90 I 169
26. Urteil vom 23. September 1964 i.S. Studer und Mitbeteiligte gegen Kantonsrat von Solothurn.
Regeste (de):
- Staatsrechtliche Beschwerde von Stimmberechtigten gegen die Genehmigung der Staatsrechnung durch den solothurnischen Kantonsrat.
- Ist der Stimmberechtigte legitimiert, mit der Beschwerde geltend zu machen, dass eine vom Volke bewilligte Ausgabe nicht aus allgemeinen Staatsmitteln gedeckt werden dürfe, die Staatsrechnung im Sinne der Festsetzung eines höheren Rechnungsüberschusses zu berichtigen sei und der Kantonsrat über diesen Überschuss erneut Beschluss zu fassen habe? (Erw. 2).
- Der Kantonsrat hat, da der Beschluss keine neue Ausgabe zur Folge hat, damit seine Ausgabenkompetenz (Art. 31 Ziff. 6 KV) nicht überschritten, noch hat er gesetzliche Bestimmungen willkürlich missachtet (Erw. 3).
Regeste (fr):
- Recours de droit public formé par des électeurs contre l'approbation des comptes de l'Etat par le Grand Conseil soleurois.
- L'électeur a-t-il qualité pour former un recours de droit public en alléguant qu'une dépense acceptée par le peuple ne doit pas être couverte au moyen des ressources générales de l'Etat, que les comptes de l'Etat doivent être rectifiés dans le sens d'un excédent de recettes plus élevé et que le Grand Conseil doit prendre une nouvelle décision sur l'emploi de cet excédent? (consid. 2).
- Du moment que sa décision n'entraîne aucune dépense nouvelle, le Grand Conseil n'a pas dépassé sa compétence en matière de dépense (art. 31 ch. 6 Cst. cant.) ni méconnu arbitrairement des dispositions légales (consid. 3).
Regesto (it):
- Ricorso di diritto pubblico interposto da elettori contro l'approvazione dei conti di Stato da parte del Gran Consiglio solettese.
- Ha qualità il cittadino per far valere nel ricorso che una spesa accettata dal popolo non può essere coperta mediante mezzi correnti dello Stato, che i conti di Stato devono essere rettificati nel senso di stabilire una maggiore eccedenza di entrate e che il Gran Consiglio debba prendere una nuova decisione sull'impiego di questa eccedenza? (consid. 2).
- Siccome la sua decisione non comporta nuova spesa, il Gran Consiglio non ha ecceduto la sua competenza in materia di spese (art. 31 num. 6 Cost. cant.), nè arbitrariamente misconossciuto disposizioni legali (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 170
BGE 90 I 169 S. 170
A.- Mit Botschaft vom 14. September 1962 wurde den Stimmberechtigten des Kantons Solothurn das folgende, vom Kantonsrat beschlossene "Strassen- und Brückenbauprogramm 1962" zur Genehmigung vorgelegt: "1. Das Strassen- und Brückenbauprogramm 1962 mit einer Kostenfolge von 55 Millionen Franken wird genehmigt und der erforderliche Kredit bewilligt. 2. ...
3. Der Regierungsrat wird ermächtigt, die notwendigen Mittel zur Finanzierung der Aufwendungen auf dem Anleihenswege zu beschaffen. 4. Für die Tilgung dieses Kredites stehen zur Verfügung:
a) 40 % von der jährlich eingehenden Motorfahrzeugsteuer;
b) Nettogebühren aus Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr;
c) 3/5 des Benzinzollanteiles;
d) spezielle Beiträge des Bundes und allfälliger Dritter;
e) Beiträge der Gemeinden an den Strassenbau nach Massgabe des Strassenbaugesetzes; f) jährlicher Beitrag von Fr. 500 000.-- aus allgemeinen Staatsmitteln bis zur Tilgung dieser Strassen- und Brückenbaurechnungen; g) Beiträge der am Brückenbau interessierten Gemeinden in der Höhe von 35% der Baukosten. ....
