Urteilskopf

2007/26

Auszug aus dem Urteil der Abteilung II i. S. V. gegen Zulassungskommission für den Zivildienst
B-2125/2006 vom 26. April 2007


Regeste Deutsch

Zivildienst. Grundsätzliches Recht, jederzeit ein neues Gesuch um Zulassung zum Zivildienst zu stellen.
Art. 16 Abs. 2
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 16 Zeitpunkt der Gesuchseinreichung - Militärdienstpflichtige können jederzeit ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst einreichen.
ZDG.
1. Die Wahrnehmung des Rechts, jederzeit ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst zu stellen, steht unter dem Vorbehalt des Handelns nach Treu und Glauben. Auf Gesuche, die in unvernünftig kurzen Abständen (querulatorisch) gestellt werden, wie auch auf solche, die im Vergleich mit dem bereits rechtskräftig entschiedenen Gesuch keine neuen Elemente, sondern eine weitgehend identische Begründung enthalten, ist mangels eines schutzwürdigen Interesses an deren Prüfung nicht einzutreten (E. 3.2-3.3).
2. Wenn ein Gesuchsteller rund zweieinhalb Jahre nach dem ersten Gesuch ein weiteres Gesuch um Zulassung zum Zivildienst einreicht, das nicht besonders stark auf das erste Gesuch bezogen ist und in welchem sich neue Überlegungen und Einsichten in Bezug auf einen möglichen Gewissenskonflikt wie auch neue Sachverhaltselemente finden, so bestehen zumindest gewisse Anhaltspunkte dafür, dass sich seine Verhältnisse erheblich geändert haben; es ist also angezeigt, dass eine erneute persönliche Anhörung durchgeführt wird (E. 3.5).


Regeste en français

Service civil. Droit au dépôt en tout temps d'une nouvelle demande d'admission au service civil.
Art. 16 al. 2 LSC.
1. Le droit au dépôt en tout temps d'une demande d'admission au service civil est garanti sous réserve d'un comportement fondé sur la bonne foi. Il n'y a pas lieu d'entrer en matière sur des demandes déposées (d'une manière quérulente) à de brefs intervalles déraisonnables, de même que sur des demandes qui, par rapport à une demande ayant fait l'objet d'une décision entrée en force, ne présentent aucun élément nouveau mais une argumentation largement identique, à défaut d'un intérêt digne de protection à l'examen de celles-ci (consid. 3.2-3.3).
2. Lorsqu'un demandeur dépose environ deux ans et demi après sa première requête une nouvelle demande d'admission au service civil, qui ne se réfère pas d'une manière particulièrement forte à la première demande et dans laquelle figurent de nouveaux jugements et réflexions en rapport avec un possible conflit de conscience de même que de nouveaux éléments de fait, il existe ainsi pour le moins certains indices qui laissent à penser que les circonstances se sont considérablement modifiées; il est alors indiqué de procéder à une nouvelle audition personnelle (consid. 3.5).


Regesto in italiano

Servizio civile. Di massima, diritto di presentare in qualsiasi momento una nuova domanda d'ammissione al servizio civile.
Art. 16 cpv. 2 LSC.
1. La garanzia del diritto di presentare in qualsiasi momento una domanda d'ammissione al servizio civile è data soltanto in caso di comportamento fondato sulla buona fede. Non entrata in materia, per difetto di un interesse degno di protezione, di domande presentate a intervalli irragionevolmente brevi (atti dovuti a condotta processuale da querulomane) rispettivamente di istanze in cui non sono presentati nuovi elementi, ma sono riproposti argomenti simili a quelli già invocati in un procedimento anteriore oggetto di una decisione cresciuta in giudicato (consid. 3.2-3.3).
2. Se circa due anni dopo l'inoltro di una prima domanda, un richiedente ne presenta una nuova d'ammissione al servizio civile nella quale non ripropone semplicemente gli argomenti della prima, ma adduce nuovi fatti e riflessioni relativi a un possibile conflitto di coscienza, esistono per lo meno indizi suscettibili di dimostrare un cambiamento delle circostanze decisive; è allora indicato procedere a una nuova audizione personale (consid. 3.5).


