54

Auszug aus dem Urteil der Abteilung V
i. S. E. gegen Bundesamt für Migration
E 5929/2006 vom 20. Dezember 2010

Asylverfahren. Anordnungsspielraum des Bundesamts für Migration (BFM). Grundsatzurteil.

Das BFM muss sich als Vorinstanz an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) als letzte Instanz halten. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage der generellen Zumutbarkeit des Vollzugs von Wegweisungen in Herkunftsländer abgewiesener Asylsuchender. In diesem Kontext besteht für das BFM rechtlich kein Raum für eine eigene Länderpraxis, die der publizierten - oder auf andere Weise kommunizierten - Praxis des BVGer widerspricht.

Procédure d'asile. Marge de manoeuvre de l'Office fédéral des migrations (ODM). Arrêt de principe.

L'ODM est tenu, en qualité d'autorité précédente, de se conformer à la jurisprudence du Tribunal administratif fédéral (TAF) en tant qu'autorité de dernière instance. Ce principe s'applique également lorsqu'il s'agit de savoir si l'exécution du renvoi de demandeurs d'asile déboutés dans leur pays d'origine est de façon générale raisonnablement exigible. A cet égard, l'ODM ne peut développer une pratique en fonction des pays qui lui serait propre et qui contredirait la jurisprudence du TAF, telle qu'elle est publiée ou communiquée de toute autre manière.

Procedura d'asilo. Margine di manovra dell'Ufficio federale della migrazione (UFM). Sentenza di principio.

L'UFM è tenuto, in qualità di autorità inferiore, ad attenersi alla giurisprudenza del Tribunale amministrativo federale (TAF) in quanto autorità di ultima istanza. Tale principio si applica anche quando si tratta di sapere se l'esecuzione dell'allontanamento di un richiedente l'asilo verso il suo Paese di origine sia in generale ragionevolmente esigibile. A tal proposito, l'UFM non può sviluppare una prassi in funzione dei Paesi in contraddizione con la giurisprudenza del TAF, pubblicata o comunicata in ogni altra maniera.


Aus den Erwägungen:


5.

5.1 Gemäss Art. 83 Abs. 4
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.243 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.244
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.245
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:246
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB248 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG250 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG251 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.252
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.253
des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 2005 (AuG, SR 142.20) kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt der Anwendung der Ausschlussklausel von Art. 83 Abs. 7
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.243 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.244
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.245
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:246
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB248 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG250 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG251 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.252
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.253
AuG - die vorläufige Aufnahme anzuordnen (vgl. BVGE 2009/2 E. 9.2.1).

5.2 Die Vorinstanz führt in ihrer Verfügung zum Vollzugspunkt im Wesentlichen aus, eine Rückführung des Beschwerdeführers in den Heimatstaat sei nach ihrer Einschätzung unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Lage grundsätzlich zumutbar. Die Sicherheitslage sei zwar nach wie vor nicht in allen Provinzen Afghanistans hinreichend stabil. Dennoch könne nicht von einer konkreten Gefährdung der Bevölkerung in Afghanistan oder einer Situation allgemeiner Gewalt im Sinn von Art. 83 Abs. 4
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.243 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.244
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.245
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:246
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB248 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG250 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG251 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.252
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.253
AuG ausgegangen werden. Es würden auch keine individuellen Gründe gegen die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs sprechen. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen jungen und gesunden Mann, der in seiner Heimatregion über ein tragfähiges Beziehungsnetz verfüge, habe er doch angegeben, dass in seinem Heimatdorf Onkel und Tanten mit ihren Familien leben würden.

5.3 Auf Beschwerdeebene hält der Beschwerdeführer dem im Wesentlichen entgegen, der Entscheid der Vorinstanz werde der prekären Sicherheitslage in Afghanistan nicht gerecht. Die Menschenrechte würden in seinem Heimatland nicht beachtet; es seien auch weiterhin Diskriminierungen und gewaltsame Übergriffe gegenüber Angehörigen der Ethnie der Hazara zu registrieren.

5.4 In ihrer Vernehmlassung führt die Vorinstanz - vom Instruktionsrichter der Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) auf die publizierte Praxis der Beschwerdeinstanz aufmerksam gemacht - im Wesentlichen aus, die Heimatregion des Beschwerdeführers, der Hazarajat, gehöre im innerafghanischen Vergleich zu den sichereren Regionen des Landes. Das Bundesamt für Migration (BFM) qualifiziere die Lage in diesem Gebiet nicht als permanent instabil. Der Beschwerdeführer verfüge über ein Beziehungsnetz in seiner Heimatregion. Im Übrigen stünde es ihm auch grundsätzlich offen, eine innerstaatliche Aufenthaltsalternative wahrzunehmen und sich beispielsweise im Grossraum Kabul niederzulassen.

5.5 Im Rahmen eines weiteren Schriftenwechsels hatte der damals zuständige Instruktionsrichter das BFM zur Beantwortung der Frage aufgefordert, ob die Vorinstanz die durch die Beschwerdeinstanz publizierte oder auf andere Weise kommunizierte Beurteilung der generellen Lage in Herkunftsländern von Asylsuchenden - respektive die darauf abgestützten rechtlichen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs - als verbindlich erachte.

Diese Frage verneinte das BFM in seiner ausführlichen ergänzenden Stellungnahme ausdrücklich.

5.6 In seiner Replik äusserte sich der Beschwerdeführer einerseits - unter Hinweis auf die Praxis des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) und unter Angabe einer Vielzahl von Quellen - zur sich stetig verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen und in seiner Heimatregion im Besonderen. Andererseits listete er die Gründe auf, aufgrund derer ihm innerhalb seines Heimatstaats keine sichere und zumutbare Aufenthaltsalternative zur Verfügung stehe.

6.

6.1 Die ARK hatte den Vollzug von Wegweisungen abgewiesener Asylsuchender in die Heimatregion des Beschwerdeführers (Region Hazarajat respektive die darin befindliche Provinz Ghazni) in mehreren publizierten Leitentscheidungen als generell unzumutbar qualifiziert (vgl. zuletzt Entscheidungen und Mitteilungen der ARK [EMARK] 2006 Nr. 9).

Das BVGer hat seit seiner Einsetzung im Jahr 2007 Hunderte von Rechtsmittelverfahren afghanischer Beschwerdeführenden abgeschlossen, die zu einem grossen Teil aus dem Hazarajat stammten. Es hat dabei die erwähnte Praxis der ARK weitergeführt und in entsprechenden Urteilen bestätigt.

6.2 Nach Kenntnis des Gerichts hat das BFM seine Praxis vor einiger Zeit insoweit angepasst, als es die Provinz Ghazni mittlerweile ebenfalls nicht mehr als « sicher » bezeichnet.

