90 IV 134
28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. Oktober 1964 i. S. Wehrli gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn.
Regeste (de):
- Art. 254 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 254 - 1 Wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Die Unterdrückung von Urkunden zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt. - Beiseitegeschafft oder entwendet im Sinne dieser Bestimmung ist eine Urkunde erst, wenn sie dem Berechtigten nicht mehr zugänglich ist.
Regeste (fr):
- Art. 254 al. 1 CP.
- L'auteur ne fait disparaître ou ne soustrait (au sens de cette disposition) un document que si ce dernier n'est plus accessible à l'ayant droit.
Regesto (it):
- Art. 254 cpv. 1 CP.
- L'autore sopprime o sottrae (nel senso di questo disposto) un documento, soltanto se lo rende inaccessibile all'avente diritto.
Sachverhalt ab Seite 134
BGE 90 IV 134 S. 134
A.- a) Wehrli besorgte während zwei Jahren als Angestellter und von 1950 an als Inhaber des Treuhandbureau Fiscuna AG im Auftragsverhältnis die Buchhaltung der Firma Vogt AG Im Juni 1958 ging das Treuhandbureau Fiscuna AG an Studer über. Im Übernahmevertrag vereinbarten Wehrli und Studer, dass sämtliche Buchhaltungsunterlagen aus früheren Jahren im Gewahrsam der Fiscuna AG bleiben sollen. Wehrli behielt in der Folge zahlreiche Buchhaltungsbelege, die ihm die Firma Vogt AG übergeben hatte, darunter solche, die er im Juli 1958 in Abwesenheit des neuen Inhabers in den Räumen der Fiscuna AG abgeholt hatte, bei sich zurück und weigerte sich, sie der Firma Vogt AG bzw. der Fiscuna AG herauszugeben, da sie nach seiner Auffassung geeignet waren, Steuerhinterziehungen seiner früheren Auftraggeberin zu beweisen und bei einer Auseinandersetzung mit dieser als Druckmittel zu dienen. b) Wehrli erhielt in den Jahren 1957 und 1958 von der Firma Vogt AG zwei Darlehen im Gesamtbetrag von Fr. 150 000.--, doch leistete er nur eine der monatlichen Rückzahlungen, zu denen er verpflichtet war. Zur gleichen Zeit verkaufte er der Firma Vogt AG in der Höhe der beiden Darlehen Aktien, die ihm gehörten; dieser Kauf soll jedoch simuliert gewesen sein. Als Studer mit einem neuen Begehren um Rückgabe der Akten an Wehrli gelangte, antwortete ihm dieser mit Schreiben vom
BGE 90 IV 134 S. 135
14. September 1962, dass die Einleitung einer Strafuntersuchung gegen ihn oder die Geltendmachung der Darlehensforderung unweigerlich eine Untersuchung gegen die Firma Vogt AG wegen Steuerhinterziehung zur Folge hätte.
B.- Das Obergericht des Kantons Solothurn nahm an, Wehrli habe die Buchungsbelege zu seinem Vorteil teils beiseitegeschafft, teils, soweit er sie nach seinem Ausscheiden aus der Fiscuna AG bei dieser abgeholt hatte, entwendet. Es verurteilte ihn am 6. Dezember 1963 wegen Urkundenunterdrückung (Art. 254 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 254 - 1 Wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Die Unterdrückung von Urkunden zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 156 - 1. Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selber oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selber oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Handelt der Täter gewerbsmässig oder erpresst er die gleiche Person fortgesetzt, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.215 |
3 | Wendet der Täter gegen eine Person Gewalt an oder bedroht er sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben, so richtet sich die Strafe nach Artikel 140. |
4 | Droht der Täter mit einer Gefahr für Leib und Leben vieler Menschen oder mit schwerer Schädigung von Sachen, an denen ein hohes öffentliches Interesse besteht, so wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr216 bestraft. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
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1 | Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
2 | Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos. |
C.- Wehrli führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei von der Anklage der Urkundenunterdrückung freizusprechen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Wegen Urkundenunterdrückung macht sich strafbar, wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen (Art. 254 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 254 - 1 Wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Die Unterdrückung von Urkunden zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt. |
BGE 90 IV 134 S. 136
der Schrift als Beweismittel habe. Der gleiche Schluss ergibt sich aus der französischen Wendung "faire disparaître". Wer eine Sache, die er mit Wissen des Berechtigten besitzt, verschwinden lassen will, beschränkt sich nicht darauf, deren Herausgabe zu verweigern, sondern er verbringt sie an einen Ort, wo sie dem Berechtigten nicht mehr zugänglich ist (Urteile des Kassationshofes vom 9. Dezember 1955 i.S. Graubünden gegen Attenhofer und vom 19. Juni 1959 i.S. Käppeli gegen Zug). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem italienischen Text, der für beiseiteschaffen (faire disparaître) den Ausdruck "sopprimere" verwendet. Unterdrücken hat einen engeren Sinn als vorenthalten oder entziehen. Unterdrückt ist eine Urkunde erst, wenn der Berechtigte ausserstande ist, von ihr als Beweismittel Gebrauch machen zu können, sei es, dass die Schrift ganz oder teilweise zerstört, sei es, dass sie dem Berechtigten unzugänglich gemacht wurde. Letzteres trifft aber nicht zu, wenn ihm ein Dritter bloss die Urkunde nicht herausgeben will. Der Berechtigte hat es in der Hand, die unrechtmässig verweigerte Herausgabe auf dem Rechtswege zu erzwingen. In solchen Fällen die Verletzung der Herausgabepflicht als Beiseiteschaffen nach Art. 254
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 254 - 1 Wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Die Unterdrückung von Urkunden zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt. |
2. Dem Beschwerdeführer kann auch nicht eine Entwendung im Sinne des Art. 254
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 254 - 1 Wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Die Unterdrückung von Urkunden zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt. |
BGE 90 IV 134 S. 137
dieser Firma ausgeführt hat. Die Buchungsbelege waren ihm also persönlich anvertraut, und er konnte infolgedessen, auch wenn er sie erst nach der Übergabe des Treuhandbureau dort abgeholt hat, an ihnen keine Entwendung begehen. Davon abgesehen war der Vogt AG bekannt, dass sich auch diese Urkunden im Gewahrsam des Beschwerdeführers befanden; nichts hinderte sie, sich mittels Klage ihren Besitz zu verschaffen. Die Urkunden wurden somit, selbst wenn sie vom Beschwerdeführer unrechtmässig an sich genommen worden sein sollten, der Berechtigten auf jeden Fall nicht unzugänglich gemacht.
3. .....
4. .....
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 6. Dezember 1963 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der Anklage der Unterdrückung von Urkunden und zu neuer Beurteilung der Strafe an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.