BGE 79 I 29
5. Auszug aus dem Urteil vom 4. Februar 1953 i. S. Dornacheck A.-G. gegen
Kantone Bern und Luzern.
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Regeste:
Doppelbesteuerung: Ausscheidung der Besteuerungsrechte bei einer
Immobiliengesellschaft mit Liegenschaftsbesitz ausserhalb des Kantons ihres
Sitzes.
Double imposition Partage de la souveraineté fiscale dans le cas d'une société
immobilière qui est propriétaire d'immeubles en dehors du canton où elle a son
siège.
Doppia imposta: Divisione della sovranità fiscale nel caso d'una società
immobiliare che è proprietaria di stabili situati fuori del cantone ove ha la
sua sede.
A. - Die Beschwerdeführerin «Dornacheck A.G.», eine 1938 gegründete
Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von Fr. 100800.-, hat ihren Sitz in
Luzern und bezweckt den An- und Verkauf von Liegenschaften und die Überbauung
von Grundstücken sowie die Tätigung aller damit zusammenhängenden
Rechtgeschäfte. Sie erwarb zunächst Bauland in Luzern und erstellte dort
mehrere Wohnhäuser; sodann kaufte sie im Jahre 1944 ein Grundstück in Bern und
errichtete darauf das Geschäftshaus Effingerstrasse 31. In der Folge verkaufte
sie Häuser in Luzern, das letzte im Juni 1948 mit einem Gewinn von Fr Nach der
Bilanz per 31. Dezember 1950 setzen sich ihre Aktiven wie folgt zusammen:
Bürohaus und Land in Bern Fr. 1947837.50 89,6%
Postcheck, Banken, Debitoren, Darlehen, transit.
Aktiven » 226061.51 10,4%
Fr. 2173899.01 100,0%
Für die Steuerjahre 1951/52 ist die Beschwerdeführerin sowohl in Luzern als
auch in Bern auf Grund der Bilanz per 31. Dezember 1950 sowie des
durchschnittlichen Geschäftsergebnisses der Jahre 1948/49 veranlagt worden.
a) Vorn steuerbaren Kapital beanspruchte jeder Kanton denjenigen Teil, der dem
Verhältnis der ihm örtlich zugehörigen Aktiven entspricht, d. h. Luzern 10,4%
und Bern 89,6%.
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b) Bei der Berechnung seines Anteils am steuerbaren Gewinn wandte jeder Kanton
einen anderen Verteiler an:
Der Kanton Luzern setzte den steuerbaren Gewinn unter Einrechnung des im Jahre
1948 beim Verkauf der Liegenschaft in Luzern erzielten Gewinnes für 1948 auf
Fr. 63332.- und für 1949 auf Fr. 22976. d. h. durchschnittlich Fr. 43100.-
fest und berechnete den Anteil des Kantons Luzern hieran wie folgt:
1948 1949
10% als Vorausanteil 6333 2297
49,52% des restlichen Ge-winns von 1948
entsprechend dem Verhältnis des beim
Liegenschaftsverkauf er-zielten Gewinnes zum
gesam-ten Bruttogewinn von 1948
28226 -
zusammen Fr. 36956.-
im Jahresdurchschnitt » 18400.- (abgerundet)
(Einspracheentscheid der Staatssteuerkommission für die juristischen Personen
vom 23. Juni 1952).
Der Kanton Bern setzte den steuerbaren Reingewinn und zwar ebenfalls unter
Einrechnung des im Jahre 1948 beim Verkauf der Liegenschaft in Luzern
erzielten Gewinnes, im Durchschnitt der Jahre 1948/49 auf Fr. 45800.- fest und
beanspruchte diesen Gewinn zunächst ganz zur Besteuerung
(Veranlagungsverfügung der kantonalen Steuerverwaltung vom 19. November 1951),
schied dann aber 10% als Vorausanteil und vom Rest 10,4% nach Massgabe der
Kapitalfaktoren, d.h. insgesamt Fr. 8870.- als Anteil des Kantons Luzern aus
und gelangte so zu einem im Kanton Bern steuerbaren Reingewinn von abgerundet
Fr. 36900.- (Einspracheverfügung der kantonalen Steuerverwaltung vom 24.
September 1952).
B. - Die Dornacheck A. G. hat gegen die Kantone Luzern und Bern
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
dem Antrag, es seien die steuerbaren Anteile der beiden
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Kantone am Reingewinn und am Kapital nach der bundesgerichtlichen Praxis
festzusetzen. Sie verweist auf die in beiden Kantonen ergangenen Veranlagungs-
und Einspracheentscheide und macht geltend, aus den damit erhobenen
Steueransprüchen ergebe sich eine unzulässige Doppelbesteuerung.
C. - Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt Abweisung der Beschwerde,
soweit sie sich gegen den Kanton Bern richtet. Die Aufteilung sowohl des
Kapitals wie des Gewinns habe für die Steuerjahre 1951/52 nach den in den
Kantonen lokalisierten Betriebsfaktoren auf Grund des Abschlusses per 31.
Dezember 1950 zu erfolgen (BGE 54 I 409). Der Kanton Luzern wolle indessen die
Aufteilung des Gewinns nicht nach diesen für die Veranlagungsperiode 1951/52
gültigen Verteilungsfaktoren vornehmen, sondern nach den in der
Bemessungsperiode 1948/49 stattgefundenen Geschäftsvorgängen (Verkauf einer
Liegenschaft in Luzern), was der im Urteil des Bundesgerichts vom 9. Mai 1951
i. S. Papierfabriken Landquart deutlich auseinandergesetzten Praxis
widerspreche.
