BGE 78 I 193
27. Auszug aus dem Urteil vom 9. Juli 1952 i. S. Währen gegen Obergericht des
Kantons Solothurn
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Regeste:
Armenrecht. Art. 4
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999 Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio. |
1. Voraussetzungen des bundesrechtlichen Armenrechtsanspruches auf Befreiung
von der Hinterlegung oder Sicherstellung der Prozesskosten und auf Gewährung
eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes.
Beschränkte Kognition des Bundesgerichtes in Beziehung auf die Würdigung der
tatsächlichen Verhältnisse bei Prüfung der Bedürftigkeit.
Begriff der Aussichtslosigkeit; freie Überprüfungsbefugnis des
Bundesgerichtes. auch in Bezug auf eine noch nicht endgültige Feststellung des
Tatbestandes.
2. Kantonaler Armenrechtsanspruch auf Befreiung von der Zahlung der Kosten
nach dem Endurteil. Beschränkte Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichtes bei
der Frage, ob die Voraussetzungen für diesen Anspruch vorliegen.
Assistance judiciaire gratuite. Art. 4 Cst.
1. Dans quelles conditions existe-t-il, de par le droit fédéral, un droit à
l'assistance judiciaire comprenant l'exonération du dépôt ou de la garantie
des frais de procès et la désignation d'un avocat d'office?
Le Tribunal fédéral n'a qu'un pouvoir d'examen limité en ce qui concerne
l'appréciation des circonstances de fait qui constituent l'indigence.
Quand une cause n'a-t-elle pas de chance de succès? Le Tribunal fédéral a
pouvoir de libre examen sur ce point, comme aussi sur les constatations de
fait qui ne sont pas encore définitives.
2. Droit à l'assistance judiciaire issu de la législation cantonale et portant
sur l'exonération des frais après le jugement final. S'agissant de savoir si
les conditions auxquelles la loi subordonne
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ce droit sont réalisées, le Tribunal n'a qu'un pouvoir d'examen limité.
Assistenza giudiziaria gratuita. Art. 4 CF.
1. In quali condizioni esiste, a norma del diritto federale, un diritto
all'assistenza giudiziaria circa l'esonero dal deposito o dalla garanzia delle
spese di causa e la designazione d'un avvocato d'ufficio?
Il Tribunale federale può sindacare soltanto in misura limitata
l'apprezzamento delle circostanze di fatto che costituiscono l'indigenza.
Quando una causa non ha probabilità di buon esito? Il Tribunale federale può
esaminare liberamente questo punto, come pure gli accertamenti di fatto non
ancora definitivi.
2. Diritto all'assistenza giudiziaria che deriva dalla legislazione cantonale
e che concerne l'esonero dalla spese dopo la decisione finale. La questione di
sapere se le condizioni alle quali la legge subordina questo diritto siano
adempite, può essere sindacata dal Tribunale federale solo in misura limitata.
Gegen ein Urteil des Amtsgerichts Bucheggberg-Kriegstetten, das eine von ihm
erhobene Klage nur teilweise gut hiess, erklärte Währen die Appellation an das
Obergericht des Kantons Solothurn und ersuchte zugleich für das
Appellationsverfahren um den unentgeltlichen Rechtsbeistand. Das Obergericht
wies dieses Gesuch ab.
Gegen diesen Entscheid hat Währen die staatsrechtliche Beschwerde ergriffen
mit dein Antrag, er sei aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, ihm für das
Appellationsverfahren den unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bewilligen.
Der Beschwerdeführer in acht geltend, dass der angefochtene Entscheid eine
Verletzung der Rechtsgleichheit, Rechtsverweigerung bilde, und führt zur
Begründung aus:
Nach § 174 des sol. Gebührentarifs sei der unentgeltliche Rechtsbeistand einer
Partei zu bewilligen, die vermögenslos sei oder deren Einkommen ohne ihr
Verschulden nicht ausreiche, um neben dem Lebensunterhalt die Kosten des
Prozesses aufzubringen, sofern die vorläufige Prüfung ergebe, dass der Prozess
nicht grundlos geführt werde. Es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer
bedürftig sei. Die Annahme des Obergerichts, dass die Appellation aussichtslos
sei, bilde Willkür.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen.
