Urteilskopf

99 Ib 112

13. Urteil vom 12. März 1973 i.S. Schneider gegen den Präsidenten der Eidg. Schätzungskommission des 8. Kreises.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 112

BGE 99 Ib 112 S. 112

In einem von den Schweizerischen Bundesbahnen (Kreis III) gegen Rudolf Schneider eingeleiteten Enteignungsverfahren stellte der Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission (ESchK) des 8. Kreises die Akten nach der Einigungsverhandlung dem Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED) zu, damit dieses über die streitig gebliebene Einsprache entscheide; gleichzeitig übermittelte er dem EVED sein Gutachten
BGE 99 Ib 112 S. 113

über die Angelegenheit (Art. 50 EntG). In der Folge ersuchte Schneider den Präsidenten der ESchK mit zwei Schreiben vom 11. Januar und vom 23. Februar 1973, ihm das erwähnte Gutachten zur Einsicht zuzustellen. Mit Verfügung vom 28. Februar 1973 wies der Präsident der ESchK das Begehren jedoch ab. Schneider führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde wegen formeller Rechtsverweigerung und beantragt, den Präsidenten der ESchK zur Herausgabe des erwähnten Gutachtens zu verhalten.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Nach Art. 87
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 87 - 1 Gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts kann nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200596 beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden.
1    Gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts kann nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200596 beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden.
2    Für das Beschwerderecht gilt Artikel 78 Absatz 1. Im Übrigen richtet sich das Verfahren nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005.
EntG (in der Fassung vom 20. Juni 1930) konnte wegen einer Rechtsverweigerung seitens der ESchK oder ihres Präsidenten jederzeit beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden. Mit der Revision des EntG vom 18. März 1971 (AS 1972 S. 911) wurde diese Vorschrift jedoch mit Rücksicht auf Art. 97 ff. des revidierten BG über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; SR 173.110) aufgehoben (vgl. Botschaft vom 20. Mai 1970, BBl 1970 I S. 1017). Die Rüge der formellen Rechtsverweigerung kann gegenüber der ESchK oder ihrem Präsidenten grundsätzlich mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden. Auf die Beschwerde, die sich gegen eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwG richtet, ist daher einzutreten, zumal das EntG sie für den vorliegenden Fall nicht ausschliesst und keine der in Art. 99 bis
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 87 - 1 Gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts kann nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200596 beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden.
1    Gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts kann nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200596 beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden.
2    Für das Beschwerderecht gilt Artikel 78 Absatz 1. Im Übrigen richtet sich das Verfahren nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005.
102 OG genannten Ausnahmen gegeben ist. Nach Abschluss des Einigungsverfahrens (Art. 45 ff
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 45 - Der Präsident der zuständigen Schätzungskommission eröffnet das Einigungsverfahren auf schriftliches Gesuch des Enteigners, eines Enteigneten oder einer Nebenpartei hin.
. EntG) übermittelt der Präsident der ESchK die streitig gebliebenen Einsprachen gegen die Enteignung und Begehren nach den Art. 7 bis
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 45 - Der Präsident der zuständigen Schätzungskommission eröffnet das Einigungsverfahren auf schriftliches Gesuch des Enteigners, eines Enteigneten oder einer Nebenpartei hin.
10 EntG dem in der Sache zuständigen Departement; dabei kann er ein Gutachten beifügen (Art. 50 EntG; vgl. HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 5 zu Art. 50 EntG). Über den Inhalt dieses "Gutachtens" enthält das Gesetz keine Vorschriften, und auch die Frage, ob und gegebenenfalls wann es den Parteien bekannt gegeben werden muss, ist darin nicht ausdrücklich geregelt. Wie es sich damit verhält, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist das Bundesgericht befugt, den Präsidenten der ESchK gestützt auf das ihm zustehende Aufsichtsrecht in Enteignungssachen Weisungen zu erteilen (Art. 63
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 63 - Das Bundesverwaltungsgericht hat die folgenden Aufgaben und Befugnisse:
a  Es beaufsichtigt die administrative Geschäftsführung der Schätzungskommissionen und ihrer Präsidenten.
b  Es kann vom Präsidenten und den Kommissionen einzelne oder wiederkehrende Berichte einfordern.
c  Es erfüllt die Aufgaben nach den Artikeln 59ter und 59quater.
d  Es ist zuständig für die Ausrichtung der Entschädigungen beziehungsweise Entlöhnung an die Mitglieder der Schätzungskommissionen sowie an das Personal ihrer Sekretariate.
Satz 3 EntG; vgl. BGE 94 I 297 Erw. 5). Die Übermittlung der Akten an das zuständige Departement

