Urteilskopf

2008/8

Auszug aus dem Urteil der Abteilung I i. S. BKW FMB Energie AG gegen das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
A-2089/2006 vom 8. März 2007


Regeste Deutsch

Nachträgliche Aufhebung der Befristung der Betriebsbewilligung eines Kernkraftwerks. Verfahren.
Art. 21 und Art. 65 KEG. Art. 40 KEV.
1. Offenkundigkeit des Mangels und damit Nichtigkeit der Befristung der Betriebsbewilligung verneint (E. 6.2-6.3).
2. Da die Befristung i. S. von Art. 21 Abs. 2 KEG weder einen den Bau betreffenden Aspekt noch ein eigentliches betriebliches Element darstellt, fallen damit zusammenhängende Anpassungen nicht unter Art. 65 KEG (E. 10.4).
3. Rückweisung der Sache an die Vorinstanz, damit diese das Gesuch um Aufhebung der Befristung nach den Regeln der Wiedererwägung bzw. des Widerrufs behandelt (E. 11-12).


Regeste en français

Annulation, après coup, de la limitation temporelle imposée à l'autorisation d'exploiter une centrale nucléaire. Procédure.
Art. 21 et art. 65 LENu. Art. 40 OENu.
1. Caractère manifeste d'un vice et par conséquent nullité de la limitation temporelle fixée à une autorisation d'exploitation niés (consid. 6.2-6.3).
2. Etant donné que la limitation temporelle au sens de l'art. 21 al. 2 LENu ne constitue ni un aspect ayant trait à la construction ni un élément intrinsèque à l'exploitation, les adaptations qui la concernent ne tombent pas sous le coup de l'art. 65 LENu (consid. 10.4).
3. Renvoi de l'affaire à l'autorité inférieure, afin que celle-ci traite la demande d'annulation de la limite temporelle selon les règles applicables au nouvel examen, voire à la révocation (consid. 11-12).


Regesto in italiano

Soppressione a posteriori della limitazione temporale della licenza d'esercizio d'una centrale nucleare. Procedura.
Art. 21 e art. 65 LENu. Art. 40 OENu.
1. Negazione della sussistenza di un vizio manifesto e, per conseguenza, della nullità della limitazione temporale della licenza d'esercizio (consid. 6.2-6.3).
2. Siccome la limitazione temporale ai sensi dell'art. 21 cpv. 2 LENu non costituisce né un aspetto inerente alla costruzione né un elemento proprio all'esercizio, gli adeguamenti che la concernono non sottostanno all'art. 65 LENu (consid. 10.4).
3. Rinvio della causa all'autorità inferiore affinché tratti la domanda di soppressione della limitazione temporale secondo le regole del riesame o della revoca (consid. 11-12).


Sachverhalt

Am 28. Oktober 1998 verlängerte der Bundesrat der BKW FMB Energie AG (BKW) die Betriebsbewilligung vom 14. Dezember 1992 für das Kernkraftwerk Mühleberg (KKW Mühleberg) bis am 31. Dezember 2012. Er führte unter anderem aus, der wesentliche Grund der Befristung sei mit der Vornahme einer Alternativenevaluation zum KKW Mühleberg weggefallen. Dem Ergebnis einer Abstimmung im Kanton Bern, der ebenfalls befristeten Bewilligung für das Kernkraftwerk Beznau II und dem Umstand, dass bei einer Lebensdauer des KKW Mühleberg von 40 Jahren nach 20 Jahren eine Umwandlung in eine unbefristete Bewilligung in der Öffentlichkeit nicht verstanden würde, sei jedoch mit einer erneuten Befristung Rechnung zu tragen.
Die BKW reichte am 25. Januar 2005 beim Bundesrat ein Gesuch um Aufhebung dieser Befristung ein. Dieser trat am 10. Juni 2005 mangels Zuständigkeit nicht auf das Gesuch ein und überwies es zwecks weiterer Behandlung an das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Mit Verfügung vom 13. Juni 2006 wies das UVEK das Begehren der BKW um Feststellung, die Befristung der Bewilligung sei mit Inkrafttreten des Kernenergiegesetzes vom 21. März 2003 (KEG, SR 732.1) dahin gefallen bzw. nichtig geworden, ab. Auf das Eventualbegehren, die Befristung sei ohne Durchführung eines erneuten Betriebsbewilligungsverfahrens aufzuheben, trat es nicht ein. Am 13. Juli 2006 reichte die BKW (Beschwerdeführerin) gegen die Verfügung des UVEK (Vorinstanz) bei der Eidgenössischen Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt (REKO/INUM) Beschwerde ein.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) heisst die Beschwerde bezüglich des Eventualbegehrens teilweise gut und weist die Streitsache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. Mit Urteil vom 21. Januar 2008 (2C_170/2007) weist das Bundesgericht (BGer) die dagegen erhobene Beschwerde des UVEK ab.


