands als unrechtmässig erachtet, einer selbständigen materiellen Prüfung, hebt die angefochtene Verfügung auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission 2004 Nr. 34 E. 2.1 S. 240f.).

4. Das vorliegende Beschwerdeverfahren weist die Besonderheit auf, dass das BFM im Frühling 2010 seine Akten beim Bundesverwaltungsgericht bestellte und mit Verfügung am 21. Mai 2010 den angefochtenen Nichteintretensentscheid vom 9. Oktober 2009 ersetzte. Beide Verfügungen wiesen - abgesehen von einer neu gesetzten Ausreisefrist - ein identisches Dispositiv auf (Nichteintreten auf das Asylgesuch, Anordnung der Wegweisung und des Wegweisungsvollzugs, Bezeichnung des mit dem Vollzug beauftragten Kantons). Hingegen hatte sich die juristische Begründung der ersten Verfügung auf Art. 32 Abs. 2 Bst. a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 35a Wiederaufnahme des Asylverfahrens im Rahmen des Dublin-Verfahrens - Ist die Schweiz aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013101 für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig, so wird das Asylverfahren wieder aufgenommen, und zwar auch dann, wenn das Asylgesuch zuvor abgeschrieben wurde.
AsylG (Nichtabgabe von Reise- oder Identitätspapieren) abgestützt, während die zweite mit der Bestimmung von Art. 34 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 35a Wiederaufnahme des Asylverfahrens im Rahmen des Dublin-Verfahrens - Ist die Schweiz aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013101 für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig, so wird das Asylverfahren wieder aufgenommen, und zwar auch dann, wenn das Asylgesuch zuvor abgeschrieben wurde.
AsylG (Herkunft aus einem so genannten Safe Country) begründet wurde. Im Ergebnis wechselte das BFM somit während des Beschwerdeverfahrens die Begründung seines Nichteintretensentscheids aus.

Die Verfügung vom 21. Mai 2010 erging ausserhalb eines Vernehmlassungsverfahrens und ohne vorgängige Absprache mit dem Instruktionsrichter des Bundesverwaltungsgerichts. Die neu erlassene Verfügung wurde den Beschwerdeführenden korrekt eröffnet, dem in der Sache zuständigen Gericht jedoch nicht zur Kenntnis gebracht. Das BFM beschränkte sich darauf, die neue Verfügung zu seinen Akten zu nehmen und diese daraufhin ungeachtet des hängigen Beschwerdeverfahrens in seinem Archiv abzulegen. Das Gericht erfuhr erst nach Eingang des Schreibens des Rechtsvertreters (...) vom 17. August 2010 - und erneuter Bestellung der Vorakten aus dem BFM-Archiv - von der Verfügung vom 21. Mai 2010 und ihrer Begründung.

Es stellt sich in diesem Zusammenhang vorab die Frage der Zulässigkeit respektive der rechtlichen Konsequenzen dieser prozessualen Vorgehensweise des BFM.

5.1 Gemäss Art. 54
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 54 - Die Behandlung der Sache, die Gegenstand der mit Beschwerde angefochtenen Verfügung bildet, geht mit Einreichung der Beschwerde auf die Beschwerdeinstanz über.
des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021) geht die Behandlung der Sache, die Gegenstand der mit Beschwerde angefochtenen Verfügung bildet, mit Einreichung der Beschwerde auf die Beschwerdeinstanz über (so genannter Devolutiveffekt; vgl. hierzu etwa Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 189f.; Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 236). Mit der Rechtshängigkeit der Beschwerde übernimmt die Beschwerdeinstanz die Prozessleitungsbefugnis, was bedeutet, dass sich grundsätzlich keine andere Behörde als die zuständige Rechtsmittelinstanz mit der Angelegenheit befassen darf; insbesondere wird der Vorinstanz die Herrschaft über den Streitgegenstand entzogen und sie darf sich grundsätzlich nicht mehr mit der Angelegenheit befassen (vgl. Regina Kiener, in: Christoph Auer/Markus Müller/Benjamin Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Zürich 2008, Rz. 1 ff. zu Art. 54 mit weiteren Hinweisen auf Lehre und Praxis).

