Urteilskopf

98 IV 113

21. Urteil des Kassationshofes vom 21. Januar 1972 i.S. Byland gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 113

BGE 98 IV 113 S. 113

A.- Rudolf Byland fuhr am 23. Juni 1970 mit seinem PW Renault durch den Seilergraben in Zürich stadteinwärts. Beim Predigerplatz bog er nach links ab. Als von rechts aus der Chorgasse der Volvo des Georg Hefti auftauchte, bremsten beide Fahrzeugführer voll. Dennoch kam es zur Kollision mit erheblichem Sachschaden.
B.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich büsste Byland wegen Nichtgewährung des Vortritts im Sinne von Art. 36 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 36 - 1 Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten.
1    Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten.
2    Auf Strassenverzweigungen hat das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt. Fahrzeuge auf gekennzeichneten Hauptstrassen haben den Vortritt, auch wenn sie von links kommen. Vorbehalten bleibt die Regelung durch Signale oder durch die Polizei.
3    Vor dem Abbiegen nach links ist den entgegenkommenden Fahrzeugen der Vortritt zu lassen.
4    Der Führer, der sein Fahrzeug in den Verkehr einfügen, wenden oder rückwärts fahren will, darf andere Strassenbenützer nicht behindern; diese haben den Vortritt.
SVG, 14 Abs. 1 VRV und 90 Ziff. 1 SVG mit Fr. 40.-.
BGE 98 IV 113 S. 114

Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirks Zürich bestätigte die Bussenverfügung am 3. Februar 1971. Byland erhob kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Sie wurde von der I. Strafkammer des Obergerichts am 15. Oktober 1971 abgewiesen, im wesentlichen mit folgender Begründung: Wie der Einzelrichter aufgrund des polizeilichen Situationsplans feststelle, sei der Wagen des Beschwerdeführers unmittelbar hinter der gedachten Verlängerung des bergseitigen Trottoirrandes der Chorgasse zum Stehen gekommen. Byland sei daher in die dem vortrittsberechtigten Hefti vorbehaltene Schnittfläche der beiden Strassen, wie sie sich aus der trichterförmigen Ausweitung ergebe, eingedrungen. Eine trichterförmige Ausweitung werde durch jegliche Abrundung der Randlinien, auch durch blosse Trottoirrundung gebildet.
C.- Byland führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil vom 15. Oktober 1971 aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. Das Polizeirichteramt Zürich beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen

Der Kassationshofzieht in Erwägung:

1. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer dem aus der Chorgasse kommenden Hefti gemäss Art. 36 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 36 - 1 Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten.
1    Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten.
2    Auf Strassenverzweigungen hat das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt. Fahrzeuge auf gekennzeichneten Hauptstrassen haben den Vortritt, auch wenn sie von links kommen. Vorbehalten bleibt die Regelung durch Signale oder durch die Polizei.
3    Vor dem Abbiegen nach links ist den entgegenkommenden Fahrzeugen der Vortritt zu lassen.
4    Der Führer, der sein Fahrzeug in den Verkehr einfügen, wenden oder rückwärts fahren will, darf andere Strassenbenützer nicht behindern; diese haben den Vortritt.
SVG den Vortritt lassen musste. Streitig ist dagegen die Grenzlinie, bis zu der Byland ohne Verletzung des Vortrittsrechts fahren durfte (Art. 14 Abs. 1
SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV)
VRV Art. 14 Ausübung des Vortritts - (Art. 36 Abs. 2-4 SVG)
1    Wer zur Gewährung des Vortritts verpflichtet ist, darf den Vortrittsberechtigten in seiner Fahrt nicht behindern. Er hat seine Geschwindigkeit frühzeitig zu mässigen und, wenn er warten muss, vor Beginn der Verzweigung zu halten.
2    Der Vortrittsberechtigte hat auf Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen, welche die Strassenverzweigungen erreichten, bevor sie ihn erblicken konnten.
3    Dem vortrittsberechtigten Verkehr in parallelen Kolonnen ist der Vortritt auch zu lassen, wenn die nähere Kolonne stillsteht.