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Aus den Erwägungen:
2.- Nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichts hat eine Partei, die
ohne Beeinträchtigung des notwendigen Lebensunterhaltes für sich und ihre
Familie die Prozesskosten nicht zu bestreiten vermag, in einem für sie nicht
aussichtslosen Zivilprozess schon unmittelbar auf Grund von Art. 4
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999 Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio. |
Anspruch darauf, dass der Richter für sie ohne vorgehende Hinterlegung oder
Sicherstellung der Kosten tätig werde und dass ihr ein unentgeltlicher
Rechtsbeistand beigegeben werde, wenn sie eines solchen zur gehörigen Wahrung
ihrer Rechte bedarf (BGE 57 I 343 Erw. 2; 601 182; 641 3; 67 I 67; 691 159).
Dieser Anspruch der armen Partei auf Rechtsschutz umfasst alle
Prozesshandlungen, die nicht offenbar prozessual unzulässig oder materiell
aussichtslos sind; er gilt unter dieser Voraussetzung nicht bloss für die
Prozessführung vor der ersten Instanz, sondern auch für die Ergreifung von
Rechtsmitteln gegen das erstinstanzliche Urteil (BGE 57 I 347 Erw. 3; 60 I
182).
Unter den gleichen Voraussetzungen, bei Armut und nicht aussichtsloser
Prozessführung, befreien überdies die §§ 174 und 178 ff. des solothurnischen
Gebührentarifs vom 22. Januar 1946 die mittellose Prozesspartei von der
Zahlung von Kosten nach dem Endurteil, abgesehen von gewissen, in den §§ 178
und 179 lit. b Abs. 2 gemachten Ausnahmen.
Im vorliegenden Fall ist auch der bundesrechtliche Armenrechtsanspruch im
Streit, da nach § 221 sol. ZPO die Appellation nur zugelassen wird, wenn die
dem Appellanten aufgelegten erstinstanzlichen Kosten bezahlt werden und die
Appellationsgebühr entrichtet wird.
3.- Die Anwendung der kantonalen Vorschriften über das Armenrecht kann das
Bundesgericht nur daraufhin überprüfen, ob sie ganz offensichtlich unrichtig,
willkürlich sei (BGE 64 I 467 I 68).
Soweit es sich dagegen um die bundesrechtliche Befreiung
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von der Vorschusspflicht handelt, ist das Bundesgericht grundsätzlich frei in
der Prüfung der Frage, ob die Prozessbegehren der mittellosen Partei auf Grund
ihrer Darstellung und der bereits erstellten Tatsachen als aussichtslos zu
betrachten sind (BGE 69 I 160 Erw. 2 und dort zitierte Entscheide). Es kann
dabei in einem Fall, wie dem vorliegenden, wo es sich um eine Appellation
handelt und im Appellationsverfahren die tatsächlichen Feststellungen der
ersten Instanz unbeschränkt nachgeprüft werden können (§§ 218 ff., 138 sol.
ZPO; GuLDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht II S. 464/5), auch frei untersuchen,
ob die Anfechtung dieser Feststellungen aussichtslos sei. Das Bundesgericht
hat freilich entschieden, dass es die Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse
beim Entscheid über die Bedürftigkeit des Armenrechtsgesuchstellers nur
daraufhin überprüfen könne, ob sie willkürlich sei, ganz offensichtlich mit
den Akten im Widerspruch stehe (BGE 67 I 68). Das gilt aber nicht ebenso auch
bei der Beurteilung der Frage der Aussichtslosigkeit.
Als aussichtslos gelten Prozessbegehren nach der neuen Rechtsprechung des
Bundesgerichts dann, wenn die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als
die Verlustgefahren und nicht mehr als ernsthaft bezeichnet werden können.
Halten dagegen die Gewinnaussichten den Verlustgefahren ungefähr die Wage oder
erscheinen sie sogar etwas geringer als diese, so gilt das Prozessbegehren
nicht als aussichtslos (BGE 69 I 160 f.; nicht veröffentlichte Entscheide i.
S. Schmid gegen Luzern vom 2. Mai 1951, i. S. Felix gegen Thurgau vom 30.
Januar 1952).