93 I 570
71. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. November 1967 i.S. The American Tobacco Company gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum.
Regeste (de):
- Sittenwidrigkeit einer Marke wegen Täuschungsgefahr über die Herkunft der Ware.
- Unzulässigkeit der Marke TRAFALGAR für Zigaretten, die aus den USA stammen.
- Pariser Verbandsübereinkunft (Fassung von Lissabon 1958) Art. 6 Abs. 1; MSchG Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2.
Regeste (fr):
- Marque contraire aux bonnes moeurs parce que le public risque d'être induit en erreur sur la provenance de la marchandise.
- Inadmissibilité de la marque TRAFALGAR pour des cigarettes provenant des USA.
- Art. 6 al. 1 de la Convention d'Union de Paris (texte de Lisbonne, 1958); art. 14 al. 1 ch. 2 LMF.
Regesto (it):
- Marca contraria ai buoni costumi a causa del rischio di confusione sulla provenienza della merce.
- Inammissibilità della marca TRAFALGAR per sigarette provenienti dagli USA.
- Convenzione d'Unione di Parigi (testo di Lisbona, 1958), art. 6 cpv. 1; art. 14 cpv. 1 num. 2 LMF.
Sachverhalt ab Seite 570
BGE 93 I 570 S. 570
A.- Die in New York ansässige Firma "The American Tobacco Company" stellte am 22. Dezember 1966 beim Eidg. Amt für geistiges Eigentum das Begehren um Eintragung der Wortmarke "TRAFALGAR" für Tabake und Tabakfabrikate, einschliesslich Zigaretten und Zigarren. Das Amt verweigerte mit Verfügung vom 25. Juli 1967 die Eintragung, weil die Marke auf den Trafalgar Square in London hinweise und daher als geographische Angabe im Gemeingut stehe; zudem sei sie für nichtenglische Tabakwaren irreführend.
B.- Die American Tobacco Company führt gegen die Zurückweisung ihrer Marke verwaltungsgerichtliche Beschwerde. Sie beantragt, die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Marke "TRAFALGAR" in der Schweiz zur Eintragung zuzulassen. Das Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Da die Beschwerdeführerin ihren Sitz in New York hat, ist bei der Beurteilung der vorliegenden Beschwerde von der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen
BGE 93 I 570 S. 571
Eigentums (PVU) auszugehen, der sowohl die Schweiz als die Vereinigten Staaten als Verbandsländer angehören, und zwar ist die von den beiden genannten Staaten ratifizierte Fassung von Lissabon von 1958 massgebend. Nach Art. 6 Abs. 1 PVU werden die Bedingungen für die Hinterlegung und Eintragung von Fabrik- oder Handelsmarken in jedem Verbandsland durch die Landesgesetzgebung bestimmt. Der von der Beschwerdeführerin ebenfalls angerufene Art. 6 quinquies PVU dagegen ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Diese Bestimmung setzt voraus, dass die streitige Marke bereits im Ursprungsland eingetragen worden ist. Die Beschwerdeführerin macht jedoch nicht geltend, sie habe die Marke "TRAFALGAR" in den USA hinterlegt.
2. Kraft des Vorbehaltes von Art. 6 Abs. 1 PVU zugunsten des Landesrechts ist das Amt befugt, die Eintragung einer Marke zu verweigern, wenn sie als wesentlichen Bestandteil ein als Gemeingut anzusehendes Zeichen enthält, sowie, wenn sie gegen bundesgesetzliche Vorschriften oder gegen die guten Sitten verstösst (Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 14 Einschränkung zugunsten vorbenützter Zeichen - 1 Der Markeninhaber kann einem anderen nicht verbieten, ein von diesem bereits vor der Hinterlegung gebrauchtes Zeichen im bisherigen Umfang weiter zu gebrauchen. |
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1 | Der Markeninhaber kann einem anderen nicht verbieten, ein von diesem bereits vor der Hinterlegung gebrauchtes Zeichen im bisherigen Umfang weiter zu gebrauchen. |
2 | Dieses Weiterbenützungsrecht kann nur zusammen mit dem Unternehmen übertragen werden. |
3. Sittenwidrig ist gemäss ständiger Rechtsprechung eine Marke, die geeignet ist, den schweizerischen Durchschnittskäufer in irgendeiner Hinsicht irrezuführen. Daher ist eine Marke unzulässig, wenn sie geographische Angaben enthält, die zu Täuschungen über die Herkunft der Ware Anlass geben können; denn eine geographische Angabe weckt nach der Lebenserfahrung beim Käufer der damit bezeichneten Ware im allgemeinen die Vorstellung, das betreffende Erzeugnis stamme aus dem Lande, auf das die Angabe hinweist; ist dies in Wirklichkeit nicht der Fall, so kann die Marke daher irreführend wirken. Anders verhält es sich nur, wenn die geographische Angabe offensichtlich blossen Phantasiecharakter hat und nicht als Herkunftsbezeichnung aufgefasst werden kann (BGE 91 I 52 Erw. 2, BGE 89 I 51 Erw. 4, 293 Erw. 2, 301 Erw. 3).
