Urteilskopf

95 I 289

41. Auszug aus dem Urteil vom 3. April 1969 i.S. Schweizerischer Viehproduzentenverband und Mitbeteiligte gegen Eidg. Volkswirtschaftsdepartement
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 289

BGE 95 I 289 S. 289

Aus dem Tatbestand:

A.- Nach Art. 23 Abs. 1 und 2 BG über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes vom 3. Oktober 1951 (Landwirtschaftsgesetz, LWG) kann der
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Bundesrat, sofern der Absatz inländischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu angemessenen Preisen durch die Einfuhr gefährdet wird, unter Rücksichtnahme auf die andern Wirtschaftszweige die Einfuhr gleichartiger oder ähnlicher Erzeugnisse mengenmässig beschränken, sie fiskalisch belasten und die Importeure zur Übernahme gleichartiger oder ähnlicher inländischer Erzeugnisse in einem zumutbaren Verhältnis zur Einfuhr verpflichten. Von dieser Kompetenz hat der Bundesrat in der Verordnung vom 30. Dezember 1953 betreffend Schlachtviehmarkt und Fleischversorgung (Schlachtviehordnung, SVO) Gebrauch gemacht. Nach Art. 6 SVO ist u.a. die Einfuhr von Schlachtvieh und Fleisch mengenmässig beschränkt. Genügt das inländische Angebot zu den festgelegten Richtpreisen für die volle Bedarfsdeckung, so werden keine Einfuhrbewilligungen für gleichartige ausländische Erzeugnisse erteilt (Art. 7 Abs. 2 SVO). Einfuhrberechtigt sind nach Art. 9 SVO Personen und Firmen des Metzgereigewerbes und Metzgerorganisationen, ferner Firmen, die gewerbsmässig und dauernd mit Schlachtvieh handeln, und Organisationen solcher Firmen. Die Importeure sind nach Art. 12 SVO verpflichtet, inländisches Schlachtvieh nach den Weisungen der Abteilung für Landwirtschaft des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes (EVD) in einem zumutbaren Verhältnis zu ihren gleichartigen Einfuhren zu übernehmen. Art. 23 Abs. 4 LWG bestimmt, dass den Produzenten landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die durch Massnahmen im Sinne dieses Artikels geschützt werden, und ihren Verwerterorganisationen in der Regel für solche Produkte keine Einfuhrbewilligungen zu erteilen sind. Art. 9 Abs. 4 SVO verweist auf diese Bestimmung. Eine gemeinsame Organisation der am Schlachtvieh- und Fleischabsatz interessierten Kreise, die Schweizerische Genossenschaft für Schlachtvieh- und Fleischversorgung, wird nach Art. 25 SVO für gewisse Vollzugsaufgaben herangezogen. Die in ihr vereinigten Organisationen, zu denen der Schweizerische Viehproduzentenverband gehört, haben am 22. Dezember 1953 eine "Vereinbarung über die Schlachtviehordnung" abgeschlossen. In Ziff. XV der Vereinbarung haben sich der genannte Verband und die ihm angeschlossenen Organisationen verpflichtet, während der Geltungsdauer der Vereinbarung u.a. auf die Einführung der Ablieferungspflicht für Schlachtvieh und
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auf die Aufnahme des genossenschaftlichen Schlachtviehhandels "in weiteren Kantonen ausser Aargau, Baselland, St. Gallen-Appenzell, Schaffhausen und Zürich" zu verzichten.