6.3 Das BVGer stellt fest, dass sich das BFM des Öftern nicht an die publizierte Länderpraxis der Beschwerdeinstanz hält und seine eigene Praxis diesbezüglich teilweise anders definiert. Die Vorinstanz bestätigt dies in ihrer ergänzenden Stellungnahme bezüglich Afghanistan ausdrücklich und verweist zudem auf weitere Beispiele ihres bewussten Abweichens von der publizierten Praxis der Beschwerdeinstanz (Zumutbarkeit der Wegweisungen von Kurden in die türkischen Ostprovinzen und von Angehörigen ethnischer Minderheiten in den Kosovo).

6.4 Nachdem das BFM den Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers in seine Heimatregion in seiner Vernehmlassung zur Beschwerde (trotz Hinweis des Instruktionsrichters der ARK auf die publizierte Länderpraxis der Beschwerdeinstanz) bejaht hatte, forderte das Gericht die Vorinstanz dazu auf, sich in einer ergänzenden Stellungnahme zur Frage der Verbindlichkeit seiner publizierten Länderpraxis zu äussern. In der daraufhin zu den Akten gereichten Eingabe hielt das BFM im Wesentlichen fest, die Länderpraxis der Beschwerdeinstanz stelle zwar einen wichtigen Orientierungspunkt für seine Entscheid- und Praxisbildung dar, könne aber keinerlei Bindungswirkung für die Vorinstanz entfalten. Die ARK habe zwar in ihrem unter EMARK 2006 Nr. 9 publizierten Leitentscheid festgestellt, der Vollzug von Wegweisungen in den Hazarajat sei generell unzumutbar; das BFM teile diese Auffassung aber nicht und erachte den Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers in seine Heimatregion als zumutbar.

6.5 Gemäss einer aktuellen, dem Gericht vorliegenden Untersuchung des BFM zu den Hintergründen der Gutheissungen von Asylbeschwerden durch das BVGer sollen ungefähr die Hälfte der ausgewerteten Urteile auf eine gewollte oder in Kauf genommene materielle Differenz der Praxis des Bundesamts zu derjenigen der Beschwerdeinstanz zurückzuführen sein.

Angesichts des bewussten Abweichens von der ober- und letztinstanzlichen Praxis sind die Argumente, mit denen das BFM dieses Vorgehen begründet, durch das BVGer in grundsätzlicher Weise zu beurteilen.

7. In seiner ergänzenden Stellungnahme verweist das BFM zunächst wiederholt auf den Ermessensspielraum, der ihm als erstinstanzlicher Verwaltungsbehörde zustehe und zukommen müsse.

7.1 Das BVGer verfügt (...) über umfassende Prüfungsbefugnis. Als zulässige Beschwerdegründe - die als prozessuales Spiegelbild die Kognition des Gerichts definieren - nennt das Gesetz allgemein die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit (Art. 37
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 37 Grundsatz - Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG56, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32] i. V.m. Art. 49
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 49 - Der Beschwerdeführer kann mit der Beschwerde rügen:
a  Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens;
b  unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes;
c  Unangemessenheit; die Rüge der Unangemessenheit ist unzulässig, wenn eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat.
Bstn. a, b und c des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 [VwVG, SR 172.021]). Diese allgemeine Kognitionsregel des VwVG wird für Asyl-Beschwerdeverfahren in Art. 106 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 106 Beschwerdegründe - 1 Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
1    Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
a  Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Missbrauch und Überschreitung des Ermessens;
b  unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts;
c  ...
2    Artikel 27 Absatz 3 und Artikel 68 Absatz 2 bleiben vorbehalten.
des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) wörtlich wiederholt, mit Ausnahme der hier nicht interessierenden Vorbehalte von Art. 49 Bst. c
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 49 - Der Beschwerdeführer kann mit der Beschwerde rügen:
a  Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens;
b  unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes;
c  Unangemessenheit; die Rüge der Unangemessenheit ist unzulässig, wenn eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat.
VwVG (Unzulässigkeit der Rüge der Unangemessenheit, wenn eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat) und Art. 106 Abs. 2
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 106 Beschwerdegründe - 1 Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
1    Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
a  Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Missbrauch und Überschreitung des Ermessens;
b  unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts;
c  ...
2    Artikel 27 Absatz 3 und Artikel 68 Absatz 2 bleiben vorbehalten.
AsylG (Hinweise auf die Rügeeinschränkungen von Art. 27 Abs. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 27 - 1 Die Kantone verständigen sich über die Verteilung der Asylsuchenden.
1    Die Kantone verständigen sich über die Verteilung der Asylsuchenden.
1bis    Besondere Leistungen, welche Standortkantone von Zentren des Bundes oder Flughafenkantone erbringen, werden bei der Verteilung von Asylsuchenden angemessen berücksichtigt.84
2    Können sich die Kantone nicht einigen, so legt der Bundesrat nach ihrer Anhörung in einer Verordnung die Kriterien für die Verteilung fest.
3    Das SEM weist die Asylsuchenden den Kantonen zu (Zuweisungskantone).85 Es trägt dabei den schützenswerten Interessen der Kantone und der Asylsuchenden Rechnung. Der Zuweisungsentscheid kann nur mit der Begründung angefochten werden, er verletze den Grundsatz der Einheit der Familie.
4    Nicht zugewiesen werden Personen, bei denen der Vollzug der Wegweisung angeordnet worden ist und deren Asylentscheid in einem Zentrum des Bundes in Rechtskraft erwachsen ist oder deren Asylgesuch in einem Zentrum des Bundes abgeschrieben wurde.86
und Art. 68 Abs. 2
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 68 Schutzbedürftige im Ausland - 1 Das SEM bezeichnet die Gruppe Schutzbedürftiger näher und entscheidet, wem in der Schweiz vorübergehender Schutz gewährt wird. Es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie.
1    Das SEM bezeichnet die Gruppe Schutzbedürftiger näher und entscheidet, wem in der Schweiz vorübergehender Schutz gewährt wird. Es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie.
2    Der Entscheid über die Gewährung vorübergehenden Schutzes kann nur mit der Begründung angefochten werden, er verletze den Grundsatz der Einheit der Familie.
3    ...183
AsylG betreffend Beschwerden gegen die Zuweisung eines Aufenthaltskantons bzw. betreffend die Gewährung vorübergehenden Schutzes).

Das BVGer ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, seine Kognition voll auszuschöpfen; eine zu Unrecht vorgenommene Kognitionsbeschränkung stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder eine formelle Rechtsverweigerung dar (vgl. etwa André Moser/Michael Beusch/Lorenz Kneubühler, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, S. 73f. insbes. Rz. 2.153 mit weiteren Hinweisen).