Aus den Erwägungen:

6. Die Beschwerdeführerin macht vorab Nichtigkeit der Befristung geltend. Nichtigkeit könne bei Dauerverfügungen auch durch nachträgliche Rechtsänderung eintreten. Eine rein politisch begründete Befristung der Betriebsbewilligung für das KKW Mühleberg habe mit Inkrafttreten des KEG jegliche Rechtsgrundlage verloren. Denn nach der Konzeption des KEG seien politische Aspekte ausschliesslich im Rahmenbewilligungsverfahren durch die politischen Behörden zu beurteilen. Da zudem das KKW Mühleberg keiner Änderung der Rahmenbewilligung gemäss Art. 65 Abs. 1 KEG bedürfe, könne es gemäss Art. 106 KEG als bestehendes Kernkraftwerk ohne neue Rahmenbewilligung weiterbetrieben werden. Dadurch sei ebenfalls klar, dass der Weiterbetrieb nicht von politischen Überlegungen abhängig gemacht werden dürfe. Die Erteilung der Betriebsbewilligung gemäss Art. 19 ff . KEG sei ein reiner Akt der Rechtsanwendung und kein politischer Entscheid. Wenn die gesetzlichen Bewilligungsvorschriften erfüllt seien, bestehe ein Rechtsanspruch auf Erteilung. Zwar könne eine Bewilligung ausnahmsweise befristet werden, dies jedoch bloss aus polizeirechtlichen und nicht politischen Gründen. Dies ergebe sich auch aus der Botschaft zum KEG. Das KKW Mühleberg erfülle sämtliche
gesetzlichen Voraussetzungen. Ebenso genüge es den mit Bewilligung vom 14. Dezember 1992 angeordneten Auflagen, welche auf eine unbefristete Bewilligung ausgerichtet seien.

6.1 Die Vorinstanz bestreitet die Nichtigkeit der Befristung. Die Verfügung leide weder an einem besonders schwerwiegenden Fehler noch stelle die Befristung einen offensichtlichen oder zumindest leicht erkennbaren Fehler dar. Zudem lege die Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern der angebliche Mangel offensichtlich oder klar erkennbar sei. Im Übrigen sei die Rechtsgrundlage unter dem KEG gleich wie unter dem alten Atomgesetz. Des Weiteren hält sie fest, es könne vorliegend nicht beurteilt werden, ob das KKW Mühleberg alle Bewilligungsvoraussetzungen inkl. allfälliger Aspekte aus dem nicht nuklearen Bereich erfülle. Dafür sei ein Verfahren nach Art. 6 KEG durchzuführen. Denn die Aufhebung der Befristung sei als wesentliche Abweichung von der Betriebsbewilligung zu qualifizieren, weshalb gemäss Art. 61 KEG ein Erlassverfahren (Art. 49 ff . KEG) durchzuführen sei.

6.2 Wenn Nichtigkeit vorliegen würde, bliebe für das BVGer nur, diese Nichtigkeit festzuhalten; denn eine nichtige Verfügung bzw. Auflage ist rechtlich unverbindlich und kann keine Wirkungen entfalten. Nichtigkeit bildet jedoch die Ausnahme und ist nur in seltenen Fällen von qualifizierter Fehlerhaftigkeit anzunehmen. Ob Nichtigkeit vorliegt, bestimmt sich dabei nach der sog. Evidenztheorie (vgl. BGE 122 I 99 E. 3a.aa, BGE 116 Ia 215 E. 2c). Danach müssen kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es muss ein schwerwiegender Rechtsfehler vorliegen;
- der Fehler muss zudem offenkundig oder zumindest leicht erkennbar sein;
- die Annahme der Nichtigkeit darf nicht zu einer ernsthaften Gefährdung der Rechtssicherheit führen.
Offenkundig ist ein Fehler, der einer durchschnittlich, nicht juristisch gebildeten Person auffallen sollte. Als Nichtigkeitsgründe stehen formelle Mängel im Vordergrund, so die offensichtliche örtliche oder sachliche Unzuständigkeit, gewichtige Verfahrensfehler wie die qualifizierte Verletzung des Gehörsanspruchs sowie schwerwiegende Form- oder Eröffnungsfehler. Inhaltliche Mängel haben demgegenüber nur in besonders schweren Fällen die Nichtigkeit einer Verfügung zur Folge (vgl. zum Ganzen: Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich 2006, Rz. 955 ff.; Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2005, § 31 Rz. 16 ff.; THOMAS MERKLI/ARTHUR AESCHLIMANN/RUTH HERZOG, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, N. 55 ff. zu Art. 49).