B.- Der Schweizerische Viehproduzentenverband und vier seiner Mitglieder, nämlich die Aargauische Genossenschaft für Schlachtviehabsatz, die Genossenschaft für Schlachtviehverwertung Baselland und Umgebung, die Schlachtviehverwertungsgenossenschaft St. Gallen-Appenzell und die Zürcher Genossenschaft für Schlachtviehabsatz, ersuchten im Jahre 1965 die Abteilung für Landwirtschaft des EVD, ihnen Einfuhrkontingente für grosses Schlachtvieh, Kälber und Schweine zu erteilen. Die Abteilung für Landwirtschaft hiess das Gesuch am 28. Dezember 1966 teilweise gut, indem sie verfügte: "Den Gesuchstellern werden für Bankvieh/Bankfleisch und Wurstvieh/Wurstfleisch auf Grund der Hälfte ihrer in den Jahren 1964-1966 erzielten Umsätze von grossem Schlachtvieh ab 1. Juli 1967 Einfuhrkontingente erteilt für solange, als der Importanteil beim grossen Schlachtvieh und Fleisch nicht unter 10% des inländischen Verbrauchs fällt". Der Begründung des Entscheids ist zu entnehmen: Für das grosse Schlachtvieh hätten sich die Marktverhältnisse derart verändert, dass sich eine Ausnahme von der Regel des Art. 23 Abs. 4 LWG rechtfertige. In diesem Sektor habe der Anteil der Einfuhr am inländischen Verbrauch im Jahre 1951 21,9%, im Jahre 1952 13,4% und im Jahre 1953 bloss noch 4,6% ausgemacht, sich aber seither auf über 35% erhöht. Infolgedessen seien nun die Importeure in der Lage, die Organisationen der Schlachtviehproduzenten "dank der grösseren Importe von billigem Schlachtvieh und Fleisch sowie der fehlenden Überschussverwertung stärker zu konkurrenzieren". "Auch wenn dadurch die Schlachtviehproduzentenorganisationen heute in ihrer Existenz nicht unmittelbar bedroht sind, kann ihnen eine solche Marktentwicklung schon in nächster Zukunft die Erfüllung ihrer Aufgaben als Selbsthilfeorganisationen erschweren". Solange diese Lage andauere, seien daher die Gesuchsteller zur Einfuhr von grossem Schlachtvieh zuzulassen. Immerhin seien bei der Bemessung ihrer Kontingente ihre Umsätze bloss zur Hälfte anzurechnen. Dagegen hätten sich die Marktverhältnisse für Schweine und Kälber nicht so

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wesentlich geändert, dass den Gesuchstellern auch hiefür Einfuhrkontingente zuzuteilen seien.
C.- Gegen diesen Entscheid erhoben Beschwerde beim EVD - einerseits die Gesuchsteller mit den Anträgen, ihre Einfuhrkontingente seien auf Bindenstotzen und Nierstücke auszudehnen und höher zu bemessen; - anderseits die Genossenschaft für Vieh-und Fleischhandel, die Viehhändler Hans Berger und Henri Matile, der Verband Schweizerischer Viehhändler, der Verband Schweizer Metzgermeister, der Verband Schweizer Fleischwarenfabrikanten und die Severa Import-Genossenschaft des Verbandes Schweizer Grossmetzgereien mit Filialgeschäften mit dem Begehren, die Gesuche des Schweizerischen Viehproduzentenverbandes und der vier mitbeteiligten Genossenschaften um Erteilung von Einfuhrkontingenten seien abzuweisen. Die Abteilung für Landwirtschaft beantragte dem EVD, den Gesuchstellern seien in teilweiser Gutheissung ihrer Beschwerde auch Einfuhrkontingente für Stotzen zur Bindenfleischfabrikation zu gewähren.