7.2 Das BFM scheint sich mit dem Abstützen auf das ihm zustehende Ermessen auf eine Praxis des Bundesgerichts zum Thema Verwaltungsermessen zu beziehen, die üblicherweise mit der Formulierung « Ohne-Not-Praxis » bezeichnet wird (vgl. zum Ganzen etwa BGE 133 II 35 E. 3 mit weiteren Hinweisen; BVGE 2007/27 E. 3.1; Moser/Beusch/ Kneubühler, a. a.O., Rz. 2.154 ff.; Oliver Zibung/Elias Hofstetter, in: Praxiskommentar VwVG, Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger [Hrsg.], Zürich 2009, Art. 49 Bst. c N43 ff.; Lorenz Kneubühler, Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht - Spruchkörperbestimmung und Kognition, Fn. 63, in: Bernhard Ehrenzeller/Rainer J. Schweizer [Hrsg.], Das Bundesverwaltungsgericht: Stellung und Aufgaben). Gemäss dieser Praxis hat auch eine Rechtsmittelbehörde, der die volle Kognition zusteht, in Ermessensfragen einen gewissen Entscheidungsspielraum der Vorinstanz zu respektieren. Sie hat eine unangemessene Entscheidung zu korrigieren, kann aber der Vorinstanz die Wahl unter mehreren angemessenen Lösungen überlassen. Geht es inhaltlich um die Beurteilung von Fragestellungen, bei denen die Vorinstanz über ganz spezifisches Fachwissen verfügt oder die
tatsächlichen Verhältnisse aufgrund ihrer örtlichen, sachlichen oder persönlichen Nähe besser zu beurteilen vermag, sollen die Rechtsmittelinstanzen nicht ohne Notwendigkeit von ihrer Auffassung abweichen. Als konkrete Anwendungsfälle der « Ohne-Not-Praxis » werden in Lehre und Praxis etwa rein technische Aspekte, wissenschaftliche Fachfragen, sicherheitsrelevante Einschätzungen, Bewertungen von Examensleistungen oder personalrechtliche Einschätzungen von Leistung oder Verhalten genannt.

7.3 Der Wortlaut der interessierenden Bestimmung von Art. 83 Abs. 4
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.243 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.244
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.245
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:246
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB248 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG250 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG251 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.252
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.253
AuG (« Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind ») lässt zwar darauf schliessen, dass es sich dabei in rechtstechnischer Hinsicht um Ermessensentscheide handelt (so ausdrücklich Ruedi Illes, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG], Martina Caroni/Thomas Gächter/Daniela Thurnherr Keller [Hrsg.], Bern 2010, Art. 83 N. 31).

Allerdings kann die in E. 7.2 erwähnte Zurückhaltung von Gerichten bei Ermessensfragen nur dort zur Anwendung kommen, wo die Rekursinstanz nicht über vergleichbare Fachkenntnisse wie die Vorinstanz verfügt. Eine Fach-Beschwerdeinstanz darf den Entscheid der Vorinstanz nur dann schützen, wenn sie geprüft hat, ob sich keine zweckmässigere, angemessenere Lösung anbietet (vgl. hierzu etwa BGE 130 II 449 E. 4.1, BGE 116 Ib 270 E. 3c mit weiteren Hinweisen).

7.4

7.4.1 Die ARK war vom Gesetzgeber als unabhängige richterliche Rechtsmittelinstanz konzipiert worden. Sie war sachlich nur für ein rechtliches Fachgebiet zuständig und hatte im Bereich des Asylrechts über das notwendige Wissen zu verfügen.

Gemäss Art. 106 Abs. 2 aAsylG in der Fassung vom 26. Juni 1998 (AS 1999 2262) war diese Rekurskommission bei der Beurteilung der Unangemessenheit zwar an die « Richtlinien und besonderen Weisungen » des Bundesrats (BR) gebunden; dieser hatte allerdings von seiner Kompetenz, in die Kognition der ARK einzugreifen, nie Gebrauch gemacht, womit diese formale Kognitionseinschränkung theoretischer Natur blieb.

7.4.2 Die Abteilungen IV und V des BVGer haben ab 2007 die Funktion und Aufgaben der ARK übernommen und entscheiden mit uneingeschränkter Kognition ebenfalls ausschliesslich und letztinstanzlich über Rechtsmittel im Asylbereich.

Die Kompetenz des BR, die Ermessensüberprüfung analog der Regelung von Art. 106 Abs. 2 aAsylG einzuschränken, wurde vom Gesetzgeber bewusst aufgehoben (vgl. hierzu Botschaft des Bundesrats zur Verordnung der Bundesversammlung betreffend die Anpassung von Erlassen an die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes und des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 20. Dezember 2006 [AS 2006 5599], BBl 2006 7763). Im Asylbereich besteht umso weniger Grund für eine Einschränkung der Kognition, als im Asylverfahren höchste Rechtsgüter betroffen sind und der Rechtsmittelweg auf eine einzige Instanz beschränkt ist.

7.5 In der Lehre wird - bezeichnenderweise ausdrücklich unter Hinweis auf die hier interessierenden Urteile, bei denen die Lage in den Herkunftsländern von Asylsuchenden analysiert wird - die Auffassung vertreten, die beiden Asyl-Abteilungen des BVGer verfügten über eine vertiefte und spezifische materielle Fachkompetenz, die mit derjenigen der Vorinstanz vergleichbar sei. Dies wird einerseits darauf zurückgeführt, dass in diesem Zuständigkeitsgebiet des Gerichts ein vergleichsweise hoher Anteil von Mitarbeitenden der vorher zuständigen Rekurskommission in das BVGer übergetreten seien; andererseits wird auf die Kombination hoher Fallzahlen mit einem vergleichsweise eng definierten Sachgebiet hingewiesen, die eine grosse Erfahrung und fachliche Routine der in diesen Abteilungen tätigen Juristinnen und Juristen zur Folge habe (vgl. Benjamin Schindler, in: Christoph Auer/Markus Müller/Benjamin Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Zürich 2008, Rz. 18zu Art. 49; Reto Feller/Markus Müller, Die Prüfungszuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts - Probleme in der praktischen Durchsetzung, in: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und
Verwaltungsrecht 2009S. 450).

Dieser Auffassung ist aus den nachstehend aufgeführten Gründen zuzustimmen.

7.5.1 Erstens verfügt das BVGer zur Beurteilung der Lage in den Herkunftsländern von Asylsuchenden über eine eigene, dem Generalsekretariat unterstellte Dienststelle « Länderexpertisen ». In dieser sind nach Regionen spezialisierte, wissenschaftliche Länderexpertinnen und -experten tätig, die im Auftrag der Richterinnen und Richter mithilfe anerkannter Analysemethoden - den so genannten Country of Origin-Standards - länderspezifische Fragestellungen bearbeiten (vgl. Rainer Mattern, COI-Standards: Die Verwendung von Herkunftsländerinformationen [COI] in Entscheiden der Asylinstanzen, in: Schweizerische Zeitschrift für Asylrecht und praxis [ASYL] 3/10, S. 3ff. insbes. S. 9f.). Eine besonders enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Spruchkörpern hat sich bei Urteilen etabliert, mit denen die Situation in den Herkunftsländern in vertiefter und grundsätzlicher Weise analysiert wird. Die Dienststelle unterhält ein Netzwerk mit Länderexpertinnen und -experten im In- und Ausland, führt die Entwicklungen in den interessierenden Herkunftsländern in einer allen Mitarbeitenden des BVGer zugänglichen Datenbank ständig nach und organisiert unter anderem Ausbildungsveranstaltungen für das
juristische Personal der Asylabteilungen.

