Urteilskopf

84 IV 163

47. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Dezember 1958 i.S. Frank und Konsorten gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 163

BGE 84 IV 163 S. 163

Aus dem Tatbestand:
Frank kaufte am 22. Februar 1956 von Gemperle die Liegenschaft Weinbergstrasse 107 in Zürich 6. Vereinbart war ein Kaufpreis von Fr. 475'000.--, an den Frank vor der öffentlichen Beurkundung des Kaufvertrages eine Vorauszahlung von Fr. 35'000.-- leistete. Die Parteien veranlassten daraufhin den Notar, als Kaufpreis den Betrag von Fr. 440'000.-- zu verurkunden. Ihre Absicht war, durch dieses Vorgehen steuerrechtliche Vorteile zu erlangen.
BGE 84 IV 163 S. 164

Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte Frank und Gemperle wegen Erschleichung einer Falschbeurkundung. Die Nichtigkeitsbeschwerde der Verurteilten wurde vom Bundesgericht abgewiesen.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Nach Art. 253 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 253 - Wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine unrichtige Abschrift beglaubigt,
StGB ist strafbar, wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet. a) Die öffentliche Beurkundung, welche das Gesetz als Gültigkeitserfordernis bestimmter Rechtsgeschäfte, so u.a. für Kaufverträge über Grundstücke, vorschreibt, ist zum Schutze der Parteien wie zur Erhöhung der allgemeinen Rechtssicherheit bestimmt und mit der Wirkung ausgestattet, dass die Urkunde für die darin bezeugten Tatsachen vollen Beweis erbringt, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhaltes nachgewiesen ist (Art. 9
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 9 - 1 Öffentliche Register und öffentliche Urkunden erbringen für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhaltes nachgewiesen ist.
1    Öffentliche Register und öffentliche Urkunden erbringen für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhaltes nachgewiesen ist.
2    Dieser Nachweis ist an keine besondere Form gebunden.
ZGB). Daraus hat die Rechtsprechung gefolgert, dass der verurkundete Vertrag vollständig und richtig sein muss, d.h. dass alle objektiv und subjektiv wesentlichen Vertragspunkte, namentlich auch der Kaufpreis, der Beurkundung bedürfen und dass sie dem wirklichen Willen der Parteien entsprechen müssen (BGE 68 II 233,BGE 78 II 224). Die Beurkundung ist demnach unrichtig, wenn der vereinbarte Kaufpreis mit dem verurkundeten Betrag nicht übereinstimmt, denn die Urkunde täuscht dann einen Vertragsinhalt vor, der dem wirklichen Parteiwillen nicht entspricht. Dabei ist kein Unterschied zu machen, ob in der Urkunde ein höherer oder ein niedrigerer Kaufpreis als der gewollte angegeben und ob im letztern Fall der unterdrückte Teilbetrag vor oder erst nach der Beurkundung bezahlt wird. In diesem Sinne hat der Kassationshof schon bisher entschieden (BGE 78 IV 105, unveröffentlichte Urteile vom 12. Februar 1954 i.S. Gerber und vom 24. Januar 1955 i.S. Kägi). Davon abzugehen, besteht kein Anlass.
BGE 84 IV 163 S. 165

b) Die II. Zivilabteilung hat freilich in drei Entscheidungen (BGE 49 II 466,BGE 50 II 142,BGE 52 II 61) ausgeführt, ein wegen Simulation ungültiger Kaufvertrag liege dann nicht vor, wenn formlos ein höherer Kaufpreis vereinbart, vor der öffentlichen Beurkundung eine Anzahlung geleistet und in der öffentlichen Urkunde nur noch der niedrigere Kaufpreisrest angegeben werde; in diesem Falle sei im Zeitpunkt der Beurkundung nur noch der Restbetrag des ursprünglich vorgesehenen Preises geschuldet, und die Angabe dieser Restsumme in der Urkunde entspreche daher dem in diesem Augenblick von den Parteien wirklich gewollten Kaufpreis. Allein die Formvorschrift erstreckt sich auf den Vertrag als Ganzes, und der Kaufpreis als wesentliches Element muss darum in der öffentlichen Urkunde in seiner wahren Höhe angegeben werden. Er setzt sich aus der Gesamtheit aller Leistungen zusammen, welche der Käufer dem Verkäufer als Entgelt für die Übertragung des Eigentums am Grundstück zu erbringen hat. Was im Zeitpunkt der Beurkundung bereits bezahlt ist, hat daher nicht weniger Kaufpreischarakter, als was noch aussteht, und die Höhe des wirklich gewollten Kaufpreises bleibt sich genau gleich, ob der in der Urkunde verheimlichte Überpreis zum voraus oder erst nach der Beurkundung bezahlt wird. Das Argument, es genüge die Bestimmbarkeit des Kaufpreises und diese sei auf Grund des öffentlich beurkundeten Vertrages in Verbindung mit anderen Dokumenten möglich (BGE 50 II 146), ist nicht überzeugend. Um dem Erfordernis der Angabe des wahren Kaufpreises in der öffentlichen Urkunde zu genügen, kann von Bestimmbarkeit nur die Rede sein, wenn alle zur Bestimmung des Kaufpreises notwendigen Faktoren aus der Urkunde selbst ermittelt werden können und es dazu des Beizuges anderer Beweismittel nicht bedarf. Auch die von der Formvorschrift verfolgten Zwecke würden nur ungenügend erreicht, wenn Anzahlungen an den Kaufpreis in der öffentlichen Urkunde unerwähnt blieben. Denn im
BGE 84 IV 163 S. 166