4. Das Amt erachtet die Marke "TRAFALGAR" als irreführend, weil sie vom Publikum als Hinweis auf den Trafalgar Square in London und damit auf England aufgefasst
BGE 93 I 570 S. 572
werden könne, während die damit bezeichneten Waren aus den USA stammten. Dieser Auffassung ist beizupflichten. Der Trafalgar Square ist ein bedeutender Platz in London. Auf ihm erhebt sich die Nelson-Säule, die zur Erinnerung an den britischen Admiral Lord Nelson und an den Sieg errichtet wurde, den er im Jahre 1805 in der Seeschlacht vor dem Kap Trafalgar an der spanischen Atlantikküste über die französische und die spanische Flotte errang. Der Platz ist von wichtigen öffentlichen Gebäuden umrahmt, so von der "National Gallery", der Kirche "St. Martin-in-the-Fields" und der "National Portrait Gallery". Eine dort gelegene Station der Untergrundbahn trägt den Namen "Trafalgar". In den Reiseprospekten über London wird der Trafalgar Square als Sehenswürdigkeit angeführt, die ein Wahrzeichen Londons darstelle. Angesichts der Bedeutung, die dem Trafalgar Square zukommt, darf angenommen werden, dass der Grossteil der Schweizer, die sich als Feriengäste oder zu Ausbildungszwecken in London aufgehalten haben, diesen Platz kennen. Weiteren Kreisen des schweizerischen Raucherpublikums ist er aus Fernsehen, Radio und Presse bekannt, da auf ihm öfters Massenkundgebungen stattfinden. Die Zahl der schweizerischen Käufer von Rauchwaren, die um das Vorhandensein dieses Platzes wissen, kann naturgemäss nicht genau beziffert, sondern nur an Hand der Lebenserfahrung geschätzt werden. Diese Bevölkerungsschicht ist aber zweifellos beträchtlich, vor allem in den Kreisen der jüngeren Generation. Sie wird künftig noch zunehmen angesichts der ständig steigenden Bedeutung, welche die schweizerischen Lehranstalten und Geschäftskreise der englischen Sprache beimessen. Bei dieser Bevölkerungsschicht wird die Marke "TRAFALGAR" zwangsläufig zu einer Gedankenverbindung mit dem Trafalgar Square und mit England führen, womit die Gefahr der vom Amt befürchteten Täuschung gegeben ist; denn wie im Urteil des Bundesgerichtes vom 6. September 1966 in einer andern Markensache der heutigen Beschwerdeführerin dargelegt wurde, ist auch bei Tabakwaren in der Regel damit zu rechnen, dass geographische Bezeichnungen von einem nicht unerheblichen Teil der Käuferschaft als Herkunftsangabe verstanden werden.
5. Die Beschwerdeführerin wendet ein, da das Wort Trafalgar einerseits auf einen Platz in London, anderseits auf die Seeschlacht an der spanischen Atlantikküste hinweise,
BGE 93 I 570 S. 573
ermangle es der geographischen Bestimmtheit; die streitige Marke sei daher nicht eine geographische Angabe, die zu Täuschungen Anlass geben könne, sondern eine zulässige Phantasiebezeichnung. Dieser Einwand geht fehl. Die schweizerischen Bevölkerungskreise, die den Trafalgar Square kennen, werden durch die mehrfache Bedeutung des Wortes Trafalgar und das Fehlen des Wortes Square in der streitigen Marke nicht davon abgehalten, an den fraglichen Platz in London zu denken. Käufer von Rauchwaren, die London nicht kennen, sich aber vom Geschichtsunterricht her an die Seeschlacht von Trafalgar und den dort vom englischen Admiral Nelson errungenen Sieg erinnern, werden die Marke ebenfalls weit eher als Hinweis auf England denn als solchen auf Spanien auffassen. Für die zu diesen beiden Gruppen gehörenden Kaufsinteressenten trifft daher auch der Einwand nicht zu, "TRAFALGAR" sei eine blosse Phantasiebezeichnung.
6. Unbehelflich ist schliesslich auch der Einwand, eine Täuschungsgefahr entfalle, weil in England kein Tabak wachse. Denn auch wenn als allgemein bekannt vorausgesetzt werden dürfte, dass die Tabakpflanze in England nicht gedeiht, könnte die streitige Marke den Käufer, gleich wie in dem in BGE 89 I 290 beurteilten Falle, doch zu der Auffassung verleiten, die so bezeichneten Zigaretten würden in England aus eingeführten Tabaken hergestellt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.