Das BFM verweist in seiner noch vom Instruktionsrichter der ARK eingeholten Stellungnahme auf seine Sektion « Migrations- und Länderanalyse » (MILA), die - formal unabhängig von den Asylverfahrensabteilungen und « vom analytischen Ergebnis her weisungsungebunden » - Herkunftsländerinformationen nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten auswerte und aufbereite. Im Rahmen der per 1. September 2010 umgesetzten Reorganisation des BFM wurde die Dienststelle MILA allerdings aufgelöst und ihre Länderexpertinnen und -experten wurden den einzelnen (neu nach Herkunftsregionen der Asylsuchenden definierten) Verfahrenssektionen zugeteilt.

7.5.2 Zweitens betreiben das BFM und das BVGer gemäss Art. 102
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 102 Informations- und Dokumentationssystem - 1 Das SEM betreibt in Zusammenarbeit mit dem Bundesverwaltungsgericht ein automatisiertes Informations- und Dokumentationssystem. Darin werden in verschiedenen Datenbanken sachbezogene Informationen und Dokumentationen aus dem Aufgabenbereich des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts gespeichert. Sofern es erforderlich ist, können auch in den Texten enthaltene Personendaten, namentlich Personalien, sowie besonders schützenswerte Personendaten gespeichert werden.320 321
1    Das SEM betreibt in Zusammenarbeit mit dem Bundesverwaltungsgericht ein automatisiertes Informations- und Dokumentationssystem. Darin werden in verschiedenen Datenbanken sachbezogene Informationen und Dokumentationen aus dem Aufgabenbereich des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts gespeichert. Sofern es erforderlich ist, können auch in den Texten enthaltene Personendaten, namentlich Personalien, sowie besonders schützenswerte Personendaten gespeichert werden.320 321
2    Auf Datenbanken, die besonders schützenswerte Personendaten enthalten, haben nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts Zugriff.322
3    Datenbanken, die vorwiegend sachbezogene, aus öffentlichen Quellen entnommene Informationen enthalten, können auf Gesuch hin mittels Abrufverfahren externen Benutzerinnen und Benutzern zugänglich gemacht werden.
4    Der Bundesrat regelt die Einzelheiten, namentlich den Zugriff auf das System und den Schutz der darin erfassten Personendaten.
AsylG gemeinsam ein automatisiertes Informations- und Dokumentationssystem (Datenbank Artis). Die darin enthaltenen Herkunftsländerinformationen werden von beiden Seiten in die Datensammlung eingespiesen und stehen nach dem Willen des Gesetzgebers und des Verordnungserlassers allen Mitarbeitenden des BFM und des BVGer zur Verfügung (vgl. Art. 102 Abs. 2
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 102 Informations- und Dokumentationssystem - 1 Das SEM betreibt in Zusammenarbeit mit dem Bundesverwaltungsgericht ein automatisiertes Informations- und Dokumentationssystem. Darin werden in verschiedenen Datenbanken sachbezogene Informationen und Dokumentationen aus dem Aufgabenbereich des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts gespeichert. Sofern es erforderlich ist, können auch in den Texten enthaltene Personendaten, namentlich Personalien, sowie besonders schützenswerte Personendaten gespeichert werden.320 321
1    Das SEM betreibt in Zusammenarbeit mit dem Bundesverwaltungsgericht ein automatisiertes Informations- und Dokumentationssystem. Darin werden in verschiedenen Datenbanken sachbezogene Informationen und Dokumentationen aus dem Aufgabenbereich des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts gespeichert. Sofern es erforderlich ist, können auch in den Texten enthaltene Personendaten, namentlich Personalien, sowie besonders schützenswerte Personendaten gespeichert werden.320 321
2    Auf Datenbanken, die besonders schützenswerte Personendaten enthalten, haben nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts Zugriff.322
3    Datenbanken, die vorwiegend sachbezogene, aus öffentlichen Quellen entnommene Informationen enthalten, können auf Gesuch hin mittels Abrufverfahren externen Benutzerinnen und Benutzern zugänglich gemacht werden.
4    Der Bundesrat regelt die Einzelheiten, namentlich den Zugriff auf das System und den Schutz der darin erfassten Personendaten.
und 4
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 102 Informations- und Dokumentationssystem - 1 Das SEM betreibt in Zusammenarbeit mit dem Bundesverwaltungsgericht ein automatisiertes Informations- und Dokumentationssystem. Darin werden in verschiedenen Datenbanken sachbezogene Informationen und Dokumentationen aus dem Aufgabenbereich des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts gespeichert. Sofern es erforderlich ist, können auch in den Texten enthaltene Personendaten, namentlich Personalien, sowie besonders schützenswerte Personendaten gespeichert werden.320 321
1    Das SEM betreibt in Zusammenarbeit mit dem Bundesverwaltungsgericht ein automatisiertes Informations- und Dokumentationssystem. Darin werden in verschiedenen Datenbanken sachbezogene Informationen und Dokumentationen aus dem Aufgabenbereich des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts gespeichert. Sofern es erforderlich ist, können auch in den Texten enthaltene Personendaten, namentlich Personalien, sowie besonders schützenswerte Personendaten gespeichert werden.320 321
2    Auf Datenbanken, die besonders schützenswerte Personendaten enthalten, haben nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts Zugriff.322
3    Datenbanken, die vorwiegend sachbezogene, aus öffentlichen Quellen entnommene Informationen enthalten, können auf Gesuch hin mittels Abrufverfahren externen Benutzerinnen und Benutzern zugänglich gemacht werden.
4    Der Bundesrat regelt die Einzelheiten, namentlich den Zugriff auf das System und den Schutz der darin erfassten Personendaten.
AsylG und Art. 1b Abs. 3
SR 142.314 Asylverordnung 3 vom 11. August 1999 über die Bearbeitung von Personendaten (Asylverordnung 3, AsylV 3) - Asylverordnung 3
AsylV-3 Art. 1b - 1 In der Datenbank Kompass werden Dokumente mit Informationen über die Herkunftsländer der Asylsuchenden erfasst.18
1    In der Datenbank Kompass werden Dokumente mit Informationen über die Herkunftsländer der Asylsuchenden erfasst.18
2    Es werden keine besonders schützenswerten Personendaten gespeichert.19 Enthält ein nicht aus öffentlicher Quelle stammendes Dokument Personennamen, so werden diese vor dem Einlesen in das System anonymisiert.
3    Zugriff auf die Daten haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts.
4    Das SEM kann die in Kompass gespeicherten Informationen folgenden Behörden mittels Abrufverfahren zugänglich machen:20
a  den kantonalen Ausländerbehörden;
b  Behördenvertreterinnen und Behördenvertretern der Bundesverwaltung, welche für die Erfüllung ihrer Arbeit auf Informationen über Herkunftsstaaten von Asylsuchenden angewiesen sind;
c  Partnerbehörden ausländischer Staaten sowie internationalen Organisationen, mit denen die Schweiz einen institutionalisierten Austausch von Länderinformationen pflegt.
der Asylverordnung 3 vom 11. August 1999 [AsylV 3, SR 142.314]). Das BVGer verfügt damit im interessierenden Herkunftsländerkontext grundsätzlich über die gleichen Entscheidgrundlagen wie die Vorinstanz.

