81 IV 124
26. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Mai 1955 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz.
Regeste (de):
- Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 335 - 1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist. 2 Die Kantone sind befugt, die Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen zu bedrohen. - Die Kantone können nicht die einfache widernatürliche Unzucht als Übertretung mit Strafe bedrohen.
Regeste (fr):
- Art. 335 ch. 1 al. 1 CP.
- Les cantons n'ont pas le droit de frapper d'une peine la simple débauche contre nature.
Regesto (it):
- Art. 335 cifra 1 cp. 1 CP.
- I cantoni non hanno la facoltà di colpire con una pena gli atti di semplice libidine.
Sachverhalt ab Seite 125
BGE 81 IV 124 S. 125
A.- S. traf in der Nacht vom 5./6. November 1953, angetrunken aus einem Wirtshaus kommend, den K., der ebenfalls Wirtshäuser besucht hatte. Die beiden gingen auf Vorschlag K.s, der den andern als Homosexuellen kannte und bei ihm Geld zu verdienen hoffte, an einen abgelegenen Ort. Dort griffen sie sich gegenseitig an das Geschlechtsglied. Da S. kein Geld geben wollte, kam es zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf S. den K. mit einem Messer in die Schulter stach.
B.- S. wurde vom Kantonsgericht von Schwyz am 28. Juni 1954 wegen einfacher Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,176 |
C.- S. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung. In der Verurteilung wegen einfacher widernatürlicher Unzucht sieht er einen Verstoss gegen Bundesrecht, weil in den Beratungen über das Strafgesetzbuch zum Ausdruck gekommen sei, dass solche Handlungen straflos zu bleiben hätten und die Übertretungstatbestände auf dem Gebiete der Sittlichkeit in Art. 205 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,176 |
BGE 81 IV 124 S. 126
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
3. Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 335 - 1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist. |
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1 | Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist. |
2 | Die Kantone sind befugt, die Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen zu bedrohen. |
BGE 81 IV 124 S. 127
(Abs. 1), deren Erwirkung durch Missbrauch der Notlage, eines Amts- oder Dienstverhältnisses oder einer auf ähnliche Weise begründeten Abhängigkeit (Abs. 2) und die gewerbsmässigen unzüchtigen Handlungen mit Personen gleichen Geschlechts (Abs. 3). Damit bringt es zum Ausdruck, dass der Bundesgesetzgeber nur diese schweren Fälle als strafwürdig erachtet, einfache widernatürliche Unzucht dagegen straflos zu bleiben hat. Dass das die Meinung der gesetzgebenden Behörden war, ergibt sich klar auch aus den Beratungen der Bundesversammlung, die, nicht ohne Widerstand, Art. 194 gutgeheissen hat (vgl. StenBull, Sonderausgabe, NatR 376 ff., 392 ff., 519 ff., StR 189 ff.). Ob die Kantone dennoch berechtigt wären, einfache widernatürliche Unzucht als Verstoss gegen die öffentliche Ordnung mit Übertretungsstrafe zu belegen, kann sich nicht fragen, da ein Verstoss gegen die öffentliche Ordnung nicht vorliegt. Die einfache widernatürliche Unzucht tritt öffentlich sowenig in Erscheinung wie z.B. die einfache Unzucht zwischen Personen verschiedenen Geschlechts, die von Bundesrechts wegen straflos zu bleiben hat (BGE 68 IV 110). Auch spielen sich die damit gelegentlich verbundenen Tätlichkeiten und Erpressungen ihrem Wesen nach nicht in der Öffentlichkeit ab. Das Treiben der Strichjungen sodann fällt unter Art. 194
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 194 - 1 Wer eine exhibitionistische Handlung vornimmt, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft. |
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1 | Wer eine exhibitionistische Handlung vornimmt, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft. |
2 | In schweren Fällen ist die Strafe Geldstrafe. Die Tat wird auf Antrag verfolgt. |
3 | Unterzieht sich die beschuldigte Person gemäss Anordnung der zuständigen Behörde einer ärztlichen Behandlung, so wird das Verfahren eingestellt. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,176 |
BGE 81 IV 124 S. 128
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationhof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin teilweise gutgeheissen, dass das Urteil des Kantonsgerichtes von Schwyz vom 28. Juni 1954 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der Anklage der einfachen widernatürlichen Unzucht und zur Bestrafung wegen einfacher Körperverletzung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.