Urteilskopf

87 IV 9

3. Urteil des Kassationshofes vom 20. Februar 1961 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen Gloor.
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Sachverhalt ab Seite 9

BGE 87 IV 9 S. 9

A.- Gloor stahl in der Zeit vom Dezember 1958 bis Ende August 1959 aus dem Areal des Unterwerkes der
BGE 87 IV 9 S. 10

SBB in Brugg zu wiederholten Malen alten Hartkupfer-Fahrdraht im Gesamtgewicht von mindestens 320 kg. Er verkaufte den Draht unter Verschweigung seiner Herkunft für Fr. 1.50 das Kilogramm dem Altstoffhändler B., der ihn gutgläubig an Zwischenhändler weiterverkaufte und dafür Fr. 2.20 bis 2.50 löste. Als der Diebstahl an den Tag kam, hatte B. noch 174 kg der gestohlenen Ware am Lager, die er der SBB zurückerstattete; diese vergütete ihm als Belohnung für seine Mitwirkung bei der Aufdeckung des Diebstahls freiwillig den Preis, den er Gloor dafür bezahlt hatte.
B.- Das Kriminalgericht des Kantons Aargau verurteilte am 30. Oktober 1959 Gloor wegen fortgesetzten Diebstahls zu 12 Monaten Gefängnis, sprach ihn dagegen von der Anklage des Betruges frei. Zur Begründung des Freispruches führte es aus, es sei zweifelhaft, ob Gloor als Kaufmann im Sinne des Art. 934 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 934 - 1 Der Besitzer, dem eine bewegliche Sache gestohlen wird oder verloren geht oder sonst wider seinen Willen abhanden kommt, kann sie während fünf Jahren jedem Empfänger abfordern. Vorbehalten bleibt Artikel 722.675
1    Der Besitzer, dem eine bewegliche Sache gestohlen wird oder verloren geht oder sonst wider seinen Willen abhanden kommt, kann sie während fünf Jahren jedem Empfänger abfordern. Vorbehalten bleibt Artikel 722.675
1bis    Das Rückforderungsrecht für Kulturgüter im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003676, die gegen den Willen des Eigentümers abhanden gekommen sind, verjährt ein Jahr, nachdem der Eigentümer Kenntnis erlangt hat, wo und bei wem sich das Kulturgut befindet, spätestens jedoch 30 Jahre nach dem Abhandenkommen.677
2    Ist die Sache öffentlich versteigert oder auf dem Markt oder durch einen Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt, übertragen worden, so kann sie dem ersten und jedem spätern gutgläubigen Empfänger nur gegen Vergütung des von ihm bezahlten Preises abgefordert werden.
3    Die Rückleistung erfolgt im Übrigen nach den Vorschriften über die Ansprüche des gutgläubigen Besitzers.
ZGB zu betrachten sei und demzufolge die SBB das Diebsgut entschädigungslos vom Käufer hätte herausverlangen können; auf jeden Fall sei aber B. nicht im Sinne von Art. 148 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207
StGB geschädigt worden, nachdem ihm die SBB den ausgelegten Kaufpreis vergütet habe.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kriminalgerichts sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung des Angeklagten wegen fortgesetzten Betruges und zur Neubemessung der Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Gloor beantragt Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. Der Dieb, der die gestohlene Sache verkauft, kann entgegen der durch den Kaufvertrag übernommenen Verpflichtung (Art. 184 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 184 - 1 Durch den Kaufvertrag verpflichten sich der Verkäufer, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen, und der Käufer, dem Verkäufer den Kaufpreis zu bezahlen.
1    Durch den Kaufvertrag verpflichten sich der Verkäufer, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen, und der Käufer, dem Verkäufer den Kaufpreis zu bezahlen.
2    Sofern nicht Vereinbarung oder Übung entgegenstehen, sind Verkäufer und Käufer verpflichtet, ihre Leistungen gleichzeitig - Zug um Zug - zu erfüllen.
3    Der Preis ist genügend bestimmt, wenn er nach den Umständen bestimmbar ist.
OR) dem Käufer nicht das Eigentum an der Sache verschaffen, weil er selber nicht Eigentümer ist (BGE 72 IV 10). Erhält der Käufer aber
BGE 87 IV 9 S. 11

für den vereinbarten Kaufpreis anstelle des versprochenen Eigentumsrechts nur die tatsächliche Gewalt über die Sache, so entspricht seine eigene Leistung nicht dem Gegenwert, auf den er vertraglich Anspruch hat (BGE 72 IV 130). Denn der Kaufpreis, den er erlegt, ist Gegenleistung für die Übertragung des vollen Rechtes an der Sache, während diese in Wirklichkeit mit dem Herausgabeanspruch des rechtmässigen Eigentümers belastet ist. Um diesen Minderwert ist der Käufer geschädigt. Das ist er auch, wenn der rechtmässige Eigentümer das gestohlene Gut im Sinne von Art. 934 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 934 - 1 Der Besitzer, dem eine bewegliche Sache gestohlen wird oder verloren geht oder sonst wider seinen Willen abhanden kommt, kann sie während fünf Jahren jedem Empfänger abfordern. Vorbehalten bleibt Artikel 722.675
1    Der Besitzer, dem eine bewegliche Sache gestohlen wird oder verloren geht oder sonst wider seinen Willen abhanden kommt, kann sie während fünf Jahren jedem Empfänger abfordern. Vorbehalten bleibt Artikel 722.675
1bis    Das Rückforderungsrecht für Kulturgüter im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003676, die gegen den Willen des Eigentümers abhanden gekommen sind, verjährt ein Jahr, nachdem der Eigentümer Kenntnis erlangt hat, wo und bei wem sich das Kulturgut befindet, spätestens jedoch 30 Jahre nach dem Abhandenkommen.677
2    Ist die Sache öffentlich versteigert oder auf dem Markt oder durch einen Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt, übertragen worden, so kann sie dem ersten und jedem spätern gutgläubigen Empfänger nur gegen Vergütung des von ihm bezahlten Preises abgefordert werden.
3    Die Rückleistung erfolgt im Übrigen nach den Vorschriften über die Ansprüche des gutgläubigen Besitzers.
ZGB nur gegen Vergütung des bezahlten Preises zurückfordern kann (Urteil des Kassationshofes vom 4. Oktober 1957 i.S. Waldis). Denn solange der Bestohlene von diesem Rückforderungsrecht Gebrauch machen kann, ist die Sache für den Käufer den geleisteten Kaufpreis nicht wert; wird ihm aber bei der Herausgabe der Preis ersetzt, so liegt darin bestenfalls eine Wiedergutmachung des früher eingetretenen Schadens. B. war daher auf alle Fälle mindestens vorübergehend geschädigt. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob Gloor als Kaufmann anzusehen ist oder nicht.