D.- Das EVD hob am 5. Februar 1968 den Entscheid der Abteilung für Landwirtschaft auf und wies das Gesuch des Schweizerischen Viehproduzentenverbandes und der Mitbeteiligten ab. Es führte aus, nach dem LWG solle die inländische landwirtschaftliche Produktion die Landesversorgung soweit wie möglich gewährleisten und der Aufnahmefähigkeit des einheimischen Marktes entsprechen. Deshalb werde die Einfuhr von Konkurrenzprodukten beschränkt, und aus dem gleichen Grunde seien nach Art. 23 Abs. 4 LWG den inländischen Produzenten und ihren Verwerterorganisationen in der Regel keine Einfuhrbewilligungen zu erteilen. Ausnahmen von dieser Regel seien nur zulässig, wenn sie sich in einer besonderen, atypischen Situation aus Billigkeitsgründen aufdrängten. So wären jene Verwerterorganisationen z.B. in ausgesprochenen Mangeljahren unter Umständen zum Import zuzulassen, um ihre angestammte Kundschaft bedienen und den Betrieb aufrecht erhalten zu können. Im vorliegenden Fall bestehe kein Grund für Ausnahmebewilligungen; die Existenz der Gesuchsteller werde nicht gefährdet, wenn ihr Begehren abgelehnt werde. Darin, dass die Inlandproduktion nicht im gleichen Verhältnis zugenommen habe wie der inländische Verbrauch, könne keine atypische Ausnahmesituation gesehen werden;
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vielmehr handle es sich um eines der grossen Dauerprobleme der Landwirtschaftspolitik. Die gesetzliche Ordnung gebe den Bauern und ihren Selbsthilfeorganisationen die Möglichkeit, die Produktion dem steigenden inländischen Verbrauch anzupassen und so ihren Marktanteil zu halten. Die Marktstellung der inländischen Produzenten könnte übermächtig werden, wenn sie in namhaftem Umfange auch die Verfügung über den Import erlangten; Art. 23 Abs. 4 LWG bezwecke auch, im Interesse der andern Marktteilnehmer den Markt soweit offen zu halten, als der Schutz der Produzenten das erlaube. Der angefochtene Entscheid sei rechtswidrig.

E.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen der Schweizerische Viehproduzentenverband und seine vier genannten Mitglieder dem Bundesgericht, den Entscheid des EVD aufzuheben und die Angelegenheit "zur grundsätzlichen Gutheissung der gestellten Gesuche und zur neuen quantitativen Beurteilung" an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es wird geltend gemacht, Art. 23 Abs. 4 LWG sei hier gar nicht anwendbar; denn die Gesuchsteller seien nicht Verwerterorganisationen im Sinne dieser Bestimmung, sondern "reine Verteilerorganisationen, d.h. Handelsgenossenschaften mit selbständiger Tätigkeit". Wären sie als Verwerterorganisationen zu betrachten, so wäre die Beschwerde gleichwohl begründet. Produzentenorganisationen, welche vor dem Erlass des LWG importiert hatten, seien auch nachher zur Einfuhr zugelassen worden. Die Rechtsvorgängerin des Schweizerischen Viehproduzentenverbandes, die Schweizerische Zentralstelle für Schlachtviehverwertung, habe in den Jahren 1936-1940 namhafte Importe getätigt. Allerdings habe der Verband nach dem Inkrafttreten des LWG und der SVO vorerst auf weitere Einfuhren verzichtet, weil damals der Anteil des Imports am Inlandverbrauch gering gewesen sei; umsomehr müsse nun ein angemessener Ausgleich herbeigeführt werden. Die frühere Einfuhrtätigkeit von Produzentenorganisationen könne aber nur deshalb durchweg eine Ausnahme von der Regel des Art. 23 Abs. 4 LWG begründen, weil die sonstigen Importeure nicht stärker als vor dem Inkrafttreten des LWG an der Einfuhr beteiligt werden sollten. Es könne somit nicht der Sinn des Gesetzes sein, dass ausserordentlich stark gestiegene Importe nur einer kleinen Gruppe von Importeuren zuzuhalten seien. Es treffe nicht zu, dass die Importe deshalb zugenommen
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hätten, weil die inländische Produktion dem Bedarf nicht genügend angepasst worden sei, und dass das Gesetz die einheimischen Produzenten zu solcher Anpassung verpflichte. Die inländischen Produzenten interessierten sich weniger für die Erzeugung grossen Schlachtviehs als für andere Produktionszweige. Die Gesuchsteller hätten auf den Umfang der Produktion der ihnen angeschlossenen und erst recht der übrigen Landwirte keinen oder jedenfalls nur einen sehr geringen Einfluss. Die Gutheissung des Gesuches stehe daher der Anpassung der Inlandproduktion nicht im Wege. Vielmehr würden die Importgewinne den Gesuchstellern erlauben, beim Einkauf inländischen Schlachtviehs an die obere Grenze der Richtpreise zu gehen und dadurch die Verkäufer zur Ausweitung ihrer Produktion anzuspornen. Die Anpassung der Inlandproduktion an die Marktlage werde ferner durch die Art. 1-3 SVO geregelt. Eine beschränkte Beteiligung der Gesuchsteller an der Einfuhr könne nicht zu einer Monopolbildung führen; im Gegenteil sei sie geeignet, der Marktschliessung entgegenzuwirken. Art. 23 Abs. 4 LWG habe nicht den Sinn, dass die Stellung der Produzentenorganisationen auf dem Inlandmarkt beeinträchtigt werden solle. Sie sei ohnehin bereits in Ziff. XV der "Vereinbarung über die Schlachtviehordnung" vom 22. Dezember 1953 sehr eingeengt worden. Es könne nicht bestritten werden, dass infolge der Entwicklung des Marktes die Wettbewerbsfähigkeit der Gesuchsteller in einem Masse, das "jedenfalls die Existenzgrenze berührt", geschmälert worden sei.
