84 I 77
12. Urteil vom 2. Mai 1958 i.S. Nawiasky gegen Steuerrekurskommission des Kantons St. Gallen.
Regeste (de):
- Wehrsteuer; Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland.
- Die Einkünfte eines in der Schweiz wohnenden Hochschulprofessors aus der Lehrtätigkeit an einer deutschen Universität unterliegen der Wehrsteuer für Einkommen nicht, werden aber für die Bestimmung des Satzes dieser Steuer berücksichtigt.
Regeste (fr):
- Impôt pour la défense nationale; convention germano-suisse en vue d'éviter la double imposition.
- Les sommes qu'un professeur domicilié en Suisse touche pour son enseignement dans une université allemande ne sont pas soumises à l'impôt pour la défense nationale perçu au titre du revenu, mais on en tient compte dans le calcul du taux de l'imposition.
Regesto (it):
- Imposta per la difesa nazionale; convenzione conchiusa con la Germania allo scopo di evitare una doppia imposizione.
- I proventi derivanti dall'insegnamento di un professore, domiciliato in Svizzera, in una università germanica non sono soggetti all'imposta per la difesa nazionale percepita sul reddito, ma sono presi in considerazione per il calcolo dell'aliquota di tale imposta.
Sachverhalt ab Seite 77
BGE 84 I 77 S. 77
A.- Der Beschwerdeführer wohnt in St. Gallen und war bis zum Frühling 1955 Professor an der dortigen Handelshochschule; daneben und auch seither lehrte er noch an der Universität München. Für die Wehrsteuer VIII wurde er auf Grund seines in der Schweiz erzielten Einkommens
BGE 84 I 77 S. 78
zum Satze des Gesamteinkommens veranlagt. Eine Einsprache, womit er sich gegen die Berücksichtigung seines Münchner Einkommens für die Bestimmung des Steuersatzes wandte, wurde abgewiesen, ebenso eine Beschwerde durch Entscheid der Steuer-Rekurskommission des Kantons St. Gallen vom 23. Januar 1958.
B.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiegegen beantragt Professor Nawiasky erneut Festsetzung des Steuersatzes ausschliesslich nach Massgabe seines schweizerischen Einkommens. Er macht geltend, bei der Anwendung des Art. 44

C.- Die kantonalen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung beantragen die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Streit betrifft ausschliesslich den anwendbaren Steuersatz, nämlich die Frage, ob für dessen Bestimmung auch das durch Lehrtätigkeit in Deutschland erzielte und in der Schweiz nach Art. 5 des schweizerisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommens nicht steuerbare Einkommen des Beschwerdeführers zu berücksichtigen ist. Hierüber bestimmt Art. 44 Abs. 1

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auch dem ganzen System der Wehrsteuer und insbesondere der in Art. 40





SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 84 I 77 S. 80
zu beachten sei. Dieser Grundsatz, auf dem auch Art. 44 Abs. 1

