91 II 239
35. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Juni 1965 i.S. B. gegen B.
Regeste (de):
- Vorkaufsrecht auf landwirtschaftliche Gewerbe. Art. 6
, 12
, 13
-14
EGG.
- 1. Von diesem Vorkaufsrecht sind Kleinheimwesen bis zu 3 Hektaren nicht von Bundesrechts wegen ausgenommen. (Erw. 1).
- 2. Voraussetzungen der Preisvergünstigung des Art. 12
EGG. Im Unterschied zu Art. 620 Abs. 1
ZGB in der Fassung gemäss Art. 94 LEG ist hiefür nicht erforderlich, dass das Gewerbe einer Bauernfamilie eine ausreichende wirtschaftliche Existenz biete. (Erw. 2 und 3).
- 3. Die Preisvergünstigung des Art. 12
EGG braucht nicht binnen der zur Ausübung des Vorkaufsrechtes nach Art. 14
EGG bestehenden Frist ausdrücklich beansprucht zu werden. Gehört der sein Vorkaufsrecht Ausübende zu den gemäss Art. 12
EGG privilegierten Personen, so wird vermutet, er wolle das Privileg beanspruchen und auch die gegebenenfalls dafür geltenden Voraussetzungen (Selbstbewirtschaftung) erfüllen. (Erw. 4 und 5).
Regeste (fr):
- Droit de préemption sur les exploitations agricoles. Art. 6, 12, 1314 LPR.
- 1. L'application du droit de préemption aux petites exploitations dont la superfice ne dépasse pas trois hectares n'est pas exclue par le droit fédéral (consid. 1).
- 2. Condition de l'octroi du prix de faveur selon l'art. 12 LPR. A la différence de l'art. 620 al. 1 CC, dans la teneur de l'art. 94 LDDA, il n'est pas nécessaire que l'exploitation procure des moyens d'existence suffisants à une famille paysanne (consid. 2 et 3).
- 3. Celui qui exerce le droit de préemption n'est pas tenu de déclarer expressément dans le délai qui lui est imparti par l'art. 14 LPR qu'il renvendique le prix de faveur prévu à l'art. 12 LPR. S'il figure parmi les personnes privilégiées en vertu de l'art. 12 LPR, on présume qu'il entend revendiquer ce privilège et qu'il veut aussi remplir les conditions éventuelles (exploiter lui-même le bien-fonds) (consid. 4 et 5).
Regesto (it):
- Diritto di prelazione sulle aziende agricole. Art. 6, 12, 13-14 LPF.
- 1. L'applicazione del diritto di prelazione alle piccole proprietà fondiarie agricole d'una superficie inferiore ai tre ettari non è esclusa dal diritto federale (consid. 1).
- 2. Presupposti per il prezzo di favore giusta l'art. 12 LPF. A differenza di quanto stabilisce l'art. 620 cpv. 1 CC nel tenore dell'art. 94 LSPA, qui non è necessario che l'azienda offra sufficienti mezzi di esistenza ad una famiglia di contadini (consid. 2 e 3).
- 3. Il beneficiario del prezzo di favore giusta l'art. 12 LPF non è tenuto ad invocare esplicitamente tale diritto nel termine stabilito dall'art. 14 LPF per l'esercizio del diritto di prelazione. Se colui che fa valere il diritto di prelazione figura tra le persone privilegiate ai sensi dell'art. 12 LPF, si presume ch'egli voglia rivendicare il privilegio e adempiere altresì gli eventuali requisiti (esercizio in proprio dell'azienda) (consid. 4 e 5).
Sachverhalt ab Seite 240
BGE 91 II 239 S. 240
A.- Der Beklagte G. B., geboren 1881, Landwirt in Adliswil, veräusserte mit Kaufvertrag vom 9. November 1960, abgeändert am 30. Januar 1961, sein rund 355 Aren haltendes landwirtschaftliches Heimwesen "im Löchli" zu Adliswil, am Nordosthang des Albis, dem M. D. zum Preis von Fr. 70'000.--. Zugleich liess er sich ein Wohnrecht an einem andern Haus in Adliswil einräumen, wobei er einen amtlich bewilligten Mietzins hätte entrichten müssen. Der Kaufvertrag wurde zur Eintragung in das Grundbuch angemeldet. Hierauf gab das Grundbuchamt Thalwil mit Schreiben vom 2. Februar 1961 unter anderen Personen dem Kläger W. J. B., geboren 1913, einem Sohn des Verkäufers, von den wesentlichen Vertragsbestimmungen Kenntnis und teilte ihm mit: "Wird ein landwirtschaftliches Gewerbe oder werden wesentliche Bestandteile davon verkauft, so steht u.a. den Nachkommen des Verkäufers ein Vorkaufsrecht im Sinne von Art. 6 des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 zu. Wir setzen Ihnen hiermit eine Frist von dreissig Tagen vom Erhalt dieser Anzeige an gerechnet an, innert welcher Sie schriftlich zu erklären haben, ob Sie das Vorkaufsrecht ausüben wollen. Stillschweigen gilt als Verzicht." Dazu äusserte sich der Kläger in einem Briefe vom 6. Februar 1961 an das Grundbuchamt wie folgt: "Der Unterzeichnete beharrt auf die Ausübung des ihm zustehenden gesetzlichen Vorkaufsrechtes im Sinne von Art. 6 des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951." Er erwirkte ferner beim Bezirksgericht Horgen eine Grundbuchsperre mit Ansetzung einer Klagefrist, die er mit der vorliegenden Klage einhielt.