7.5.3 Schliesslich wurden in den Abteilungen IV und V in den letzten Jahren mehrere organisatorische Beschlüsse mit dem Ziel, die länderspezifischen Spezialisierungen in den Verfahrenseinheiten zu nutzen und weiter zu vertiefen, umgesetzt.

7.6 Zusammenfassend ist festzustellen, dass bei der Beurteilung von länderspezifischen Fragestellungen durch die Abteilungen IV und V weder Anlass noch Raum für eine Einschränkung der Ermessensüberprüfung im oben erwähnten Sinn besteht.

7.7 Das BFM weist in seiner Stellungnahme auch auf seinen angeblichen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft von Asylsuchenden hin; konkret wird der Erlass individueller Asylentscheide und die Prüfung « des Bestehens einer begründeten Furcht für bestimmte Personenkategorien » (mithin die Frage des Vorliegens einer so genannten Kollektivverfolgung) erwähnt. Dazu ist in aller Deutlichkeit festzuhalten, dass es sich hierbei um Entscheide über landes- und völkerrechtliche Fragen handelt, bei denen dem BFM nach dem Willen des Gesetzgebers in rechtstechnischer Hinsicht keinerlei Ermessen zukommt.

8.

8.1 Das BFM hält in seiner Stellungnahme weiter fest, der Gesetzgeber habe « keinerlei Gesetzesbestimmungen erlassen, die eine formelle Verbindlichkeit von Lageanalysen oder sonstigen Grundsatzentscheiden der ARK für das BFM oder gar ein formelles, über den konkreten Einzelfall hinausgehendes Weisungsrecht seitens der ARK beinhalten würde ».

Diese Aussage ist zwar insoweit nicht falsch, als die ARK - heute das BVGer - Beschwerdeinstanz und nicht (weisungsberechtigte) Aufsichtsbehörde des BFM war beziehungsweise ist. Aus dem Fehlen einer expliziten Gesetzesbestimmung, welche die Verbindlichkeit rechtskräftiger Grundsatzentscheidungen der Beschwerdeinstanz vorschreiben würde, kann die Vorinstanz indessen offensichtlich nichts zu ihren Gunsten ableiten: Entsprechende Bestimmungen dürften in keinem Gebiet des öffentlichen Rechts zu finden sein. Die Massgeblichkeit rechtskräftiger Entscheidungen der zuständigen Rechtsmittelbehörde für die betroffene Verwaltungseinheit folgt direkt aus den Verfassungsgrundsätzen der Rechtstaatlichkeit, Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit (vgl. Art. 5 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
, Art. 8 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
1    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2    Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3    Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4    Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
und Art. 29 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]). Dass dieser Grundsatz allgemein anerkannt wird, zeigt sich anschaulich in einem Standardwerk zum Verwaltungsrecht: « Es ist kein einziger Fall bekannt, in welchem die für die Anwendung eines bestimmten Gesetzes verantwortlichen Verwaltungsbehörden eine mehrmals bestätigte oder die einen wesentlichen Punkt betreffende Rechtsprechung nicht berücksichtigt hätten »
(vgl. Blaise Knapp, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Basel/Frankfurt am Main 1993, Rz. 400, S. 85).

8.2 Dass die vom BFM vertretene Auffassung inhaltlich falsch ist, ergibt sich ohne Weiteres auch daraus, dass die Praxis der Vorinstanz zwangsläufig zu Ergebnissen führt, die - im Kontext höchster betroffener Rechtsgüter - unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit, Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit als offensichtlich unhaltbar bezeichnet werden müssen. Im konkreten Anwendungsfall hängt nämlich der Schutz der betroffenen Ausländerinnen und Ausländer vor der Wegweisung in eine sie potenziell gefährdende Lebenssituation einzig davon ab, ob sie gegen die vollumfänglich abweisende erstinstanzliche Verfügung des BFM Beschwerde erheben.

8.3 Hinzu kommt, dass das BFM mit seiner Praxis eine Vielzahl unnötiger Rechtsmittelverfahren provoziert, die angesichts der klaren publizierten Praxis der Beschwerdeinstanz allesamt mit einer Gutheissung der Beschwerden in diesem Punkt enden müssen.

Zu den der Allgemeinheit dadurch verursachten direkten Kosten für die Behandlung dieser Rechtsmittel durch das BVGer sind diejenigen der Entschädigungen hinzuzurechnen, mit denen die Parteikosten der Beschwerdeführenden gemäss Art. 64 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 64
1    Die Beschwerdeinstanz kann der ganz oder teilweise obsiegenden Partei von Amtes wegen oder auf Begehren eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zusprechen.
2    Die Entschädigung wird in der Entscheidungsformel beziffert und der Körperschaft oder autonomen Anstalt auferlegt, in deren Namen die Vorinstanz verfügt hat, soweit sie nicht einer unterliegenden Gegenpartei auferlegt werden kann.
3    Einer unterliegenden Gegenpartei kann sie je nach deren Leistungsfähigkeit auferlegt werden, wenn sich die Partei mit selbständigen Begehren am Verfahren beteiligt hat.
4    Die Körperschaft oder autonome Anstalt, in deren Namen die Vorinstanz verfügt hat, haftet für die einer unterliegenden Gegenpartei auferlegte Entschädigung, soweit sich diese als uneinbringlich herausstellt.
5    Der Bundesrat regelt die Bemessung der Entschädigung.108 Vorbehalten bleiben Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005109 und Artikel 73 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010110.111
VwVG zu vergüten sind. Die Praxis des BFM hat insoweit auch eine sachlich nicht zu rechtfertigende Belastung der Bundeskasse zur Folge.

9.

9.1 Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass dem BFM auch bei der grundsätzlichen Beurteilung der Zumutbarkeit des Vollzugs von Wegweisungen in bestimmte Herkunftsländer abgewiesener Asylsuchender rechtlich kein Raum für eine Praxis bleibt, die der publizierten - oder auf andere Weise kommunizierten - Praxis des BVGer widerspricht.

