84 II 179
27. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. April 1958 i.S. Eberle gegen Brägger.
Regeste (de):
- Landwirtschaftliches Bodenrecht.
- Intertemporalrechtliche Behandlung des Rückforderungsanspruchs aus Art. 42 Abs. 2 BMB.
- Verhältnis zum EGG einerseits und zu Art. 66
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden.
Regeste (fr):
- Propriété foncière rurale.
- Régime transitoire auquel est soumis un droit de répétition fondé sur l'art. 42 al. 2 de l'ACF du 19 janvier 1940, instituannt des mesures contre la spéculation sur les terres et contre le surendettement, ainsi que pour la protection des fermiers.
- Rapports avec la loi fédérale sur le maintien de la propriété foncière rurale, d'une part, et l'art. 66 CO, d'autre part.
Regesto (it):
- Proprietà fondiaria agricola.
- Regime transitorio al quale è sottoposto un diritto di ripetizione fondato sull'art. 42 cp. 2 del DCF del 19 gennaio 1940 che istituisce misure contro le speculazioni fondiarie e l'indebitamento e per la protezione degli affittuari.
- Rapporti con la legge federale sul mantenimento della proprietà fondiaria agricola da una parte e l'art. 66 CO dall'altra parte.
Sachverhalt ab Seite 179
BGE 84 II 179 S. 179
A.- Der Kläger Brägger kaufte mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 16. September 1949 vom Beklagten Eberle ein landwirtschaftliches Heimwesen zum verurkundeten Preise von Fr. 60'000.--. Damals galt noch der BRB vom 19. Januar 1940/7. November 1946 über Massnahmen gegen die Bodenspekulation (BMB, BS 9 S. 159 ff.). Die zuständige Behörde erteilte dem Kaufvertrag die zu seiner Gültigkeit erforderliche Genehmigung, worauf der Grundbucheintrag im Dezember 1949 erfolgte.
B.- Am 2. März 1954 erhob Brägger gegen Eberle Klage auf Bezahlung von Fr. 15'000.-- nebst 5% Zins seit 16. September 1949. Er behauptete, er habe beim Kauf der Liegenschaft dem Beklagten über den verurkundeten und behördlich genehmigten Kaufpreis hinaus weitere Fr. 15'000.-- bezahlen müssen. Diese Schwarzzahlung
BGE 84 II 179 S. 180
sei nach Art. 42 BMB nichtig und könne daher von ihm zurückverlangt werden. Im Zeitpunkt der Klageerhebung war der BMB nicht mehr in Kraft, sondern durch das BG vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG, AS 1952 S. 403) ersetzt worden. Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Er bestritt die vom Kläger behauptete Schwarzzahlung und machte geltend, dass selbst beim Vorliegen einer solchen die Klage aus rechtlichen Gründen abgewiesen werden müsse.
C.- Das Bezirksgericht Weinfelden wies die Klage ab, weil eine Schwarzzahlung nicht nachgewiesen sei. Das Obergericht des Kantons Thurgau erachtete dagegen die behauptete Schwarzzahlung als erwiesen und verpflichtete den Beklagten zur Rückzahlung des Betrages von Fr. 15'000.-- nebst 3% Zins vom 16. September 1949 bis zum 1. März 1954 und 5% Zins seit 2. März 1954.
D.- Gegen das Urteil des Obergerichts vom 28. November 1957 ergriff der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Das Bundesgericht hat, wie auch der Beklagte zugibt, von der vorinstanzlich festgestellten Tatsache auszugehen, dass der Beklagte am 16. September 1949 eine Schwarzzahlung von Fr. 15'000.-- entgegennahm. Diese Zahlung war nach Art. 42 Abs. 2 des in jenem Zeitpunkt noch geltenden BMB nichtig und (in Abweichung von der in Art. 66
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden. |
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Die Vorinstanz hat diese Auffassung des Beklagten mit der Begründung verworfen, dass die vor dem Inkrafttreten des EGG begründeten Rechtsverhältnisse auch weiterhin nach dem alten Recht, d.h. nach dem BMB, beurteilt werden müssten.