B.- Das Klagebegehren ging auf Feststellung, dass der Kläger bezüglich des von seinem Vater mit M. D. abgeschlossenen Kaufvertrages zur Ausübung des Vorkaufsrechtes berechtigt
BGE 91 II 239 S. 241
sei, und auf Zusprechung des Eigentums an den Kaufliegenschaften. Am Sühneversuch vom 16. März 1961 bezifferte der Kläger den Streitwert auf Fr. 35'000.-- und erklärte, das Vorkaufsrecht zum Schätzungswert gemäss Art. 12
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C.- Im Laufe des Rechtsstreites setzte das Landwirtschaftsamt des Kantons Zürich den Schätzungswert der Kaufliegenschaften nach Art. 12 Abs. 1
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D.- Mit vorliegender Berufung an das Bundesgericht erneuert der Beklagte den Antrag auf vollumfängliche Klageabweisung. Eventuell verlangt er die Rückweisung der Sache an das Obergericht zur Beweisergänzung und zu neuer Entscheidung. Der Antrag des Klägers geht auf Abweisung der Berufung und auf Bestätigung des obergerichtlichen Urteils.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Art. 6 Abs. 1
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BGE 91 II 239 S. 242
bäuerlichen Kleinbetrieb, selbst wenn er für sich allein einer Bauernfamilie keine genügende Existenz bietet (vgl. BGE 80 I 412 mit Hinweis, ferner BGE 88 I 334 Erw. 2 und BGE 89 I 57 Erw. 1). Für das Vorkaufsrecht ergibt sich dies noch besonders aus Art. 16
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2. Wie der Beklagte schon in der Sühneverhandlung vom 16. März 1961 erklärte, wäre er bereit, dem Kläger die Kaufliegenschaften zu den Bedingungen des Kaufvertrages, also zum Preise von Fr. 70'000.--, zu überlassen. Umstritten ist dagegen der vom Kläger erhobene Anspruch auf Erwerb des Heimwesens zum Schätzungswert nach Art. 12 Abs. 1
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3. Der Beklagte vertritt den Standpunkt, das gewöhnliche Vorkaufsrecht (als Recht auf Erwerb zu den Bedingungen des Kaufvertrages) möge zwar auch beim Verkauf eines Kleinheimwesens bestehen; dagegen rechtfertige sich das Preisprivileg des Art. 12
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BGE 91 II 239 S. 243
wesentliche" Existenz bietet, wie es hier nach dem vom Obergericht eingeholten und - für das Bundesgericht verbindlich - seinem Urteil zu Grunde gelegten Gutachten des Schätzungsamtes des Schweizerischen Bauernverbandes zutrifft. Diese Argumentation des Beklagten knüpft an die Regelung des bäuerlichen Erbrechtes an, das die Übernahme eines in der Erbschaft befindlichen landwirtschaftlichen Gewerbes zum Ertragswert durch einen der Erben nur für den Fall vorsieht, dass das Gewerbe "eine wirtschaftliche Einheit bildet und eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz bietet" (Art. 620 Abs. 1
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4. Der Haupteinwand des Beklagten betrifft die Art der Ausübung des Vorkaufsrechtes. Er ist der Auffassung, der Berechtigte, der die Übernahme zum Schätzungswert beansprucht, müsse dies in der binnen gesetzlicher Frist abzugebenden Ausübungserklärung zum Ausdruck bringen. Er glaubt eine dahingehende Vorschrift dem Art. 12 Abs. 1
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BGE 91 II 239 S. 244
gesagt. Die Ordnung hierüber findet sich in den Art. 13 und 14 des Gesetzes (Unterabschnitt "Ausübung des Vorkaufsrechts"). Diese hier massgeblichen Bestimmungen schreiben nicht vor, der zum Kreis der in Art. 12 Abs. 1 genannten Personen gehörende Vorkaufsberechtigte müsse sich innerhalb der gesetzlichen Frist auch darüber erklären, ob er die Übernahme zum Schätzungswert oder zu dem im Kaufvertrag mit dem Dritten vereinbarten Preis geltend mache. Das Schweigen des Gesetzes ist ein deutlicher Hinweis dafür, dass es genügt, wenn der Vorkaufsberechtigte binnen der gesetzlichen Frist die einfache Erklärung abgibt, von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen zu wollen. Hätte der Gesetzgeber von einem unter Art. 12 Abs. 1 fallenden Vorkaufsberechtigten eine anlässlich der Ausübung des Vorkaufsrechtes