82 I 234
34. Urteil vom 5. Dezember 1956 i.S. Lüthold gegen Küng, Niederberger und Obergericht des Kantons Obwalden.
Regeste (de):
- Persönliche Freiheit.
- Die Verfügung, durch die der Zeuge im Vaterschaftsprozess verpflichtet wird, sich einer Blutuntersuchung zu unterziehen, stellt einen Eingriff in seine persönliche Freiheit dar und bedarf daher einer gesetzlichen Grundlage. Die zivilprozessualen Vorschriften über die Zeugnispflicht genügen nicht als gesetzliche Grundlage.
Regeste (fr):
- Liberté individuelle.
- La décision obligeant, dans un procès en recherche de paternité, un témoin à se soumettre à un examen du sang, constitue une atteinte à la liberté individuelle et doit dès lors être fondée sur une base légale. Les dispositions de la loi de procédure civile sur les devoirs des témoins ne sont pas à cet égard une base légale suffisante.
Regesto (it):
- Libertà individuale.
- La decisione che obbliga, in un processo di paternità, un teste a sottoporsi a un esame del sangue lede la libertà individuale e deve perciò avere una base legale. Le prescrizioni della legge di procedura civile sui doveri dei testimoni non sono una base legale sufficiente.
Sachverhalt ab Seite 235
BGE 82 I 234 S. 235
A.- Am 25. November 1954 gebar Frieda Küng ein aussereheliches Kind Paul, als dessen Vater sie Paul Niederberger bezeichnete. Dieser gab in dem beim Kantonsgericht Obwalden eingeleiteten Vaterschaftsprozess zu, ihr am 1. März 1954 beigewohnt zu haben, machte aber geltend, sie habe wenige Tage vorher auch mit Josef Lüthold geschlechtlich verkehrt. Die Kläger bestritten dies und beantragten überdies zum Beweis dafür, dass Lüthold nicht der Vater sein könne, die Durchführung einer Blutgruppenuntersuchung bei diesem und beim Beklagten.
Die zunächst angeordnete Blutuntersuchung der Mutter, des Kindes und des Beklagten schliesst dessen Vaterschaft nicht aus. Anderseits erklärte Lüthold als Zeuge, am 25. Februar 1954 wie schon etwa einen Monat vorher mit Frieda Küng geschlechtlich verkehrt zu haben. Darauf beschloss das Kantonsgericht durch Beweisentscheid vom 8. März 1956, dass Josef Lüthold verpflichtet werde, sich einer Blutgruppenuntersuchung zu unterziehen. In der Begründung führte es aus: Dass der in einen Vaterschaftsprozess verwickelte Dritte verhalten werden könne, sich einer Blutprobe zu unterziehen, werde zwar in der ZPO nicht ausdrücklich vorgesehen, sei aber, wie der bernische und der freiburgische Appellationshof unter gleichen Voraussetzungen angenommen hätten (ZBJV 1949 S. 269 und SJZ 1955 S. 174), auf Grund ausdehnender Auslegung der Zeugnispflicht anzunehmen. Das Obergericht des Kantons Obwalden, an das der Beklagte Niederberger appellierte, bestätigte diesen Beweisentscheid mit Urteil vom 13. Juni 1956 mit der Begründung: Da die Blutprobe ein geeignetes Beweismittel zur Überprüfung der Richtigkeit der Aussagen eines Zeugen im Vaterschaftsprozess bilde und bei den Parteien zulässig
BGE 82 I 234 S. 236
sei, dränge sich die Annahme auf, dass sie auch beim Zeugen anwendbar sei. Dem Umstand, dass darin ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Zeugen erblickt werden könnte, sei dadurch Rechnung zu tragen, dass diesem vom vorliegenden Urteil Kenntnis zu geben sei, damit er die Möglichkeit habe, die ihm als passend erscheinenden Rechtsmittel dagegen zu ergreifen.
B.- Darauf reichte Josef Lüthold die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde ein mit dem Antrag, das obergerichtliche Urteil sei wegen Verletzung der Art. 6 KV und 4 BV aufzuheben.