BGE 90 I 169 S. 171
Die Kostensumme von 55 Millionen Franken ist aus den vorgenannten Einnahmen in der Frist von 15 Jahren zu tilgen. Ein allfälliger Fehlbetrag ist aus späteren Erträgnissen gemäss lit. a, b und c hievor zu decken; anderseits ist ein Ueberschuss dem Strassenbaufonds zuzuweisen. 5./7. ...."
Der Botschaft war eine Beschreibung und Kostenaufstellung der vorgesehenen Ausbauarbeiten sowie ein sich über 15 Jahre erstreckender Finanzierungsplan beigefügt. Das "Strassen- und Brückenbauprogramm 1962" wurde in der Volksabstimmung vom 4. November 1962 angenommen und hierauf in der kantonalen Gesetzessammlung (Bd. 82 S. 341/2) veröffentlicht.
B.- Am 24. April 1964 unterbreitete der Regierungsrat dem Kantonsrat die mit einem Reinertrag von Fr. 108 446.94 abschliessende Staatsrechnung 1963 mit dem Antrag, sie zu genehmigen und den genannten Reinertrag dem Spitalbaufonds zu überweisen. Die in der Staatsrechnung enthaltene Abrechnung über das "Strassen- und Brückenbauprogramm 1962" weist Fr. 6 225 206. - Einahmen und Fr. 12 997 266. - Ausgaben auf, während die Abrechnung über "Gewässerschutz" mit Fr. 1 847 113.-- Ausgaben ohne Einnahmen abschliesst.
Die Staatswirtschaftskommission, der die eingehende Prüfung der Staatsrechnung obliegt, beantragte dem Kantonsrat, den Antrag des Regierungsrates mit folgendem Zusatz gutzuheissen: "Es wird zustimmend davon Kenntnis genommen, dass die Staatsrechnung 1963 für das Strassen- und Brückenbauprogramm neben dem gesetzlichen Staatsbeitrag von Fr. 500 000.-- auch mit dem übrigen Aufwand von Fr. 5 272 059.86 und mit Fr. 1 847 113.70 für den Gewässerschutz belastet ist." Bei der Beratung der Staatsrechnung im Kantonsrat wurden diese Belastungen beanstandet, und Dr. Fröhlicher stellte den Antrag, die Staatsrechnung mit einem Reinertrag von Fr. 7 227 620.50 zu genehmigen und davon Fr. 1 847 113.70 für den Gewässerschutz zu verwenden und Fr. 5 380 506.80 dem Spitalbaufonds zuzuweisen.
BGE 90 I 169 S. 172
Mit Beschluss vom 27. Mai 1964 nahm der Kantonsrat die Ergänzung der Staatswirtschaftskommission mit 54 gegen 51 Stimmen an und genehmigte hierauf die Staatsrechnung mit grossem Mehr.