abzugebende zusätzliche Erklärung inbezug auf den Übernahmepreis verlangen wollen, so hätte er doch wohl die Art. 13 und 14 in entsprechender Weise ergänzt. Jedenfalls darf der Rechtsunterworfene angesichts der in diesen Gesetzesbestimmungen getroffenen eingehenden Regelung darauf zählen, dass er dort die wesentlichen Vorschriften darüber finde, wie das Vorkaufsrecht auszuüben ist. Der Richter soll bei der Auslegung des Gesetzes davon ausgehen, der Gesetzgeber habe eine vernünftige und gerechte Ordnung geschaffen. Dazu gehört bei Bestimmungen über eine binnen gesetzlicher Frist abzugebende Erklärung die vollständige Angabe des notwendigen Erklärungsinhaltes. Nähme man an, das Gesetz wolle eine präzisierte Erklärung verlangen, habe aber unterlassen, es vorzuschreiben, so würde eine mangelhafte, wichtige Interessen gefährdende Ordnung dem Gesetz als unausgesprochener Inhalt zugeschrieben und der Entscheidung zu Grunde gelegt. Das Fehlen einer dahingehenden ausdrücklichen Vorschrift spricht gegen einen solchen Gesetzeswillen, und es darf keineswegs das Gegenteil daraus gefolgert werden, dass sich Gründe dafür hätten finden lassen, einem auf privilegierten Erwerb im Sinne von Art. 12
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BGE 91 II 239 S. 245
Art. 12
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5. Zu Unrecht glaubt der Beklagte sich auf die Rechtsprechung berufen zu können, wonach auch beim bäuerlichen Vorkaufsrecht die Ausübungserklärung bestimmt und eindeutig, vorbehalt- und bedingungslos abzugeben ist (BGE 81 II 245 /46). Der Kläger hat seiner Erklärung keine Vorbehalte oder Bedingungen beigefügt. Er brachte unmissverständlich und in endgültiger Art zum Ausdruck, dass er sein Vorkaufsrecht ausübe, und brauchte nicht noch besonders zu sagen, "dass nun wirklich von dem Recht Gebrauch gemacht werde". Was aber die Frage des Erwerbspreises betrifft, so brauchten etwelche darüber bestehende Zweifel nach dem Gesagten nicht notwendig schon während der Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts behoben zu werden. Übrigens bringt es die in Art. 12
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BGE 91 II 239 S. 246
daselbst). Auch unter diesen Gesichtspunkten ist die gesetzliche Regelung nicht darauf angelegt, dem Verkäufer bereits binnen der Monatsfrist des Art. 14 Abs. 1 Gewissheit über die Höhe des Kaufpreises zu verschaffen. Die Nachteile, die dem Verkäufer bei bloss genereller Ausübungserklärung erwachsen, wiegen somit leicht und kommen bei weitem nicht dem Nachteil gleich, der dem Vorkaufsberechtigten bei der vom Beklagten als richtig erachteten Gesetzesauslegung entstünde: Er würde seines Vorkaufsrechtes unwiederbringlich verlustig gehen, wenn seine Ausübungserklärung einer Präzisierung ermangelte, die das Gesetz gar nicht verlangt.
Nichts Gegenteiliges lässt sich aus den Begriffen des rechtsbegründenden "Gestaltungsrechtes" und der durch dessen Ausübung entstehenden Kaufobligation zwischen dem den Käufer verdrängenden Vorkaufsberechtigten und dem Verkäufer (vgl. JOST, N 6 zu Art. 14
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In der Literatur, die sich zum Teil eingehend mit der Art der Ausübung des Vorkaufsrechtes befasst, wird denn auch die vom Beklagten verfochtene Lösung nicht vertreten (vgl. CHATELAIN, Les droits de préemption du nouveau droit foncier rural, in: Notar und Recht, Bern 1953, 181 ff.; COMMENT, ZBJV 91 bis/1955, 427 ff. und ZBGR 39/1958, 1 ff., insbes. 19 ff.; GÖSCHKE, ZBJV 88/1952, 144 ff.; FRANZ JENNY, SJZ
BGE 91 II 239 S. 247
49/1953, 37 ff., insbes. 40 ff.; FRANZ EUGEN JENNY, Das bäuerliche Vorkaufsrecht, Diss. Fribourg 1955, insbesondere 100 ff.; JOST, Handkommentar zum EGG, Bem. zu den Art. 13 und 14, ferner: Die Vorkaufsrechte, in: Das neue landwirtschaftliche Bodenrecht der Schweiz, 1954, 29 ff., insbes. 55; O. K. KAUFMANN, Wirtschaft und Recht 15/1963 11 ff.; LIVER, ZSR NF 68/1949, 31 ff., insbes. 52 ff.; MEIER-HAYOZ, ZBJV 92/1956, 316 ff.).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 13. November 1964 bestätigt.