D. - Der Regierungsrat des Kantons Luzern beantragt Abweisung der Beschwerde,
soweit sie sich gegen den Kanton Luzern richtet. Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung unterständen Grundstücke und der bei ihrem Verkauf erzielte
Gewinn im allgemeinen der Steuerhoheit desjenigen Kantons, in dem das
Grundstück liege. Der Kanton Luzern habe somit Anspruch auf 10 % des
steuerbaren Gewinns zufolge des in Luzern befindlichen Geschäftssitzes der
Beschwerdeführerin sowie auf den Gewinn aus dem Verkaufe der Liegenschaft in
Luzern, weshalb die luzernische Einschätzung der Beschwerdeführerin zu
schützen sei.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Kantone Luzern und Bern wollen die Beschwerdeführerin je für eine
Quote ihres Kapitals und ihres
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Gesamtertrages besteuern, wobei sie die von ihnen beanspruchte Quote des
Kapitals nach dem gleichen Verteilungsschlüssel, die Quote des Gewinns dagegen
in verschiedener Weise berechnen. Eine Aufteilung des Gesamtreinvermögens und
des Gesamtreingewinns nach Quoten findet jedoch nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung nur bei einer interkantonalen Unternehmung statt. Als solche
wäre die Beschwerdeführerin, die ihren Sitz in Luzern hat, nur zu betrachten,
wenn sie in Bern eine sogenannte Betriebsstätte hätte, d. h. wenn mit dem
dortigen Liegenschaftsbesitz eine geschäftliche Tätigkeit verbunden wäre (BGE
77 I 39, 78 I 328). Das ist jedoch nicht der Fall. Das Bundesgericht hat in
ständiger Rechtsprechung entschieden, dass eine Versicherungsgesellschaft, die
ausserhalb des Kantons ihres Geschäftssitzes Liegenschaften besitzt, dein
Privaten gleich sei, der sein Vermögen in Grundstücken anlege und daraus
Erträgnisse ziehe; ihr Liegenschaftsbesitz bilde lediglich eine
Vermögensanlage und begründe keine Betriebsstätte, weshalb sie in den
Liegenschaftskantonen lediglich in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin eines
hier gelegenen Grundstückes, für ihren Geschäftsbetrieb dagegen einzig an
ihrem Sitze besteuert werden dürfe (BGE 54 I 391, 74 I 458 Erw. 5 b, 78 I 326
ff.). Das Gleiche muss für eine Immobiliengesellschaft wie die
Beschwerdeführerin gelten. Ihre Geschäftstätigkeit, die nach den Statuten im
An- und Verkauf sowie in der Überbauung von Liegenschaften besteht, wird zur
Hauptsache an ihrem Sitze in Luzern bezw. von dort aus betrieben. Dass sie in
Bern ein Grundstück erworben und überbaut hat, hängt zwar mit ihrer
Geschäftstätigkeit zusammen, doch - begründet der Besitz dieser Liegenschaft
keine Betriebsstätte, da die Beschwerdeführerin in der Liegenschaft keinerlei
kaufmännische oder gewerbliche Tätigkeit ausübt und sie auch von Luzern, dem
Sitze der Gesellschaft, aus verwaltet.
Daraus ergibt sich zunächst, dass der Kanton Bern dadurch, dass er die
Beschwerdeführerin als
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interkantonales Unternehmen behandelt und für eine Quote des Kapitals und des
Gesamtreinertrages besteuert hat, in die Steuerhoheit des Kantons Luzern
übergegriffen hat. Da die Beschwerdeführerin im Kanton Bern nicht für einen
Teil ihres Geschäftsbetriebes, sondern ausschliesslich in ihrer Eigenschaft
als Grundeigentümerin steuerpflichtig ist, darf sie der Kanton Bern nur für
den Wert der Liegenschaft zur Vermögenssteuer heranziehen, wobei er, als auf
dem Boden der allgemeinen Reinvermögenssteuer stehend, den verhältnismässigen
Schuldenabzug vorzunehmen, d. h. vom Werte der Liegenschaft denjenigen Teil
der gesamten Schulden der Beschwerdeführerin abzuziehen hat, der dem
Verhältnis des Wertes der Liegenschaft zu den gesamten Aktiven der
Beschwerdeführerin entspricht (BGE 74 I 460 Erw. 5 e). Sodann darf der Kanton
Bern die Beschwerdeführerin nicht, wie er es im Einspracheentscheid vom 14.
September 1952 getan hat, für eine Quote ihres Gesamtreingewinnes besteuern,
sondern lediglich für den Reinertrag der Liegenschaft, d. h. für die Einnahmen
an Mietzinsen unter Abzug der Liegenschaftskosten und des verhältnismässigen
Anteils der Schuldzinsen (vgl. zu letzterem BGE 74 I 461 Erw. 5 d). Dagegen
darf er das übrige Einkommen der Beschwerdeführerin und insbesondere den beim
Verkaufe der Liegenschaft in Luzern erzielten Gewinn in keiner Weise erfassen.
Anderseits hat aber auch der Kanton Luzern in die Steuerhoheit des Kantons
Bern übergegriffen. Er darf zwar grundsätzlich das ganze Kapital der
Beschwerdeführerin, nicht nur eine Quote desselben erfassen, hat dabei aber
den im Kanton Bern zu versteuernden Vermögensanteil in Abzug zu bringen.
Ebenso hat er vom Reingewinn der Beschwerdeführerin den im Kanton Bern
besteuerten Reinertrag der Liegenschaft abzuziehen, wie in BGE 78 I 331 Erw. 4
für den Fall einer Versicherungsunternehmung näher ausgeführt worden ist.
2.- ...
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird dahin gutgeheissen dass die
bernische und die luzernische Einschätzung der Beschwerdeführerin für die
Steuerjahre 1951 52 im Sinne der Erwägungen aufgehoben wird.