F.- Das EVD und die Personen, deren Beschwerden es gutgeheissen hatte, schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesgericht folgt diesem Antrag.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. 3. - (Prozessuale Fragen).

4. Es ist nicht bestritten, dass die Einfuhr der Erzeugnisse, für welche der Schweizerische Viehproduzentenverband und vier ihm angehörende regionale Organisationen (nachstehend: die Beschwerdeführer) Einfuhrbewilligungen verlangen, gemäss Art. 23 Abs. 1 LWG und darauf gestützten Bestimmungen der SVO mengenmässig beschränkt ist und deshalb der Bewilligung bedarf. Nach Art. 23 Abs. 4 LWG, worauf Art. 9 Abs. 4 SVO verweist, sind den Produzenten geschützter landwirtschaftlicher

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Erzeugnisse und ihren Verwerterorganisationen in der Regel keine Einfuhrbewilligungen für solche Produkte zu erteilen. Die Beschwerdeführer sind nach Ausweis ihrer Statuten nicht selber Produzenten landwirts chaftlicher Erzeugnisse. Sie machen geltend, sie seien auch nicht Verwerterorganisationen. im Sinne des Art. 23 Abs. 4 LWG, sondern "reine Verteilerorganisationen, d.h. Handelsgenossenschaften mit selbständiger Tätigkeit". Der Begriff der Verwerterorganisation ist im Landwirtschaftsgesetz nicht näher umschrieben. Offenbar geht Art. 23 Abs. 4 LWG davon aus, dass zur landwirtschaftlichen Tätigkeit nicht nur die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse, sondern auch der vom Landwirt selbst vorgenommene Verkauf der im eigenen Betrieb erzeugten Produkte gehört (vgl. Botschaft vom 19. Januar 1951 zum Entwurf des LWG, BBl 1951 I S. 148, und BGE 89 I 217), und dass die Landwirte diese Verwertung durch eine Organisation, in der sie sich in gemeinsamer Selbsthilfe zusammenschliessen, besorgen oder fördern lassen können. Solche Zusammenschlüsse von Verwertern sind Verwerterorganisationen im Sinne des Art. 23 Abs. 4 LWG. Es ist folgerichtig, dass diese Bestimmung Organisationen, die lediglich eine Zusammenfassung von Produzenten darstellen, der gleichen Beschränkung wie die Produzenten selbst unterwirft; denn andernfalls könnten die Produzenten der ihnen auferlegten Beschränkung dadurch entgehen, dass sie sich zu Organisationen zusammenschliessen, welche die Verwertung für sie durchführen. Organisationen dieser Art gelten nach der gesetzlichen Ordnung nicht als Handelsunternehmungen, welche jener Beschränkung nicht unterliegen. Die Botschaft vom 19. Januar 1951 versteht unter den Verwerterorganisationen "ausgesprochene Sammler- und Vermittlerorganisationen, wie Obst-, Wein-, Gemüse- und Eierverwertungsgenossenschaften", nicht aber "Verteilerorganisationen wie die Verbände der landwirtschaftlichen Bezugs- und Absatzgenossenschaften und andere ähnliche Organisationen, die bisher schon importierten"; "diese sind wie die andern Grossverteiler zu behandeln" (BBl 1951 I S. 186). Danach wären die Verteilerorganisationen den Handelsbetrieben zuzurechnen, für welche die Regel des Art. 23 Abs. 4 LWG nicht gilt. Indessen kann offen gelassen werden, was von der in der Botschaft getroffenen Unterscheidung zu halten ist;
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denn die Beschwerdeführer sind nicht Verteilerorganisationen im Sinne der dortigen Ausführungen, wohl aber offensichtlich Verwerterorganisationen im Sinne des Art. 23 Abs. 4 LWG. In der Tat verfolgen die Aargauische Genossenschaft für Schlachtviehabsatz, die Genossenschaft für Schlachtviehverwertung Baselland und Umgebung, die Schlachtviehverwertungsgenossenschaft St. Gallen-Appenzell und die Zürcher Genossenschaft für Schlachtviehabsatz nach ihren Statuten hauptsächlich den Zweck, den Absatz des Schlachtviehs, das die ihnen