C.- Das Obergericht des Kantons Obwalden und die Kläger im Vaterschaftsprozess beantragen die Abweisung der Beschwerde. Der Beklagte im Vaterschaftsprozess unterstützt den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Wenn die Nichterfüllung der dem Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid auferlegten Pflicht, sich einer Blutgruppenuntersuchung zu unterziehen, keine rechtlichen Nachteile für ihn nach sich zöge, sondern, wie das Obergericht in der Vernehmlassung andeutet, lediglich beweisrechtliche Folgen im Vaterschaftsprozess eintreten liesse, so hätte er kein Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids und wäre daher zur staatsrechtlichen Beschwerde nicht legitimiert. Indessen erscheint dieser Einwand des Obergerichts, der übrigens mit der von ihm angeordneten Eröffnung seines Entscheids an den Beschwerdeführer zur Erhebung von Rechtsmitteln nicht im Einklang steht, als unbegründet. Da die obwaldnischen Gerichte jene Pflicht in Anlehnung an zwei Urteile des bernischen und des freiburgischen Appellationshofes (ZBJV 1949 S. 269 und SJZ 1955 S. 174) aus der Zeugenpflicht ableiten, ist vielmehr davon auszugehen, dass sie diesen Urteilen auch im übrigen folgen, d.h. im Weigerungsfalle zu den in der ZPO gegenüber
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widerspenstigen Zeugen vorgesehenen Massnahmen greifen würden.
2. Da der Beklagte Niederberger der Mutter des Kindes in der kritischen Zeit beigewohnt hat, wird seine Vaterschaft vermutet (Art. 314 Abs. 1
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907 CC Art. 314 - 1 Le disposizioni sulla procedura davanti all'autorità di protezione degli adulti si applicano per analogia. |
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1 | Le disposizioni sulla procedura davanti all'autorità di protezione degli adulti si applicano per analogia. |
2 | Nei casi idonei l'autorità di protezione dei minori può ingiungere ai genitori di tentare una mediazione. |
3 | Se istituisce una curatela, l'autorità di protezione dei minori stabilisce nel dispositivo della decisione i compiti del curatore e le eventuali restrizioni dell'autorità parentale. |
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999 Cost. Art. 64 Ricerca - 1 La Confederazione promuove la ricerca scientifica e l'innovazione.29 |
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1 | La Confederazione promuove la ricerca scientifica e l'innovazione.29 |
2 | Può subordinare il suo sostegno in particolare all'assicurazione della qualità e al coordinamento.30 |
3 | Può istituire, assumere in proprio o gestire centri di ricerca. |
3. Der Beschwerdeführer beruft sich gegenüber der ihm auferlegten Pflicht, sich einer Blutgruppenuntersuchung zu unterziehen, auf die in Art. 6 KV gewährleistete
BGE 82 I 234 S. 238
persönliche Freiheit. Unter dieser Freiheit, die in fast allen Kantonen umfassend gewährleistet ist (vgl. SPOENDLIN, Die verfassungsmässige Garantie der persönlichen Freiheit, Diss. Zürich 1945 S. 17), ist die körperliche Freiheit im Gegensatz zur geistigen, d.h. die Freiheit der Verfügung über den eigenen Körper, zu verstehen. Sie umfasst einmal die Freiheit der Bewegung im Raum und schützt damit gegen physischen Zwang (Festnahme, Einsperrung usw.) wie auch gegen mittelbaren Zwang (Verbote oder Befehle). Ferner schliesst sie das Recht auf körperliche Unversehrtheit ein und bietet damit Schutz gegen staatliche Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit (GIACOMETTI, Staatsrecht der Kantone S. 159/60), worunter auch ein verhältnismässig harmloser und wenig schmerzhafter Eingriff wie die Entnahme von Blut für eine Blutgruppenuntersuchung fällt. Art. 6 KV gewährleistet die persönliche Freiheit allerdings nur "unter Vorbehalt der Gesetzgebung über das Straffrechtsverfahren". Trotz dieser Beschränkung des Vorbehalts auf das Strafprozessrecht kann die persönliche Freiheit, wie der Beschwerdeführer mit Recht nicht bestreitet, auch durch andere Gesetze, insbesondere auch durch die Zivilprozessordnung beschränkt werden. Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass eine Massnahme nur dann gegen die persönliche Freiheit verstösst, wenn sie nicht im öffentlichen Interesse liegt oder ihr eine gesetzliche Grundlage fehlt (BGE 74 I 142). Dass in Fällen wie dem vorliegenden die Durchführung einer Blutgruppenuntersuchung beim Zeugen im Vaterschaftsprozess auch im öffentlichen Interesse der Wahrheitserforschung liegt, ergibt sich schon aus der erwähnten Rechtsprechung der II. Zivilabteilung. Fraglich kann nur sein, ob das Recht des Kantons Obwalden eine gesetzliche Grundlage dafür bietet. Das ist schon dann zu bejahen, wenn eine Gesetzesbestimmung vorhanden ist, aus der die Befugnis, den Zeugen zu einer solchen Untersuchung zu verpflichten, ohne Willkür gefolgert werden kann, denn das kantonale
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Gesetzesrecht kann das Bundesgericht nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel des Art. 4