2. a) Das EGG, das an die Stelle des BMB getreten ist, enthält keine intertemporalrechtlichen Bestimmungen. Es beschränkt sich darauf, in Art. 48
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden. |
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beurteilen (so auch JOST, Handkommentar zum EGG, S. 157 Bem. 3). Zu Unrecht glaubt die Berufung dem entgegenhalten zu können, dass der SchlT zum ZGB in erster Linie eine Ordnung für den Übergang vom kantonalen Recht zum Bundesrecht traf. Denn in dieser Ordnung kommt darüber hinaus auch die Auffassung des Bundesgesetzgebers über das intertemporale Recht schlechthin zum Ausdruck; die dort aufgestellten Grundsätze gelten überall, wo der Gesetzgeber keine Sonderbestimmungen erlassen hat; sie sind denn auch im Laufe der Jahrzehnte fester Bestandteil der schweizerischen Rechtsauffassung geworden, und folgerichtig hat sie z.B. auch Art. 1
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. |
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1 | Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. |
2 | Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein. |
d) Der Beklagte verweist schliesslich darauf, dass der Rückforderungsanspruch erst in einem Zeitpunkt erhoben wurde, als bereits das EGG den BMB abgelöst hatte. Allein soweit sich das eidgenössische intertemporale Recht mit dem Anwendungsbereich zweier sich folgender materiellrechtlicher Gesetze oder Rechtsordnungen befasst, stellt es nirgends auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung eines unter dem alten Recht entstandenen Anspruchs ab. Diese Geltendmachung ist intertemporalrechtlich eine belanglose, rechtlich unerhebliche Tatsache. Sie kann höchstens von Bedeutung sein, soweit es sich um
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Verfahrensvorschriften handelt. Solche stehen hier nicht in Frage.
3. a) Nach dem somit grundsätzlich massgebenden BMB ist der eingeklagte Rückforderungsanspruch tatsächlich entstanden und besteht immer noch. Denn gemäss Art. 42 BMB ist eine Schwarzzahlung nichtig und kann innert 10 Jahren seit ihrer Vornahme zurückverlangt werden. Diese Verjährungsfrist war im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht verstrichen. b) Der streitige Rückforderungsanspruch ist wegen Widerrechtlichkeit der Schwarzzahlung gemäss BMB, also ex lege entstanden. Er ist rechtlich ein Rückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung und daher gleich wie hinsichtlich seiner Entstehung auch in Bezug auf seinen Inhalt dem alten Recht unterworfen (MUTZNER, SchlT zum ZGB, Art. 1 N. 43, 61 f.; HUBER/MUTZNER, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, S. 242 f.). Der Geltendmachung dieses Anspruchs stünde nur etwas im Wege, wenn er mit Bestimmungen des neuen Rechts, die um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt sind, unvereinbar wäre. Der Beklagte behauptet, das sei hier der Fall. Er macht geltend, Art. 42 Abs. 2 BMB habe für den Liegenschaftshandel die Anwendung von Art. 66
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden. |
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heraus vorgenommen werden, durch Verweigerung der Rückforderung des unredlichen Gebers zu begegnen. Sie will verhindern, dass der Richter für Ansprüche aus gewissen unsauberen Geschäften Rechtsschutz gewähren muss. Ob man Art. 66
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden. |
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das Allgemeininteresse an der Erhaltung des Bauernstandes. Eine Ordnung, die vom Gesetzgeber als um des Gemeinwohls willen notwendig und gerecht betrachtet und darum zwingend vorgeschrieben wurde, kann aber nicht von einem Tag auf den andern vom gleichen Gesetzgeber oder vom Richter als mit der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit unverträglich beurteilt werden, selbst wenn die neue gesetzliche Regelung von der früheren erheblich abweicht. Auch wird keine Bestimmung des EGG verletzt oder auch nur gefährdet, wenn man Art. 42 Abs. 2 BMB noch auf einige übriggebliebene altrechtliche Tatbestände (Schwarzzahlungen) anwendet. Ebensowenig erfährt die in Art. 66
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden. |
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musste wegen Verjährung eingestellt werden. Angesichts aller dieser Umstände kann in der Rückforderung der beträchtlichen Schwarzzahlung durch den Kläger kein Rechtsmissbrauch erblickt werden. Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Verurteilung zur Rückerstattung des Kapitalbetrages von Fr. 15'000.-- wendet, ist sie deshalb unbegründet.
4. Die Vorinstanz hat dem Kläger neben 5% Verzugszins seit der Klageeinreichung vom 2. März 1954 für die Zeit von der Schwarzzahlung (16. September 1949) bis zur Klageeinreichung 3% Zins zugesprochen, weil dem Kläger dieser Kapitalertrag entgangen sei. Der Beklagte beantragt, diese zusätzliche Zinsverpflichtung sei aufzuheben. Der Entscheid der Vorinstanz ist indessen, wenn auch aus andern als den im angefochtenen Entscheid angeführten Gründen, zu bestätigen. Der Beklagte hat die ganze Bereicherung herauszugeben. Hiezu gehört neben dem Kapital auch der Zins, den der Beklagte in der Zwischenzeit erfahrungsgemäss ziehen konnte und natürlich auch gezogen hat. Diesen Vergütungszins hat die Vorinstanz auf 3% bemessen. Darin liegt eine tatsächliche Feststellung, die sich auf die örtlichen Verhältnisse stützt und mit der Lebenserfahrung nicht im Widerspruch steht. Dass Art. 42 Abs. 2 BMB die Rückforderung im Gegensatz zu den allgemeinen Bereicherungsgrundsätzen des Art. 62
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten. |
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1 | Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten. |
2 | Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 28. November 1957 bestätigt.