BGE 78 IV 50
15. Urteil des Kassationshofes vom 3. Mai 1952 i. S. K. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste:
Art. 11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden. |
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1 | Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden. |
2 | Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund: |
a | des Gesetzes; |
b | eines Vertrages; |
c | einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder |
d | der Schaffung einer Gefahr. |
3 | Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte. |
4 | Das Gericht kann die Strafe mildern. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
a) Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist nicht schon zu bewilligen, wenn der
Richter zweifelt oder zweifeln muss, dass der Verurteilte die Tat in voller
Zurechnungsfähigkeit begangen habe, sondern nur, wenn (durch neue Tatsachen
oder Beweismittel) dargetan oder glaubhaft gemacht ist, dass die
Zurechnungsfähigkeit vermindert oder aufgehoben gewesen sei (Erw. 1).
b) Für den das Wiederaufnahmegesuch beurteilenden Richter gilt Art. 13
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
nicht (Erw. 1).
c) Wann ist gestützt auf ein neues Gutachten das Verfahren wieder aufzunehmen?
(Erw. 2).
d) Macht ein durch Hirnblutung herabgemindertes «niveau intellectuel»
glaubhaft, dass Abtreibungsversuche in verminderter Zurechnungsfähigkeit
begangen worden seien? (Erw. 2).
Art. 11, 13 et 397 CP.
a) La révision ne saurait être autorisée parce que le juge doute ou doit
douter que le condamné ait été pleinement responsable de son acte il faut
établir ou rendre vraisemblable, par des faits ou des moyens de preuve
nouveaux, que la responsabilité était restreinte ou supprimée (consid. 1).
b) Le juge saisi de la demande de révision n'a pas à appliquer l'art. 13 CP
(consid. 1).
c) Quand y a-t-il lieu d'autoriser la révision sur la base d'une nouvelle
expertise? (consid. 2).
Seite: 51
d) Un niveau intellectuel réduit par une hémorragie cérébrale rend-il
vraisemblable que l'auteur a tenté des avortements en état de responsabilité
restreinte? (consid. 2).
Art. 11, 13 e 397 CP.
a) La revisione non è ammissibile già quando il giudice ha o deve avere dei
dubbi che il condannato sia stato pienamente responsabile del suo atto occorre
dimostrare o rendere verosimile, mediante fatti o mezzi di prova nuovi, che la
responsabilità era scemata o soppressa (consid. 1).
b) giudice adito con un'istanza di revisione non deve applicare l'art. 13 CP
(consid. 1).
c) Quando una nuova perizia autorizza la revisione? (consid. 2).
d) Uno stato intellettuale ridotto da un'emorragia cerebrale rende verosimile
che l'autore ha tentato gli aborti in uno stato di responsabilità scemata?
(consid. 2).
A. - Das Kriminalgericht des Kantons Luzern verurteilte K. am 6. Juli 1951
wegen eines vollendeten und mehrerer untauglicher Abtreibungsversuche, die er
in den Jahren 1948 bis 1950 begangen hatte, zu zwei Jahren Gefängnis.
K. appellierte an das Obergericht und beantragte, er sei psychiatrisch zu
begutachten. Er legte folgenden an seinen Verteidiger gerichteten «ärztlichen
Bericht» des Dr. med. O. Krummenacher vom 16. Juli 1951 vor:
«Im Einverständnis des Herrn K. bestätige ich, dass Herr K. am 19. Mai 1947
gegen Abend eine Hirnblutung erlitten hat, die sich subjektiv neben Übelkeit
in einer Muskelschwäche der rechtsseitigen Extremitäten, in einer
Empfindungsstörung der rechten Körperhälfte und in einer Sehstörung in Form
von Doppeltsehen, objektiv in gesteigerten Sehnenreflexen rechts und in einer
gekreuzten Augenmuskellähmung bei einem relativ hohen Blutdruckwert von
190/100 mm Hg. äusserte.