angehörenden Produzenten auf den Markt bringen, auf dem Wege der genossenschaftlichen Selbsthilfe zu fördern. Diese Zielsetzung kommt auch in den Namen der vier Genossenschaften zum Ausdruck. Es handelt sich demnach um regionale Organisationen, in denen sich Schlachtviehproduzenten zusammengeschlossen haben, um die Verwertung ihrer Produkte zu sichern. Auch der Schweizerische Viehproduzentenverband, der ebenfalls eine Genossenschaft ist, bezweckt nach seinen Statuten die Förderung des Schlachtviehabsatzes. Er ist zwar selber nicht eine Organisation, in welcher Schlachtviehproduzenten unmittelbar zusammengeschlossen sind, doch stellt er eine Dachorganisation der ihm angehörenden regionalen Verwerterorganisationen dar. Sein Tätigkeitsbereich erstreckt sich nicht über denjenigen seiner Mitglieder hinaus. Der Verband befasst sich ebenfalls mit der Verwertung des Schlachtviehs, welches die in den Mitgliedgenossenschaften zusammengeschlossenen Produzenten in gemeinsamer Selbsthilfe absetzen wollen. Auch er ist daher als Verwerterorganisation im Sinne des Art. 23 Abs. 4 LWG zu betrachten. Diese Bestimmung ist somit auf alle Beschwerdeführer anwendbar.
5. Indem Art. 23 Abs. 4 LWG vorschreibt, dass den Produzenten geschützter landwirstchaftlicher Erzeugnisse und deren Verwerterorganisationen "in der Regel" ("en règle générale", "di regola") für solche Produkte keine Einfuhrbewilligungen zu erteilen sind, stellt er einen Grundsatz auf und lässt er zugleich Ausnahmen zu. Das Gesetz enthält jedoch keine ausdrücklichen Bestimmungen über die Voraussetzungen, unter denen Ausnahmebewilligungen erteilt werden können, und auch die Schlachtviehordnung regelt diese Frage nicht, sondern verweist in Art. 9 Abs. 4 einfach auf Art. 23 Abs. 4 LWG. Daraus ist jedoch nicht zu schliessen, dass es der für den Entscheid über Bewilligungsgesuche zuständigen Verwaltungsbehörde anheimgestellt
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sei, nach ihrem Ermessen darüber zu befinden, wann eine Ausnahmebewilligung zulässig sei und wann nicht. Die in Art. 23 Abs. 4 LWG stehende Wendung "in der Regel" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Sie bindet die das Gesetz anwendenden Behörden, in einer Weise, die durch Auslegung des Gesetzes näher zu bestimmen ist (vgl. BGE 91 I 75, BGE 94 I 135, BGE 95 I 40). Das Landwirtschaftsgesetz zielt entsprechend seinem Titel und Ingress und im Einklang mit den ihm zugrunde liegenden Verfassungsbestimmungen (insbesondere Art. 31 bis Abs. 3 lit. b BV) darauf ab, einen gesunden Bauernstand und im Dienste der Landesversorgung eine leistungsfähige Landwirtschaft zu erhalten. Dazu dienen u.a. die allgemeinen wirtschaftspolitischen Vorschriften der Art. 18-31 über Produktion, Ein- und Ausfuhr und Preise. Nach Art. 18 sind die Art. 19-31 unter Berücksichtigung der durch die Natur gegebenen Verhältnisse so anzuwenden, dass die inländische landwirtschaftliche Produktion die Landesversorgung soweit als möglich gewährleistet und der Aufnahmefähigkeit des einheimischen Marktes entspricht. Diese Richtlinie ist namentlich auch bei der Anwendung des Art. 23 zu beachten. Nach Art. 23 Abs. 1 und 2 LWG wird die Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse beschränkt, sofern sie den Absatz einheimischer solcher Erzeugnisse zu angemessenen, kostengerechten Preisen (Art. 29-31 LWG) gefährdet. Die mengenmässige Beschränkung der Einfuhr und die damit verbundene Verpflichtung der nicht bäuerlichen Importeure, inländische landwirtschaftliche Erzeugnisse in einem zumutbaren Verhältnis zur Einfuhr zu übernehmen, sollen die Versorgung des Landes mit Produkten der eigenen Landwirtschaft fördern. Zu diesem Zwecke wird den genannten Importeuren in