81 I 106
21. Auszug aus dem Urteil vom 1. April 1955 i.S. Barth gegen Regierungsrat des Kantons Bern.
Regeste (de):
- Bäuerlicher Grundbesitz, Einspruch gegen Liegenschaftsverkauf.
- Begriff des landwirtschaftlichen Heimwesens (Art. 19
EGG).
Regeste (fr):
- Propriété foncière rurale.
- Opposition à la vente de biens-fonds.
- Que faut-il entendre par domaine agricole? (art. 19 de la loi sur le maintien de la propriété foncière rurale).
Regesto (it):
- Proprietà fondiaria agricola.
- Opposizione alla vendita di beni immobili.
- Nozione del podere agricolo (art. 19 della legge sulla conservazione della proprietà fondiaria agricola).
Sachverhalt ab Seite 106
BGE 81 I 106 S. 106
Aus dem Tatbestand:
Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 10. Oktober 1952 verkaufte Hans Boo, Metzgermeister in Saanen, dem Beschwerdeführer Alfons Barth, der in Schönenwerd ein Architekturbureau betreibt, das Grundstück G. B. Saanen Nr. 1433, umfassend rund 115 a Land (Wiese und Gebäudeplätze), ein für Fr. 5400.-- versichertes Bauernhaus und eine für Fr. 7900.-- versicherte Scheune mit Stallungen. Der Kaufpreis wurde auf Fr. 26'000.-- festgesetzt. Hans Boo hatte das Grundstück im Jahre 1940 von einem Landwirt
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erworben, der es mit seiner Familie bewohnt und bewirtschaftet hatte. Die Scheune und das Land hatte Boo dann einem anderen Landwirt in Pacht gegeben. Das Wohnhaus scheint eine Zeitlang, weil baufällig, nicht mehr bewohnt gewesen zu sein. Der Beschwerdeführer baute es nach Abschluss des Vertrages mit Boo, ohne den Eigentumsübergang abzuwarten, zu einem Ferienhaus aus. Nachdem am 1. Januar 1953 das BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 (EGG) in Kraft getreten war, wurde der Kaufvertrag vom 10. Oktober 1952 zur Eintragung im Grundbuch angemeldet. Der Grundbuchverwalter erhob gestützt auf Art. 19
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Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Das EGG findet nach der in seinem Art. 2 aufgestellten Regel Anwendung auf Liegenschaften, die ausschliesslich oder vorwiegend landwirtschaftlich genutzt werden. Dem Einspruchsverfahren, zu dessen Einführung Art. 18 die Kantone ermächtigt, sind indes nach Art. 19 nur Kaufverträge über "landwirtschaftliche Heimwesen oder zu einem solchen gehörende Liegenschaften" unterstellt. Was unter einem landwirtschaftlichen Heimwesen zu verstehen ist, sagt diese Bestimmung nicht. Nach allgemeinem schweizerischem Sprachgebrauch setzt es sich zusammen aus Land - im Sinne des Art. 2
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EGG, wonach die Vorschriften dieses Gesetzes darauf abzielen, den bäuerlichen Grundbesitz als Träger eines gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes zu schützen, die Bodennutzung zu fördern, die Bindung zwischen Familie und Heimwesen zu festigen und die Schaffung und Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe zu begünstigen. Unerheblich ist, ob der Eigentümer das Heimwesen selbst bewirtschaftet oder durch einen Pächter bewirtschaften lässt; das EGG schützt schlechthin den bäuerlichen Grundbesitz als Träger des Bauernstandes. Anderseits wird man Liegenschaften, die zwar zu einem und demselben bäuerlichen Betriebe gehören, aber nicht den gleichen Eigentümer haben, jedenfalls in der Regel nicht als Bestandteile eines und desselben landwirtschaftlichen Heimwesens betrachten können. Beschwerdeführer und Regierungsrat gehen davon aus, dass das Einspruchsverfahren nur Anwendung finden könne, wenn es sich um ein Heimwesen handle, das einer Familie die hauptsächliche Existenzgrundlage biete. Das eidg. Justiz- und Polizeidepartement schliesst sich ihrem Standpunkte an, unter Hinweis auf Art. 1 der Verordnung des Bundesrates über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen vom 16. November 1945 (LEV), wonach unter solchen Heimwesen eine Gesamtheit von Land und Gebäuden zu verstehen ist, die der Gewinnung und Verwertung organischer Stoffe des Bodens dienen und einen Betrieb von genügendem Umfang bilden, um nach ortsüblicher Auffassung und bei sachgemässer Wirtschaftsführung "einer Familie die wesentliche wirtschaftliche Existenzgrundlage zu bieten". Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Die Umschreibung in Art. 1 LEV mag massgebend sein für die Auslegung des Art. 10 des BG über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen vom 12. Dezember 1940 (LEG), wo die Rede ist von landwirtschaftlichen Heimwesen, die für den Eigentümer und seine Familie die wesentliche Existenzgrundlage bilden, und auch des Art. 38
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Heimwesen die Betriebsaufsicht vorsieht. Art. 19
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und wirtschaftlichen Verhältnisse des Eigentümers des Heimwesens von wesentlicher Bedeutung, was denn auch in Art. 10 ff. LEG, Art. 1 LEV und Art. 38 ff
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