4    Reiter sowie Führer von Pferden und anderen grösseren Tieren sind den Fahrzeugführern beim Vortritt gleichgestellt.85
5    In nicht geregelten Fällen, zum Beispiel wenn auf einer Verzweigung zugleich aus allen Richtungen Fahrzeuge eintreffen, haben die Führer besonders vorsichtig zu fahren und sich über den Vortritt zu verständigen.
VRV). Die massgebende Verkehrslage ergibt sich aus folgender Planskizze, auf welche die Vorinstanz abgestellt hat. Das Obergericht geht davon aus, die Schnittfläche, auf der einem aus der Chorgassse einbiegenden gegenüber einem vom Seilergraben kommenden Fahrzeug das Vortrittsrecht zustehe, weite sich am Predigerplatz trichterförmig bis zu dem Punkte aus, wo die Trottoirrundung in die gerade Kante des Trottoirs am Predigerplatz übergeht (Punkt A der Skizze). Der Beschwerdeführer bezeichnet als Grenzlinie die Verlängerung der Bordkante des Trottoirs an der Chorgasse. Zu beurteilen ist somit, ob Hefti auf der in der Skizze schraffiert dargestellten Fläche ein Vortrittsrecht zustand, das von Byland durch Einfahrt in diese Fläche verletzt worden ist.
BGE 98 IV 113 S. 115

a) Kreuzt ein Fahrzeug die Bahn eines anderen oder biegt es in sie ein, so entsteht die Gefahr eines Zusammenstosses. Durch geeignete Strassenführung, Signalisierung und die Regeln über das Vortrittsrecht soll eine möglichst klare und einfache Lage geschaffen werden, die ohne Überforderung der Strassenbenützer eine unfallfreie und dabei möglichst unbehinderte Verkehrsabwicklung erlaubt. Soweit der Verkehr bei Verzweigungen gleichwertiger Strassen nicht durch Lichtsignale oder Verkehrspolizei geregelt wird, steht der Vortritt unter gleichwertigen Fahrzeugen dem von rechts Kommenden zu (Art. 36 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 36 - 1 Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten.
1    Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten.
2    Auf Strassenverzweigungen hat das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt. Fahrzeuge auf gekennzeichneten Hauptstrassen haben den Vortritt, auch wenn sie von links kommen. Vorbehalten bleibt die Regelung durch Signale oder durch die Polizei.
3    Vor dem Abbiegen nach links ist den entgegenkommenden Fahrzeugen der Vortritt zu lassen.
4    Der Führer, der sein Fahrzeug in den Verkehr einfügen, wenden oder rückwärts fahren will, darf andere Strassenbenützer nicht behindern; diese haben den Vortritt.
SVG). Der Vortrittsbelastete darf den Berechtigten in der Weiterfahrt nicht behindern. Er muss rechtzeitig verlangsamen und nötigenfalls anhalten (Art. 14 Abs. 1
SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV)
VRV Art. 14 Ausübung des Vortritts - (Art. 36 Abs. 2-4 SVG)
1    Wer zur Gewährung des Vortritts verpflichtet ist, darf den Vortrittsberechtigten in seiner Fahrt nicht behindern. Er hat seine Geschwindigkeit frühzeitig zu mässigen und, wenn er warten muss, vor Beginn der Verzweigung zu halten.
2    Der Vortrittsberechtigte hat auf Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen, welche die Strassenverzweigungen erreichten, bevor sie ihn erblicken konnten.
3    Dem vortrittsberechtigten Verkehr in parallelen Kolonnen ist der Vortritt auch zu lassen, wenn die nähere Kolonne stillsteht.
4    Reiter sowie Führer von Pferden und anderen grösseren Tieren sind den Fahrzeugführern beim Vortritt gleichgestellt.85
5    In nicht geregelten Fällen, zum Beispiel wenn auf einer Verzweigung zugleich aus allen Richtungen Fahrzeuge eintreffen, haben die Führer besonders vorsichtig zu fahren und sich über den Vortritt zu verständigen.