6.3 Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Sollte die Befristung tatsächlich aus rein politischen Gründen auferlegt worden sein, würde dies keinen ausserordentlich schwerwiegenden inhaltlichen Mangel darstellen, der offenkundig im obgenannten Sinne ist. Denn weder die Frage, ob die Befristung einzig politisch motiviert ist, noch die Frage, ob eine derart begründete zeitliche Beschränkung der Betriebsbewilligung (noch) zulässig ist, lassen sich ohne vertieftes Studium der Akten und der Rechtslage beantworten. Die Beschwerdeführerin unterlässt es denn auch, die Offenkundigkeit des Mangels zu begründen. Auf ihre Behauptung, die Befristung sei ausschliesslich politisch motiviert und deshalb unter der Herrschaft des KEG nichtig, ist an dieser Stelle deshalb nicht näher einzugehen. Anderweitige schwerwiegende Mängel sind nicht ersichtlich und werden von der Beschwerdeführerin denn auch nicht geltend gemacht. Folglich weist die Betriebsbewilligung aufgrund der Befristung keinen qualifizierten Mangel auf, der es rechtfertigen würde, die Befristung für nichtig zu erklären. Der Hauptantrag ist damit als unbegründet abzuweisen.

7. Die Beschwerdeführerin stellt zusätzlich das Eventualbegehren, die rechtskräftig erteilte Betriebsbewilligung für das KKW Mühleberg sei dahingehend zu ändern bzw. anzupassen, als die Befristung aufgehoben werde.

8. Die Vorinstanz trat auf das Begehren der Beschwerdeführerin um Aufhebung der Befristung nicht ein. Da es sich hierbei um eine wesentliche Abweichung von der Betriebsbewilligung handle, sei gemäss Art. 65 Abs. 2 KEG eine Änderung der Bewilligung nach dem Verfahren für deren Erlass erforderlich. Folglich sei die vorliegende Frage in einem Betriebsbewilligungsverfahren zu erörtern. Dies gelte nicht bloss für wesentliche Abweichungen, welche Auswirkungen auf die nukleare Sicherheit und/oder Sicherung hätten. Zudem sei bis anhin über die Befristung stets in einem atomrechtlichen Verfahren und unter Beteiligung der Öffentlichkeit entschieden worden. Weil die eingereichten Unterlagen nicht vollständig seien, könne das ordentliche Bewilligungsverfahren nicht eröffnet werden.

9. Die Beschwerdeführerin ist hingegen der Ansicht, die Vorinstanz habe Art. 65 KEG falsch ausgelegt. Bei dieser Bestimmung gehe es um bewilligungspflichtige Änderungen an der Anlage und nicht um Anpassungen von Nebenbestimmungen der Bewilligung an geänderte gesetzliche Vorgaben. Weiter sei zu beachten, dass nur Änderungen betreffend die nukleare Sicherheit und Sicherung unter Art. 65 KEG fielen. Nach dem Sinn und Zweck sowie dem Wortlaut der Bestimmung erfasse Art. 65 KEG einzig wesentliche Änderungen von Gegenständen, welche nach Art. 21 KEG zu bewilligen seien.

10. Art. 65 KEG sieht für wesentliche Abweichungen von der Betriebsbewilligung eine Änderung der Bewilligung nach dem Verfahren für deren Erlass vor (Abs. 2). Für Änderungen, die nicht wesentlich von einer Bewilligung nach Abs. 2 abweichen, jedoch einen Einfluss auf die nukleare Sicherheit oder Sicherung haben können, braucht der Inhaber eine Freigabe der Aufsichtsbehörden (Abs. 3). Übrige Änderungen sind den Aufsichtsbehörden zu melden (Abs. 4). Vorliegend ist primär von Bedeutung und strittig, ob es sich bei der Aufhebung der Befristung überhaupt um eineÄnderung der Betriebsbewilligung gemäss Art. 65 KEG handelt, d. h. ob der Geltungsbereich dieser Bestimmung betroffen ist. Erst wenn dies allenfalls zu bejahen wäre, ist auf die Frage der Wesentlich- oder Unwesentlichkeit der Änderung einzugehen.