5.2 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz - mithin ein Durchbrechen respektive Aufschieben des Devolutiveffekts - bilden die Regeln über die Wiedererwägung gemäss Art. 58 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 58
1    Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen.
2    Sie eröffnet eine neue Verfügung ohne Verzug den Parteien und bringt sie der Beschwerdeinstanz zur Kenntnis.
3    Die Beschwerdeinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch die neue Verfügung der Vorinstanz nicht gegenstandslos geworden ist; Artikel 57 findet Anwendung, wenn die neue Verfügung auf einem erheblich veränderten Sachverhalt beruht oder eine erheblich veränderte Rechtslage schafft.
VwVG. Diese Bestimmung sieht ausdrücklich vor, dass die Vorinstanz die angefochtene Verfügung « bis zu ihrer Vernehmlassung » in Wiedererwägung ziehen darf. Somit besteht in diesen Fällen trotz Eintritt des Devolutiveffekts eine Art Zuständigkeitskonkurrenz zwischen der Vorinstanz und der Rechtsmittelinstanz, die es der Verwaltungsbehörde ermöglichen soll, aufgrund neuer Tatsachen oder aus besserer Einsicht auf die Verfügung zurückzukommen. Die Regelung knüpft an die in Lehre und Rechtsprechung anerkannte Vorstellung an, wonach einmal erlassene Verfügungen grundsätzlich abgeändert werden können. Muss die Behörde aufgrund der berechtigten Einwände in der Beschwerde anerkennen, dass ihr ein Fehler unterlaufen ist, soll sie, wenn dies möglich ist, aus prozessökonomischen Gründen sogleich neu verfügen können; damit lassen sich unnötiger Aufwand und Kosten im Rechtsmittelverfahren sparen (vgl. etwa August Mächler, in: Christoph Auer/Markus Müller/Benjamin Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das
Verwaltungsverfahren [VwVG], Zürich 2008, Rz. 2 ff. zu Art. 58 mit weiteren Hinweisen).

5.3.1 Nach herrschender Lehre und Praxis des Bundesgerichts ist eine Wiedererwägung durch die Vorinstanz nur bis zum Abschluss des Schriftenwechsels möglich, wobei nicht nur die erste Vernehmlassung der Vorinstanz, sondern auch jede weitere Stellungnahme im Sinne von Art. 57 Abs. 2
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 57
1    Die Beschwerdeinstanz bringt eine nicht zum vornherein unzulässige oder unbegründete Beschwerde ohne Verzug der Vorinstanz und allfälligen Gegenparteien des Beschwerdeführers oder anderen Beteiligten zur Kenntnis, setzt ihnen Frist zur Vernehmlassung an und fordert gleichzeitig die Vorinstanz zur Vorlage ihrer Akten auf.100
2    Sie kann die Parteien auf jeder Stufe des Verfahrens zu einem weiteren Schriftenwechsel einladen oder eine mündliche Verhandlung mit ihnen anberaumen.
VwVG gemeint ist, zu der diese von der Beschwerdeinstanz eingeladen worden ist. Die Befugnis der Vorinstanz zur Wiedererwägung endet demnach spätestens nach Ablauf der Frist zur letztmals ermöglichten Stellungnahme; nach diesem Zeitpunkt erlassene neue Verfügungen sind nichtig (vgl. BGE 130 V 138 E. 4.2 mit weiteren Hinweisen; Mächler, a. a.O., Rz. 12 zu Art. 58
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 58
1    Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen.
2    Sie eröffnet eine neue Verfügung ohne Verzug den Parteien und bringt sie der Beschwerdeinstanz zur Kenntnis.
3    Die Beschwerdeinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch die neue Verfügung der Vorinstanz nicht gegenstandslos geworden ist; Artikel 57 findet Anwendung, wenn die neue Verfügung auf einem erheblich veränderten Sachverhalt beruht oder eine erheblich veränderte Rechtslage schafft.
und Andrea Pfleiderer, in: Praxiskommentar VwVG, Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger [Hrsg.], Zürich 2009, N. 36 zu Art. 58, je mit weiteren Hinweisen). Nichtigkeit bedeutet die absolute Unwirksamkeit einer Verfügung, die demnach keinerlei Rechtswirkung entfalten kann (vgl. Ulrich Häfelin/ Georg Müller/ Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich/ St. Gallen 2010, Rz. 955).

Wird eine neue Verfügung zu einem späteren Zeitpunkt erlassen, kann sie allenfalls als Antrag einer Prozesspartei an den Richter interpretiert werden, in diesem Sinne zu verfügen (vgl. BGE 130 V 138 E. 4.2) oder einen weiteren Schriftenwechsel zur Ermöglichung einer Wiedererwägung zu eröffnen (vgl. Pfleiderer, a. a.O. und Mächler, a. a.O.).