Abweichung von der Handels- und Gewerbefreiheit eine Beschränkung der Einfuhrmenge und eine Übernahmepflicht auferlegt. Die gesetzliche Ordnung bietet so den einheimischen Produzenten Gewähr dafür, dass sie ihre Produktion dem Bedarf des Inlandes anpassen und hier in diesem Rahmen zu angemessenen Preisen absetzen können, und spornt sie damit an, soviel zu produzieren, dass jener Bedarf in möglichst grossem Umfange mit ihren Erzeugnissen gedeckt werden kann. Daraus folgt, dass es widersinnig wäre, die inländischen Produzenten ohne zwingenden Grund in namhaftem Ausmasse an der Einfuhr teilnehmen

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zu lassen, durch deren Beschränkung gerade die Versorgung des Landes mit ihren eigenen Produkten gefördert werden soll. Diese Produzenten werden zwar von der Beteiligung an der beschränkten Einfuhr nicht völlig ausgeschlossen; doch können sie Einfuhrkontingente nur ganz ausnahmsweise erhalten. Ausnahmebewilligungen kommen nur in Betracht, wenn und soweit sie die Erreichung des wirtschaftspolitischen Zieles, das nach der gesetzlichen Ordnung mit der mengenmässigen Beschränkung der Einfuhr erstrebt wird, nicht wesentlich beeinträchtigen und sich aus Billigkeitsgründen aufdrängen. In diesem Sinne muss die Regel, die Art. 23 Abs. 4 LWG - vornehmlich zum Schutze der nicht bäuerlichen Importeure - aufstellt, verstanden werden, was durch die Gesetzesmateria11en bestätigt wird (BBl 1951 I S. 186; StenBull NR 1951 S. 69, Voten der Berichterstatter Obrecht und Torche). Eine Ausnahmebewilligung könnte namentlich etwa dann als zulässig betrachtet werden, wenn nur durch sie eine ernstliche Gefährdung der Konkurrenzfähigkeit des Gesuchstellers vermieden werden könnte. Die Botschaft zum Landwirtschaftsgesetz verdeutlicht dies durch ein Beispiel: "In ausgesprochenen Mangeljahren müssen unter Umständen auch Organisationen, deren Aufgabe es ist, die Erzeugnisse ihrer Mitglieder zu verwerten, in der Lage sein, zu importieren, um ihre angestammte Kundschaft bedienen und den Betrieb aufrecht erhalten zu können" (BBl 1951 I S. 186). Dagegen ist es mit dem erwähnten wirtschaftspolitischen Ziel der gesetzlichen Ordnung nicht vereinbar, inländischen Produzenten oder ihren Verwerterorganisationen Ausnahmebewilligungen immer schon dann zu erteilen, wenn der Verbrauch im Inland in erheblichem Masse gestiegen ist und die einheimische Produktion nicht oder nicht im gleichen Verhältnis zugenommen hat. Denn das Gesetz erwartet von der schweizerischen Landwirtschaft, dass sie ihre Erzeugung dem steigenden Inlandsbedarf anpasst; wenn es die inländischen Produzenten.auch nicht geradezu zwingt, dies zu tun, spornt es sie doch dazu an, indem es ihnen den Absatz im Inland zu angemessenen Preisen gewährleistet, solange ihre Produktion nicht über die Aufnahmefähigkeit des hiesigen Marktes hinausgeht. Wenn und solange sie die Möglichkeit, die Produktion zu erhöhen, tatsächlich haben, aber nicht voll ausnützen (vgl. dazu den 4. Landwirtschaftsbericht des Bundesrates vom 26. Februar 1969,
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BBl 1969 I 457 f.). ist es nach der gesetzlichen Ordnung nicht zulässig, ihnen oder ihren Verwerterorganisationen statt dessen Einfuhrkontingente zuzuteilen; könnte es doch sonst leicht dazu kommen, dass während langer Zeit ihre Beteiligung an der beschränkten Einfuhr ohne zwingenden wirtschaftlichen Grund zur Regel würde, was dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes zuwiderliefe. Die Billigkeit fordert keineswegs, dass ohne weiteres Ausnahmebewilligungen gewährt werden, wenn die inländischen Bauern die bestehende Möglichkeit, ihre Produktion dem erhöhten Landesbedarf anzupassen, nicht ausnützen.