Sachverhalt

Der Beschwerdeführer stellte am 4. November 2003 ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst. Nach einer mündlichen Anhörung wies die Zulassungskommission für den Zivildienst (Zulassungskommission) sein Gesuch mit Entscheid vom 29. Januar 2004 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde von der Rekurskommission des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (REKO/EVD) am 3. November 2004 abgewiesen.
H. Am 12. Juli 2006 reichte der Beschwerdeführer ein neues Gesuch ein mit dem Begehren, zum Zivildienst zugelassen zu werden. In der schriftlichen Begründung zu dieser Eingabe, welche beim Regionalzentrum Nottwil am 17. August 2006 einging, erklärte er unter anderem, sein Gewissenskonflikt gegenüber dem Militärdienst habe sich massiv verstärkt. Früher habe er sein moralisches Problem mit dem Militärdienst nicht genau benennen können, heute wisse er, dass seine Überzeugung es nicht zulasse, Konflikte mit Gewalt zu lösen. Er habe Seminare zur Schulung seiner Persönlichkeit besucht, wobei ihm immer klarer geworden sei, dass es keinen Grund gebe, in irgendeiner Form Gewalt gegen Menschen anzuwenden.
I. Mit Verfügung vom 26. September 2006 stellte die Zulassungskommission fest, die Eingabe des Beschwerdeführers betreffend Zulassung zum Zivildienst werde als Wiedererwägungsgesuch behandelt (Dispositiv Ziffer 1), und trat auf das Wiedererwägungsgesuch nicht ein (Dispositiv Ziffer 2).
J. Gegen diesen Entscheid erhob der Beschwerdeführer am 3. November 2006 Beschwerde bei der REKO/EVD. Er führte unter anderem aus, es dürfe nicht sein, dass sein zweites Gesuch ohne Anhörung von derselben Kommission/Person, welche ihn bereits beim ersten Gesuch nicht verstanden habe, abgewiesen werde.
K. Am 1. Januar 2007 wurde das Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht (BVGer) übernommen.


Aus den Erwägungen:

