88 IV 18
7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Februar 1962 i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen Michel.
Regeste (de):
- Art. 153 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 153 - Wer eine Handelsregisterbehörde zu einer unwahren Eintragung veranlasst oder ihr eine eintragungspflichtige Tatsache verschweigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 154 - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und Geldstrafe wird bestraft, wer als Mitglied des Verwaltungsrats oder der Geschäftsleitung einer Gesellschaft, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, unzulässige Vergütungen nach Artikel 735c Ziffern 1, 5 und 6 des Obligationenrechts (OR)212, gegebenenfalls in Verbindung mit Artikel 735d Ziffer 1 OR, ausrichtet oder bezieht.
1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und Geldstrafe wird bestraft, wer als Mitglied des Verwaltungsrats oder der Geschäftsleitung einer Gesellschaft, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, unzulässige Vergütungen nach Artikel 735c Ziffern 1, 5 und 6 des Obligationenrechts (OR)212, gegebenenfalls in Verbindung mit Artikel 735d Ziffer 1 OR, ausrichtet oder bezieht. 2 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Mitglied des Verwaltungsrats einer Gesellschaft, deren Aktien an einer Börse kotiert sind: a die Geschäftsführung entgegen Artikel 716b Absatz 2 erster Satz OR ganz oder zum Teil einer juristischen Person überträgt; b eine Organ- oder Depotstimmrechtsvertretung einsetzt (Art. 689b Abs. 2 OR); c verhindert, dass: c1 die Statuten die Bestimmungen nach Artikel 626 Absatz 2 Ziffern 1 und 2 OR enthalten, c2 die Generalversammlung jährlich und einzeln die Mitglieder und den Präsidenten des Verwaltungsrats, die Mitglieder des Vergütungsausschusses sowie den unabhängigen Stimmrechtsvertreter wählen kann (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 2 und Abs. 3 Ziff. 1-3 OR), c3 die Generalversammlung über die Vergütungen, die der Verwaltungsrat für sich selbst, die Geschäftsleitung und den Beirat festgelegt hat, abstimmen kann (Art. 698 Abs. 3 Ziff. 4 OR), c4 die Aktionäre oder ihre Vertreter ihre Rechte auf elektronischem Weg ausüben können (Art. 689c Abs. 6 OR). 3 Nimmt der Täter die Möglichkeit der Verwirklichung einer Tat nach Absatz 1 oder 2 lediglich in Kauf, so macht er sich nach diesen Bestimmungen nicht strafbar. 4 Für die Berechnung der Geldstrafe ist das Gericht nicht an die maximale Höhe des Tagessatzes (Art. 34 Abs. 2 erster Satz) gebunden; die Geldstrafe darf jedoch das Sechsfache der Jahresvergütung, die im Zeitpunkt der Tat mit der betroffenen Gesellschaft vereinbart ist, nicht übersteigen. - 1. Der Vorwurf gewerbsmässiger Tatbegehung trifft nicht nur, wer um eigenen, sondern auch, wer um fremden Erwerbes willen gehandelt hat (Erw. 1).
- 2. Gewerbsmässigkeit setzt keine soziale Entfremdung des Täters voraus (Erw. 2.).
Regeste (fr):
- Art. 153 al. 2 et art. 154 ch. 1 al. 2 CP.
- 1. Peut aussi faire métier de l'infraction celui qui agit en vue de procurer un gain non pas à lui-même, mais à autrui (Consid. 1).
- 2. Le fait d'agir par métier ne suppose pas que l'auteur soit socialement désadapté (Consid. 2).
Regesto (it):
- Art. 153 cpv. 2 e art. 154 num. 1 cpv. 2 CP.
- 1. Può fare mestiere di atti constituenti l'infrazione anche chi agisce in vista di procacciare un guadagno non a se stesso, ma ad altrui (consid. 1).
- 2. Il fatto di agire per mestiere non presuppone che l'autore sia socialmente inadatto (consid. 2).