10.1 Eine Auslegung ist notwendig, wo der Gesetzeswortlaut entweder unklar ist oder wo Zweifel bestehen, ob der scheinbar klare Wortlaut den wahren Sinn der Norm wiedergibt (vgl. zum Ganzen Häfelin/Müller/Uhlmann, a. a. O., Rz. 214; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 6. Aufl., Zürich 2005, Rz. 80 und 92). Ausgangspunkt der Auslegung bildet der Wortlaut von Art. 65 KEG, welcher von « wesentliche(n) Abweichungen von der Bau- oder Betriebsbewilligung » (Abs. 2), « Änderungen, die nicht wesentlich von einer Bewilligung oder Verfügung nach Absatz 2 abweichen » (Abs. 3) und « übrige(n) Änderungen » (Abs. 4) spricht. Worauf sich diese Abweichungen zu beziehen haben, um in den Anwendungsbereich von Art. 65 KEG zu fallen, ist dem Wortlaut - in allen drei Amtssprachen - nicht zu entnehmen. Unter Berücksichtigung der Zweckvorstellung, die der Gesetzgeber mit Art. 65 KEG verbunden hat und die sich vorliegend mit Hilfe des historischen Auslegungselements und der Gesetzessystematik ergründen lässt, kann hingegen hergeleitet werden, dass nicht jegliche Abweichung von der Betriebsbewilligung, sondern nur eigentliche betriebliche Änderungen in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen.

10.2 So hängt gemäss Botschaft vom 28. Februar 2001, II. Teil, Entwurf zu einem Kernenergiegesetz (nachfolgend: Botschaft) die Frage, ob von einer wesentlichen oder unwesentlichen Anpassung auszugehen ist, vom Inhalt der Bewilligung und vom Umfang der Änderung ab (BBl 2001 III 2789). Die Betriebsbewilligung umfasst den gesamten Betrieb unter dem Gesichtspunkt der nuklearen Sicherheit und Sicherung (Botschaft S. 2770). Deren Inhalt wird in Art. 21 KEG geregelt. Festzulegen sind der Bewilligungsinhaber (Bst. a), die zulässige Reaktorleistung (Bst. b), die Limiten für die Abgabe von radioaktiven Stoffen an die Umwelt (Bst. c), die Massnahmen zur Überwachung der Umgebung (Bst. d), die Sicherheits-, Sicherungs- und Notfallschutzmassnahmen (Bst. e) sowie die freigabebedürftigen Stufen der Inbetriebnahme (Bst. f). Mit Ausnahme des Bewilligungsinhabers, dessen Änderungen von Art. 66 KEG erfasst werden, handelt es sich beim Inhalt der Betriebsbewilligung somit um rein betriebliche Aspekte. Art. 21 Abs. 2 KEG hält zwar fest, die Betriebsbewilligung könne befristet werden. Selbst unter Berücksichtigung dieser Befristungsmöglichkeit liegt es nahe, anzunehmen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Änderungen an der Betriebsbewilligung nur dann
unter Art. 65 KEG fallen, wenn sie betriebliche Aspekte betreffen.

10.3 Bestätigt wird diese Auffassung durch die Botschaft, die als Beispiele fürwesentliche und unwesentliche Änderungen gemäss Art. 65 Abs. 2 und Abs. 3 KEG lediglich Änderungen an den Anlagen bzw. bauliche und betriebliche Änderungen aufzählt. Als wesentliche Änderungen gelten die Leistungserhöhung, sofern die in der Bewilligung genannte Maximalleistung bereits ausgenutzt worden ist und die Änderungen an den Notstandssystemen; unwesentliche Änderungen sind der Ersatz von wichtigen Komponenten oder Systemen und der Einsatz von MOX-Brennelementen, solange die sicherheitsrelevanten Eigenschaften des Reaktors nicht wesentlich tangiert werden (Botschaft S. 2789). In Übereinstimmung damit nennt auch Art. 40 der Kernenergieverordnung vom 10. Dezember 2004 (KEV, SR 732.11), der die freigabepflichtigen Änderungen gemäss Art. 65 Abs. 2 KEG konkretisiert, nur Änderungen an den Anlagen oder am Betrieb. Solche Abweichungen sind Änderungen an sicherheits- oder sicherungstechnisch klassierten Bauwerken, Anlageteilen, Systemen und Ausrüstungen sowie an Einrichtungen mit sicherheits- oder sicherungstechnischer Bedeutung, sofern dabei bestehende Sicherheits- und Sicherungsfunktionen erhalten bleiben oder verbessert werden (Abs. 1 Bst. a),
bestimmte Änderungen am Reaktorkern (Abs. 1 Bst. b) und inhaltliche Änderungen an bestimmten Dokumenten (Abs. 1 Bst. c). Die Auffassung, dass unter Art. 65 KEG lediglichÄnderungen an den Anlagen, mit anderen Worten bauliche oder betriebliche Änderungen, subsumiert werden, wird im Übrigen auch in der Lehre vertreten (vgl. Riccardo Jagmetti, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. VII, Energierecht, Basel 2005, Rz. 5417).