VRV). Das deutsche Recht spricht darum zutreffend vom Wartepflichtigen. b) Die Ausgestaltung des Vortrittsrechts im Einzelfall richtet sich nach dieser allgemeinen Zielsetzung. Für die Kreuzungsfläche, auf der sich das Vortrittsrecht auswirkt, ergibt sich folgendes: Der Vortrittsberechtigte muss seine Fahrt unbehindert fortsetzen können, gleichgültig ob er geradeaus weiterfährt oder abbiegt und ob der Wartepflichtige sich noch in Fahrt befindet
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oder angehalten hat. Da der Berechtigte durch Hindernisse auf der rechten Strassenseite zur Benützung der Strassenmitte gewungen sein kann und überdies bei übersichtlichen Kreuzungen ohne Verletzung des Vortrittsrechts Dritter überholen darf (Art. 35 Abs. 4
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 35 - 1 Es ist rechts zu kreuzen, links zu überholen.
1    Es ist rechts zu kreuzen, links zu überholen.
2    Überholen und Vorbeifahren an Hindernissen ist nur gestattet, wenn der nötige Raum übersichtlich und frei ist und der Gegenverkehr nicht behindert wird. Im Kolonnenverkehr darf nur überholen, wer die Gewissheit hat, rechtzeitig und ohne Behinderung anderer Fahrzeuge wieder einbiegen zu können.
3    Wer überholt, muss auf die übrigen Strassenbenützer, namentlich auf jene, die er überholen will, besonders Rücksicht nehmen.
4    In unübersichtlichen Kurven, auf und unmittelbar vor Bahnübergängen ohne Schranken sowie vor Kuppen darf nicht überholt werden, auf Strassenverzweigungen nur, wenn sie übersichtlich sind und das Vortrittsrecht anderer nicht beeinträchtigt wird.
5    Fahrzeuge dürfen nicht überholt werden, wenn der Führer die Absicht anzeigt, nach links abzubiegen, oder wenn er vor einem Fussgängerstreifen anhält, um Fussgängern das Überqueren der Strasse zu ermöglichen.
6    Fahrzeuge, die zum Abbiegen nach links eingespurt haben, dürfen nur rechts überholt werden.
7    Dem sich ankündigenden, schneller fahrenden Fahrzeug ist die Strasse zum Überholen freizugeben. Wer überholt wird, darf die Geschwindigkeit nicht erhöhen.
SVG), erstreckt sich sein Vortrittsrecht nicht nur auf die rechte Seite der vortrittsberechtigten Strasse (BGE 91 IV 93, BGE 85 IV 84, BGE 80 IV 199). Fährt der Berechtigte auf einer Einbahnstrasse, so ist er vor dem Abbiegen nach links nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, nach links einzuspuren, um nachfolgenden Fahrzeugen die Vorbeifahrt zum Abbiegen nach rechts zu ermöglichen. Der Vortrittsbelastete muss dem Berechtigten die unbehinderte Weiterfahrt ermöglichen. Unter diesem Vorbehalt darf er bis hart an die Einmündung heranfahren, damit sein Fahrzeug von den übrigen Verkehrsteilnehmern gesehen wird und er selbst den Verkehr namentlich auf der vortrittsberechtigten Strasse möglichst gut überblickt; nach Durchfahrt Vortrittsberechtigter sollen der Wartepflichtige und nachfolgende Fahrzeuge ebenfalls möglichst zügig weiterfahren können. Der Wartepflichtige soll also nicht zu weit von der Einmündung entfernt anhalten. Daraus folgt, dass die Kreuzungsfläche durch die seitlichen Randlinien der dem korrekt fahrenden Vortrittsberechtigten zustehenden Fahrbahn begrenzt wird. c) Bei sich gradlinig schneidenden Strassen gleichbleibender Breite ohne Trottoir ergibt sich die Kreuzungsfläche von selbst. Verlaufen die Strassenränder nicht parallel, sondern weitet sich eine Strasse bei der Verzweigung trichterförmig aus, so folgt der Verkehrsfluss dieser Strassenlinie. Hier geht die massgebende Grenzlinie durch den Punkt, an dem sich die Strasse auszuweiten beginnt und damit sichtbar in das Einmündungsgebiet übergeht (BGE 85 IV 87).