2. Zwar nicht ausdrücklich, wohl aber dem Sinne nach behauptet der Beschwerdeführer eine Verletzung des schweizerisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommens, indem er geltend macht, es beruhe auf dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und dieser sei hier missachtet worden. Bei der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen hat das Bundesgericht stets die Auffassung vertreten, dass die Bestimmung des Satzes der Einkommenssteuer nach Massgabe des Gesamteinkommens keine Doppelbesteuerung begründet, wenn der so ermittelte Satz nur auf das der Besteuerung durch die Schweiz unterliegende Einkommen angewendet wird (so zuletzt mit Bezug auf das Abkommen mit den Vereinigten Staaten in BGE 82 I 7, E.5 b). Zum schweizerisch-deutschen Abkommen hat es in BGE 62 I 99, E. 3 ausgeführt: "Dieser (d.h. der dem Gesamtvermögen und -einkommen entsprechende) Satz wird nur angewandt auf das in der Schweiz steuerbare Vermögen und Emkommen. Der Rekurrent wird für sein schweizerisches Grundeigentum und dessen Erträgnisse nicht deshalb schwerer belastet, weil er noch einer andern Steuerhoheit unterliegt; es wird lediglich bei ihm, wie bei allen andern Steuerpflichtigen, der Steuersatz angewandt, der seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entspricht. Er hat nur die Steuer aufzubringen, die er für sein schweizerisches Grundeigentum und dessen Erträgnisse unter sonst gleichen Vermögens- und Einkommensverhältnissen auch zu bezahlen hätte, wenn er ausschliesslich der schweizerischen Steuerhoheit unterstände." Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist mit der aufzubringenden Steuer, vom der in diesem letzten Satze die Rede ist, nur die schweizerische gemeint. Das ist selbstverständlich; denn für das schweizerische Grundeigentum und dessen Erträgnisse kommen nach dem mit Deutschland geschlossenen
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Abkommen andere als schweizerische Steuern gar nicht in Frage. Der von der Schweiz von jeher gemachte Vorbehalt der Gesamtprogression ist nun in Z. 14 des Zusatzprotokolls vom 9. September 1957 zu diesem Abkommen auch von deutscher Seite ausdrücklich anerkannt worden (BBl 1957 II 614). Aus dem dieser Ordnung zugrunde liegenden Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ergibt sich, dass jeder beteiligte Staat den seiner Steuerhoheit unterliegenden Teil des Einkommens des Pflichtigen nach dem Satze besteuern darf, der dem Gesamteinkommen entspricht, weil hierin die Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt. Keineswegs aber lässt sich daraus eine maximale Belastung ablesen, welche durch die Gesamtheit der Steuern in beiden Staaten nicht überschritten werden darf. Jeder Staat beurteilt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Pflichtigen nach seinem eigenen Recht, unabhängig von dem andern Staate und ohne Rücksicht auf die von diesem erhobenen Steuern. Das schweizerisch-deutsche Abkommen teilt die Steuerobjekte unter die beteiligten Staaten auf; jeder darf nur die seiner Steuerhoheit unterliegenden erfassen; in der Art ihrer Erfassung - und dazu gehört die Bestimmung des Steuersatzes - ist er frei und braucht keine Rücksicht auf die Gesamtbelastung zu nehmen, die sich daraus ergibt, dass beide Staaten die ihnen im Abkommen zugewiesenen Objekte nach Massgabe der Landesgesetzgebung besteuern. Die Auffassung des Beschwerdeführers hätte zur Folge, dass derjenige Staat, der die Leistungsfähigkeit milder beurteilt und daher niedrigere Steuern erhebt, diese im Einzelfalle noch weiter herabsetzen müsste, weil der andere Staat gestützt auf seine strengere Auffassung von der Leistungsfähigkeit höhere Steuern bezieht und dadurch die Gesamtbelastung schwerer wird. Das zeigt gerade der vorliegende Fall deutlich: Deutschland hat höhere Steuern als die Schweiz und belastet den Beschwerdeführer für sein Münchner Einkommen stärker, als ihn die Schweiz für ein gleiches Einkommen
BGE 84 I 77 S. 82
belasten würde; seine gesamte Steuerlast in beiden Staaten ist deshalb höher, als wenn er für sein ganzes Einkommen in der Schweiz, aber niedriger, als wenn er dafür in Deutschland allein steuerpflichtig wäre. Aber weder der einen noch der andern Gesetzgebung noch dem Abkommen lässt sich ein Maximum entnehmen, das durch die Summe der Steuern in beiden Staaten nicht überschritten werden dürfte. Selbst wenn man sagen könnte, die gesamte Steuerlast übersteige die nach schweizerischem Recht beurteilte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers, so läge der Grund nicht in den schweizerischen, sondern in den deutschen, auf einem strengeren Begriffe der Leistungsfähigkeit beruhenden Steuern, und es könnte keine Rede davon sein, dass die Schweiz mit Rücksicht hierauf die sich nach ihrem Recht ergebenden Steuern herabsetzen müsse. Umgekehrt würde ja seine nach deutschem Recht beurteilte Leistungsfähigkeit nicht erreicht, weil er für sein schweizerisches Einkommen weniger Steuern entrichtet, als er in Deutschland dafür zu bezahlen hätte. Dadurch, dass er zwei Steuerhoheiten untersteht, stellt er sich einerseits schlechter, als wenn er nur der schweizerischen, aber anderseits besser, als wenn er nur der deutschen unterstände. Weder aus der Rechtsgleichheit noch aus Treu und Glauben noch aus dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit lässt sich herleiten, dass die Schweiz wegen der höheren Belastung seines deutschen Einkommens durch Deutschland den Beschwerdeführer für sein ihrer Hoheit unterliegendes Einkommen nicht in der Höhe besteuern dürfe, die sich aus ihrem eigenen Recht ergibt. Eine solche Beschränkung würde vielmehr ein unzulässiges Übergreifen des deutschen Rechtes in die schweizerische Steuerhoheit darstellen, das mit der im Doppelbesteuerungsabkommen getroffenen Ausscheidung der Steuerobjekte nichts zu tun hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.