5.3.2 Diese in Lehre und Praxis vertretene Auffassung ist auch deshalb überzeugend, weil der geordnete Ablauf eines Beschwerdeverfahrens kaum mehr möglich wäre, wenn es der Vorinstanz zu jedem beliebigen Zeitpunkt, beispielsweise also auch während der Urteilsfällung, freistehen würde, in eigener Regie auf ihre Verfügung zurückzukommen. Die gleichen prozessökonomischen Überlegungen, die zur Regelung von Art. 58 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 58
1    Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen.
2    Sie eröffnet eine neue Verfügung ohne Verzug den Parteien und bringt sie der Beschwerdeinstanz zur Kenntnis.
3    Die Beschwerdeinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch die neue Verfügung der Vorinstanz nicht gegenstandslos geworden ist; Artikel 57 findet Anwendung, wenn die neue Verfügung auf einem erheblich veränderten Sachverhalt beruht oder eine erheblich veränderte Rechtslage schafft.
VwVG geführt haben (vgl. E. 5.2), sprechen demnach auch für eine zeitliche Beschränkung der Wiedererwägungsmöglichkeit der Vorinstanz respektive dafür, dass diese im Rahmen eines von der Beschwerdeinstanz angeordneten Schriftenwechsels auf ihre Verfügung zurückkommen soll. Dies zeigt sich beispielhaft am vorliegenden Verfahren, in dem die Wiedererwägungsverfügung vom 21. Mai 2010 nicht zur Vermeidung von unnötigem Aufwand und Kosten im Beschwerdeverfahren geführt hat, sondern zum Gegenteil.

5.4 Nach dem Gesagten war es dem BFM verwehrt, in der Angelegenheit nach geschlossenem Schriftenwechsel eine neue Verfügung zu erlassen. Die zweite Verfügung vom 21. Mai 2010, die ohne funktionelle Zuständigkeit der verfügenden Behörde und unter Verletzung der Bestimmung von Art. 58 Abs. 2
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 58
1    Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen.
2    Sie eröffnet eine neue Verfügung ohne Verzug den Parteien und bringt sie der Beschwerdeinstanz zur Kenntnis.
3    Die Beschwerdeinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch die neue Verfügung der Vorinstanz nicht gegenstandslos geworden ist; Artikel 57 findet Anwendung, wenn die neue Verfügung auf einem erheblich veränderten Sachverhalt beruht oder eine erheblich veränderte Rechtslage schafft.
in fine VwVG (umgehende Benachrichtigung der Beschwerdeinstanz) zustande gekommen ist, erweist sich damit als nichtig (vgl. BGE 133 II 366 E. 3.2 und BGE 129 I 361 E. 2.1).

5.5 Mit dieser Feststellung der Nichtigkeit der zweiten, auf der Grundlage von Art. 34 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 35a Wiederaufnahme des Asylverfahrens im Rahmen des Dublin-Verfahrens - Ist die Schweiz aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013101 für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig, so wird das Asylverfahren wieder aufgenommen, und zwar auch dann, wenn das Asylgesuch zuvor abgeschrieben wurde.
AsylG erlassenen Nichteintretensverfügung ist das Beschwerdeverfahren in Bezug auf den ersten Nichteintretensentscheid gemäss Art. 32 Abs. 2 Bst. a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 35a Wiederaufnahme des Asylverfahrens im Rahmen des Dublin-Verfahrens - Ist die Schweiz aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013101 für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig, so wird das Asylverfahren wieder aufgenommen, und zwar auch dann, wenn das Asylgesuch zuvor abgeschrieben wurde.
AsylG weiterzuführen.

5.6 Nach dem oben (vgl. E. 5.3.2) Gesagten stellt sich die Frage, ob das BFM durch den Versuch, seine erste Verfügung in Wiedererwägung zu ziehen, nicht implizit die Fehlerhaftigkeit der ersten Verfügung eingestanden und das Gericht im Ergebnis um deren Aufhebung - oder um Eröffnung eines die Möglichkeit der Wiedererwägung eröffnenden - weiteren Schriftenwechsels ersucht hat.

Dieser Punkt braucht hier nicht geklärt zu werden: Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, ist das BFM offensichtlich zu Recht gestützt auf Art. 32 Abs. 2 Bst. a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 35a Wiederaufnahme des Asylverfahrens im Rahmen des Dublin-Verfahrens - Ist die Schweiz aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013101 für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig, so wird das Asylverfahren wieder aufgenommen, und zwar auch dann, wenn das Asylgesuch zuvor abgeschrieben wurde.
AsylG auf das Asylgesuch der Beschwerdeführenden nicht eingetreten. Es bleibt damit die Feststellung, dass das vom BFM gewählte prozessuale Vorgehen auch inhaltlich schwer nachvollziehbar ist.

