88 II 185
30. Urteil der II. Zivilabtellung vom 12. Juli 1962 i.S. Zünd und Meyer gegen Zünd.
Regeste (de):
- Vorkaufsrecht nach Art. 6 EGG. Rechtsausübung: Form und Fristen; Art. 14 EGG. Preisvergünstigung nach Art. 12 Abs. 1 EGG.
- 1. Bedeutung der "objektiven" Frist des Art. 14 Abs. 2 EGG (Erw. 1).
- 2. Gültigkeit einer bestimmt und vorbehaltlos abgegebenen Ausübungserklärung, auch wenn der Erklärende die Nebenabsicht hegte, gegen eine reichliche Abfindung auf den Erwerb zu verzichten (Erw. 2, a).
- 3. Ein Blutsverwandter des Verkäufers in gerader Linie hat nur dann Anspruch auf die Preisvergünstigung des Art. 12 Abs. 1 EGG, wenn er zur Selbstbewirtschaftung willens und fähig ist. Bestreiten dies die Prozessgegner mit Anrufung von Beweisen, so muss die Beweisführung stattfinden (Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.
Regeste (fr):
- Droit de préemption selon l'art. 6 LPR. Exercice du droit: forme et délai; art. 14 LPR. Prix de faveur selon l'art. 12 al. 1 LPR.
- 1. Signification du délai "objectif" de l'art. 14 al. 2 LPR (consid. 1).
- 2. La déclaration d'exercer le droit de préemption faite avec précision et sans réserve est valable, même si son auteur avait accessoirement l'intention de renoncer à acquérir l'exploitation agricole, moyennant une indemmté substantielle (consid. 2 a).
- 3. Un parent en ligne directe du vendeur n'a droit au prix de faveur de l'art. 12 al. 1 LPR que s'il entend exploiter lui-même le domaine et s'il en est capable. Lorsque les parties adverses le contestent, en indiquant des moyens de preuve, le juge doit suivre à l'administration des preuves (art. 8 CC) (consid. 2 b).
Regesto (it):
- Diritto di prelazione secondo l'art. 6 LPF. Esercizio del diritto: forma e termini; art. 14 LPF. Prezzo di favore secondo l'art. 12 cpv. 1 LPF.
- 1. Significato del termine "oggettivo" dell'art. 14 cpv. 2 LPF (consid. 1).
- 2. La dichiarazione di voler esercitare il diritto di prelazione, fatta con precisione e senza riserva, è valida, anche se l'autore di essa aveva lasciato intendere di essere disposto a rinunciare all'acquisto del podere, verso sostanziale indennità (consid. 2 a).
- 3. Un parente in linea diretta del venditore ha diritto al prezzo di favore di cui all'art. 12 cpv. 1 LPF soltanto se intende coltivare lui medesimo il podere e se ne è capace. Quando le parti avverse lo contestano, indicandone i mezzi di prova, il giudice deve procedere all'assunzione delle prove (art. 8 CC) (consid. 2 b).
Sachverhalt ab Seite 186
BGE 88 II 185 S. 186
A.- Karl Zünd, Vater, verkaufte am 18. März 1960 dem Joachim Meyer sein Heimwesen Egg 454 in Herisau, enthaltend unter anderem ein Wohnhaus mit Stadel und 389,27 Aren Land (= etwa 10,8 Jucharten), zum Preise von Fr. 65'500.--. Am gleichen Tage setzte das Grundbuchamt Herisau den Sohn des Verkäufers, Walter Zünd, vom Verkauf in Kenntnis. Dieser erklärte tags darauf mit eingeschriebenem Brief an das Grundbuchamt, das Vorkaufsrecht gemäss Art. 14 EGG auszuüben. Nach ergebnislosen Verhandlungen der Parteien und gescheitertem Vermittlungsbegehren reichte Walter Zünd am 27. Oktober 1960 gegen den Verkäufer und den Käufer (der schon am 18. März 1960 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden war) beim Bezirksgericht Hinterland Klage ein. Er verlangte damit den Zuspruch der verkauften Liegenschaft zum Schätzungswert von Fr. 38'000.-- und die entsprechende Anweisung an das Grundbuchamt, den auf den Käufer lautenden Eigentumseintrag zu löschen und an dessen Stelle ihn, sei es unmittelbar oder nach Wiedereintragung des Verkäufers, nach Hinterlegung bzw. gegen Bezahlung des nach Anrechnung der zu übernehmenden Grundpfandschulden sich ergebenden Restbetrages von Fr. 5084.--, einzutragen. Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage und machten geltend, der Kläger beabsichtige gar nicht ernstlich, das Heimwesen selber zu bewirtschaften. Er sei dazu auch nicht fähig. Die Beklagten schilderten den Lebensgang des Klägers und dessen Einstellung zur landwirtschaftlichen Betätigung. Zum Beweis ihrer Darstellung riefen sie eine Reihe von Zeugen an. - Endlich sei die Klage zu spät eingereicht worden, da Art. 14 Abs. 2 EGG eine Verwirkungsfrist von drei Monaten seit der Anmeldung des Kaufvertrages beim Grundbuchamt vorsehe.