2. Militärdienstpflichtige, die glaubhaft darlegen, dass sie den Militärdienst mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, leisten einen zivilen Ersatzdienst (Zivildienst) nach dem Zivildienstgesetz (Art. 1 Abs. 1
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 1 Grundsatz - Militärdienstpflichtige, die den Militärdienst mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, leisten auf Gesuch hin einen länger dauernden zivilen Ersatzdienst (Zivildienst) nach diesem Gesetz.
des Zivildienstgesetzes vom 6. Oktober 1995 [ZDG, SR 824.0]).
Nach Art. 16 Abs. 2
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 16 Zeitpunkt der Gesuchseinreichung - Militärdienstpflichtige können jederzeit ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst einreichen.
ZDG können Militärdienstpflichtige jederzeit ein Gesuch einreichen. Das Gesuch ist schriftlich bei der Vollzugsstelle einzureichen. Darin legt der Militärdienstpflichtige seinen Gewissenskonflikt dar (Art. 16a Abs. 1
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 16a Form des Gesuchs
1    Die gesuchstellende Person reicht das Gesuch schriftlich bei der Vollzugsstelle ein.
2    Der Bundesrat regelt die Form des Gesuchs.50
und 2
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 16a Form des Gesuchs
1    Die gesuchstellende Person reicht das Gesuch schriftlich bei der Vollzugsstelle ein.
2    Der Bundesrat regelt die Form des Gesuchs.50
Bst. a i. V. m. Art. 1 Abs. 2
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 1 Grundsatz - Militärdienstpflichtige, die den Militärdienst mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, leisten auf Gesuch hin einen länger dauernden zivilen Ersatzdienst (Zivildienst) nach diesem Gesetz.
und 3
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 1 Grundsatz - Militärdienstpflichtige, die den Militärdienst mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, leisten auf Gesuch hin einen länger dauernden zivilen Ersatzdienst (Zivildienst) nach diesem Gesetz.
ZDG).
Über die Zulassung zum Zivildienst und die Anzahl der zu leistenden Zivildiensttage entscheidet die Zulassungskommission (Art. 18 Abs. 1
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 18 Zulassung
1    Zum Zivildienst zugelassen wird, wer den Einführungstag vollständig besucht und sein Gesuch danach bestätigt hat. Die Vollzugsstelle legt die Anzahl der zu leistenden Zivildiensttage und die Dauer der Zivildienstpflicht fest.
2    Die Vollzugsstelle schreibt das Gesuch als gegenstandslos ab, falls die gesuchstellende Person den Einführungstag nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem sie das Gesuch eingereicht hat, besucht hat.
3    Hat die gesuchstellende Person ihr Gesuch nicht innerhalb der vom Bundesrat festgelegten Frist bestätigt, so tritt die Vollzugsstelle auf das Gesuch nicht ein.
ZDG). Sie hört die gesuchstellenden Personen an (Art. 18a Abs. 1
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 18a Eröffnung des Entscheids
1    Die Vollzugsstelle eröffnet ihren Entscheid der gesuchstellenden Person und der zuständigen Stelle des VBS.
2    Hat die Vollzugsstelle den Entscheid eröffnet, so kann das Gesuch nicht mehr zurückgezogen werden.
ZDG i. V. m. Art. 8 der Verordnung vom 5. Dezember 2003 über das Verfahren der Zulassung zum Zivildienst [SR 824.016]) und beurteilt die Darlegung des Gewissenskonfliktes in Bezug auf ihre Glaubwürdigkeit entsprechend den Kriterien nach Art. 18b
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 18b Teilnahme am Einführungstag und Zulassung während einer Militärdienstleistung
1    Das zuständige militärische Kommando erlaubt der Person, deren Gesuch während ihrer Militärdienstleistung hängig ist, am Einführungstag teilzunehmen.
2    Wer den Entscheid über die Zulassung zum Zivildienst während einer Militärdienstleistung erhält, wird wenn möglich am gleichen, spätestens aber am folgenden Tag aus der Militärdienstleistung entlassen.
ZDG. Die Zulassungskommission besteht aus mindestens 9 Mitgliedern pro Regionalzentrum des Zivildienstes, die in der Lage sind zu beurteilen, ob eine Person glaubhaft darlegt, dass sie den Militärdienst mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren kann (Art. 8 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 2 der Verordnung vom 5. Dezember 2003 über die Kommissionen des Zivildienstes [VKZD, SR 824.013]).
Die Verantwortlichen der Regionalgruppen der Zulassungskommission entscheiden, ob auf Gesuche um Wiedererwägung nach einem rechtskräftigen ablehnenden Entscheid eingetreten wird (Art. 14 Abs. 2 Bst. c VKZD).

3. Über den Antrag des Beschwerdeführers, zum Zivildienst zugelassen zu werden, hatte die Zulassungskommission bereits am 29. Januar 2004 entschieden. Mit der Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde durch die REKO/EVD am 3. November 2004 erwuchs dieser Entscheid in Rechtskraft.
Die Zulassungskommission führte in den Erwägungen der angefochtenen Verfügung vom 26. September 2006 aus, beim Gesuch des Beschwerdeführers handle es sich nicht um einneuesGesuch im Sinn von Art. 16 Abs. 2
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 16 Zeitpunkt der Gesuchseinreichung - Militärdienstpflichtige können jederzeit ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst einreichen.
ZDG, denn weder der geringe zeitliche Abstand zum ersten Zulassungsverfahren noch seine Ausführungen in der Eingabe liessen auf ein solches schliessen. Das Schreiben vom 12. Juli 2006 könne daher nur als Wiedererwägungsgesuch an die Hand genommen werden. Im Folgenden trat sie auf das Wiedererwägungsgesuch nicht ein, weil das Gesuch weder Tatsachen noch Beweise enthalte, die vor zwei Jahren nicht bekannt gewesen seien oder welche vorzutragen der Beschwerdeführer keinen Grund gehabt hätte oder ihm nicht möglich gewesen sei. Auch hätten sich die Umstände nicht wesentlich geändert, soweit sich dies aus der neuen Eingabe schliessen lasse.
Der Beschwerdeführer hält dem in seiner Beschwerde vom 3. November 2006 entgegen, er habe zweieinhalb Jahre nach seinem ersten Gesuch ein neues Gesuch eingereicht. Es dürfe nicht sein, dass dieselbe Kommission/Person, welche ihn bereits letztes Mal nicht verstanden habe, über sein neues Gesuch entscheide. In der Zeit, die zwischen den beiden Gesuchen liege, habe er sich stark verändert und sich intensiv mit sich selbst und dem Militärdienst auseinander gesetzt.
Zunächst ist demnach die Frage zu beantworten, ob es sich bei der Eingabe des Beschwerdeführers um ein neues Gesuch im Sinne von Art. 16 Abs. 2
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 16 Zeitpunkt der Gesuchseinreichung - Militärdienstpflichtige können jederzeit ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst einreichen.
ZDG handelt.

