99 IV 103
22. Urteil des Kassationshofes vom 1. Juni 1973 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen.
Regeste (de):
- Art. 40 Abs. 2
, 48 Abs. 1
, 58 Abs. 3
des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz.
- 1. Der Übertretung von Art. 40 Abs. 2
JVG macht sich derjenige Jagdpächter schuldig, der ein innerhalb seines Reviers angeschossenes Wildschwein in einem angrenzenden Bezirk verfolgt mit der Absicht, das Tier zu erlegen und sich anzueignen (Erw. 1).
- 2. Wer i.S. von Art. 40 Abs. 2
JVG widerrechtlich jagt und sich das erlegte Tier aneignet, ist nur in Anwendung dieser Bestimmung und nicht auch gemäss Art. 48 Abs. 1
JVG zu bestrafen (Erw. 2).
- 3. Ein Jagdpolizeibeamter kann auch dann von der Jagdberechtigung ausgeschlossen werden, wenn er das ihm zur Last gelegte Jagddelikt in einem andern als dem ihm unterstellten Jagdrevier verübt hat (Erw. 3).
Regeste (fr):
- Art. 40 al. 2, 48 al. 1, 58 al. 3 LCho.
- 1. Le fermier d'un territoire de chasse viole l'art. 40 al 2 LCho, lorsqu'il poursuit hors de son territoire un sanglier blessé sur celui-ci dans le dessein de l'abattre et de se l'approprier (consid. 1).
- 2. Celui qui chasse de façon illicite au sens de l'art. 40 al. 2 LCho et qui s'approprie l'animal qu'il a tué est seulement punissable en application de la disposition précitée, à l'exclusion de l'art. 48 al. 1 LCho (consid. 2).
- 3. Un garde-chasse peut se voir retirer l'autorisation de chasser alors même que le délit de chasse qui lui est reproché a été commis sur une autre circonscription que celle qui lui est confiée (consid. 3).
Regesto (it):
- Art. 40 cpv. 2, 48 cpv. 1, 58 cpv. 3 LCPU.
- 1. L'affittuario di un territorio di caccia che rincorre un cinghiale da lui ferito, oltre il territorio affittato, allo scopo di abbatterlo e di appropriarsene, viola l'art. 40 cpv 2 LCPU (consid. 1).
- 2. Chi caccia illecitamente ai sensi dell'art. 40 cpv. 2 LCPU e si appropria dell'animale ucciso è punibile soltanto in applicazione della norma anzidetta e non anche dell'art. 48 cpv. 1 LCPU (consid. 2).
- 3. Un guardiacaccia può essere privato del permesso di cacciare anche nel caso che il reato di caccia imputatogli sia stato commesso in un circondario diverso da quello affidato alle sue cure (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 103
BGE 99 IV 103 S. 103
A.- X. ist Mitpächter und Jagdaufseher des Reviers Unterengstringen/ZH. Er ist zudem Mitpächter der im Kanton
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Schaffhausen gelegenen Jagdreviere Guntmadingen und Beringen-Süd. Samstag, den 22. Januar 1972, führte die Jagdgesellschaft des Reviers Beringen-Süd eine Treibjagd auf Wildschweine durch, an welcher auch X. teilnahm. Um ca. 15 Uhr wurde im betreffenden Revier ein Keiler aufgejagt, von verschiedenen Jagdteilnehmern beschossen und auch getroffen. Das Tier flüchtete in südöstlicher Richtung in das benachbarte Jagdrevier Neuhausen, wo es mindestens 10 m von der Reviergrenze entfernt tot liegen blieb. Während die Jagdgesellschaft die Verfolgung des flüchtenden Keilers aufgab, als dieser sich auf der Flucht der Grenze des Reviers Beringen-Süd näherte, folgte X. dessen Spuren als einziger. An der Grenze zum Nachbarrevier Neuhausen will er sein Gewehr abgestellt und hierauf das tote Tier innerhalb des Reviers Neuhausen aufgefunden haben. Mit Hilfe eines Spaziergängers schleppte er das tote Tier zurück in das Revier Beringen-Süd und gab hierauf einen simulierten Fangschuss in einen Baum ab. Darauf begab er sich zur Jagdgesellschaft zurück, um unter Mithilfe von zwei Gästen den Keiler auf sein Fahrzeug zu laden. Am Abend liess er sich zunächst als Erleger des Tieres feiern und nahm dieses dann an seinen Wohnort mit. Am Morgen des 23. Januar 1972 erstattete der Pächter des Jagdreviers Neuhausen, V., bei der Kantonspolizei Schaffhausen Anzeige gegen X. wegen Jagdfrevels. Um ca. 14 Uhr trat X. mit V. telefonisch in Verbindung, um ihm die hälftige Teilung des Erlöses aus dem erlegten Tier vorzuschlagen. Als V. dies ablehnte, überbrachte X. ihm gleichentags das tote Wildschwein an seinen Wohnort.