2. Das angefochtene Urteil schliesst aus BGE 85 IV 87, die Abrundung der Trottoirecken am Unfallort bilde eine solche trichterförmige Ausweitung. Der Wortlaut der Urteilsbegründung lässt an sich eine solche Auslegung zu. Sie entspricht aber nicht dem wirklichen Sinn des Urteils. a) Dem damals beurteilten Fall lag folgende Situation zugrunde:
BGE 98 IV 113 S. 117

Das Bundesgericht kam zum Ergebnis, die Kollisionsstelle liege noch innerhalb des Einmündungsgebietes und nicht bereits jenseits desselben auf der Strasse gegen Eschenbach. Das von Inwil kommende Fahrzeug hätte das Vortrittsrecht des von Emmen Kommenden beachten müssen. Dieses unter der Herrschaft des MFG gefällte Urteil entspricht auch der heutigen Ordnung. Der Wartepflichtige durfte bis zur gestrichelt eingezeichneten Linie vorfahren ohne dadurch das Vortrittsrecht des von Emmen Kommenden zu verletzen. Das Vortrittsrecht erstreckte sich bis zum bezeichneten Grenzpunkt und nicht etwa nur bis zur gedachten Verlängerung des vor der Ausweitung bestehenden Randes der Inwilerstrasse. Der normale Verkehrsstrom folgte der Abrundung, das Einmündungsgebiet erstreckte sich über die ganze Länge der durch die gestrichelte Linie begrenzten Fläche. Indem der Wartepflichtige bei der Kollisionsstelle ohne Rücksicht auf das von Emmen kommende Fahrzeug in die Hauptstrasse einbog, behinderte er den Vortrittsberechtigten. b) Anders liegen die Dinge im Bereich geradliniger Kreuzungen und Einmündungen von Strassen mit parallelen Rändern und Trottoirs, deren Ecken sozusagen immer leicht abgerundet sind, um das Abbiegen nach rechts ohne vorheriges Ausschwenken gegen die Strassenmitte zu ermöglichen. Hier breiten sich die Verkehrsströme nicht aus; sie folgen den Bordkanten und deren Verlängerungen. Das gilt auch für den Unfallort, wo der Predigerplatz vom Seilergraben her als Strasse mit parallelen Seitenlinien verläuft und sich nach Einmündung der Chorgasse gleichmässig fortsetzt. Die Chorgasse ihrerseits verengt sich gegen die Verzweigung
BGE 98 IV 113 S. 118

hin und verläuft vor der rechtwinkligen Einmündung in den Predigerplatz, deren Ecken nur kleine Abrundungen aufweisen, ebenfalls zwischen parallelen Fahrbahnrändern. Von einer Ausweitung mit einem sich ausbreitenden Verkehrsfluss kann nicht die Rede sein. c) Nichts spricht für eine Verpflichtung des Vortrittsbelasteten schon vor der gedachten Verlängerung der Bordkante der vortrittsberechtigten Strasse zu warten, z.B. gemäss Auffassung des Obergerichts auf der Höhe der beginnenden Trottoirrundung (von Punkt A in Skizze 1 ausgehende Linie). Fährt der Vortrittsberechtigte geradeaus oder nach rechts, so bewegt sich sein Fahrzeug ohnhin rechts der Verlängerung der linken Bordkante. Biegt er nach links ab, so hat er die Kurve weit zu nehmen (Art. 13 Abs. 4
SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV)
VRV Art. 13 Einspuren und Abbiegen - (Art. 34 Abs. 3, 36 Abs. 1 und 3 SVG)
1    Die Fahrzeugführer müssen beim Abbiegen frühzeitig einspuren. Dies gilt auch beim Abbiegen ausserhalb von Strassenverzweigungen und, soweit möglich, auf schmalen Strassen.82
2    Beim Einspuren nach links darf der Fahrzeugführer den für den Gegenverkehr bestimmten Raum nicht beanspruchen. Auf dreispurigen Strassen mit oder ohne Markierung darf er mit der gebotenen Vorsicht die mittlere Spur benützen.