Die Folgen dieser Hirnblutung liegen sowohl auf somatischem als auch auf
psychischem Gebiet.
a) Somatische Folgen: Unter dem Einfluss der medikamentösen Behandlung wurden
die Empfindungsstörungen in der rechten Körperhälfte und die Muskelschwäche
der rechtsseitigen Extremitäten fast völlig zum Verschwinden gebracht, während
die Augenmuskellähmung leider unbeeinflusst blieb und heute persistiert. Herr
K. arbeitet somit seit jener Hirnblutung unter erschwerten Bedingungen, da
jedes Auge für sich ein Bild liefert und die beiden Bilder nicht aufeinander
passen; Herr K. sieht bei gewöhnlichem Hinsehen doppelt. Eine Congruenz der
Bilder kommt bei ihm nur bei einer ganz bestimmten Blickrichtung zustande das
Aufsuchen und Einhalten dieser Blickrichtung bedeutet aber eine wesentliche
Komplikation des Arbeitsganges, führt zu vorzeitiger Ermüdung und reduzierter
Leistung.
b) Psychische Folgen: Herr K. ist von Natur aus etwas depressiv
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veranlagt. Es ist völlig klar, dass ein somatischer Dauerschaden wie
vorstehend geschilderte Augenmuskellähmung mit ihrer starken Behinderung bei
einem empfindsamen und depressiv veranlagten Menschen, der ein Geschäft
selbständig führen und für eine Familie aufkommen muss, sich auch psychisch
auswirken muss. Auch die Behinderung im Umgang mit Auftraggebern und
Arbeitern, in der Gesellschaft und allüberall fällt bei solchen Charakteren
doppelt ins Gewicht.
Welche Schäden auf geistigem und psychischem Gebiet eine Hirnblutung als
solche allein - ohne somatische Veränderungen - mit sich bringen kann, ist zur
Genüge bekannt. Von der Abnahme der Gedächtniskraft, von der Unsicherheit in
der Beurteilung äusserer und innerer Tatbestände, von der moralischen Ab- und
Umwertung mit entsprechendem Wegfall psychischer Hemmungen finden sich alle
Übergänge zu schweren und schwersten Veränderungen, ja bis zur völligen
Destruktion der Persönlichkeit.
Ob und in welchem Ausmasse sich die Hirnblutung vom 19. Mai 1947 auf die
Persönlichkeit des Herrn K. nachteilig ausgewirkt hat, bleibe zunächst
dahingestellt; ich bin auch nicht in der Lage, mich dazu verbindlich zu
äussern, da ich mit Herrn K. seit Ende Mai 1948 keinen persönlichen Kontakt
mehr gehabt habe. Ich kannte jedoch Herrn K. und seine Familie schon früher
und schätzte sie als ehrbare, bescheidene und arbeitsame Leute. Wenn sich Herr
K. heute wegen verbotener Eingriffe an keimendem Leben vor dem Strafrichter zu
verantworten hat, so erachte ich es nicht nur als möglich, sondern als beinahe
sicher, dass hier die vorangegangene Hirnblutung den Angeklagten in seiner
Einsicht in den Tatbestand und in dessen moralischen Bewertung wesentlich
beeinträchtigt hat und somit die Verfehlungen wesentlich auf das Konto seines
Krankheitszustandes zu buchen sind. Ich beantrage Ihnen, beim zuständigen
Gericht eine psychiatrische Begutachtung des Angeklagten mit allem Nachdruck
zu verlangen, und wünsch Ihnen einen durchschlagenden Erfolg.»
Das Obergericht bestätigte am 27. September 1951 das Urteil des
Kriminalgerichts, ohne ein psychiatrisches Gutachten einzuholen. Es führte
aus, Anhaltspunkte für verminderte Zurechnungsfähigkeit, die aus einer
Hirnblutung vom Mai 1947 resultieren solle, liessen sich dem Bericht von Dr.
Krummenacher nicht entnehmen. Die Abtreibungshandlungen stünden mit den
gesundheitlichen Folgen, welche die Hirnblutung nach sich zog, in keinem
Zusammenhang. Die Delikte des Angeklagten fänden ihre Motivierung völlig in
den objektiven Tatsachen.
B. - Am 7. Dezember 1951 stellte K. beim Obergericht des Kantons Luzern ein
Gesuch um Wiederaufnähme des Verfahrens. Er berief sich auf ein Schreiben des
Dr. med. Herbert Binswanger an seinen Verteidiger vom 21. November
Seite: 53
1951, das auf den Bericht des Dr. Krummenacher vom 16. Juli 1951 Bezug nahm
und anschiessend daran ausführte:
«Ich habe K. heute in meiner Sprechstunde eingehend untersucht und kam dabei
zu folgenden Ergebnissen: Der Mann macht einen psychisch veränderten Eindruck.