Von diesen Grundsätzen geht auch der angefochtene Entscheid des EVD aus; er beruht auf einer zutreffenden Auslegung des Art. 23 Abs. 4 LWG.
6. Die Abteilung für Landwirtschaft weist in ihrem Entscheid vom 28. Dezember 1966 darauf hin, dass die Verhältnisse auf dem Inlandsmarkt für grosses Schlachtvieh (nicht auch für Kälber und Schweine) sich wesentlich geändert hätten, weil der prozentuale Anteil der den nicht bäuerlichen Importeuren eingeräumten Einfuhrkontingente am inländischen Verbrauch erheblich gestiegen sei. Das ist jedoch keine Ausnahmesituation, welche es ohne weiteres rechtfertigen würde, den Beschwerdeführern Einfuhrbewilligungen zu erteilen; denn die den Beschwerdeführern angeschlossenen inländischen Produzenten grossen Schlachtviehs haben es in der Hand, ihre Produktion dem grösser gewordenen Landesbedarf anzupassen und so ihren Marktanteil zu halten oder sogar zu erhöhen. Die Abteilung für Landwirtschaft hat den Beschwerdeführern Einfuhrkontingente für solange eingeräumt, als der Importanteil beim grossen Schlachtvieh nicht unter 10% des inländischen Verbrauches fällt. Sie hat sich dabei auf Art. 2 Abs. 1 lit. b SVO gestützt. Aus dieser Bestimmung lässt sich jedoch für ihren Standpunkt nichts ableiten. Nach Art. 2 Abs. 1 SVO soll die sog. gemeinsame Organisation (Schweizerische Genossenschaft für Schlachtvieh- und Fleischversorgung) periodisch dem EVD die Viehbestände bekanntgeben (lit. a), ferner "im Vergleich dazu die Grösse der Bestände, die der Aufnahmefähigkeit des einheimischen Marktes unter Berücksichtigung einer Importquote von 5-10 Prozent des Gesamtbedarfes im Durchschnitt mehrerer Jahre entspricht" (lit. b). Diese Mitteilungen sollen indessen dem EVD lediglich einen Anhaltspunkt für die Empfehlungen über die Schlachtviehproduktion bieten, die es nach Art. 2
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Abs. 2 SVO herauszugeben hat. Steigt die Importquote über 10% hinaus, so wird das EVD den inländischen Produzenten empfehlen, mehr Schlachtvieh zu erzeugen, da das Gesetz und mit ihm auch die Schlachtviehordnung so anzuwenden sind, dass die einheimische Produktion die Landesversorgung soweit als möglich gewährleistet (Art. 18 LWG, Art. 1 SVO). Art. 2 SVO befasst sich mit Empfehlungen über die Produktion, nicht über die Einfuhr. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die veränderten Marktverhältnisse, welche nach Auffassung der Beschwerdeführer und der Abteilung für Landwirtschaft Ausnahmebewilligungen rechtfertigen, lange andauern. Würde der Entscheid der Abteilung für Landwirtschaft geschützt, so wäre daher damit zu rechnen, dass solche Bewilligungen während längerer Zeit immer wieder erteilt werden müssten, also zur Regel würden, was das Gesetz eben vermeiden will. Die Beschwerdeführer wenden vergeblich ein, dass die Anpassung der Inlandproduktion an die Marktlage nicht gehindert, sondern eher gefördert werde, wenn ihrem Gesuch stattgegeben werde. Es lässt sich nicht im Ernst bestreiten, dass der Ansporn zu dieser - vom Gesetz gewollten - Anpassung gedämpft würde, falls den Verwerterorganisationen der inländischen Produzenten für längere Dauer eine Beteiligung an der Einfuhr ermöglicht