3.1 In seiner Eingabe vom 12. Juli 2006 erklärt der Beschwerdeführer, durch die Erfahrungen der letzten Jahre habe sich sein Gewissenskonflikt in Bezug auf den Militärdienst massiv verstärkt. Er habe Seminare zur Schulung seiner Persönlichkeit besucht und dabei habe sich immer deutlicher herauskristallisiert, dass es keinen Grund gebe, Gewalt gegen Menschen anzuwenden. In diesen Seminaren sei seine Auffassung, dass alle Menschen, gleich welcher Kultur und Religion, zu achten seien, bestätigt worden. Durch seine Reisen habe er die Möglichkeit gehabt, seine Erfahrungen über das Zusammenleben von Menschen kontinuierlich zu erweitern. Er habe gelernt, dass alle Menschen gleich seien und jedes Leben ein Recht auf Respekt und Würde habe. In Kambodscha habe er erlebt, was Gewalt und Krieg bewirkten und wie viele unschuldige Menschen darunter litten; es schockiere ihn, Menschen leiden zu sehen. Im Falle eines militärischen Einsatzes wäre es ihm nicht möglich, Gewalt gegen Menschen anzuwenden, insbesondere auch weil er während seinen Reisen viele Freunde in anderen Ländern gewonnen habe. Bereits in seiner Kindheit sei ihm vermittelt worden, dass die Achtung und der Schutz des Lebens das höchste Gut bedeuteten. Er habe einen ausgeprägten
Sinn für Gerechtigkeit. Er habe gemerkt, dass Gewalt nicht die Lösung von Problemen sei; sein Ziel sei die konstruktive Konfliktlösung. Das Absolvieren der Rekrutenschule habe grosse Traurigkeit in ihm ausgelöst, da das Militär zum Verletzen ausbilde. Er habe schon damals gespürt, dass dies ein moralisches Problem für ihn sei, habe es aber nicht genauer benennen können. Seit August 2004 sei er zudem Mitglied bei Greenpeace, um aktiv einen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten.
In seinem ersten Gesuch vom 4. November 2003 gab der Beschwerdeführer an, er habe auf seinen vielen Reisen Kontakt zu Menschen gehabt, die in jüngster Zeit selber einen Krieg miterlebt und ihm erzählt hätten, wie Familienangehörige vor ihren Augen gefoltert und getötet worden seien. Er sei zur Auffassung gelangt, dass militärische Gewalt - selbst zu Verteidigungszwecken - keine Antwort auf Gewalt sein dürfe. Begegnung zwischen den Völkern sei die beste Erziehung zum Frieden und gegen Rassismus und Klischees, aus denen oft Gewalt resultiere. Er möchte sich für eine Welt ohne Gewalt einsetzen und nie mehr einen Krieg unterstützen. Er bemühe sich, in seinem Alltag und Umfeld diese Einstellung zu leben. Er tue dies in kleinen konkreten Schritten und in Achtung älteren und hilfsbedürftigen Menschen gegenüber. An der Anhörung vom 29. Januar 2004 führte der Beschwerdeführer aus, seine Eltern hätten ihm die Werte Ehrlichkeit und Pflichtbewusstsein wie auch die katholischen Grundwerte vermittelt. Er habe sich für Psychologie interessiert und er habe herausgefunden, dass es nicht nur eine Wahrheit gebe. In Kambodscha sei viel zerstört worden und die Menschen hätten viel verloren durch den Krieg. Es gebe keinen Gewinner bei diesen Kriegen.
Er habe das Schiessen verweigert, weil es ihn gestresst habe. Es sei ein sehr unangenehmes Gefühl gewesen, im Militär mitmachen zu müssen; das sei wohl das Gewissen, er wisse aber nicht, was dahinter stecke. Es sei falsch, für etwas zu kämpfen, das bedeute nämlich, nicht zu reden und den Konflikt nicht zu bewältigen. Das Zusammenarbeiten sei ihm wichtig; miteinander könne man mehr erreichen als gegeneinander. Er möchte keinem anderen Menschen wehtun. Im Alltag merke er, wenn dies geschehe, aber im Militärdienst könne er nicht entscheiden. Er dürfe niemanden umbringen oder Hilfe dazu bieten.
Diese Gegenüberstellung zeigt auf, dass der Beschwerdeführer sich zwar nach wie vor auf das Motiv der Gewaltlosigkeit stützt und einige Elemente seiner Argumentation gleich geblieben sind (z. B. die auf seinen Reisen gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse). Der Beschwerdeführer beruftsich_indessen_auch_auf_zuvor_nicht_genannte_Werte,_wie_die_Achtung_und_den_Schutz_des_Lebens,_das_Recht_auf_Respekt_und_Würde_und_die_Gerechtigkeit._Zudem_macht_der_Beschwerdeführer_geltend,_er_habe_seine_Persönlichkeit_in_Seminaren_massgebend_weiterentwickelt_und_er_leiste_seit_dem_Jahr_2004_als_Mitglied_von_Greenpeace_einen_aktiven_Beitrag_für_eine_bessere_Welt.