3    Das Wechseln auf andere Fahrstreifen zum Überholen ist auf Einspurstrecken untersagt, ausgenommen auf Fahrstreifen, die mit den gleichen Fahrzielen bezeichnet sind.83
4    Der Fahrzeugführer darf beim Abbiegen nach links auf Strassenverzweigungen die Kurve nicht schneiden. Fahrzeuge aus entgegengesetzten Richtungen, die beide auf einer Kreuzung nach links abbiegen wollen, haben sich links zu kreuzen.
5    Muss der Fahrzeugführer wegen der Grösse seines Fahrzeugs oder der örtlichen Verhältnisse vor dem Abbiegen nach der Gegenseite ausholen, so hat er besonders vorsichtig zu fahren und nötigenfalls zu halten.
6    Befördern Motorfahrzeuge oder ihre Anhänger sichthemmende Ladungen, ist beim Einspuren und Abbiegen besondere Vorsicht geboten. Nötigenfalls ist eine Hilfsperson beizuziehen, die das Fahrmanöver überwacht.84
VRV). Ein korrekt rechts fahrender und auf der Höhe der Trottoirkante anhaltender Vortrittsbelasteter behindert ihn dabei nicht in der freien Fahrt. Hält der Wartepflichtige schon bei Beginn der Trottoirabrundung, so kann je nach dem Standort des Fahrers und den örtlichen Verhältnissen die Sicht auf die Hauptstrasse erheblich schlechter sein, als wenn er bis zur gedachten Verlängerung des Trottoirrandes vorfährt. Die Verkehrssicherheit wird durch zu frühes Anhalten nicht gefördert, sondern beeinträchtigt. d) Bei unübersichtlichen Einmündungen bietet die Vortrittsregelung nach Art. 36 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 36 - 1 Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten.
1    Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten.
2    Auf Strassenverzweigungen hat das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt. Fahrzeuge auf gekennzeichneten Hauptstrassen haben den Vortritt, auch wenn sie von links kommen. Vorbehalten bleibt die Regelung durch Signale oder durch die Polizei.
3    Vor dem Abbiegen nach links ist den entgegenkommenden Fahrzeugen der Vortritt zu lassen.
4    Der Führer, der sein Fahrzeug in den Verkehr einfügen, wenden oder rückwärts fahren will, darf andere Strassenbenützer nicht behindern; diese haben den Vortritt.
SVG oftmals keinen genügenden Schutz. Der Belastete wird dann durch ein Stopsignal verpflichtet, nicht nur den Vortritt zu gewähren, sondern einen Sicherheitshalt einzulegen (Art. 21
SR 741.21 Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV)
SSV Art. 21 Breite, Höhe, Länge der Fahrzeuge - 1 Das Signal «Höchstbreite» (2.18) schliesst Fahrzeuge aus, deren Breite mit der Ladung den angegebenen Wert übersteigt; für die Benützung von Strassen mit einer signalisierten Höchstbreite von 2,30 m durch bestimmte breitere Fahrzeuge gilt Artikel 64 Absatz 2 VRV66.67
1    Das Signal «Höchstbreite» (2.18) schliesst Fahrzeuge aus, deren Breite mit der Ladung den angegebenen Wert übersteigt; für die Benützung von Strassen mit einer signalisierten Höchstbreite von 2,30 m durch bestimmte breitere Fahrzeuge gilt Artikel 64 Absatz 2 VRV66.67
2    Das Signal «Höchsthöhe» (2.19) schliesst Fahrzeuge aus, deren Höhe mit der Ladung den angegebenen Wert übersteigt. Es steht vor Unterführungen, Tunneln, Galerien, gedeckten Brücken, in die Fahrbahn hineinragenden Bauwerken und dergleichen beim Hindernis selbst, wenn Fahrzeuge von 4,00 m Höhe die Stelle nicht gefahrlos passieren können.68
3    Das Signal «Höchstlänge» (2.20) schliesst Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen aus, welche mit der Ladung die angegebene Länge übersteigen.