9.2 Diese Feststellung ist jedoch in zweifacher Hinsicht zu relativieren:

9.2.1 Einerseits muss es der Vorinstanz - gleich wie der beschwerdeführenden Gegenpartei - möglich sein, dem BVGer eine Änderung seiner Praxis zu beantragen. Nachdem diesbezüglich « Verhandlungen » ausserhalb konkreter Beschwerdeverfahren aufgrund der Unabhängigkeit des Gerichts ausgeschlossen sind, gilt Folgendes: Erachtet das BFM eine publizierte Länderpraxis des BVGer nach Ablauf einer gewissen Zeit als anpassungsbedürftig, steht es ihm frei, in einzelnen Asylverfahren von der Praxis der Beschwerdeinstanz abzuweichen. In solchen Verfügungen ist unter Bezugnahme auf die geltende Praxis und mit einlässlicher Begründung unmissverständlich klarzustellen, dass es sich um so genannte Pilotverfahren handelt, bei denen bewusst von der publizierten Praxis des Gerichts abgewichen werde. Diese Meinung vertrat im Übrigen offenbar auch die Vorinstanz in ihrer ergänzenden Stellungnahme (« Das BFM wird sich indessen auf jeden Fall intensiv mit einer Lageanalyse der ARK materiell auseinandersetzen und eine allfällige abweichende Auffassung im Einzelfall begründen müssen, was sich direkt aus der Begründungspflicht ergibt »), hielt sich allerdings in der Praxis regelmässig nicht an dieses Vorgehen.

In der Vergangenheit hatte das BFM mitunter bereits kurze Zeit nach Publikation von so genannten Länderurteilen der Beschwerdeinstanz eine abweichende eigene Praxis auch mit der seither angeblich massgeblich und dauerhaft veränderten Lage begründet. Bei grundsätzlichen Beurteilungen der generellen Lage in Herkunftsländern ist indessen aus Gründen der Rechtssicherheit (auch im Interesse eines geordneten Ablaufs der erst- und zweitinstanzlichen Asylverfahren) eine gewisse zeitliche Kontinuität zu beachten; bei der hier unumgänglichen Zukunftsprognose ist in der Regel ein mittelfristiger Horizont angebracht. Die Beschwerdeinstanz hat sich bei der periodischen Überprüfung der Richtigkeit ihrer Lageanalysen bisher üblicherweise an der Dauer der vorläufigen Aufnahme orientiert, die gemäss Art. 85 Abs. 1
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 85 Ausgestaltung der vorläufigen Aufnahme - 1 Der Ausweis für vorläufig aufgenommene Personen (Art. 41 Abs. 2) wird vom Aufenthaltskanton zur Kontrolle für höchstens zwölf Monate ausgestellt und unter Vorbehalt von Artikel 84 verlängert.
1    Der Ausweis für vorläufig aufgenommene Personen (Art. 41 Abs. 2) wird vom Aufenthaltskanton zur Kontrolle für höchstens zwölf Monate ausgestellt und unter Vorbehalt von Artikel 84 verlängert.
2    Für die Verteilung der vorläufig aufgenommenen Personen ist Artikel 27 AsylG257 sinngemäss anwendbar.
3    Das Gesuch um einen Kantonswechsel ist von den vorläufig aufgenommenen Personen beim SEM einzureichen. Dieses entscheidet unter Vorbehalt von Absatz 4 über den Kantonswechsel nach Anhörung der betroffenen Kantone endgültig.
4    Der Entscheid über den Kantonswechsel kann nur mit der Begründung angefochten werden, er verletze den Grundsatz der Einheit der Familie.
5    Die vorläufig aufgenommenen Personen können ihren Wohnort im Gebiet des bisherigen oder des zugewiesenen Kantons frei wählen. Die kantonalen Behörden können vorläufig aufgenommene Personen, die nicht als Flüchtlinge anerkannt wurden und Sozialhilfe beziehen, innerhalb des Kantons einem Wohnort oder einer Unterkunft zuweisen.258
6    ...259
7    Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von vorläufig aufgenommenen Personen und vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen können frühestens drei Jahre nach Anordnung der vorläufigen Aufnahme nachgezogen und in diese eingeschlossen werden, wenn:
a  sie mit diesen zusammenwohnen;
b  eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist; und
c  die Familie nicht auf Sozialhilfe angewiesen ist;
d  sie sich in der am Wohnort gesprochenen Landessprache verständigen können; und
e  die nachziehende Person keine jährlichen Ergänzungsleistungen nach dem ELG262 bezieht oder wegen des Familiennachzugs beziehen könnte.
7bis    Für die Erteilung der vorläufigen Aufnahme ist anstelle der Voraussetzung nach Absatz 7 Buchstabe d die Anmeldung zu einem Sprachförderungsangebot ausreichend.263
7ter    Bei ledigen Kindern unter 18 Jahren findet die Voraussetzung nach Absatz 7 Buchstabe d keine Anwendung. Von dieser Voraussetzung kann zudem abgewichen werden, wenn wichtige Gründe nach Artikel 49a Absatz 2 vorliegen.264
8    Hat das SEM bei der Prüfung des Nachzugs nach Absatz 7 Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 ZGB265 vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Gesuch um Nachzug wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Gesuch bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.266
AuG in der Regel ein Jahr beträgt. Dieser Grundsatz wäre auch für allfällige Pilotverfahren des BFM zu beachten.

9.2.2 Die zweite Relativierung des in E. 9.1 (und 9.2.1) Festgestellten betrifft Situationen, bei denen sich die Sicherheitslage in Herkunftsländern schnell und dramatisch verschlechtert, beispielsweise durch Ausbruch unvorhersehbarer massiver Unruhen oder kriegerischer Auseinandersetzungen. Das BFM trägt solchen Situationen nach Kenntnis des Gerichts durch detaillierte Konzepte Rechnung, für die amtsintern bisher die Bezeichnung (Vollzugs-) « Aussetzungsmanagement » verwendet wurde.

Angesichts der langjährigen Zusammenarbeit des BFM mit den kantonalen Vollzugsbehörden einerseits und der vergleichsweise direkteren und rascheren Entscheidfindungs- und Kommunikationsprozesse der Vorinstanz andererseits muss diese Zuständigkeit aus Praktikabilitätsgründen bei ihr verbleiben, um gegebenenfalls den Schutz der betroffenen Ausländerinnen und Ausländer sicherzustellen.

9.3 Für den Fall zukünftiger Missachtung der publizierten Länderpraxis des BVGer durch die Vorinstanz behält sich dieses vor, die gegen solche Verfügungen erhobenen Beschwerden (im vereinfachten Verfahren gemäss Art. 111 Bst. e
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 111 Einzelrichterliche Zuständigkeit - Die Richter entscheiden in folgenden Fällen als Einzelrichter:
a  Abschreibung von Beschwerden infolge Gegenstandslosigkeit;
b  Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Beschwerden;
c  Entscheid über die vorläufige Verweigerung der Einreise am Flughafen und Zuweisung eines Aufenthaltsorts am Flughafen;
d  ...
e  mit Zustimmung eines zweiten Richters: offensichtlich begründete oder unbegründete Beschwerden.
und Art. 111a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 111a Verfahren und Entscheid - 1 Das Bundesverwaltungsgericht kann auf die Durchführung des Schriftenwechsels verzichten.381
1    Das Bundesverwaltungsgericht kann auf die Durchführung des Schriftenwechsels verzichten.381
2    Beschwerdeentscheide nach Artikel 111 werden nur summarisch begründet.
AsylG) unter blossem Hinweis auf dieses Urteil aufzuheben und die Akten zur korrekten Weiterführung des erstinstanzlichen Asylverfahrens an das BFM zurückzuweisen. Vorbehalten bleibt auch die Einreichung einer Aufsichtsbeschwerde im Sinn von Art. 71
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 71
1    Jedermann kann jederzeit Tatsachen, die im öffentlichen Interesse ein Einschreiten gegen eine Behörde von Amtes wegen erfordern, der Aufsichtsbehörde anzeigen.
2    Der Anzeiger hat nicht die Rechte einer Partei.
VwVG.