3.2 Nach dem klaren und unzweideutigen Wortlaut des Gesetzes können Militärdienstpflichtige jederzeit ein Gesuch einreichen (Art. 16 Abs. 2
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 16 Zeitpunkt der Gesuchseinreichung - Militärdienstpflichtige können jederzeit ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst einreichen.
ZDG).
In der Botschaft vom 22. Juni 1994 zum Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst (BBl 1994 III 1609, Botschaft I, S. 1669) wird hierzu ausgeführt, die Frage, ob nach der Ablehnung des ersten Zulassungsgesuchs weitere Zulassungsgesuche gestellt werden könnten, beurteile sich nach den Regeln des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts. Würden im Gesuch neue Gründe geltend gemacht, so werde ein neues Verfahren einzuleiten sein. Werde erneut dieselbe Begründung beigezogen, so handle es sich um ein Wiedererwägungsgesuch. Im Gesetz sei bewusst von der Formulierung eines Missbrauchsartikels abgesehen worden. Sollten sich Massnahmen gegen Missbräuche aufdrängen, könnte sie der Bundesrat jederzeit gestützt auf das Gesetz ergreifen. Entsprechende Massnahmen wären jedoch sehr eng zu fassen. Eine weite Fassung könnte den Kernbereich des ZDG und der Bundesverfassung verletzen, denn wer wirklich den Militärdienst mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne, solle dies jederzeit geltend machen können.
In der Botschaft vom 21. September 2001 zur Änderung des Bundesgesetzes über den zivilen Ersatzdienst (BBl 2001 VII 6127, Botschaft II, S. 6135, 6159 f. und 6180 f.) hält der Bundesrat fest, die Möglichkeit, nach der Rekrutierung jederzeit ein Zulassungsgesuch einzureichen, bleibe unangetastet. Die Zahl allfälliger Folgegesuche sei nicht beschränkt. Gewissen und Moral jedes Menschen seien Wandlungen unterworfen und könnten sich in eine Richtung entwickeln, die eine weitere Militärdienstleistung nicht mehr erlaube. Militärdienstpflichtige Personen müssten daher weiterhin jederzeit ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst einreichen können. Ohne diese Möglichkeit würde der Verfassungsauftrag (Art. 59 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]) nicht erfüllt.

