Urteilskopf

91 IV 193

50. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. September 1965 i.S. Mentha gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


BGE 91 IV 193 S. 193

A.- Am 30. Januar 1965, im Laufe eines Streites packte Mentha seine Geliebte, Frau Beuret, am Hals, würgte und schlug sie. Als beide über ein Möbelstück stolpernd zu Fall kamen, verletzte er sein Opfer mit einem Schraubenzieher, den er in der einen Hand hielt, im Gesicht. Am Boden würgte er Frau Beuret weiterhin und liess erst von ihr ab, als er wahrnahm, dass sie blutete. Mit einem Fusstritt befreite sich die Überfallene und floh. Durch die geschilderte Tätlichkeit erlitt sie eine ausgedehnte Haut- und Weichteilverletzung im Gesicht, eine Quetschung des Kehlkopfes, Hautschürfungen sowie Prellungen am rechten Oberarm. Zudem wurde bei ihr ein Zustand festgestellt, wie er nach einer beinahe eingetretenen Erstickung (Asphyxie) anzutreffen ist.
B.- Das Strafgericht Basel-Stadt sprach Mentha der schweren Körperverletzung schuldig und verurteilte ihn deswegen sowie auf Grund anderer, hier ausser Betracht fallender, Verfehlungen zu 18 Monaten Gefängnis und zu einer Busse von Fr. 50.-.
C.- Nachdem sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der

BGE 91 IV 193 S. 194

Verurteilte gegen dieses Urteil je die Berufung erklärt hatten, gelangte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 4. August 1965 zur Ausfällung der gleichen Strafe. Es erkannte jedoch hinsichtlich der mit dem Schraubenzieher verursachten Verletzung auf einfache Körperverletzung durch den Gebrauch eines gefährlichen Werkzeuges gemäss Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,176
StGB und beurteilte das Würgen als Gefährdung des Lebens gemäss Art. 129
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 129 - Wer einen Menschen in skrupelloser Weise in unmittelbare Lebensgefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB.
D.- Mentha führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung von der Anschuldigung der Lebensgefährdung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. ..... Unter Verletzen im Sinne von Art. 122 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich:
a  einen Menschen lebensgefährlich verletzt;
b  den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt;
c  eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht.
StGB versteht das Gesetz, wie aus den übrigen Bestimmungen (Art. 122 Ziff. 1 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich:
a  einen Menschen lebensgefährlich verletzt;
b  den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt;
c  eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht.
in Verbindung mit Ziff. 2, Art. 123 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,176
in Verbindung mit Ziff. 2 und 3, Art. 124
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 124 - 1 Wer die Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt, in ihrer natürlichen Funktion erheblich und dauerhaft beeinträchtigt oder sie in anderer Weise schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.181
1    Wer die Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt, in ihrer natürlichen Funktion erheblich und dauerhaft beeinträchtigt oder sie in anderer Weise schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.181
2    Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, sich in der Schweiz befindet und nicht ausgeliefert wird. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar.
und 125
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft.
1    Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft.
2    Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt.
StGB in Verbindung mit den vorangehenden Bestimmungen) hervorgeht, auch eine Gesundheitsschädigung, die der Täter bewirkt, ohne den Körper als Stoff im engeren Sinne, etwa durch Verstümmeln, Schneiden, Brechen, Quetschen und dergleichen zu verletzen. Das kann beispielsweise dadurch geschehen, dass der Täter sein Opfer ein Gift einatmen oder einnehmen lässt oder an ihm, wie hier, die Atmung für eine gewisse Zeit unterbindet. Gewiss wird mit der Verletzung oder Schädigung ein Zustand bezeichnet. Doch ist nicht erforderlich, dass es sich dabei immer um einen bleibenden oder lange andauernden Zustand handeln muss. Mag dies im Hinblick auf die in Art. 122 Ziff. 1 Abs. 2 enthaltene Aufzählung für "eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen" gemäss Art. 122 Ziff. 1 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich:
a  einen Menschen lebensgefährlich verletzt;
b  den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt;
c  eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht.
StGB in der Regel gelten, so jedenfalls nicht für die lebensgefährliche Verletzung oder Schädigung im Sinne von Art. 122 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich:
a  einen Menschen lebensgefährlich verletzt;
b  den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt;
c  eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht.
StGB. In diesem Falle genügt es, dass das Opfer durch die ihm zugefügte Schädigung der Lebensgefahr ausgesetzt wird, gleichgültig wie lange dieser Zustand dauert. Eine derartige Lebensgefährdung hatte Mentha gemäss vorinstanzlicher Feststellung durch seinen Würgegriff bei Frau Beuret hervorgerufen. Damit sind die äusseren Tatbestandsmerkmale des Art. 122 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich:
a  einen Menschen lebensgefährlich verletzt;
b  den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt;
c  eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht.
StGB gegeben.

3. ..... Dass Mentha sein Opfer mit Wissen und Willen

BGE 91 IV 193 S. 195

in Lebensgefahr gebracht hat, ergibt sich zwangsläufig aus den Feststellungen, mit denen das angefochtene Urteil den Vorsatz hinsichtlich der Gefährdung des Lebens gemäss Art. 129
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 129 - Wer einen Menschen in skrupelloser Weise in unmittelbare Lebensgefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB bejaht. Es steht danach fest, dass der Beschwerdeführer Frau Beuret wissentlich und willentlich würgte, ebenso, dass er dies im Bewusstsein tat, dadurch das Leben der Gewürgten zu gefährden. Mehr braucht es zur Annahme des Vorsatzes zur lebensgefährlichen, mithin schweren Körperverletzung nicht.
4. Ist der gesetzliche Tatbestand von Art. 122 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich:
a  einen Menschen lebensgefährlich verletzt;
b  den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt;
c  eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht.
StGB verwirklicht, so bleibt für die Anwendung von Art. 129
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 129 - Wer einen Menschen in skrupelloser Weise in unmittelbare Lebensgefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB kein Raum. Die beiden Bestimmungen stehen zueinander in unechter Gesetzeskonkurrenz. Erfolgt die Gefährdung des Lebens durch eine schwere Körperverletzung, so ist allein Art. 122
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich:
a  einen Menschen lebensgefährlich verletzt;
b  den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt;
c  eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht.
StGB anwendbar (vgl. GERMANN, "Das Verbrechen im neuen Strafrecht", S. 246). Die zu beurteilende Tat wird durch diese Bestimmung nach allen Seiten erfasst. Es kann danach offen bleiben, ob sie auch die in Art. 129
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 129 - Wer einen Menschen in skrupelloser Weise in unmittelbare Lebensgefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB umschriebenen Voraussetzungen in jeder Richtung erfülle.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 91 IV 193
Date : 17. September 1965
Published : 31. Dezember 1965
Source : Bundesgericht
Status : 91 IV 193
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 122 Ziff. 1 Abs. 1 StGB; lebensgefährliche Körperverletzung; Begriff (Erw. 2), Vorsatz (Erw. 3), unechte Gesetzeskonkurrenz


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