Erwägungen ab Seite 19
BGE 88 IV 18 S. 19
Aus den Erwägungen:
1. Wie das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, vergeht sich gewerbsmässig, wer in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, und mit der Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, die Tat wiederholt (BGE 86 IV 207 und dort angeführte Entscheidungen). Nach dem angefochtenen Urteil steht fest, dass der Beschwerdegegner während anderthalb Jahren fortlaufend mit solcher Bereitschaft Waren gefälscht und diese dann in Verkehr gebracht hat. Es frägt sich daher bloss noch, ob er dabei auch mit der genannten Erwerbsabsicht gehandelt habe. Die Vorinstanz erachtet als erwiesen, dass Michel die unerlaubte Kalkbeimischung vornahm, um angesichts der gestiegenen Löhne und Unkosten einen besseren Preis für das Futtermehl zu erzielen. Sie hält diese Tatsache aber zur Annahme gewerbsmässiger Tatbegehung für ungenügend, weil der unrechtmässige Mehrgewinn nicht ihm, sondern der von ihm geleiteten Unternehmung zugekommen war. Damit verkennt sie den Begriff der Gewerbsmässigkeit. Der Täter, der in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, und mit der Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, die Tat wiederholt, wird gegenüber dem nichtgewerbsmässigen Delinquenten nicht wegen der zumeist egoistischen Beweggründe, sondern wegen seiner besonderen sozialen Gefährlichkeit mit schärferer Strafe bedroht (BGE 86 IV 11 und dort angeführte
BGE 88 IV 18 S. 20
Entscheidungen). Diese Gefährlichkeit aber besteht ohne Unterschied, ob der Täter das Gewerbe für sich oder für einen Dritten betreibt. Seiner Einstellung, strafbare Handlungen als Mittel zur Erzielung von Einnahmen zu betrachten und davon bei jeder passenden Gelegenheit Gebrauch zu machen, ist denn auch das Publikum in beiden Fällen gleicherweise ausgesetzt. Dem Beschwerdegegner hilft daher nicht, dass der mit der unzulässigen Kalkbeimischung erzielte Gewinn nicht ihm persönlich, sondern der von ihm geleiteten Firma zukam. Vielmehr trifft ihn der Vorwurf, gewerbsmässig gehandelt zu haben, ebenso, wie wenn er um eigenen Erwerbes willen gehandelt hätte (vgl. BGE 70 IV 135, BGE 76 IV 240 und das nichtveröffentlichte Urteil i.S. Wismer vom 19. Dezember 1958). Der Umstand, dass er es nicht auf die Erzielung eines persönlichen Gewinnes abgesehen hatte, ist lediglich im Rahmen des Art. 63
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |
|
1 | Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |
a | der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und |
b | zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen. |
2 | Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe, einer durch Widerruf vollziehbar erklärten Freiheitsstrafe sowie einer durch Rückversetzung vollziehbar gewordenen Reststrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Es kann für die Dauer der Behandlung Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen. |
3 | Die zuständige Behörde kann verfügen, dass der Täter vorübergehend stationär behandelt wird, wenn dies zur Einleitung der ambulanten Behandlung geboten ist. Die stationäre Behandlung darf insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern. |
4 | Die ambulante Behandlung darf in der Regel nicht länger als fünf Jahre dauern. Erscheint bei Erreichen der Höchstdauer eine Fortführung der ambulanten Behandlung notwendig, um der Gefahr weiterer mit einer psychischen Störung in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen zu begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Behandlung um jeweils ein bis fünf Jahre verlängern. |
2. Der Vorinstanz kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie annimmt, Gewerbsmässigkeit sei nur gegeben, wenn neben der Erwerbsabsicht dem Täter gleichzeitig eine soziale Entfremdung nachgewiesen werden könne. Das Bundesgericht hat diese Auffassung schon wiederholt als unzutreffend verworfen und an seiner Praxis auch gegenüber dem von der Vorinstanz angerufenen Schrifttum festgehalten (BGE 79 IV 12 und dort angeführte Entscheidungen). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, besteht auch im vorliegenden Falle kein Grund. Denn mit dem Begriff der Gewerbsmässigkeit wollten nicht bloss besonders krasse Fälle erfasst werden, etwa nur solche, die von einer sozialen Entfremdung, einer niedrigen Gesinnung oder von einem schimpflichen Motiv des Täters zeugen. Solche Umstände kennzeichnen übrigens die Tat nicht notwendigerweise als gewerbsmässige, kann doch der Täter das Verbrechen oder Vergehen auch aus andern Gründen, z.B. aus Not, zum Gewerbe machen (vgl. BGE 74 IV 142). Der Begriff der Gewerbsmässigkeit ist für das gesamte gemeine Strafrecht ein einheitlicher
BGE 88 IV 18 S. 21
(BGE 87 IV 53 oben), und massgebend dafür, was als gewerbsmässige Tatbegehung zu gelten habe, kann nur der Begriff des erlaubten Gewerbes sein. Es ist daher gegeben, mit der bisherigen Rechtsprechung das Merkmal darin zu erblicken, dass der Täter in der dem Gewerbebetrieb eigenen Bereitschaft, um des Erwerbes willen gegen unbestimmt viele zu handeln, die Tat wiederholt, wo immer sich passende Gelegenheit bietet (BGE 71 IV 85, 115; BGE 78 IV 154; BGE 79 IV 13; BGE 86 IV 10, 207).