Er ist weitschweifig und langatmig, das Denken ist also recht unscharf. Die
gemütlichen (affektiven) Beziehungen mit ihm sind ungestört; die Affektivität
in formaler Hinsicht ist recht labil. Er nimmt die ganze Strafsache und die
Verurteilung sehr schwer, denn es steht für ihn die familiäre und berufliche
Existenz auf dem Spiel.
Die Orientierungsfunktionen sind intakt. Gedächtnis, Merkfähigkeit und
Aufmerksamkeit sind etwas beeinträchtigt. Das niveau intellectuel ist
offensichtlich herabgemindert. Es liegt demnach ein sog. postapoplektischer
Zustand mit Andeutung eines psychoorganischen Syndroms vor mit
Beeinträchtigung der intellektuellen Funktionen.
Besonders erwähnenswert schien mir die schriftliche Bemerkung des Herrn Dr.
med. Krummenacher, dass er den Expl. früher als rechtschaffenen Mann gekannt
habe. Die ersten inkriminierten Handlungen scheinen aber erst nach erfolgtem
Hirnschlag begangen worden zu sein. Infolgedessen besteht grösster Verdacht,
dass der Expl. damals in seiner psychischen und körperlichen Gesundheit
geschädigt war, dass es ihm dadurch an Kritik und Möglichkeit der Resistenz
gebrach, so dass er mutmasslich in seiner Zurechnungsfähigkeit beeinträchtigt
war. Meiner Meinung nach muss in Anbetracht dieser sehr berechtigten Zweifel
an der Zurechnungsfähigkeit des Expl. eine psychiatrische Expertise
vorgenommen werden. Herr Dr. Krummenacher wird in der Lage sein, über das
psychische Verhalten des Expl. vor der Hirnblutung weitgehend Auskunft zu
erteilen, was der Experte dann mit dem heutigen zu vergleichen vermag, woraus
sich dann vermutlich Schlüsse auf den Geisteszustand des Expl. zur Zeit des
Delinquierens ziehen lassen, bezw. seine Zurechnungsfähigkeit beurteilt werden
kann. o
Das Obergericht wies das Gesuch am 23. Dezember 1951 ab. Zur Begründung führte
es aus, die Vergleichung ergebe, dass im Bericht von Dr. Binswanger nichts
wesentlich Neues enthalten sei. Beide Experten schlössen aus der Hirnblutung
auf mögliche geistige Veränderungen und verminderte Zurechnungsfähigkeit. Der
Bericht des Dr. Binswanger habe nicht mehr Beweiskraft als jener des Dr.
Krummenacher, der den Gesuchsteller und seine Familie schon seit längerer Zeit
kannte. Das neue Gutachten mache also nicht etwas glaubhaft, das im früheren
Verfahren nicht bekannt war. Es vermöge an der Stellungnahme
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des Richters nichts zu ändern. Nach den in BGE 76 IV 36 aufgestellten
Grundsätzen sei deshalb kein Revisionsgrund im Sinne des Art. 397
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
gegeben.
O. - K. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichts vom 23. Dezember 1951 sei aufzuheben und die Sache zur
Gutheissung des Wiederaufnahmegesuches an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Entscheid verletze Art.
397
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
psychiatrische Expertise anzuordnen, wenn er an der Zurechnungsfähigkeit des
Beschuldigten zweifle oder Umstände vorliegen, die normalerweise geeignet
seien, Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit aufkommen zu lassen. Die Vorinstanz
habe diese Grundsätze nicht berücksichtigt. Das Gut achten Binswanger stelle
eine erhebliche neue Tatsache, eventuell ein erhebliches neues Beweismittel
dar, das der Vorinstanz im früheren Verfahren nicht bekannt gewesen sei. Im
Gegensatz zum Bericht Binswanger sei das Attest Krummenacher kein Gutachten.
