Urteilskopf

93 IV 93

23. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. November 1967 i.S. Geiger und Konsorten gegen Maissen und Konsorten.
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Sachverhalt ab Seite 94

BGE 93 IV 93 S. 94

Aus dem Sachverhalt:

A.- Am 27. Mai/11. Juni 1964 reichte Rechtsanwalt Dr. Benno Schmid für Alex Maissen beim Untersuchungsrichteramt Basel-Stadt Strafanzeige ein gegen Werner Cermak und Friedrich Schertenleib wegen Betruges, Wuchers, Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsführung. In der Anzeige wurde den Beschuldigten u.a. vorgeworfen, betrügerische Handlungen gegen Josef Dörig begangen zu haben, Cermak gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Paul Geiger. Dr. Geiger, Cermak und Schertenleib erhoben wegen der Strafanzeige beim Friedensrichteramt Zürich 1 gegen Maissen und Dr. Schmid Ehrverletzungsklagen und reichten am 8. August 1966 beim Bezirksgericht Zürich die Anklageschriften ein.
B.- Mit Beschlüssen vom 10. und 24. Februar 1967 wies das Bezirksgericht Zürich die Ehrverletzungsklagen wegen Verjährung von der Hand. Das Obergericht des Kantons Zürich, an das die Ankläger rekurrierten, wies am 4. September 1967 die Rekurse ab.
C.- Gegen diesen Entscheid führen die Ankläger Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei aufzuheben und die Vorinstanz sei zur Zulassung der Klagen anzuhalten.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Nach Art. 178 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 178 - 1 Die Verfolgung der Vergehen gegen die Ehre verjährt in vier Jahren.235
1    Die Verfolgung der Vergehen gegen die Ehre verjährt in vier Jahren.235
2    Für das Erlöschen des Antragsrechts gilt Artikel 31.236
StGB verjährt die Verfolgung der Vergehen gegen die Ehre in zwei Jahren. Die vom 27. Mai 1964 datierte Strafanzeige an das Untersuchungsrichteramt Basel wurde am 11. Juni 1964 zur Post gegeben. Die Verfolgung der Ehrverletzungen war daher am 8. August 1966, als die Beschwerdeführer in Zürich die Klagen einreichten, verjährt, sofern man es nicht mit einem fortgesetzten Delikt nach Art. 71 Abs. 2 oder einem Dauerdelikt nach Abs. 3 zu tun hat, wie die Beschwerdeführer geltend machen. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht darauf an, ob die behaupteten Verleumdungen im Sinne von Art. 174 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 174 - 1. Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Ist der Täter planmässig darauf ausgegangen, den guten Ruf einer Person zu untergraben, so wird er mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.233
3    Zieht der Täter seine Äusserungen vor dem Gericht als unwahr zurück, so kann er milder bestraft werden. Das Gericht stellt dem Verletzten über den Rückzug eine Urkunde aus.
StGB planmässig begangen wurden
BGE 93 IV 93 S. 95