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999 Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio. |
4. Für die Auslegung zivilprozessualer Vorschriften gelten die allgemeinen Regeln über die Gesetzesauslegung. Als zulässig und mit Art. 4
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999 Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio. |
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999 Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio. |
BGE 82 I 234 S. 240
des Zeugen gehöre (ebenso BRAND, Die Blutprobe als Beweismittel im Zivilprozessrecht, ZSR 1948 S. 91 ff.). Dieser Standpunkt erweist sich indessen als unhaltbar. Die Zeugnispflicht erschöpft sich nach der ZPO des Kantons Obwalden (vgl. Art. 130, 131 und 143) in der Pflicht, vor Gericht zu erscheinen, wahrheitsgetreu über eigene Wahrnehmungen Auskunft zu geben und diese Aussagen mit einem Eid zu bekräftigen. Mit dieser Pflicht, deren Verletzung Zwangsmassnahmen, Ordnungsstrafen und kriminelle Strafen nach sich ziehen kann (Art. 141
SR 272 Codice di diritto processuale civile svizzero del 19 dicembre 2008 (Codice di procedura civile, CPC) - Codice di procedura civile CPC Art. 141 Notificazione per via edittale - 1 La notificazione è fatta mediante pubblicazione nel Foglio ufficiale cantonale o nel Foglio ufficiale svizzero di commercio se: |
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1 | La notificazione è fatta mediante pubblicazione nel Foglio ufficiale cantonale o nel Foglio ufficiale svizzero di commercio se: |
a | il luogo di dimora del destinatario è sconosciuto e non può essere individuato nemmeno con debite, ragionevoli ricerche; |
b | una notificazione è impossibile o dovesse comportare difficoltà straordinarie; |
c | una parte con domicilio o sede all'estero non ha designato un recapito in Svizzera nonostante l'invito rivoltole dal giudice. |
2 | La notificazione è considerata avvenuta il giorno della pubblicazione. |
SR 272 Codice di diritto processuale civile svizzero del 19 dicembre 2008 (Codice di procedura civile, CPC) - Codice di procedura civile CPC Art. 2 Relazioni internazionali - Sono fatte salve le disposizioni dei trattati internazionali e della legge federale del 18 dicembre 19873 sul diritto internazionale privato (LDIP). |
SR 272 Codice di diritto processuale civile svizzero del 19 dicembre 2008 (Codice di procedura civile, CPC) - Codice di procedura civile CPC Art. 218 Spese della mediazione - 1 Le spese della mediazione sono a carico delle parti. |
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1 | Le spese della mediazione sono a carico delle parti. |
2 | Nelle cause in materia di filiazione le parti hanno diritto alla gratuità della mediazione, se:86 |
a | non dispongono dei mezzi necessari; e |
b | la mediazione è raccomandata dal giudice. |
3 | Il diritto cantonale può prevedere altre agevolazioni in materia di spese. |
BGE 82 I 234 S. 241
auch die StPO schränkt die Freiheit nur für den Angeklagten, nicht für den Zeugen ein. Richtig ist allerdings, dass es in Fällen wie dem vorliegenden in hohem Masse wünschbar ist, dass der Zeuge verpflichtet werden kann, sich einer Blutprobe zu unterziehen. Das Interesse des Kindes wie auch das öffentliche Interesse an der Wahrheitserforschung überwiegen dasjenige des Zeugen. Auch erscheint es als stossend, dass der Beklagte die Möglichkeit hat, mit dem Beweismittel der Blutprobe die Vermutung seiner Vaterschaft zu entkräften, während die Durchführung des gleichen Beweismittels zugunsten der Kläger scheitern soll am Widerstand eben des Zeugen, der durch sein Zugeständnis des Geschlechtsverkehrs mit der Mutter Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten begründet hat. Das sind jedoch rechtspolitische Überlegungen, welche die fehlende Rechtsgrundlage nicht zu ersetzen vermögen, sondern nur geeignet sind, den kantonalen Gesetzgeber zu veranlassen, durch Abänderung der ZPO zu bestimmen, welche Personen und unter welchen Voraussetzungen sie verpflichtet und allenfalls gezwungen werden können, die Entnahme von Blut zum Zwecke der Blutgruppenuntersuchung zu dulden. Es kann dafür auf Deutschland verwiesen werden, wo die gesetzliche Grundlage, mangels deren die Pflicht des Zeugen, sich einer Blutprobe zu unterziehen, früher in der Rechtsprechung und von der herrschenden Lehre verneint worden ist (vgl. STEIN-JONAS, Komm. zur ZPO, 15. Auflage 1934, Anm. III 1 vor § 371, MANNHEIM, Freiheitsschutz, in "Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung" 1929 Bd. 1 S. 344), durch § 372 a in der Fassung des Gesetzes vom 12. September 1950 geschaffen worden ist (zur Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung Juristenzeitung 1952 S. 427 ff., zur Auslegung STEIN-JONAS-SCHÖNKE, Komm. 17. Auflage).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Obwalden vom 13. Juni 1956 aufgehoben.