10.

10.1 Der Beschwerdeführer stammt, wie eingangs erwähnt, aus der Provinz Ghazni, bezüglich welcher das BVGer seit längerer Zeit eine Situation allgemeiner Gewalt bejaht; dieser Feststellung hat sich mittlerweile auch das BFM angeschlossen. Die Rückkehr des Beschwerdeführers dorthin erweist sich damit als unzumutbar.

Eine zumutbare Aufenthaltsalternative innerhalb Afghanistans würde dem Beschwerdeführer nicht zur Verfügung stehen: Nach konstanter Praxis setzt die Anerkennung einer zumutbaren innerstaatlichen Ausweichmöglichkeit von aus dem Hazarajat stammenden Personen nach Kabul insbesondere die Existenz eines tragfähigen Familien- oder Beziehungsnetzes sowie einer gesicherten Wohnsituation in dieser Stadt voraus (vgl. die in unzähligen Urteilen des BVGer bestätigte Praxis EMARK 2006 Nr. 9 E. 7.8 unter Hinweis auf EMARK 2003 Nr. 10 E. 7b).

Den Akten des Beschwerdeführers sind keinerlei Hinweise auf ein Beziehungsnetz ausserhalb der Provinz Ghazni zu entnehmen. Ein solches wird auch von der Vorinstanz nicht behauptet. Es bleibt festzustellen, dass das BFM auch diesbezüglich in nicht hinnehmbarer Weise von der Praxis der Beschwerdeinstanz abgewichen ist.

10.2 Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers nach Afghanistan als unzumutbar im Sinne von Art. 83 Abs. 4
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.243 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.244
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.245
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:246
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB248 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG250 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG251 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.252
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.253
AuG.

10.3 Den Akten sind keine Hinweise auf Ausschlussgründe gemäss Art. 83 Abs. 7
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.243 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.244
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.245
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:246
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB248 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG250 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG251 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.252
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.253
AuG zu entnehmen. Das BFM ist deshalb anzuweisen, die vorläufige Aufnahme des Beschwerdeführers in der Schweiz anzuordnen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2010/54
Datum : 20. Dezember 2010
Publiziert : 06. März 2012
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2010/54
Sachgebiet : Abteilung V (Asylrecht)
Gegenstand : Asyl und Wegweisung


