95 IV 125
31. Urteil des Kassationshofes vom 20. November 1969 i.S. Guttmann gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste (de):
- Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: a eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder b eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. 2 Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. 3 Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). - 1. Ein ausländisches Kontumazurteil, das weder rechtskräftig noch vollstreckbar ist, genügt nicht, eine in der Schweiz ausgefällte Strafe vollziehen zu lassen (Erw. 1).
- 2. Der Richter, der über den Vollzug einer bedingt aufgeschobenen Strafe zu entscheiden hat, kann das während der Probezeit im Ausland begangene Verbrechen oder Vergehen gegebenenfalls selber feststellen (Erw. 2).
Regeste (fr):
- Art. 41 ch. 3 al. 1 CP. Révocation du sursis à l'exécution de la peine.
- 1. Un jugement qui a été prononcé par contumace à l'étranger et qui n'est encore ni passé en force, ni exécutoire, ne suffit pas pour faire exécuter une peine prononcée en Suisse (consid. 1).
- 2. Le juge qui doit se prononcer sur l'exécution d'une peine assortie du sursis peut, le cas échéant, constater lui-même le crime ou le délit commis à l'étranger pendant le délai d'épreuve (consid. 2).
Regesto (it):
- Art. 41 num. 3 cpv. 1 CP. Revoca della sospensione condizionale della pena.
- 1. Un giudizio pronunciato per contumacia all'estero, non passato in forza di cosa giudicata nè divenuto esecutivo, non basta per far eseguire una pena pronunciata in Svizzera (consid. 1).
- 2. Il giudice che deve pronunciarsi sull'esecuzione d'una pena sospesa condizionalmente può, se del caso, constatare egli stesso il crimine o il delitto commessi all'estero durante il periodo di prova (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 125
BGE 95 IV 125 S. 125
A.- Das Bezirksgericht Zürich verurteilte Guttmann am 8. März 1962 wegen Betruges, vollendeten Betrugsversuches und wiederholter Urkundenfälschung zu drei Monaten Gefängnis, schob den Vollzug der Strafe bedingt auf und setzte dem Verurteilten drei Jahre Probezeit. Das Urteil blieb unangefochten. Es wurde am 2. September 1965 im Strafregister gelöscht. Im Frühjahr 1969 erfuhr das Bezirksgericht, dass Guttmann am 20. November 1965 von einem Pariser Strafgericht wegen
BGE 95 IV 125 S. 126
Diebstahls von ffr. 2500.--, den er 1964 in Frankreich begangen haben soll, in Abwesenheit zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden war. Es beschloss daraufhin, die Löschung des Urteils vom 8. März 1962 im Strafregister rückgängig zu machen und die Gefängnisstrafe von drei Monaten vollziehen zu lassen. Ein Rekurs Guttmanns gegen diesen Beschluss wurde vom Obergericht des Kantons Zürich am 15. August 1969 abgewiesen.
B.- Guttmann führt gegen den Entscheid des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
|
1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
Der Beschwerdeführer hält diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht für gegeben, da das in seiner Abwesenheit gefällte Urteil des Pariser Strafgerichtes nicht endgültig sei und zudem auf einer haltlosen Anklage beruhe, die er schon im kantonalen Verfahren als Folge einer Verleumdung bezeichnet habe. Obergericht und Staatsanwaltschaft stellen sich demgegenüber auf den Standpunkt, dass ein Kontumazurteil über eine während der Probezeit begangene Straftat dem Widerruf des bedingten Strafvollzuges jedenfalls solange nicht entgegenstehe, als es nicht aufgehoben worden sei; wenn Guttmann den Diebstahl nicht begangen habe und sich für unschuldig halte, hätte er übrigens nicht nur die Möglichkeit, sondern auch Anlass gehabt, sich der französischen Justiz zu stellen und das Kontumazurteil aufheben zu lassen. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Gewiss kann auch ein im Ausland während der Probezeit begangenes Verbrechen oder Vergehen zur Vollstreckung der in der Schweiz ausgefällten Strafe führen, wenn es sich bei der neuen Tat um ein Auslieferungsdelikt handelt, das nach schweizerischem Recht als Verbrechen oder Vergehen zu gelten hat (BGE 80 IV
BGE 95 IV 125 S. 127
217). Richtig ist zudem, dass ein Kontumazurteil über eine während der Probezeit verübte Tat für den Widerruf des bedingten Strafvollzuges ebenfalls genügen kann, wenn das Urteil, wie das in dem vom Obergericht angeführten Fall zutraf (ZR 57 Nr. 3), rechtskräftig und vollstreckbar ist. Die Vorinstanz übersieht indes, dass zwischen dem von einem schweizerischen Militärgericht gefällten und dem von einem französischen Strafgericht ausgesprochenen Kontumazurteil ein für die Anwendung des Art. 41 Ziff. 3
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
2. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben, was aber nicht heisst, dass es bei der Aufhebung bleiben müsse. Nach ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes kann der Richter, der über den Vollzug einer bedingt aufgeschobenen Strafe zu erkennen hat, das während der Probezeit begangene Verbrechen oder Vergehen gegebenenfalls selber feststellen, es vorfrageweise strafrechtlich würdigen und ihm als Täuschung des richterlichen Vertrauens Rechnung tragen (BGE 79 IV 113,
BGE 95 IV 125 S. 128
86 IV 85, 91 IV 62). Das muss auch für den Fall gelten, dass der unter Bewährungsprobe stehende Verurteilte die neue Tat im Ausland begangen hat, das Urteil darüber aber nicht als rechtskräftig angesehen werden darf und daher für den Widerruf des bedingten Strafvollzuges nicht genügt. Nach Art. 6
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn: |
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1 | Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn: |
a | die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und |
b | der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird. |
2 | Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes. |
3 | Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn: |
a | ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat; |
b | die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist. |
4 | Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist. |
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 15. August 1969 aufgehoben.