B.- Das Übertretungsstrafamt Schaffhausen büsste X. am 17. Mai 1972 in Anwendung von Art. 40 Abs. 2
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C.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und
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beantragt Freisprechung von Schuld und Strafe. Eventuell sei er von der Anschuldigung des widerrechtlichen Jagens gemäss Art. 40 Abs. 2
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D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 40 Abs. 2
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Was die Beschwerde dagegen vorbringt, hält nicht stand. Einmal stellt die Behauptung des Beschwerdeführers, die Aneignungsabsicht im Augenblick des Überschreitens der Reviergrenze sei nicht erwiesen, eine unzulässige Kritik der vorinstanzlichen Beweiswürdigung dar (Art. 273 Abs. 1 lit. b
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Verfolgen und Töten von angeschossenem Wild im fremden Revier aus Gründen des Tierschutzes nicht nur straffrei, sondern sogar geboten sei, wie die Beschwerde behauptet, braucht hier nicht entschieden zu werden, da der Beschwerdeführer den verwundeten Keiler nicht mit der Absicht verfolgte, ihn durch Erlegen von unnötigen Qualen zu befreien, sondern dem Tier nach der verbindlichen vorinstanzlichen Feststellung nur deshalb nachstellte, weil er es sich aneignen wollte. c) Endlich stellt der Bezirksrichter verbindlich fest, dass der Beschwerdeführer sich der Widerrechtlichkeit seines Tuns bewusst war und demzufolge vorsätzlich gehandelt hat. Das Begehren um Freisprechung von der Anschuldigung der Verletzung von Art. 40 Abs. 2
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2. Der Beschwerdeführer ist vom Bezirksrichter der Übertretung von Art. 48 Abs. 1
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Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer den Keiler - wie oben bereits dargelegt - verfolgt, mit dem Willen, die einmal begonnene Jagd zu einem erfolgreichen Ende zu führen; er hat von Anfang an die Absicht gehabt, das Wild zu erlegen, um es sich anzueignen. Damit erscheint die Aneignung als Teil und Abschluss derjagdlichen Tätigkeit, weshalb die Anwendung von Art. 48 Abs. 1
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3. Nach Art. 58 Abs. 3
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Dieser wendet dagegen ein, der Ausschluss von der Jagdberechtigung sei nur dann zulässig, wenn die dem Jagdpolizeibeamten zur Last gelegte Straftat auch in dem ihm unterstellten Jagdrevier verübt worden sei, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe. Dieser Auffassung, welche der Beschwerdeführer nicht auch hinsichtlich des von der Vorinstanz angewandten Art. 56 Ziff. 4
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zugestimmt werden. Die Jagdaufseher sind insbesondere auch im Kanton Zürich Organe der Jagdpolizei. Als solche üben sie trotz ihrer privatrechtlichen Anstellung und Besoldung öffentliche jagdpolizeiliche Funktionen aus (BAUR: a.a.O. S. 118 und 120). Sie haben dem Statthalter gegenüber ein Handgelübde abzulegen, indem sie sich zur gewissenhaften Erfüllung ihrer Pflichten, auch in der Verfolgung von Jagdfreveln, verpflichten (BAUR: a.a.O. S. 119 Ziff. 7). Sie unterstehen der Disziplinargewalt des Kantons in dem sie bestellt wurden (BAUR: a.a.O. S. 121 oben). Daraus erhellt, dass es sich beim Jagdaufseher um einen Polizeibeamten handelt, dem sowohl von dem ihn anstellenden Jagdberechtigten als auch vom Kanton besondere Kompetenzen übertragen, aber gleichzeitig auch ein besonderes Vertrauen entgegengebracht werden (BGE 68 IV 152). Es darf von ihm daher erwartet werden, dass er sich in Angelegenheiten des Jagdwesens, besonders in der Beachtung der gesetzlichen Jagdvorschriften, vorbildlich verhalte. Jeder Missbrauch des ihm geschenkten Vertrauens und namentlich jede Verletzung gesetzlicher Jagdvorschriften wiegen darum, wenn sie von einem Jagdpolizeibeamten verübt werden, besonders schwer und rufen demgemäss einer besonders empfindlichen Ahndung gegenüber dem Fehlbaren. Das gilt auch für den Fall, wo ein Jagdpolizeibeamter ausserhalb des seiner Aufsicht unterstellten Reviers, beispielsweise in einem benachbarten Bezirk desselben Kantons oder in einem ausserkantonalen Jagdrevier, sich ein Jagddelikt zuschulden kommen lässt. Auch dann ist der Bruch des Vertrauens nämlich ein besonders verwerflicher. Aus diesen Gründen hat Art. 57 Ziff. 4
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Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
In teilweiser Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das Urteil des Bezirksrichters Schaffhausen vom 11. Dezember 1972 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.