Gesetzesregister
AsylG: 27 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 27 - 1 Die Kantone verständigen sich über die Verteilung der Asylsuchenden.
1    Die Kantone verständigen sich über die Verteilung der Asylsuchenden.
1bis    Besondere Leistungen, welche Standortkantone von Zentren des Bundes oder Flughafenkantone erbringen, werden bei der Verteilung von Asylsuchenden angemessen berücksichtigt.84
2    Können sich die Kantone nicht einigen, so legt der Bundesrat nach ihrer Anhörung in einer Verordnung die Kriterien für die Verteilung fest.
3    Das SEM weist die Asylsuchenden den Kantonen zu (Zuweisungskantone).85 Es trägt dabei den schützenswerten Interessen der Kantone und der Asylsuchenden Rechnung. Der Zuweisungsentscheid kann nur mit der Begründung angefochten werden, er verletze den Grundsatz der Einheit der Familie.
4    Nicht zugewiesen werden Personen, bei denen der Vollzug der Wegweisung angeordnet worden ist und deren Asylentscheid in einem Zentrum des Bundes in Rechtskraft erwachsen ist oder deren Asylgesuch in einem Zentrum des Bundes abgeschrieben wurde.86
68 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 68 Schutzbedürftige im Ausland - 1 Das SEM bezeichnet die Gruppe Schutzbedürftiger näher und entscheidet, wem in der Schweiz vorübergehender Schutz gewährt wird. Es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie.
1    Das SEM bezeichnet die Gruppe Schutzbedürftiger näher und entscheidet, wem in der Schweiz vorübergehender Schutz gewährt wird. Es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie.
2    Der Entscheid über die Gewährung vorübergehenden Schutzes kann nur mit der Begründung angefochten werden, er verletze den Grundsatz der Einheit der Familie.
3    ...183
102 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 102 Informations- und Dokumentationssystem - 1 Das SEM betreibt in Zusammenarbeit mit dem Bundesverwaltungsgericht ein automatisiertes Informations- und Dokumentationssystem. Darin werden in verschiedenen Datenbanken sachbezogene Informationen und Dokumentationen aus dem Aufgabenbereich des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts gespeichert. Sofern es erforderlich ist, können auch in den Texten enthaltene Personendaten, namentlich Personalien, sowie besonders schützenswerte Personendaten gespeichert werden.320 321
1    Das SEM betreibt in Zusammenarbeit mit dem Bundesverwaltungsgericht ein automatisiertes Informations- und Dokumentationssystem. Darin werden in verschiedenen Datenbanken sachbezogene Informationen und Dokumentationen aus dem Aufgabenbereich des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts gespeichert. Sofern es erforderlich ist, können auch in den Texten enthaltene Personendaten, namentlich Personalien, sowie besonders schützenswerte Personendaten gespeichert werden.320 321
2    Auf Datenbanken, die besonders schützenswerte Personendaten enthalten, haben nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts Zugriff.322
3    Datenbanken, die vorwiegend sachbezogene, aus öffentlichen Quellen entnommene Informationen enthalten, können auf Gesuch hin mittels Abrufverfahren externen Benutzerinnen und Benutzern zugänglich gemacht werden.
4    Der Bundesrat regelt die Einzelheiten, namentlich den Zugriff auf das System und den Schutz der darin erfassten Personendaten.
106 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 106 Beschwerdegründe - 1 Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
1    Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
a  Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Missbrauch und Überschreitung des Ermessens;
b  unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts;
c  ...
2    Artikel 27 Absatz 3 und Artikel 68 Absatz 2 bleiben vorbehalten.
111 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 111 Einzelrichterliche Zuständigkeit - Die Richter entscheiden in folgenden Fällen als Einzelrichter:
a  Abschreibung von Beschwerden infolge Gegenstandslosigkeit;
b  Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Beschwerden;
c  Entscheid über die vorläufige Verweigerung der Einreise am Flughafen und Zuweisung eines Aufenthaltsorts am Flughafen;
d  ...
e  mit Zustimmung eines zweiten Richters: offensichtlich begründete oder unbegründete Beschwerden.
111a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 111a Verfahren und Entscheid - 1 Das Bundesverwaltungsgericht kann auf die Durchführung des Schriftenwechsels verzichten.381
1    Das Bundesverwaltungsgericht kann auf die Durchführung des Schriftenwechsels verzichten.381
2    Beschwerdeentscheide nach Artikel 111 werden nur summarisch begründet.
AsylV 3: 1b
SR 142.314 Asylverordnung 3 vom 11. August 1999 über die Bearbeitung von Personendaten (Asylverordnung 3, AsylV 3) - Asylverordnung 3
AsylV-3 Art. 1b - 1 In der Datenbank Kompass werden Dokumente mit Informationen über die Herkunftsländer der Asylsuchenden erfasst.18
1    In der Datenbank Kompass werden Dokumente mit Informationen über die Herkunftsländer der Asylsuchenden erfasst.18
2    Es werden keine besonders schützenswerten Personendaten gespeichert.19 Enthält ein nicht aus öffentlicher Quelle stammendes Dokument Personennamen, so werden diese vor dem Einlesen in das System anonymisiert.
3    Zugriff auf die Daten haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SEM und des Bundesverwaltungsgerichts.
4    Das SEM kann die in Kompass gespeicherten Informationen folgenden Behörden mittels Abrufverfahren zugänglich machen:20
a  den kantonalen Ausländerbehörden;
b  Behördenvertreterinnen und Behördenvertretern der Bundesverwaltung, welche für die Erfüllung ihrer Arbeit auf Informationen über Herkunftsstaaten von Asylsuchenden angewiesen sind;
c  Partnerbehörden ausländischer Staaten sowie internationalen Organisationen, mit denen die Schweiz einen institutionalisierten Austausch von Länderinformationen pflegt.
AuG: 83 
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.243 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.244
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.245
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:246
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB248 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG250 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG251 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.252
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.253
85
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 85 Ausgestaltung der vorläufigen Aufnahme - 1 Der Ausweis für vorläufig aufgenommene Personen (Art. 41 Abs. 2) wird vom Aufenthaltskanton zur Kontrolle für höchstens zwölf Monate ausgestellt und unter Vorbehalt von Artikel 84 verlängert.
1    Der Ausweis für vorläufig aufgenommene Personen (Art. 41 Abs. 2) wird vom Aufenthaltskanton zur Kontrolle für höchstens zwölf Monate ausgestellt und unter Vorbehalt von Artikel 84 verlängert.
2    Für die Verteilung der vorläufig aufgenommenen Personen ist Artikel 27 AsylG257 sinngemäss anwendbar.
3    Das Gesuch um einen Kantonswechsel ist von den vorläufig aufgenommenen Personen beim SEM einzureichen. Dieses entscheidet unter Vorbehalt von Absatz 4 über den Kantonswechsel nach Anhörung der betroffenen Kantone endgültig.
4    Der Entscheid über den Kantonswechsel kann nur mit der Begründung angefochten werden, er verletze den Grundsatz der Einheit der Familie.
5    Die vorläufig aufgenommenen Personen können ihren Wohnort im Gebiet des bisherigen oder des zugewiesenen Kantons frei wählen. Die kantonalen Behörden können vorläufig aufgenommene Personen, die nicht als Flüchtlinge anerkannt wurden und Sozialhilfe beziehen, innerhalb des Kantons einem Wohnort oder einer Unterkunft zuweisen.258
6    ...259
7    Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von vorläufig aufgenommenen Personen und vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen können frühestens drei Jahre nach Anordnung der vorläufigen Aufnahme nachgezogen und in diese eingeschlossen werden, wenn:
a  sie mit diesen zusammenwohnen;
b  eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist; und
c  die Familie nicht auf Sozialhilfe angewiesen ist;
d  sie sich in der am Wohnort gesprochenen Landessprache verständigen können; und
e  die nachziehende Person keine jährlichen Ergänzungsleistungen nach dem ELG262 bezieht oder wegen des Familiennachzugs beziehen könnte.
7bis    Für die Erteilung der vorläufigen Aufnahme ist anstelle der Voraussetzung nach Absatz 7 Buchstabe d die Anmeldung zu einem Sprachförderungsangebot ausreichend.263
7ter    Bei ledigen Kindern unter 18 Jahren findet die Voraussetzung nach Absatz 7 Buchstabe d keine Anwendung. Von dieser Voraussetzung kann zudem abgewichen werden, wenn wichtige Gründe nach Artikel 49a Absatz 2 vorliegen.264
8    Hat das SEM bei der Prüfung des Nachzugs nach Absatz 7 Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 ZGB265 vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Gesuch um Nachzug wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Gesuch bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.266
BV: 5 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
8 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
1    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2    Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3    Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4    Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
29
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
VGG: 37
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 37 Grundsatz - Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG56, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
VwVG: 49 
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 49 - Der Beschwerdeführer kann mit der Beschwerde rügen:
a  Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens;
b  unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes;
c  Unangemessenheit; die Rüge der Unangemessenheit ist unzulässig, wenn eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat.
64 
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 64
1    Die Beschwerdeinstanz kann der ganz oder teilweise obsiegenden Partei von Amtes wegen oder auf Begehren eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zusprechen.
2    Die Entschädigung wird in der Entscheidungsformel beziffert und der Körperschaft oder autonomen Anstalt auferlegt, in deren Namen die Vorinstanz verfügt hat, soweit sie nicht einer unterliegenden Gegenpartei auferlegt werden kann.
3    Einer unterliegenden Gegenpartei kann sie je nach deren Leistungsfähigkeit auferlegt werden, wenn sich die Partei mit selbständigen Begehren am Verfahren beteiligt hat.
4    Die Körperschaft oder autonome Anstalt, in deren Namen die Vorinstanz verfügt hat, haftet für die einer unterliegenden Gegenpartei auferlegte Entschädigung, soweit sich diese als uneinbringlich herausstellt.
5    Der Bundesrat regelt die Bemessung der Entschädigung.108 Vorbehalten bleiben Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005109 und Artikel 73 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010110.111
71
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 71
1    Jedermann kann jederzeit Tatsachen, die im öffentlichen Interesse ein Einschreiten gegen eine Behörde von Amtes wegen erfordern, der Aufsichtsbehörde anzeigen.
2    Der Anzeiger hat nicht die Rechte einer Partei.
BGE Register
116-IB-270 • 130-II-449 • 133-II-35
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
vorinstanz • afghanistan • bundesverwaltungsgericht • frage • asylverfahren • bundesamt für migration • ermessen • region • rechtssicherheit • vorläufige aufnahme • rechtsmittelinstanz • asylrecht • kenntnis • dauer • verbindlichkeit • not • heimatstaat • bundesgesetz über die ausländerinnen und ausländer • asylgesetz • bundesgesetz über das verwaltungsverfahren
... Alle anzeigen
BVGE
2009/2 • 2007/27
BVGer
E-5929/2006
EMARK
2003/10 • 2006/9
AS
AS 2006/5599 • AS 1999/2262
BBl
2006/7763