B.- Das Bezirksgericht Hinterland hiess die Klage am 8. Mai 1961 gut, soweit darauf eingetreten werden konnte. Es sprach dem Kläger das Eigentum an der verkauften Liegenschaft zum Preis von Fr. 38'000.-- zu und
BGE 88 II 185 S. 187
ermächtigte das Grundbuchamt Herisau, den Kläger nach Hinterlegung der Restsumme von Fr. 5084.-- als Eigentümer der Liegenschaft im Grundbuch einzutragen.
C.- Am 29. Januar 1962 wies das Obergericht von Appenzell A.Rh. die gegen dieses Urteil gerichtete Appellation der beiden Beklagten ab. Aus den Gründen: Der Kläger hat die Ausübungserklärung rechtzeitig und formrichtig abgegeben. Eine peremptorische Klagefrist besteht nicht, da Art. 14 Abs. 2 EGG nur vom Erlöschen des Vorkaufsrechts (bei nicht rechtzeitiger Ausübung) handelt. Dem Kläger steht der Erwerb zum Schätzungswert gemäss Art. 12
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
D.- Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Der Antrag des Klägers geht auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Dass die Klageeinreichung verspätet gewesen sei, machen die Beklagten mit Recht nicht mehr geltend. Wie das Obergericht zutreffend ausführt, ist nicht die Klageerhebung, sondern die Ausübung des Vorkaufsrechts, also die Ausübungserklärung, an die dreimonatige Frist des Art. 14 Abs. 2 EGG gebunden. Diese Vorschrift ergänzt diejenige des vorausgehenden Abs. 1, indem sie für diese Rechtsausübung ausser der von der grundbuchamtlichen Mitteilung nach Art. 13
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
BGE 88 II 185 S. 188
N. 3 zu Art. 14 EGG). Der Kläger hat mit seiner Erklärung vom 19. März 1960 die eine und die andere dieser Fristen eingehalten.
2. Die Berufung wird im wesentlichen damit begründet, der Kläger habe das Vorkaufsrecht binnen der Fristen des Art. 14 EGG nicht "rechtsgenüglich" ausgeübt. Sodann stehe ihm überhaupt kein Vorkaufsrecht zum Schätzungswert, wie er es beanspruche, zu, weil er nicht gewillt und auch nicht fähig zur Selbstbewirtschaftung sei. a) Die Beklagten räumen ein, dass die Ausübungserklärung vom 19. März 1960 "bestimmt und vorbehaltlos" laute. Dennoch wollen sie die Erklärung nicht als "rechtsgenüglich" gelten lassen, weil es dem Kläger gar nicht um den Erwerb des Heimwesens, sondern nur um eine möglichst hohe Abfindungssumme zu tun gewesen sei. Seine Einstellung zu diesem Verkauf ergebe sich namentlich aus den vor und nach der Klageanhebung geführten Vergleichsverhandlungen. Allein, diese aus Nebenabsichten des Klägers hergeleiteten Einwendungen vermögen das Vorliegen einer rechtzeitig und bei der zuständigen Amtsstelle abgegebenen klaren und vorbehaltlosen Ausübungserklärung nicht aus der Welt zu schaffen. Die Erklärung als solche entsprach allen gesetzlichen Erfordernissen, war also jedenfalls in formeller Hinsicht "rechtsgenüglich". Selbst wenn der Kläger von Anfang an darauf ausgegangen sein sollte, ein hohes Abfindungsangebot zu erhalten, um alsdann auf den Erwerb des Heimwesens zu verzichten, läge im übrigen keine blosse Scheinerklärung vor. Der Kläger wahrte sich durch sein Vorgehen die Möglichkeit, sein Recht durchzusetzen, falls man sich über eine Abfindung nicht einigen konnte. Also lässt sich die Erklärung auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer Simulation beanstanden. b) Beachtlich ist dagegen der Einwand der Beklagten, der Kläger sei weder willens noch fähig, die Liegenschaft selber zu bewirtschaften, im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 EGG. An sich steht dem Kläger als einem Sohn des Verkäufers
BGE 88 II 185 S. 189
nach Art. 6 Abs. 1
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BGE 88 II 185 S. 190
Anwärters schliessen lassen und somit geeignet sind, dessen Behauptung auf mittelbarem Wege zu entkräften. Die Beklagten haben solche Gegenbehauptungen aufgestellt und dafür Beweise angeboten. Indem das Obergericht darüber hinweggegangen ist, hat es Art. 8
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Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichts des Kantons Appenzell A.Rh. (1. Abteilung) vom 29. Januar 1962 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht zurückgewiesen wird.