3.3 Die Möglichkeit der jederzeitigen und wiederholten Gesuchseinreichung rechtfertigt sich damit, dass sich die persönlichen Verhältnisse von jungen Gesuchstellern erfahrungsgemäss innert kurzer Zeit entscheidend entwickeln können. Die Beurteilung eines Zulassungsgesuchs beruht insofern auf einer Momentaufnahme, die wesentlich von den Lebensumständen des Gesuchstellers im Zeitpunkt der Anhörung geprägt ist. Zwar ist ein Missbrauch dieser sehr offenen Regelung nicht auszuschliessen, die Möglichkeit eines solchen wurde aber - wie die Materialien aufzeigen - erkannt und bewusst in Kauf genommen.
Die Wahrnehmung des Rechts, jederzeit ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst zu stellen, steht selbstverständlich - wie die Rechtsausübung schlechthin - unter dem Vorbehalt des Handelns nach Treu und Glauben.
Auf Gesuche, die in unvernünftig kurzen Abständen (querulatorisch) gestellt werden, ist mangels eines schutzwürdigen Interesses an deren Prüfung nicht einzutreten. Diese Auffassung hat das Bundesgericht (BGer) namentlich im Zusammenhang mit einem wiederholt gestellten Gesuch um Entlassung aus dem fürsorgerischen Freiheitsentzug (Art. 397d
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember 1907 [ZGB, SR 210]) gestützt (vgl. BGE 130 III 729 E. 2.1.2: « Ist der Freiheitsentzug von persönlichen Eigenschaften [z. B. Geisteskrankheit] oder sonstigen veränderlichen Umständen abhängig, besteht ein Recht auf Haftprüfung in ? angemessenen ? bzw. ? vernünftigen Abständen ? »).
Dies muss ebenso für Gesuche gelten, die keine neuen Elemente, sondern eine weitgehend identische Begründung enthalten. Denn aus prozessökonomischen Gründen rechtfertigt es sich nicht, ein neues (aufwändiges) Zulassungsverfahren - mitsamt einer Anhörung (vgl. Art. 15 Abs. 2 VKZD) - durchzuführen, wenn der Gesuchsteller in seinem neuen Gesuch im Wesentlichen dieselbe Argumentation wie bereits im rechtskräftig entschiedenen Gesuch vorträgt.
(...)

3.5 Das hier zu beurteilende Zulassungsgesuch wurde etwas mehr als zweieinhalb Jahre nach dem ersten Gesuch eingereicht. Dies stellt, entgegen der Ansicht der Zulassungskommission, einen Zeithorizont dar, in welchem sich gerade junge Leute entscheidend entwickeln und verändern können. Im Weitern handelt es sich, wie oben dargelegt, weder um ein identisches Gesuch noch um ein Gesuch, das besonders stark auf das erste Gesuch bezogen ist (mal abgesehen vom Lebenslauf, der aber im Falle des Beschwerdeführers nur eine chronologische Aufzählung der Eckdaten seines Lebens enthält, während die eigentliche Begründung des Gewissenskonflikts in einem separaten Teil des Gesuchs zu finden ist). Der Beschwerdeführer macht auch nicht geltend, die erste Verfügung sei ursprünglich fehlerhaft und müsse daher in Wiedererwägung bzw. in Revision gezogen werden, sondern er beruft sich darauf, dass er heute nicht mehr dieselbe Person sei wie damals und dass er sich in den vergangen Jahren intensiv mit sich selbst und der Militärdienstpflicht auseinandergesetzt habe. Der Beschwerdeführer bringt in seinem Gesuch neue Überlegungen und Einsichten in Bezug auf einen möglichen Gewissenskonflikt wie auch neue Sachverhaltselemente vor. Es bestehen somit
zumindest gewisse Anhaltspunkte dafür, dass sich die Verhältnisse des Beschwerdeführers erheblich geändert haben.
Die Frage, ob der Beschwerdeführer glaubhaft darlegen kann, dass ihm diese Entwicklungen das Leisten des Militärdienstes verunmöglichen, wird von der Zulassungskommission zu beantworten sein. Aus diesen Gründen ist es angezeigt, dass die Zulassungskommission den Beschwerdeführer erneut persönlich anhört und anschliessend über die Glaubhaftigkeit des geltend gemachten Gewissenskonfliktes befindet.