Umfange der vorausbezahlten Leistungen ginge der Käufer des Schutzes verlustig, der ihm durch die öffentliche Beurkundung gewährt werden soll, und die Rechtssicherheit litte darunter, dass Dritte sich nicht darauf verlassen könnten, ob der verurkundete Betrag mit dem wahren Kaufpreis übereinstimme. Die I. Zivilabteilung, die nach einer vorübergehenden Änderung der Geschäftsverteilung heute wie ursprünglich für die Beurteilung von Streitigkeiten aus Grundstückkäufen zuständig ist, hat denn auch in einem Meinungsaustausch mit dem Kassationshof am 12. Dezember 1958 erklärt, dass sie an der Auffassung der II. Zivilabteilung nicht festhalte. c) Gemperle und Frank haben als Kaufpreis bloss den Betrag von Fr. 440'000.-- in die öffentliche Urkunde aufnehmen lassen, den wirrklich vereinbarten von Fr.475'000.-- wie die erfolgte Vorauszahlung von Fr. 35'000.-- dagegen verschwiegen. Sie bewirkten somit durch täuschende Angaben, dass der Notar eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundete. Art. 253 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 253 - Wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine unrichtige Abschrift beglaubigt,
StGB ist damit objektiv erfüllt.
2. Die Beschwerdeführer wollten mit der Erschleichung der Falschbeurkundung einzig die Hinterziehung kantonaler Steuern erreichen. Sie leiten aus dieser Absicht zu Unrecht ab, die Tat sei ein Steuerdelikt und sie könnten darum nur nach kantonalem Steuerstrafrecht bestraft werden. Art. 335 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 335 - 1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
1    Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
2    Die Kantone sind befugt, die Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen zu bedrohen.
StGB ermächtigt die Kantone, Strafbestimmungen zum Schutze des kantonalen Steuerrechts aufzustellen. Dieses kantonale Sonderstrafrecht geht dem gemeinen Strafrecht vor, dergestalt, dass die ganze vom kantonalen Steuerstrafrecht geregelte Materie, z.B. die Urkundenfälschung, ausschliesslich den Bestimmungen des Steuerstrafrechts untersteht und auch für eine subsidiäre Anwendung des gemeinen Strafrechts kein Raum bleibt (BGE 81 IV 168). Das heisst aber nicht, dass immer nur kantonales Steuerstrafrecht anwendbar sei, wenn eine vom
BGE 84 IV 163 S. 167

eidgenössischen Recht mit Strafe bedrohte Handlung in der Absicht begangen wird, kantonale Steuervorschriften zu umgehen. So fällt die Fälschung einer Urkunde, mittels der eine Steuerhinterziehung begangen oder zu begehen beabsichtigt wird, bloss dann nicht unter Art. 251
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...330
StGB, wenn die gefälschte Urkunde nur dazu bestimmt ist, steuerrechtlichen Zwecken zu dienen, wie es der Fall ist, wenn die Ausstellung eines inhaltlich falschen Lohnausweises nur zum Zwecke erfolgt, ihn den Steuerbehörden vorzulegen (BGE 81 IV 168). An dieser Voraussetzung fehlt es. Die öffentliche Beurkundung ist als Gültigkeitserfordernis des Grundstückkaufes notwendig Teil dieses zivilrechtlichen Geschäfts, die Urkunde selbst vor allem Grundbuchbeleg und für die Parteien unter sich und gegenüber Dritten Ausweis für den Abschluss des Vertrages. Dass die Urkunde infolge ihrer Eignung als Beweismittel zugleich steuerrechtlichen Zwecken dient, ändert an ihrer vorwiegend zivilrechtlichen Zweckbestimmung nichts. Die Erschleichung der Falschbeurkundung eines Grundstückkaufes fällt deshalb ungeachtet der Absicht des Täters, die Urkunde als Mittel zur Hinterziehung von Steuern oder Abgaben zu verwenden, auf jeden Fall unter die bundesrechtliche Bestimmung des Art. 253
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 253 - Wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine unrichtige Abschrift beglaubigt,
StGB. Ob daneben das kantonale Recht anwendbar wäre, wenn die Handlung gleichzeitig einen Tatbestand des kantonalen Steuerstrafrechts erfüllt hätte, braucht nicht entschieden zu werden, da die Vorinstanz nur die eidgenössische Strafbestimmung angewendet hat.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 84 IV 163
Datum : 19. Dezember 1958
Publiziert : 31. Dezember 1959
Quelle : Bundesgericht
Status : 84 IV 163
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : 1. Art. 253 StGB. Der Kaufvertrag über ein Grundstück ist falsch beurkundet, wenn nach Vereinbarung eines höheren Kaufpreises


Gesetzesregister
StGB: 251 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...330
253 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 253 - Wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine unrichtige Abschrift beglaubigt,
335
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 335 - 1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
1    Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
2    Die Kantone sind befugt, die Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen zu bedrohen.
ZGB: 9
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 9 - 1 Öffentliche Register und öffentliche Urkunden erbringen für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhaltes nachgewiesen ist.
1    Öffentliche Register und öffentliche Urkunden erbringen für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhaltes nachgewiesen ist.
2    Dieser Nachweis ist an keine besondere Form gebunden.
BGE Register
49-II-466 • 50-II-142 • 52-II-60 • 68-II-229 • 78-II-221 • 78-IV-105 • 81-IV-166 • 84-IV-163
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
kaufpreis • steuerstrafrecht • falschbeurkundung • kassationshof • bestimmbarkeit • sachverhalt • beweismittel • verurteilter • rechtssicherheit • notar • richtigkeit • vertragsinhalt • steuerhinterziehung • entscheid • grundstück • bedürfnis • form und inhalt • steuer • voraussetzung • hinterziehung • vorinstanz • eigentum • lohnausweis • kantonales recht • bundesgericht • vorteil • meinungsaustausch • wirklicher wille • leiter • simulation • sold • voller beweis
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