10.4 Die Befristung stellt keinen den Bau betreffenden Aspekt dar. Ebenso wenig handelt es sich um ein betriebliches, d. h. den inneren Betrieb und Ablauf des KKW Mühleberg betreffendes Element. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn die Befristung die Lebensdauer des Kernkraftwerks festlegen würde, was aber nicht der Fall ist. Denn die zeitliche Beschränkung gemäss Art. 21 Abs. 2 KEG ist keine gesetzliche Befristung im Sinne der Festlegung der Lebensdauer eines Kernkraftwerks, sondern vielmehr eine polizeirechtliche, die insbesondere aus Sicherheitsgründen angezeigt sein kann, wenn eine für den Betrieb nicht elementare Frage noch abgeklärt werden muss. Solange die Sicherheit aber gewährleistet ist, dürfen die Kernkraftwerke weiter betrieben werden (Botschaft S. 2739 f. und S. 2770). Handelt es sich somit bei der Befristung nicht um einen eigentlichen betrieblichen Aspekt der Betriebsbewilligung, fallen damit zusammenhängende Anpassungen nicht unter Art. 65 KEG.

10.5 Diese Auffassung wird durch folgende Überlegung bestätigt: Art. 65 KEG unterscheidet zwischen wesentlichen Abweichungen, die eine Änderung der Betriebsbewilligung nach dem Verfahren für deren Erlass verlangen (Abs. 2), unwesentlichen Änderungen mit möglichen Auswirkungen auf die nukleare Sicherheit oder Sicherung, welche die Freigabe der Aufsichtsbehörde benötigen (Abs. 3) und übrigen Änderungen, die den Aufsichtsbehörden zu melden sind (Abs. 4). Wie in vorstehender Erwägung festgehalten, handelt es sich bei der Befristung gestützt auf Art. 21 Abs. 2 KEG nicht um eine gesetzliche Befristung im Sinne der Festlegung der Lebensdauer eines Kernkraftwerkes. Hinzu kommt, dass auch ohne Durchführung eines erneuten Bewilligungsverfahrens die Kernkraftwerke einer ständigen systematischen Sicherheits- und Sicherungsbewertung unterliegen (Art. 72 Abs. 1 KEG i. V. m. Art. 33 KEV) und ein allfälliger Entzug der Bewilligung möglich ist (Art. 67 KEG). Damit erscheint die Durchführung des Verfahrens für den Erlass der Bewilligung für eine Änderung der Befristung als nicht angemessen. Ebenso sind die beiden anderen Verfahren - Freigabe und Anzeige - auf die Änderung der Befristung nicht zugeschnitten. Auch unter diesem Aspekt lässt sich
feststellen, dass der Gesetzgeber nur eigentliche betriebliche Anpassungen, nicht aber Änderungen bei der polizeilichen Befristung von Art. 65 KEG erfasst haben will.

