S. 282 / Nr. 43 Zollsachen (d)
BGE 78 I 282
43. Urteil vom 4. Juli 1952 i. S. Weitnauer & Cie. gegen Eidg.
Oberzolldirektion.
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Regeste:
Zollnachlass:
1. Beschwerden über die Verweigerung eines Zollnachlasses (Art. 127 ZollG)
fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit des Bundesgerichts als
Verwaltungsgerichtshof.
2. Der Zollnachlass gemäss Art. 127 Abs. 1, Ziff. 3 ZollG ist beschränkt auf
die Nachforderung von Zollbeträgen (Art. 126 ZollG).
Remise des droits de douane:
1. Le Tribunal fédéral est en principe compétent pour connaître des recours
formés contre le refus d'accorder la remise de droits de douane (art. 127 LD).
2. La remise de droits de douane visée par l'art. 127 al. 1 ch. 3 LD ne
concerne que la perception de suppléments (art. 126 LD).
Condono del dazio:
1. I ricorsi contro il rifiuto di accordare il condono del dazio (art. 127 LD)
sono, in via di massima, di competenza del Tribunale federale quale tribunale
amministrativo.
2. Il condono del dazio a norma dell'art. 127 cp. 1 cifra 3 LD concerne
soltanto la riscossione posticipata del dazio (art. 126 LD).
A. - Die Beschwerdeführerin, die in Ba sei ein Zigarren- und
Tabakimportgeschäft en gros betreibt, hat vom 27. Oktober 1949 bis zum 13.
Juni 1950 73,000 unverzollt im Zollfreilager Basel-Dreispitz lagernde Päcklein
amerikanischer Zigaretten an Bruno Bernasconi, Spediteur in Chiasso verkauft
und nach dessen Auftrag mit Zollgeleitschein nach Chiasso transit spediert
oder spedieren lassen. Da es aber Bernasconi gelang, die Ware im Bahnhof
Chiasso mit Hilfe eines Komplizen - unter Umgehung der Zollkontrolle zu
erheben und nach Italien zu schmuggeln, konnten die Geleit scheine nicht
ordnungsgemäss gelöscht werden.
Die Beschwerdeführerin ist für den auf den Zigarettensendungen lastenden
Einfuhrzoll und für die Warenumsatzsteuer
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in Anspruch genommen worden. Die eidg. Zollrekurskommission hat, mit Entscheid
vom 23. August 1951, eine hiegegen gerichtete Beschwerde abgewiesen. Die
Oberzolldirektion hat die Forderung der Zollverwaltung an die
Beschwerdeführerin für Zoll-, Nebenabgaben und Warenumsatzsteuer definitiv auf
Fr. 47,778.20 festgesetzt (ermässigt). Ein Gesuch um Erlass der geforderten
Abgaben wurde abgewiesen.
B. - Die Kommanditgesellschaft Weitnauer & Co. erhebt eine Beschwerde bei der
eidg. Zollrekurskommission mit dem Antrage, ihr gänzlichen Zollerlass im Sinne
von Art. 127, Ziff. 3 ZollG zu gewähren. Zur Begründung wird im wesentlichen
geltend gemacht, die Beschwerdeführerin treffe bei den Vorgängen im Bahnhof
Chiasso keine Schuld. Könne die Schuldlosigkeit nach dem Wortlaut des
Zollgesetzes bei der Feststellung der Zollzahlungspflicht keine
Berücksichtigung finden, so werde sie doch bei der Frage des Erlasses
wesentlich in Betracht fallen.
Ebenso die Tatsache, dass die Zigaretten nicht in der Schweiz verkauft wurden.
Die Bezahlung des Zollbetrages, auch in der Höhe von Fr. 47,779.20, würde die
Beschwerdeführerin unbillig belasten: der Verkaufspreis der Zigaretten belaufe
sich nur auf Fr. 24,210.- und der Handelsgewinn der Beschwerdeführerin nur auf
Fr. 1450.-. Auch sei der Schweiz volkswirtschaftlich keinerlei Schaden
entstanden, nachdem die Zigaretten nicht in der Schweiz verkauft worden seien.
