80 IV 6
2. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. März 1954 i. S. Rieben gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste (de):
- Art. 29
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt:
a als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; b als Gesellschafter; c als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder d ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. - Wann erlischt das Recht, wegen Vernachlässigung von Unterstützungspflichten Strafantrag zu stellen?
Regeste (fr):
- Art. 29 CP.
- Quand le droit de porter plainte pour violation d'une obligation d'entretien s'éteint-il?
Regesto (it):
- Art. 29 CP.
- Quando si estingue il diritto di sporgere querela per violazione di un obbligo di assistenza?
Sachverhalt ab Seite 6
BGE 80 IV 6 S. 6
A.- Otto Rieben wurde durch das am 9. Januar 1948 rechtskräftig gewordene Scheidungsurteil des Amtsgerichtes Luzern-Stadt vom 20. November 1947 verpflichtet, monatlich Fr. 120.-- an den Unterhalt der geschiedenen Ehefrau Katharina Kost und, bis zur Mündigkeit des Berechtigten, monatlich Fr. 50.- an den Unterhalt des Kindes Marie Luise, geb. 1. Juli 1932, zu bezahlen. Er hatte von Anfang an die Absicht, diese Unterhaltspflichten nicht zu erfüllen. Tatsächlich leistete er nichts. Vom 9. Januar 1948 bis 31. Juli 1949 und vom 29. November 1951 bis 31. Januar 1952 hatte er ein festgestelltes Einkommen. Vom 1. August 1949 bis 28. November 1951 floss sein Einkommen dagegen nicht regelmässig; wie hoch es war, konnte nicht ermittelt werden.
B.- Am 5. März 1952 stellte Katharina Kost gegen Rieben Strafantrag wegen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht. Das Obergericht des Kantons Luzern als zweite Instanz erklärte Rieben am 15. April 1953 dieses Vergehens für die Zeit vom 9. Januar 1948 bis 31. Juli 1949 und vom 29. November 1951 bis 31. Januar 1952 schuldig und verurteilte ihn zu drei Monaten Gefängnis. Für die Zeit vom 1. August 1949 bis 28. November 1951 erachtete es den Schuldbeweis nicht als erbracht.
C.- Rieben führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung zurückzuweisen. Er macht unter anderem geltend, er dürfe nur für die
BGE 80 IV 6 S. 7
letzten drei Monate vor dem 5. März 1952 verfolgt werden. Der an diesem Tage gestellte Strafantrag erfasse die früheren Handlungen nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn man in ihnen ein fortgesetztes Vergehen sehen dürfte.
D.- Die Staatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, der Beschwerdeführer dürfe nur wegen des Verhaltens in der Zeit vom 29. November bis 31. Januar 1952 bestraft werden. Ein rechtzeitig gestellter Strafantrag gelte zwar für die ganze Dauer eines fortgesetzten Deliktes. Im vorliegenden Falle sei aber der Fortsetzungszusammenhang unterbrochen worden, da das Obergericht feststelle, dass der Schuldbeweis für die Zeit vom 1. August 1949 bis 28. November 1951 nicht erbracht sei. Das Urteil sei daher aufzuheben und die Sache zu milderer Bestrafung zurückzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Vernachlässigung von Unterhaltspflichten wird gemäss Art. 217
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 217 - 1 Wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Das Antragsrecht steht auch den von den Kantonen bezeichneten Behörden und Stellen zu. Es ist unter Wahrung der Interessen der Familie auszuüben. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
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a | als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; |
b | als Gesellschafter; |
c | als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder |
d | ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 71 - 1 Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist. |
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1 | Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist. |
2 | Das Gericht kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
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a | als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; |
b | als Gesellschafter; |
c | als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder |
d | ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. |
BGE 80 IV 6 S. 8
in BGE 78 IV 168 entschieden, der Schuldner von Unterhaltsbeiträgen dürfe nicht nur wegen Nichterfüllung der in den letzten drei Monaten vor Stellung des Strafantrages fällig gewordenen Raten verfolgt werden, sondern Art. 29
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
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a | als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; |
b | als Gesellschafter; |
c | als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder |
d | ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 71 - 1 Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist. |
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1 | Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist. |
2 | Das Gericht kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde. |
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BGE 80 IV 6 S. 9
entschieden hat (nichtveröffentlichtes Urteil vom 15. Juni 1945 i.S. Sterchi), noch binnen drei Monaten gestellt werden, nachdem der Verletzte von der letzten strafbaren Tätigkeit des Beschuldigten, die zusammen mit der vorausgegangenen ein einheitliches Vergehen bildet, Kenntnis erhalten hat. Dass aber der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Nichterfüllung von Unterhaltsbeiträgen auf Grund eines einheitlichen Willensentschlusses, also fortgesetzt begangen hat, ist im angefochtenen Urteil verbindlich festgestellt, führt doch das Obergericht aus, er habe die Absicht, die Unterhaltspflicht nicht zu erfüllen, von Anfang an gehabt, und er sei nie gewillt gewesen, seiner Verpflichtung nachzukommen. Unerheblich ist, dass für die Zeit vom 1. August 1949 bis 28. November 1951 seine Leistungsfähigkeit nicht bewiesen werden konnte. Das hat lediglich zur Folge, dass der Richter annehmen muss, während dieser Zeit sei es dem Beschwerdeführer aus einem objektiven Grunde (mangelnde Leistungsfähigkeit) nicht möglich gewesen, sich strafbar zu machen. Dass er während dieser Zeit auch den früher gefassten Entschluss, die Unterhaltspflicht gegenüber Katharina Kost und ihrem Kinde überhaupt nicht zu erfüllen, aufgegeben habe, steht damit nicht fest. Es liegt übrigens auf der Hand, dass er an diesem Willen auch während der erwähnten Periode festhielt; hätte er ihn aufgegeben, so hätte er die Unterhaltspflicht erfüllt, sobald er dazu objektiv wieder in der Lage war. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ist daher der "Fortsetzungszusammenhang" nicht unterbrochen worden. Ein fortgesetztes Vergehen erfordert nicht, dass der Täter ununterbrochen in der Lage sei, es zu verüben, ja nicht einmal, dass er es zu jeder Zeit, da ihm dies möglich ist, tatsächlich begehe. Es genügt, dass er den einheitlichen Willensentschluss in der Zwischenzeit nicht aufgebe. Die Rüge des Beschwerdeführers, er habe für sein vor dem 5. Dezember 1951 liegendes Verhalten nicht verfolgt werden dürfen, hält somit nicht stand.