B. ist ausserdem noch unter einem anderen Gesichtspunkt geschädigt. Er kaufte, was Gloor wusste, das Kupfer nicht zum Eigengebrauch, sondern um es mit Gewinn weiterzuverkaufen. Tatsächlich war nach der Marktlage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass er die günstig erworbene Ware gewinnbringend werde absetzen können. Eine derart reale Gewinnaussicht hat als Bestandteil des Vermögens zu gelten (HAFTER, Bes. T. I S. 267, LOGOZ, Bes. T. I S. 156 lit. c, GERMANN, Das Verbrechen S. 278). B. erlitt daher auch insoweit einen Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207
StGB, als ihn das Fehlen des Eigentums gehindert hat, den beabsichtigten Weiterverkauf der Ware und die damit verbundene Gewinnerzielung zu verwirklichen. Bei vollständiger Entwehrung, die der Verkäufer verschuldet hat, wird entgangener Gewinn auch zivilrechtlich als
BGE 87 IV 9 S. 12

Schaden behandelt, der dem Käufer gemäss Art. 195 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 195 - 1 Ist die Entwehrung eine vollständige, so ist der Kaufvertrag als aufgehoben zu betrachten und der Käufer zu fordern berechtigt:
1    Ist die Entwehrung eine vollständige, so ist der Kaufvertrag als aufgehoben zu betrachten und der Käufer zu fordern berechtigt:
1  Rückerstattung des bezahlten Preises samt Zinsen unter Abrechnung der von ihm gewonnenen oder versäumten Früchte und sonstigen Nutzungen;
2  Ersatz der für die Sache gemachten Verwendungen, soweit er nicht von dem berechtigten Dritten erhältlich ist;
3  Ersatz aller durch den Prozess veranlassten gerichtlichen und aussergerichtlichen Kosten, mit Ausnahme derjenigen, die durch Streitverkündung vermieden worden wären;
4  Ersatz des sonstigen durch die Entwehrung unmittelbar verursachten Schadens.
2    Der Verkäufer ist verpflichtet, auch den weitern Schaden zu ersetzen, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
OR zu ersetzen ist (BGE 79 II 381).
2. Das Merkmal der Arglist ist von der Vorinstanz entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners zu Recht bejaht worden. Wer beim Abschluss eines Kaufes verschweigt, dass er über die angebotene Ware nicht verfügungsberechtigt ist und daher kein Eigentum übertragen kann, obschon er nach Treu und Glauben verpflichtet wäre, den Käufer über eine so wesentliche Tatsache aufzuklären, handelt arglistig (BGE 76 IV 105). Dass sich B. ohne weiteres der Verdacht hätte aufdrängen müssen, die alten Kupferdrähte, die von der SBB im Freien gelagert worden waren, könnten schon ihrer äussern Beschaffenheit wegen nicht aus Abfallgruben stammen, behauptet der Beschwerdegegner selber nicht und ist auch aus den Akten nicht zu ersehen. B. hat zudem erklärt, dass ihm die Drähte in kurzen Stücken angeboten worden seien, und überdies steht fest, dass ihm Gloor schon früher wiederholt Altmetalle verkauft hat, die dieser in Schuttablagerungen zusammengesucht hatte. Unter diesen Umständen bestand für B. kein Anlass, die Herkunft der Kupferdrähte zu überprüfen, was übrigens nicht ohne erhebliche Mühe möglich gewesen wäre.

3. Gloor ist somit auch wegen Betruges zu bestrafen. Die Vorinstanz hat dementsprechend die wegen Diebstahls ausgefällte Freiheitsstrafe gemäss Art. 68 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
1    Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
2    Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils oder einer Einstellungsverfügung der Strafverfolgungsbehörde im öffentlichen Interesse, im Interesse des Freigesprochenen oder Entlasteten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.
3    Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten, Antragsberechtigten, Freigesprochenen oder Entlasteten erfolgt nur auf deren Antrag.
4    Das Gericht bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung.
StGB zu erhöhen.
Dispositiv

Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 87 IV 9
Date : 20. Februar 1961
Published : 31. Dezember 1961
Source : Bundesgericht
Status : 87 IV 9
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 148 Abs. 1 StGB. Geschädigt ist der gutgläubige Käufer einer gestohlenen Sache auch dann, wenn er sie dem Bestohlenen


Legislation register
OR: 184  195
StGB: 68  148
ZGB: 934
BGE-register
72-IV-127 • 72-IV-8 • 76-IV-102 • 79-II-376 • 87-IV-9
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