Dr. Krummenacher habe sich über die psychischen Folgen der Hirnblutung nicht
aussprechen können, während Dr. Binswanger dies eindeutig im Sinne der
Bejahung der verminderten Zurechnungsfähigkeit tue. Darin liege eine neue
Tatsache. Neu sei auch, dass der Bericht Binswanger das Gutachten eines
Spezialisten sei. Eventuell sei dieses ein neues Beweismittel, das sich auch
auf eine schon bekannte Tatsache beziehen könne. Das Gutachten Binswanger sei
aber auch erheblich. Bei Annahme vermindert er Zurechnungsfähigkeit müsste der
Beschwerdeführer wesentlich milder bestraft werden und hätte die Aussicht, bei
einer Gefängnisstrafe von höchstens einem Jahr in den Genuss des bedingten
Strafaufschubes zu kommen. Die Glaubhaftmachung genüge.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Die Voraussetzungen, unter denen von Bundesrechts wegen die Wiederaufnahme
des Verfahrens zu bewilligen
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ist, sind in Art. 397
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
die Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten vor «wegen erheblicher Tatsachen
oder Beweismittel, die dem Gerichte zur Zeit des früheren Verfahrens nicht
bekannt waren». Erheblich sind Tatsachen und Beweismittel nur dann, wenn sie
sich eignen, ein für den Verurteilten wesentlich milderes Sachurteil
herbeizuführen, nicht schon dann, wenn sie den Richter im früheren Verfahren,
falls er sie gekannt hätte, zu bestimmten weiteren Beweismassnahmen hätten
veranlassen müssen, sei es auch von Bundesrechts wegen, insbesondere auf Grund
des Art. 13
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
verpflichtet, den Geisteszustand des Beschuldigten durch einen oder mehrere
Sachverständige untersuchen zu lassen, wenn er, der Richter, an der
Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten zweifelt oder (vgl. BGE 69 IV 53) sich
Zweifel darüber so gebieterisch aufdrängen, dass er solche schlechterdings
nicht unterdrücken darf. Daher kann der Verurteilte die Wiederaufnahme des
Verfahrens nicht schon erwirken, indem er neue Tatsachen oder Beweismittel
vorbringt, auf Grund deren der Richter daran zweifelt oder zweifeln muss, dass
der Verurteilte die Tat im Zustande voller Zurechnungsfähigkeit begangen habe.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens muss nur dann von Bundesrechts wegen
bewilligt werden, wenn dargetan oder zum mindesten glaubhaft gemacht ist (BGE
73 IV 44, 77 IV 214), dass die Zurechnungsfähigkeit vermindert oder aufgehoben
gewesen sei. Dabei ist der Richter, bei dem das Wiederaufnahmegesuch gestellt
wird, nicht verpflichtet, unter den Voraussetzungen des Art. 13
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
Begutachtung anzuordnen, um festzustellen, ob die Tat im Zustande verminderter
oder aufgehobener Zurechnungsfähigkeit begangen worden sei. Art. 13
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
schreibt bloss dem Untersuchungsbeamten im Strafverfahren und dem Sachrichter
die Befragung von Sachverständigen vor, nicht auch dem Richter, der ein
Wiederaufnahmegesuch zu beurteilen hat (BGE 76 IV 77 IV 216).
Seite: 56
Die Rüge des Beschwerdeführers, das Obergericht habe im angefochtenen
Entscheid Art. 13
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
2.- In BGE 76 IV 37 hat das Bundesgericht ausgeführt, ein Wiederaufnahmegrund
liege nicht vor, wenn ein neues Gutachten lediglich als angeblich neues
Beweismittel zu einer bereits im früheren Verfahren geltend gemachten
erheblichen Tatsache, die der Richter nicht als bewiesen erachtet hat,
angerufen wird. Das trifft hier nicht zu. Der Bericht des Dr. Binswanger
bildet nicht ein neues Gutachten über einen Sachverhalt, der bereits in einem
früheren Gutachten dargelegt worden wäre. Dr. Krummenacher hat in seinem
Bericht vom 16. Juli 1951 die Frage nicht erörtert, ob der Beschwerdeführer
die ihm zur Last gelegten Verbrechen im Zustande verminderter
Zurechnungsfähigkeit begangen habe, sondern hat lediglich auf die depressive
Veranlagung des Beschwerdeführers hingewiesen und anschliessend abstrakt
dargelegt, dass sich bei einem so veranlagten Menschen eine Augenmuskellähmung
auch psychisch auswirken müsse und dass zur Genüge bekannt sei, welche Schäden
auf geistigem und psychischem Gebiet eine Hirnblutung als solche, auch wenn
sie keine somatischen Veränderungen zur Folge habe, mit sich bringen könne. Ob
und in welchem Ausmasse sich die Hirnblutung vom 19. Mai 1947 auf die
«Persönlichkeit des Beschwerdeführers nachteilig ausgewirkt habe, hat er
dahingestellt sein lassen. Dr. Binswanger dagegen hat sich im Bericht vom 21.