10.6 Zusammenfassend erscheint es somit unter Berücksichtigung der dem Gesetz zugrunde liegenden Werte und Zielsetzungen angebracht, Art. 65 Abs. 2 -4 KEG dahingehend auszulegen, dass nur eigentliche betriebliche und bauliche Änderungen darunter zu subsumieren sind. Die Aufhebung der Befristung der Betriebsbewilligung wird somit nicht miterfasst. Das Argument der Vorinstanz, über die Befristung sei bisher stets ein atomrechtliches Verfahren durchgeführt worden, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Denn die früheren Verfahren erfolgten immer unter der Herrschaft des Atomgesetzes. Die Auslegung von Art. 65 Abs. 2 -4 des seit dem 1. Februar 2005 in Kraft getreten KEG hat indessen ergeben, dass kein solches Erlassverfahren durchzuführen ist. Neues Recht wird mit seinem Inkrafttreten grundsätzlich sofort anwendbar. Mithin gilt Art. 65 KEG seit dem 1. Februar 2005 und ist im vorliegenden Verfahren massgebend (vgl. TSCHANNEN/ZIMMERLI, a. a. O., § 24 Rz. 8 und 14).

11. Ist somit Art. 65 KEG als spezialgesetzliche Regelung für die Änderung von Bewilligungen vorliegend nicht anwendbar, fragt sich, ob aus anderen Gründen auf die Befristung der Betriebsbewilligung zurückgekommen werden darf.

11.1 Die Betriebsbewilligung betrifft ein Dauerrechtsverhältnis und stellt eine formell rechtskräftige Verfügung dar. Die Vorinstanz wäre somit verpflichtet gewesen, den Antrag der Beschwerdeführerin um Aufhebung der Befristung nach den Regeln der Wiedererwägung bzw. des Widerrufs zu behandeln (vgl. Jagmetti, a. a. O., Rz. 2419; TSCHANNEN/ZIMMERLI, a. a. O., § 24 Rz. 29 und § 31 Rz. 21 ff.). Zur Begründung ihres Antrags bringt die Beschwerdeführerin einerseits vor, mit Inkrafttreten des KEG habe die Befristung, da sie lediglich politisch motiviert sei, jegliche Grundlage verloren. Andererseits würden auch das Fehlen von sicherheitsrelevanten Fragen, der Umstand, dass das KKW Mühleberg in der Schweiz das einzige Kernkraftwerk sei, welches noch über eine Befristung verfüge, das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, da die Stromproduktion des KKW Mühleberg für die Gewährung der Stromversorgung der Nordwestschweiz von eminenter Bedeutung sei und der Verstoss gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip für die Aufhebung der Befristung sprechen. All diese Vorbringen hätte die Vorinstanz im Rahmen eines Wiedererwägungs- bzw. Widerrufsverfahrens prüfen müssen.

12. Das BVGer entscheidet in der Sache selbst oder weist diese ausnahmsweise mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurück (Art. 61 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 61
1    Die Beschwerdeinstanz entscheidet in der Sache selbst oder weist diese ausnahmsweise mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurück.
2    Der Beschwerdeentscheid enthält die Zusammenfassung des erheblichen Sachverhalts, die Begründung (Erwägungen) und die Entscheidungsformel (Dispositiv).
3    Er ist den Parteien und der Vorinstanz zu eröffnen.
des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren [VwVG, SR 172.021]). Eine Rückweisung ist angezeigt, wenn die Vorinstanz fälschlich einen Nichteintretensentscheid gefällt hat (FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 234).
Auch wenn sich die Vorinstanz teilweise mit den inhaltlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt hat, fehlt eine Prüfung des Gesuches um Aufhebung der Befristung im Lichte der Grundsätze des Zurückkommens auf eine rechtskräftige Verfügung. Weil es nicht Aufgabe einer richterlichen Beschwerdeinstanz ist, eine solche Prüfung an Stelle der Verwaltung vorzunehmen, gelangt das BVGer zum Ergebnis, dass die Beschwerde teilweise gutzuheissen und die Streitsache zu neuem Entscheid im Sinne vorstehender Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen ist.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2008/8
Datum : 08. März 2007
Publiziert : 01. Januar 2007
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2008/8
Sachgebiet : Abteilung I (Infrastruktur, Umwelt, Abgaben, Personal)
Gegenstand : Nichtigkeit bzw. Aufhebung der Befristung der Betr...


Gesetzesregister
KEG: 6  19  21  49  61  65  66  67  72  106
KEV: 33  40
VwVG: 61
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 61
1    Die Beschwerdeinstanz entscheidet in der Sache selbst oder weist diese ausnahmsweise mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurück.
2    Der Beschwerdeentscheid enthält die Zusammenfassung des erheblichen Sachverhalts, die Begründung (Erwägungen) und die Entscheidungsformel (Dispositiv).
3    Er ist den Parteien und der Vorinstanz zu eröffnen.
BGE Register
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BVGer
A-2089/2006
BBl
2001/III/2789