4. Die Vorinstanz hat daher zu Unrecht entschieden, dass es sich bei der Eingabe des Beschwerdeführers vom 12. Juli 2006 nicht um ein neues Gesuch, sondern um ein Wiedererwägungsgesuch handle.
Die Beschwerde erweist sich somit als begründet und der angefochtene Entscheid ist aufzuheben. Die Streitsache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Zulassungskommission hat den Beschwerdeführer in neuer Zusammensetzung nochmals und vor allem im Hinblick auf die geltend gemachten neuen Überlegungen, Werte und Sachumstände anzuhören und danach darüber zu befinden, ob er glaubhaft darzulegen vermochte, das Leisten des Militärdienstes mit seinem Gewissen nicht vereinbaren zu können.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2007/26
Datum : 26. April 2007
Publiziert : 01. Januar 2007
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2007/26
Sachgebiet : Abteilung II (Wirtschaft, Wettbewerb, Bildung)
Gegenstand : Zivildienst / Wiedererwägung


Gesetzesregister
BV: 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
ZDG: 1 
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 1 Grundsatz - Militärdienstpflichtige, die den Militärdienst mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, leisten auf Gesuch hin einen länger dauernden zivilen Ersatzdienst (Zivildienst) nach diesem Gesetz.
16 
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 16 Zeitpunkt der Gesuchseinreichung - Militärdienstpflichtige können jederzeit ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst einreichen.
16a 
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 16a Form des Gesuchs
1    Die gesuchstellende Person reicht das Gesuch schriftlich bei der Vollzugsstelle ein.
2    Der Bundesrat regelt die Form des Gesuchs.50
18 
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 18 Zulassung
1    Zum Zivildienst zugelassen wird, wer den Einführungstag vollständig besucht und sein Gesuch danach bestätigt hat. Die Vollzugsstelle legt die Anzahl der zu leistenden Zivildiensttage und die Dauer der Zivildienstpflicht fest.
2    Die Vollzugsstelle schreibt das Gesuch als gegenstandslos ab, falls die gesuchstellende Person den Einführungstag nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem sie das Gesuch eingereicht hat, besucht hat.
3    Hat die gesuchstellende Person ihr Gesuch nicht innerhalb der vom Bundesrat festgelegten Frist bestätigt, so tritt die Vollzugsstelle auf das Gesuch nicht ein.
18a 
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 18a Eröffnung des Entscheids
1    Die Vollzugsstelle eröffnet ihren Entscheid der gesuchstellenden Person und der zuständigen Stelle des VBS.
2    Hat die Vollzugsstelle den Entscheid eröffnet, so kann das Gesuch nicht mehr zurückgezogen werden.
18b
SR 824.0 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) - Zivildienstgesetz
ZDG Art. 18b Teilnahme am Einführungstag und Zulassung während einer Militärdienstleistung
1    Das zuständige militärische Kommando erlaubt der Person, deren Gesuch während ihrer Militärdienstleistung hängig ist, am Einführungstag teilzunehmen.
2    Wer den Entscheid über die Zulassung zum Zivildienst während einer Militärdienstleistung erhält, wird wenn möglich am gleichen, spätestens aber am folgenden Tag aus der Militärdienstleistung entlassen.
ZGB: 397d
BGE Register
130-III-729
Stichwortregister
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zivildienst • gesuchsteller • bundesgesetz über den zivilen ersatzdienst • reis • evd • leben • stelle • weiler • frage • bundesverfassung • treu und glauben • zivilgesetzbuch • wert • wissen • bundesrat • vorinstanz • kambodscha • bezogener • maler • entscheid
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BVGer
B-2125/2006
BBl
1994/III/1609 • 2001/VII/6127