SSV; BGE 97 IV 44 /45). Für die Frage bis zu welcher Linie der Haltepflichtige vorfahren darf, gelten die gleichen Überlegungen wie für den Wartepflichtigen. Dementsprechend sieht die Verordnung über die Strassensignalisationen (Anhang 2; 4. Markierungen Nr. 413/414) vor, dass die Haltelinie als Verlängerung der strassenseitigen Trottoirkante der Hauptstrasse anzubringen ist. Der Haltepflichtige darf bis zu dieser Linie vorfahren. Auch hier wird der korrekt in weiter Linkskurve abbiegende Vortrittsberechtigte durch das anhaltende Fahrzeug nicht behindert. Es würde den Anforderungen des Strassenverkehrs und der Logik der Verkehrsregeln widersprechen, wollte man das Vortrittsrecht gegenüber einer Stopstrasse flächenmässig enger umgrenzen als gegenüber einer bloss vortrittsbelasteten Strasse. Nichts würde es rechtfertigen, vom bloss Wartepflichtigen zu
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verlangen, beim Herannahen eines Vortrittsberechtigten schon im grösseren Abstand von der Hauptstrasse anzuhalten, als dies dem Benützer einer Stopstrasse vorgeschrieben wird. Auch im deutschen Recht besteht völlige Übereinstimmung zwischen der Haltelinie und der Wartelinie, welche die normale Vortrittsfläche begrenzt, wobei diese Linie etwas abweichend vom schweizerischen Recht verläuft (HELMUT BOOSS, Komm. zur Strassenverkehrsordnung, S. 318 und 359, Zeichen 294 und 341). Zu Unrecht wendet die Vorinstanz ein, für Stopstrassen gelte deshalb eine andere Ordnung, weil dort die Haltelinie signalisiert sei. Auf Strassen ohne Hartbelag braucht die Haltelinie nicht aufgemalt zu werden (Art. 54 Abs. 4
SR 741.21 Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV)
SSV Art. 54 Besondere Wegweiser und Vorwegweiser - 1 Der «Wegweiser für bestimmte Fahrzeugarten» (4.45) zeigt in die Richtung, welche die mittels Symbolen dargestellten Fahrzeuge einschlagen sollen (z. B. Wegweiser für Lastwagen). Als Vorsignal wird nötigenfalls der «Vorwegweiser für bestimmte Fahrzeugarten» (4.23) angebracht.133
1    Der «Wegweiser für bestimmte Fahrzeugarten» (4.45) zeigt in die Richtung, welche die mittels Symbolen dargestellten Fahrzeuge einschlagen sollen (z. B. Wegweiser für Lastwagen). Als Vorsignal wird nötigenfalls der «Vorwegweiser für bestimmte Fahrzeugarten» (4.23) angebracht.133
2    Der Wegweiser «Parkplatz» (4.46) zeigt in die Richtung einer Parkierungsfläche; dient sie nur für bestimmte Fahrzeugarten, wird deren Symbol auf dem Wegweiser beigefügt.
2bis    Der Wegweiser «Parkplatz mit Anschluss an öffentliches Verkehrsmittel» (4.46.1) zeigt in die Richtung eines solchen Parkplatzes. Die Art des Verkehrsmittels kann in Worten oder in Symbolen angezeigt werden.134
3    Die Wegweiser «Zeltplatz» (4.47) und «Wohnwagenplatz» (4.48) zeigen in die Richtung von Standplätzen für Zelte bzw. Wohnanhänger; die Symbole der beiden Wegweiser können gegebenenfalls auf einer Tafel aufgeführt werden.
4    Der «Betriebswegweiser» (4.49) zeigt in die Richtung von Industrie-, Gewerbe- und Handelsbetrieben, Ausstellungen und dergleichen. Er weist den Weg zu häufig aufgesuchten Zielen, die abseits von Durchgangsstrassen (Art. 110 Abs. 1) und wichtigen Nebenstrassen liegen und ohne besondere Wegweisung schwer auffindbar sind.
5    ...135
6    Die Tafel «Verkehrsführung» (4.52) zeigt den Weg, der einzuschlagen ist, um an der nächsten Verzweigung mit Linksabbiegeverbot nach links zu gelangen.