C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde stellen Charles Studer und neun weitere stimmberechtigte Einwohner des Kantons Solothurn die Anträge: "1. Es sei der Beschluss des Kantonsrates von Solothurn vom 27. Mai 1964 über die Genehmigung der Staatsrechnung für das Jahr 1963 aufzuheben. 2. Es sei der Kantonsrat anzuweisen, den Reinertrag der Staatsrechnung auf Fr. 5 380 506.80 festzusetzen. 3. Der Kantonsrat sei anzuweisen, den Regierungsrat zu ersuchen, die sich aus dem Beschluss ergebenen Korrekturen bei den entspreehenden Positionen der Staatsrechnung vorzunehmen. 4. Über den Reinertrag habe der Kantonsrat nach den geltenden Gesetzen zu verfügen." Zur Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht:
a) Der Regierungsrat habe dadurch verfassungsmässige Rechte des Volkes missachtet, dass er Ausgaben für Zwecke gemacht habe, die weder in einem Gesetz noch in einem Kreditbeschluss des Volkes verankert seien. Im Jahre 1963 habe er aus allgemeinen Staatsmitteln Fr. 5 772 059.-- für den Strassen- und Brückenbau verwendet, während nach dem Volksbeschluss vom 4. November 1962 aus allgemeinen Staatsmitteln höchstens Fr. 500 000.-- für diesen Zweck verwendet werden dürften. Der Mehrbetrag von Fr. 5 272 059.-- sei somit, statt der "Entnahme aus dem Fonds", in offenkundiger Missachtung des Volksbeschlusses verbucht worden, um dadurch die Staatsrechnung zu verschlechtern und den Bürger zu täuschen. b) Der Beschluss des Kantonsrates, der dieses Vorgehen genehmige, stelle eine Verfassungsverletzung dar, da er über Fr. 5 272 059. - verfüge, ohne hiezu ermächtigt zu sein. Es werde auf Art. 31 Ziff. 6 KV verwiesen, wo die Finanzkompetenzen des Kantonsrates umschrieben seien. Ferner stelle der Kantonsratsbeschluss eine Gesetzesverletzung dar, da er gegen den Volksbeschluss vom 4. November 1962
BGE 90 I 169 S. 173
verstosse, der den jährlichen Staatsbeitrag aufFr. 500 000. - begrenzt habe. Zudem sei der Kantonsratsbeschluss ein Akt der Willkür und verletze Art. 4
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D.- Der Kantonsrat, vertreten durch den Regierungsrat des Kantons Solothurn, beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Staatsrechtliche Beschwerden der vorliegenden Art haben rein kassatorische Funktion (BGE 81 I 195 Erw. 2). Einzutreten ist daher nur auf das erste Beschwerdebegehren, mit welchem Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt wird. Die weiteren, auf Erteilung bestimmter Weisungen an den Kantonsrat gerichteten Begehren sind unzulässig.
2. Die Beschwerdeführer haben, nach der von ihnen erteilten Vollmacht zu schliessen, die Beschwerde in ihrer Eigenschaft als "Stimmbürger" erhoben. Als solche sind sie legitimiert, sich mit staatsrechtlicher Beschwerde dagegen zur Wehr zu setzen, dass ein Akt der Rechtsetzung oder Verwaltung, der nach der KV der Volksabstimmung unterliegt, dieser entzogen wird (BGE 89 I 39 Erw. 1, 260 Erw. 5). Durch den angefochtenen Beschluss hat der Kantonsrat die Staatsrechnung für das Jahr 1963 genehmigt und den darin ausgewiesenen Reinertrag dem Spitalbaufonds zugewiesen.
BGE 90 I 169 S. 174
Dass dieser Beschluss nach der KV der Volksabstimmung unterliege, machen die Beschwerdeführer mit Recht nicht geltend, denn die KV zählt die Prüfung und Genehmigung der jährlichen Rechnungen unter den Befugnissen und Obliegenheiten des Kantonsrates auf (Art. 31 Ziff. 5
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IR 0.732.012 Statuti del 20 dicembre 1957 dell'Agenzia dell'Organizzazione di Cooperazione e Sviluppo economici per l'energia nucleare (Decisione) Decisione Art. 17 - a. Il Comitato direttivo e i suoi organi sussidiari sono assistiti dalla Segreteria dell'Agenzia che è parte della Segreteria dell'Organizzazione. |
BGE 90 I 169 S. 175
werden, da die Beschwerde sich bei materieller Prüfung als unbegründet erweist.