oder nicht. Die Planmässigkeit begründet kein Dauerdelikt, und für eine fortgesetzte Handlung beginnt die Verjährung nach Art. 71 Abs. 2 erst mit der letzten Teilhandlung zu laufen, auch wenn nicht Planmässigkeit vorliegt.
2. Keinesfalls kann von einem Dauerdelikt die Rede sein. Wird eine Ehrverletzung durch eine Strafanzeige begangen, so dauert zwar der damit herbeigeführte rechtswidrige Erfolg an, nicht aber das strafbare Verhalten; dass die Strafanzeige schriftlich eingereicht wurde, ändert nichts (vgl. BGE 84 IV 17).
3. Die Fortsetzung der mit der Strafanzeige verübten Ehrverletzungen erblicken die Beschwerdeführer darin, dass die Angeklagten immer wieder versucht hätten, der Anzeige zuerst beim Untersuchungsrichter und dann bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt zum Durchbruch zu verhelfen. Diese Monierungen, wie die Beschwerdeführer die Versuche bezeichnen, seien darauf gerichtet gewesen, den ehrverletzenden Erfolg der Strafanzeige zu gewährleisten oder zu fördern. Die betreffenden Eingaben scheinen im vorliegenden Verfahren nicht beigezogen worden zu sein und befinden sich jedenfalls nicht unter den Akten. Ihr Beizug war für die Entscheidung auch nicht notwendig. Dass die Eingaben keinerlei Äusserungen enthielten, die schon an und für sich irgendwie an die Ehre der Beschwerdeführer gerührt hätten, anerkennen diese ausdrücklich. Sie erklären bloss, die Eingaben der Angeklagten an die Basler Behörden seien darauf gerichtet gewesen, den ehrverletzenden Erfolg der Strafanzeige zu gewährleisten oder zu fördern. Danach haben also die Angeklagten die als ehrverletzend eingeklagten Ausführungen der Strafanzeige in den Eingaben nicht wiederholt. Damit haben sie indessen gemäss Art. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
StGB schon objektiv den Tatbestand von Art. 174
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 174 - 1. Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Ist der Täter planmässig darauf ausgegangen, den guten Ruf einer Person zu untergraben, so wird er mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.233
3    Zieht der Täter seine Äusserungen vor dem Gericht als unwahr zurück, so kann er milder bestraft werden. Das Gericht stellt dem Verletzten über den Rückzug eine Urkunde aus.
bzw. 173
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
StGB nicht erfüllen können, denn diese Bestimmungen setzen voraus, dass jemand bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt wird. Fortsetzungszusammenhang aber ist nur möglich zwischen Handlungen, die strafbar sind (BGE 91 IV 66). Wer eine ehrverletzende Straf- oder Zivilklage einreicht, macht sich, wenn die Voraussetzungen der Art. 173 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
. StGB erfüllt sind, durch diese Handlung der (vollendeten) Ehrverletzung
BGE 93 IV 93 S. 96

strafbar und kann nicht auch noch für die nachfolgenden Prozessvorkehren bestraft werden, die bloss der Prosequierung der Klage dienen. Sonst würde sich der Kläger durch jedes Fristverlängerungsgesuch und jeden Beweisantrag einer neuen Ehrverletzung schuldig machen. Die Hartnäckigkeit, mit der ein Kläger eine ehrenrührige Klage durchficht, kann von Bedeutung für das Strafmass sein; strafbare Fortsetzungstatbestände werden mit blossen Prozesshandlungen, die nicht in sich selber ehrenrührig sind, nicht geschaffen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 93 IV 93
Datum : 24. November 1967
Publiziert : 31. Dezember 1967
Quelle : Bundesgericht
Status : 93 IV 93
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : 1. Art. 174 Ziff. 2, 71 Abs. 2 und 3 StGB. Planmässigkeit der Verleumdung begründet weder ein Dauerdelikt noch ein fortgesetztes


Gesetzesregister
StGB: 1 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
3 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 3 - 1 Diesem Gesetz ist unterworfen, wer in der Schweiz ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Diesem Gesetz ist unterworfen, wer in der Schweiz ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland ganz oder teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht die vollzogene Strafe auf die auszusprechende Strafe an.
3    Ist ein Täter auf Ersuchen der schweizerischen Behörde im Ausland verfolgt worden, so wird er, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der Konvention vom 4. November 19505 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  das ausländische Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Hat der auf Ersuchen der schweizerischen Behörde im Ausland verfolgte Täter die Strafe im Ausland nicht oder nur teilweise verbüsst, so wird in der Schweiz die Strafe oder deren Rest vollzogen. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland nicht oder nur teilweise vollzogene Massnahme in der Schweiz durchzuführen oder fortzusetzen ist.
71 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 71 - 1 Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist.
1    Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist.
2    Das Gericht kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde.
3    ...117
173 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
174 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 174 - 1. Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Ist der Täter planmässig darauf ausgegangen, den guten Ruf einer Person zu untergraben, so wird er mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.233
3    Zieht der Täter seine Äusserungen vor dem Gericht als unwahr zurück, so kann er milder bestraft werden. Das Gericht stellt dem Verletzten über den Rückzug eine Urkunde aus.
178
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 178 - 1 Die Verfolgung der Vergehen gegen die Ehre verjährt in vier Jahren.235
1    Die Verfolgung der Vergehen gegen die Ehre verjährt in vier Jahren.235
2    Für das Erlöschen des Antragsrechts gilt Artikel 31.236
BGE Register
84-IV-17 • 91-IV-64 • 93-IV-93
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
anklageschrift • basel-stadt • beschuldigter • betrug • beweisantrag • dauerdelikt • ehre • entscheid • fortgesetztes delikt • kassationshof • prozesshandlung • rechtsanwalt • sachverhalt • strafanzeige • untersuchungsrichter • verhalten • vorinstanz • wiese • wucher