BGE 99 Ib 112 S. 114

schliesst das Einigungsverfahren ab. Sie bezweckt unter anderem, der zur Beurteilung der Einsprachen zuständigen Behörde die bereits vorhandenen Entscheidungsunterlagen zugänglich zu machen. Namentlich in umfangreicheren Enteignungsstreitigkeiten soll das erwähnte Gutachten deshalb in erster Linie einen Bericht über den bisherigen Verlauf des Verfahrens enthalten und Auskunft über die noch hängigen Streitfragen geben. Der Präsident der ESchK soll darin angeben, welche Einsprecher am Verfahren beteiligt sind, welche Grundstücke von der Enteignung betroffen und welche Begehren gestellt werden. Sein Gutachten soll demnach vor allem die Instruktion des vor dem Departement hängigen Einspracheverfahrens erleichtern und unerwünschte Verzögerungen vermeiden helfen. Darüberer hinaus steht es dem Präsidenten der ESchK jedoch frei, die einzelnen Einsprachevorbringen zu würdigen und dem Departement seine Auffassung dazu bekannt zu geben. Ebenso kann er diesem seine allfällig an Ort und Stelle gewonnenen Eindrücke von den tatsächlichen Verhältnissen schildern. Mit Rücksicht auf den Stand des Verfahrens ist er indessen nicht verpflichtet, sein Gutachten den Parteien zur Einsichtnahme zuzustellen. Legen diese Wert darauf, von den Ausführungen des Präsidenten Kenntnis zu nehmen, so können sie vor dem Departement nach Massgabe von Art. 26 ff. VwG Akteneinsicht verlangen. Je nach dem Inhalt des Gutachtens ist das Departement im übrigen verpflichtet, den Parteien gemäss Art. 29 ff. VwG das rechtliche Gehör zu gewähren. Der Präsident des 8. Schätzungskreises machte sich deshalb keiner Bundesrechtsverletzung schuldig, wenn er es im vorliegenden Fall ablehnte, dem Beschwerdeführer seinen gestützt auf Art. 50 EntG erstatteten Bericht zuzustellen.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 99 IB 112
Datum : 12. März 1973
Publiziert : 31. Dezember 1974
Quelle : Bundesgericht
Status : 99 IB 112
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Art. 50 EntG, Art. 26 ff. VwG; Gutachten des Präsidenten der Eidg. Schätzungskommission, Recht auf Akteneinsicht. Bedeutung


Gesetzesregister
EntG: 7bis  45 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 45 - Der Präsident der zuständigen Schätzungskommission eröffnet das Einigungsverfahren auf schriftliches Gesuch des Enteigners, eines Enteigneten oder einer Nebenpartei hin.
50  63 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 63 - Das Bundesverwaltungsgericht hat die folgenden Aufgaben und Befugnisse:
a  Es beaufsichtigt die administrative Geschäftsführung der Schätzungskommissionen und ihrer Präsidenten.
b  Es kann vom Präsidenten und den Kommissionen einzelne oder wiederkehrende Berichte einfordern.
c  Es erfüllt die Aufgaben nach den Artikeln 59ter und 59quater.
d  Es ist zuständig für die Ausrichtung der Entschädigungen beziehungsweise Entlöhnung an die Mitglieder der Schätzungskommissionen sowie an das Personal ihrer Sekretariate.
87
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 87 - 1 Gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts kann nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200596 beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden.
1    Gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts kann nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200596 beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden.
2    Für das Beschwerderecht gilt Artikel 78 Absatz 1. Im Übrigen richtet sich das Verfahren nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005.
OG: 99bis
BGE Register
94-I-286 • 99-IB-112
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
akte • akteneinsicht • anspruch auf einen entscheid • anspruch auf rechtliches gehör • bundesgericht • bundesrechtspflegegesetz • departement • einigungsverfahren • einsprache • entscheid • frage • kenntnis • kreis • sachverhalt • schneider • stelle • uvek • verhalten • weisung • wert • wiese
BBl
1970/I/1017