3. Fehl geht jedenfalls die Berufung der Beschwerdeführer auf die in Art. 31 Ziff. 6 KV umschriebene Ausgabenkompetenz des Kantonsrates. Der Betrag von gegen 12 Millionen Franken, der im Jahre 1963 für Strassen- und Brückenbauten ausgegeben worden ist, durfte ohne weiteres für diesen Zweck ausgegeben werden, handelt es sich doch nicht um eine "neue Ausgabe" im Sinne von Art. 31 Ziff. 6 KV, sondern um die erste Ausgabe auf Grund des Strassen- und Brückenbauprogramms 1962, mit welchem das Volk insgesamt Ausgaben von 55 Millionen Franken genehmigt und den erforderlichen Kredit bewilligt hat. Die Beschwerdeführer beanstanden denn auch nicht, dass im Jahre 1963 gegen 12 Millionen Franken für Strassen- und Brückenbauten ausgegeben, sondern dass hievon Fr. 5 272 000. - aus allgemeinen Staatsmitteln gedeckt, zulasten der Verwaltungsrechnung verbucht worden sind. Sie rügen somit die Verwendung von Einnahmen oder liquider Mittel sowie die Art der Verbuchung von Ausgaben, was alles mit der in Art. 31 Ziff. 6 KV umschriebenen Ausgabenkompetenz des Kantonsrates nichts zu tun hat, so dass von einer Überschreitung derselben nicht die Rede sein kann. Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, das Vorgehen des Regierungsrates und des Kantonsrates verletze den Volksbeschluss vom 4. November 1962 sowie Bestimmungen über die Verwendung von Rechnungsüberschüssen. Damit wird jedoch nicht die Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 84 lit. a
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BGE 90 I 169 S. 176
nur Ziff. III/1 Abs. 2 des Volksbeschlusses vom 28. Mai 1961 über den Ausbau der Krankenanstalten (AS 82 S. 89). Diese Bestimmung, wonach der Kantonsrat allfällige Rechnungsüberschüsse "ganz oder teilweise" dem Spitalbaufonds überweisen "kann", schliesst die Verwendung für andere Zwecke keineswegs aus. Der Volksbeschluss vom 4. November 1962, durch den das Strassen- und Brückenbauprogramm 1962 mit Ausgaben von 55 Millionen Franken genehmigt und der erforderliche Kredit bewilligt worden ist (Ziff. 1), ermächtigt den Regierungsrat zur Beschaffung der notwendigen Mittel auf dem Anleihenswege (Ziff. 3) und sieht die Tilgung des Kredites durch verschiedene Einnahmen vor (Ziff. 4), darunter durch einen jährlichen Beitrag von Fr. 500 000.-- aus allgemeinen Staatsmitteln (lit. f). Auch diese Bestimmungen schliessen, wie jedenfalls ohne Willkür angenommen werden kann, die Verwendung eines Rechnungsüberschusses zur Finanzierung von Strassen- und Brückenbauten nicht aus. Wenn zu diesem Zwecke Anleihen aufgenommen werden dürfen, muss es auch zulässig sein, statt dessen auf die vorhandenen liquiden Mittel zu greifen. Die Beschwerde erscheint um so weniger als begründet, als sie nicht ausführt, wie die streitigen Fr. 5 272 000.-- hätten aufgebracht werden sollen. Sie behauptet, sie hätten "dem Fonds" entnommen werden sollen, macht aber keine näheren Angaben über diesen Fonds, noch besteht nach der Staatsrechnung ein solcher Fonds, dem jener Betrag hätte entnommen werden können (S. 52, 226/27). Der zur Hauptsache aus Grundstücken bestehende und offenbar für andere Zwecke bestimmte "Strassenbaufonds" wies Ende 1963 nur noch einen Bestand von Fr. 398'657.75 auf (S. 25, 226/27). Unbegründet ist schliesslich auch der Vorwurf der Beschwerdeführer, das Vorgehen der Behörden stelle deshalb einen Willkürakt dar und verstosse gegen Art. 4
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BGE 90 I 169 S. 177
sollte, wäre dieser Mangel behoben worden durch den vom Kantonsrat seinem Genehmigungsbeschluss beigefügten Zusatz, worin zustimmend davon Kenntnis genommen wird, dass die Staatsrechnung für jenes Programm neben dem gesetzlichen Staatsbeitrag von Fr. 500 000. - auch mit dem übrigen Aufwand von Fr. 5 272 059.86 belastet ist.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.