5.7 Dass die Vorinstanz mit der Konzeption des einzig durch die Wiedererwägungsmöglichkeit gemäss Art. 58 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 58
1    Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen.
2    Sie eröffnet eine neue Verfügung ohne Verzug den Parteien und bringt sie der Beschwerdeinstanz zur Kenntnis.
3    Die Beschwerdeinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch die neue Verfügung der Vorinstanz nicht gegenstandslos geworden ist; Artikel 57 findet Anwendung, wenn die neue Verfügung auf einem erheblich veränderten Sachverhalt beruht oder eine erheblich veränderte Rechtslage schafft.
(und Art. 57 Abs. 2
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 57
1    Die Beschwerdeinstanz bringt eine nicht zum vornherein unzulässige oder unbegründete Beschwerde ohne Verzug der Vorinstanz und allfälligen Gegenparteien des Beschwerdeführers oder anderen Beteiligten zur Kenntnis, setzt ihnen Frist zur Vernehmlassung an und fordert gleichzeitig die Vorinstanz zur Vorlage ihrer Akten auf.100
2    Sie kann die Parteien auf jeder Stufe des Verfahrens zu einem weiteren Schriftenwechsel einladen oder eine mündliche Verhandlung mit ihnen anberaumen.
) VwVG eingeschränkten Devolutiveffekts nicht vertraut ist, zeigt sich auch an der Feststellung in ihrer Vernehmlassung, angesichts der mittlerweile fortgeschrittenen Schwangerschaft, werde vorläufig auf einen Vollzug der Wegweisung verzichtet. In der angefochtenen Nichteintretensverfügung waren die Beschwerdeführenden verpflichtet worden, die Schweiz am Tag nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung zu verlassen, und der Aufenthaltskanton war mit dem Vollzug der Wegweisung beauftragt worden. Hätte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gleich nach Eingang der Vernehmlassung abgewiesen, wäre der legale Aufenthalt der Beschwerdeführenden umgehend beendet worden und der Aufenthaltskanton ab diesem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, die rechtskräftige Wegweisung sofort zu vollziehen. Konsequenterweise hätte das BFM in dieser Vernehmlassung die entsprechenden Dispositivziffern der angefochtenen Verfügung wiedererwägungsweise aufheben und nach Geburt sowie Abschluss des Beschwerdeverfahrens neu verfügen müssen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2011/30
Datum : 16. November 2011
Publiziert : 22. Mai 2012
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2011/30
Sachgebiet : Abteilung V (Asylrecht)
Gegenstand : Nichteintreten auf Asylgesuch (Papierlosigkeit) und Wegweisung


Gesetzesregister
AsylG: 32  34  35a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 35a Wiederaufnahme des Asylverfahrens im Rahmen des Dublin-Verfahrens - Ist die Schweiz aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013101 für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig, so wird das Asylverfahren wieder aufgenommen, und zwar auch dann, wenn das Asylgesuch zuvor abgeschrieben wurde.
VwVG: 54 
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 54 - Die Behandlung der Sache, die Gegenstand der mit Beschwerde angefochtenen Verfügung bildet, geht mit Einreichung der Beschwerde auf die Beschwerdeinstanz über.
57 
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 57
1    Die Beschwerdeinstanz bringt eine nicht zum vornherein unzulässige oder unbegründete Beschwerde ohne Verzug der Vorinstanz und allfälligen Gegenparteien des Beschwerdeführers oder anderen Beteiligten zur Kenntnis, setzt ihnen Frist zur Vernehmlassung an und fordert gleichzeitig die Vorinstanz zur Vorlage ihrer Akten auf.100
2    Sie kann die Parteien auf jeder Stufe des Verfahrens zu einem weiteren Schriftenwechsel einladen oder eine mündliche Verhandlung mit ihnen anberaumen.
58
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 58
1    Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen.
2    Sie eröffnet eine neue Verfügung ohne Verzug den Parteien und bringt sie der Beschwerdeinstanz zur Kenntnis.
3    Die Beschwerdeinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch die neue Verfügung der Vorinstanz nicht gegenstandslos geworden ist; Artikel 57 findet Anwendung, wenn die neue Verfügung auf einem erheblich veränderten Sachverhalt beruht oder eine erheblich veränderte Rechtslage schafft.
BGE Register
129-I-361 • 130-V-138 • 133-II-366
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
vorinstanz • nichteintretensentscheid • nichtigkeit • bundesverwaltungsgericht • devolutiveffekt • frage • schriftenwechsel • bundesamt für migration • bundesgesetz über das verwaltungsverfahren • rechtsmittelinstanz • asylgesetz • kenntnis • archiv • entscheid • vernehmlassungsverfahren • vernehmlassungsverfahren • prozessvertretung • richterliche behörde • prüfung • begründung des entscheids
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