November 1951 mit dem konkreten Fall, mit dem gegenwärtigen, angeblich von der
Hirnblutung beeinflussten psychischen Zustande des Beschwerdeführers befasst
und gestützt darauf den Verdacht ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer zur
Zeit der Begehung der Verbrechen psychisch geschädigt gewesen sei und es ihm
an «Kritik und Möglichkeit der Resistenz» gebrochen habe. Die Berufung des
Beschwerdeführers auf den Bericht des Dr. Binswanger enthält daher die
Behauptung neuer, dem Richter im früheren Verfahren nicht bekannt
Seite: 57
gewesener Tatsachen, und dieser Bericht selber ist Beweismittel, das die
Behauptung stützen soll.
3.- Die im Bericht des Dr. Binswanger erwähnten neuen Tatsachen sind jedoch
nicht erheblich im Sinne des Art. 397
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
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1 | Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat. |
2 | Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist. |
dass der Beschwerdeführer die Abtreibungsversuche, deretwegen er verurteilt
worden ist, im Zustande verminderter Zurechnungsfähigkeit (Art. 11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden. |
|
1 | Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden. |
2 | Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund: |
a | des Gesetzes; |
b | eines Vertrages; |
c | einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder |
d | der Schaffung einer Gefahr. |
3 | Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte. |
4 | Das Gericht kann die Strafe mildern. |
begangen habe. Dr. Binswanger sagt, der Beschwerdeführer mache einen psychisch
veränderten Eindruck, er sei weitschweifig und langatmig, sein Denken sei
recht unscharf, seine Affektivität in formaler Hinsicht sei recht labil, sein
Gedächtnis, seine Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit seien etwas beeinträchtigt,
sein «niveau intellectuel» sei herabgemindert. Er bezeichnet das als
postapoplektischen Zustand mit Andeutung eines psychoorganischen Syndroms mit
Beeinträchtigung der intellektuellen Funktionen. Inwiefern dieser Zustand die
Fähigkeit des Beschwerdeführers, das Unrecht der begangenen
Abtreibungsversuche einzusehen, oder seine Willenskraft, der Versuchung zur
Begehung dieser Verbrechen zu widerstehen, herabgesetzt haben sollte, wird
nicht gesagt und ist nicht einzusehen. Auch mit einem in der beschriebenen
Weise herabgeminderten «niveau intellectuel» kann voll eingesehen werden, dass
es Unrecht ist, abzutreiben, und kann die nötige Willenskraft aufgebracht
werden, um von solchen Verbrechen abzustehen. Dass der Beschwerdeführer früher
angeblich ein rechtschaffener Mann war, ändert nichts. Nach den Feststellungen
des Kriminalgerichts hat seine Ehefrau schon in den Jahren 1942 und 1943 durch
Frau O. auf Abtreibung gerichtete Eingriffe an sich vornehmen lassen und ist
der Beschwerdeführer beim zweiten Vorfalle zugegen gewesen und hat er so die
Abtreibungsmethode der Frau O. kennen gelernt. In der Untersuchung hat er
erklärt, vor seinem Hirnschlag habe er an seiner Ehefrau dreimal eine
Abtreibung vorgenommen, und seine Ehefrau hat diese Aussage als richtig
bestätigt. Bloss wegen
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Verjährung der Strafverfolgung ist er wegen dieser drei Fälle nicht angeklagt
worden. Hat er schon vor seiner Hirnblutung vom 19. Mai 1947 dreimal
abgetrieben oder abzutreiben versucht, so ist dem Verdacht des Dr. Binswanger,
er habe die späteren Verbrechen unter dem Einfluss einer durch die Hirnblutung
bewirkten psychischen Schädigung begangen, die bei ihm «Kritik und Möglichkeit
der Resistenz» herabgesetzt habe, vollends der Boden entzogen.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Vgl. auch Nr. 18, 19. - Voir aussi nos 18, 19.