würde. Denn ohne solche Beteiligung könnten die Verwerterorganisationen entsprechend mehr Erzeugnisse der ihnen angeschlossenen Produzenten übernehmen. Sie sollen aber im Sinne der Landwirtschaftsgesetzgebung nach Kräften darauf hinzuwirken suchen, dass die einheimische Schlachtviehproduktion mit dem Landesbedarf soweit als möglich Schritt hält; bestimmt doch Art. 2 Abs. 3 SVO, dass die Organisationen der Schlachtviehproduzenten sich für dieses Ziel durch laufende Aufklärung der Viehhalter einzusetzen haben. Billigkeitsgründe, welche die Erteilung von Ausnahmebewilligungen für die Beschwerdeführer aufdrängen würden, bestehen nicht. Es ist nicht dargetan, dass die Beschwerdeführer, sei es auch nur vorübergehend, auf Einfuhren angewiesen sind, um die angestammte Kundschaft bedienen und den Betrieb aufrecht erhalten zu können. Die Existenz der Beschwerdeführer wird nicht ernstlich gefährdet, wenn ihnen keine Einfuhrkontingente erteilt werden. Die von ihnen eingelegten Geschäftsberichte lassen erkennen, dass sie durchaus zufriedenstellend
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arbeiten. Wenn ihre wirtschaftliche Stellung durch die Steigerung der Einfuhr etwas beeinträchtigt worden ist, so kann sie dadurch wieder verbessert werden, dass die ihnen angeschlossenen Viehhalter ihre Produktion ausdehnen. Für die Beurteilung der Beschwerde ist es belanglos, dass die Verwerterorganisationen der Schlachtviehproduzenten in der "Vereinbarung über die Schlachtviehordnung" gewisse Beschränkungen ihres räumlichen und sachlichen Tätigkeitsbereiches auf sich genommen haben. Das war anscheinend eine Gegenleistung für ein Entgegenkommen anderer Vertragspartner, und zudem können die Beschwerdeführer den Vertrag kündigen, wenn sie sich durch ihn in ihrer Bewegungsfreiheit übermässig behindert fühlen. Es trifft allerdings zu, dass Produzentenorganisationen, die schon vor dem Inkrafttreten der Art. 18-39 LWG regelmässig importiert hatten, nachher weiterhin zur Einfuhr zugelassen worden sind. Auf diese Praxis, durch welche ein "Besitzstand" gewahrt worden ist, können sich jedoch die Beschwerdeführer nicht berufen; denn sie haben im Zeitpunkt des Inkrafttretens jener Bestimmungen keine Einfuhrtätigkeit ausgeübt, und die Einfuhrtätigkeit des Vorgängers des Schweizerischen Viehproduzentenverbandes hatte schon lange vorher aufgehört. Ob die erwähnte Praxis dem Gesetz entspreche, ist hier nicht zu prüfen; jedenfalls kann sie nicht dazu führen, dass den Beschwerdeführern entgegen dem Gesetz Ausnahmebewilligungen erteilt werden. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass das EVD mit Recht das Gesuch der Beschwerdeführer um Erteilung von Einfuhrkontingenten abgewiesen hat.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 95 I 289
Date : 03. April 1969
Published : 31. Dezember 1970
Source : Bundesgericht
Status : 95 I 289
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : Kontingentierung der Einfuhr von Schlachtvieh und Fleisch. Einfuhrbewilligungen für Verwerterorganisationen inländischer


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BV: 31bis
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1951/I/148 • 1951/I/186 • 1969/I/457