7    ...136
8    Die Tafel «Abzweigende Strasse mit Gefahrenstelle oder Verkehrsbeschränkung» (4.55) mit dem Bild des zutreffenden Gefahren- oder Vorschriftssignals kann kurz vor einer Verzweigung aufgestellt werden, wenn die abzweigende Strasse unmittelbar nach der Verzweigung eine Gefahrenstelle oder eine Verkehrsbeschränkung aufweist.
9    Für die touristische Signalisation und die Hotelwegweiser erlässt das UVEK Weisungen.
SSV); das Stopsignal genügt. Auch bei Schnee und nach Belagsarbeiten kann sich der Fahrer oftmals nicht nach einer Haltelinie richten. Dennoch ist er berechtigt, nach einem Stopsignal so nahe an die Hauptstrasse heranzufahren, bis die Fahrzeugfront die Verlängerung der Bordkante erreicht. Dasselbe muss auch für den Vortrittsbelasteten gelten. e) Aus dem Gesamten ergibt sich, dass der Wagen des Beschwerdeführers ausserhalb der Vortrittsfläche zum Stehen gekommen ist. Indem die Begründung des angefochtenen Urteils die in der Skizze schraffiert bezeichnete Fläche als Teil der Kreuzungsfläche bezeichnet, verletzt sie Art. 36 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 36 - 1 Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten.
1    Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten.
2    Auf Strassenverzweigungen hat das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt. Fahrzeuge auf gekennzeichneten Hauptstrassen haben den Vortritt, auch wenn sie von links kommen. Vorbehalten bleibt die Regelung durch Signale oder durch die Polizei.
3    Vor dem Abbiegen nach links ist den entgegenkommenden Fahrzeugen der Vortritt zu lassen.
4    Der Führer, der sein Fahrzeug in den Verkehr einfügen, wenden oder rückwärts fahren will, darf andere Strassenbenützer nicht behindern; diese haben den Vortritt.
SVG.
3. Daraus folgt nicht, dass der Beschwerdeführer zu Unrecht verurteilt worden ist. Nach den polizeilichen Feststellungen, auf die sich die Vorinstanz stützt, stiess sein Wagen rund 20 cm vor Beginn der Vortrittsfläche mit dem PW Hefti zusammen. Der Polizeirapport umschreibt die entstandenen Schäden wie folgt: Fahrzeug Byland: Ganzer Vorderteil (hauptsächlich rechts) bis zur Frontscheibe eingedrückt. Radaufhängung beschädigt. Fahrzeug Hefti: Linker vorderer Kotflügel eingedrückt. Stossstange und linkes Vorderrad beschädigt. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer beim Aufprall noch mit erheblicher Geschwindigkeit gefahren ist und seinen Wagen nicht etwa durch Vollbremsung noch vor der Wartelinie selbst angehalten hat. Vielmehr wurde er durch den wuchtigen Aufprall auf ein Hindernis, nämlich den Volvo des Hefti, zum Stehen gebracht. Ohne dieses Hindernis wäre er noch erheblich in die Schnittfläche der beiden Strassen hinausgeraten. Der
BGE 98 IV 113 S. 120

Beschwerdeführer fuhr demnach so auf die Verzweigung zu, dass er dem von rechts kommenden Hefti den Vortritt nicht zu gewähren vermochte. Hätte Hefti die Kurve vorschriftsgemäss weit genommen, so wären die beiden Autos auf der Schnittfläche zusammengestossen oder es wäre mindestens die Weiterfahrt des Vortrittsberechtigten stark behindert worden. Das genügt zur Annahme einer Verletzung des Vortrittsrechts. Ob der Vortrittsberechtigte durch brüskes Abbremsen oder Ausweichen eine Kollision vermeiden kann oder ob sich eine solche eventuell ausserhalb der Schnittfläche ereignet, ist für die Frage einer Missachtung des Vortritts nicht entscheidend (BGE 85 IV 86).
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 98 IV 113
Date : 21. Januar 1972
Published : 31. Dezember 1972
Source : Bundesgericht
Status : 98 IV 113
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 14 Abs. 1 VRV. 1. Der Vortrittsbelastete darf, wenn er an einer Kreuzung oder Strasseneinmündung warten muss, bis zur


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SSV: 21  54
SVG: 35  36
VRV: 13  14
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