Durch die Erhebung des Zolles bei ihr würde die Beschwerdeführerin zudem zu
einer Regressklage gegen die Schweiz. Bundesbahnen gezwungen.
C. - Die Zollrekurskommission hat sich unzuständig erklärt und die Beschwerde
zur Behandlung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren an das Bundesgericht
abgegeben.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
in Erwägung.
1.- Nach Art. 99 Ziff. VIII OG unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
Entscheide der Oberzolldirektion
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aus dem Gebiete des Gesetzes über das Zollwesen und der zugehörigen
Vollziehungsverordnungen, ausgenommenen Strafen wegen Zoll vergehen und
Ordnungsbussen bis zum Betrage von Fr. 100.- ausgenommen sind ferner
Beschwerden über die Festsetzung von Zollbeträgen (Art. 101 , lit. b OG
Verbindung mit Art. 111, Abs. 1 ZollG).
Die vorliegende Beschwerde wird erhoben wegen Verweigerung eines
Zollnachlasses gemäss Art. 127, Abs. 1 Ziff. 3 ZollG die Zollzahlungspflicht
und die Höhe des geschuldeten Zollbetrages sind nicht bestritten. Die
Beschwerde fällt unter keine der hievor aufgeführten Ausnahmen die
Zollrekurskommission hat ihre Zuständigkeit verneint. Die Beschwerde ist als
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu beurteilen. Sie fällt jedenfalls in den
Kompetenzbereich des Bundesgerichts, insofern darin die Verneinung eines
Erlasstatbestandes im Sinne von Art. 127, Abs. 1, Ziff. 3 ZollG angefochten
wird. Inwieweit eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Bestimmung des
Umfanges eines allfälligen Erlasses anzunehmen wäre, kann dahingestellt
bleiben, da hier die Voraussetzungen überhaupt nicht zutreffen, unter denen
das Gesetz den Erlass von Zollbeträgen vorsieht.
2.- Art. 127, Abs. 1 Ziff. 3 ZollG ermöglicht einen Zollerlass, wenn eine
Nachforderung mit Rücksicht auf besondere Verhältnisse den Zollpflichtigen
unbillig belasten würde. Nachforderungen (Art. 126 ZollG) werden gestellt,
wenn - infolge Irrtums der Zollverwaltung - bei der Zollabfertigung ein nach
Gesetz geschuldeter Zoll oder eine andere durch die Zollverwaltung zu
erhebende Abgabe nicht oder zu niedrig oder eine Rückvergütung zu hoch
angesetzt wurde. Es ist die nachträgliche Berichtigung von Irrtümern, die bei
der Zollabfertigung vorgekommen sind. Bei der danach zu leistenden Nachzahlung
still unter Umständen Nachsicht geübt werden können, z. B. wenn der
Zollpflichtige über die Ware bereits verfügt und sich dabei auf die
Richtigkeit der bei der Zollabfertigung vorgenommenen Abgabeberechnung
verlassen hat, und
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durch die Nachforderung unversehens einer Belastung ausgesetzt wird, für die
er sich nicht mehr erholen kann. Hier wird keine nachträgliche Korrektur eines
bei der Zollabfertigung vorgefallenen Fehlers vorgenommen, sondern es wurden
die Abgabebeträge eingefordert, mit denen die Beschwerdeführerin auf Grund der
von ihr beantragten Geleitscheinabfertigung (Tarif-Gruppe T. 24) von
vornherein rechnen musste (Art. 12 ZollG). Die erste Voraussetzung, unter der
Art. 127, Abs. 1, Ziff. 3 ZollG den Erlass von Zollbeträgen ermöglicht, das
Vorliegen einer Nachforderung im Sinne des Gesetzes, trifft daher
offensichtlich nicht zu. Unter diesem Umständen kann dahingestellt bleiben, ob
hier das weitere Erfordernis für einen Erlass, eine unbillige Belastung des
Zollpflichtigen, anzunehmen wäre.