S. 25 / Nr. 8 Betäubungsmittel (d)

BGE 77 IV 25

8. Auszug ans dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Februar 1951 i. S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Land gegen Hunn und Mitangeklagte.

Regeste:
Art. 11 Abs. 1 Beteubungsmittelgesetz. Begriff des Anbietens von
Betäubungsmitteln.
Art. 11 al. 1 de la loi sur les stupéfiants. Que faut-il entendre par «offrir»
des stupéfiants?
Afl. 11 cp. 1 della legge sui prodotti stupefacenti. Quando si «offre di
vendere» dei predetti stupefacenti?

A. - Hans Wenger bot im Mai 1949 dem Josef Hunn Morphium zum Kaufe an. Hunn
versprach, er wolle sich die Sache überlegen. Er machte den Albert Fleisch auf
die Möglichkeit des Handels mit Morphium aufmerksam, das ihm, Hunn, zu
billigem Preis angeboten worden sei. Fleisch setzte sich mit Mario Giudicetti
in Verbindung und lud ihn ein, sich am Vertrieb von Rauschgift zu beteiligen.
Giudicetti gewann Virgilio Grazia als Interessenten und gab ihm auf Befragen
den Fleisch als Lieferanten des Rauschgiftes an. Diesem meldete Giudicetti,
dass er einen Abnehmer in Aussicht habe. Auf das hin unterrichtete Fleisch den
Hunn und drängte darauf, den

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Lieferanten der Ware kennen zu lernen. Hunn führte in Basel den Fleisch mit
Wenger zusammen, wobei die drei Einzelheiten des geplanten Geschäftes
besprachen und vereinbarten, sich am 4. Juni zur Übergabe der Ware in Mumpf zu
treffen. Nur Wenger begab sich jedoch nach Mumpf; Hunn und Fleisch blieben
aus. Am 5. Juni 1949 teilte Fleisch dem Wenger telephonisch mit, die Abnehmer
würden am Nachmittag nach Stein (Aargau) kommen, um alles Notwendige zu
besprechen. Zur vereinbarten Zeit traf Fleisch mit Giudicetti und Grazia, mit
denen er bereits in seiner Wohnung in Zürich über das Geschäft verhandelt
hatte, in Stein ein, wo auch Wenger erschien. Fleisch schlug dem Wenger vor,
den Interessenten die Ware zu Versuchszwecken in der Schweiz zur Verfügung zu
stellen. Da Wenger entgegnete, dass sein Lieferant, Sickmann in Säckingen, sie
nur gegen Barzahlung herausgebe, Fleisch, Giudicetti und Grazia aber auf die
Zumutung nicht eingingen, sondern mindestens ein Muster verlangten, kam eine
Einigung nicht zustande. Wenger versprach bloss, er werde mit Sickmann weiter
verhandeln, während Fleisch seinerseits zusicherte, er wolle sich bemühen,
dass die Abnehmer annehmbare Bedingungen stellten. Schon am folgenden Tage
erschien Fleisch bei Wenger und teilte ihm mit, dass er mit den Interessenten
weiter verhandelt habe, dass sie jedoch auf ihrem Standpunkt beharrten.
Fleisch unterhandelte wegen des Absatzes des Morphiums noch verschiedentlich
zwischen Wenger und Giudicetti hin und her, doch k am der Kauf nicht zustande.
B. - Am 25. Januar 1950 verurteilte das Strafgericht des Kantons
Basel-Landschaft Wenger, Hunn, Fleisch und Giudicetti wegen Widerhandlung
gegen Art. 11 des Bundesgesetzes vom 2. Oktober 1924 betreffend
Betäubungsmittel (BetMG).
Giudicetti appellierte an das Obergericht, und die Staatsanwaltschaft des
Kantons Basel-Landschaft tat das gleiche zugunsten des Hunn und des Fleisch.

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Das Obergericht sprach am 1. September 1950 die drei Angeklagten frei. Es
führte aus, es habe ihnen nicht nachgewiesen werden können, dass sie willens
gewesen wären, als Käufer und Wiederverkäufer sich in den Rauschgifthandel
einzuschalten; sie seien lediglich Adressenvermittler gewesen und hätten sich
somit keines Vergehens schuldig gemacht. Sie wegen Übertretung von Art. 2 Abs.
3 der Verordnung vom 23. Juni 1925 betreffend den Verkehr mit
Betäubungsmitteln (BetMV) in Verbindung mit Art. 14 BetMG zu verfolgen, sei
dagegen wegen Verjährung nicht mehr möglich, weshalb dahingestellt bleiben
könne, ob die Vermittlung im Sinne des Art. 2 Abs. 3 BetMV überhaupt vollendet
gewesen sei, was Voraussetzung der Bestrafung wäre, da der blosse Versuch
einer Übertretung nicht unter Strafe stehe.
C. - Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft führt
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrage, das Urteil des Obergerichts sei
aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Die
Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, auch die Vermittlung von
Betäubungsmitteln falle unter Art. 11 BetMG. Wenn dem nicht so wäre, müsste
das Verhalten der Vermittler im vorliegenden Falle als Anbieten zum Verkauf
gewürdigt werden. Zum mindestens läge Gehülfenschaft zu versuchtem Verkaufe
(oder Kaufe) des Rauschgiftes vor.
D. - Hunn und Giudicetti beantragen, die Nichtigkeitsbeschwerde sei
abzuweisen. Fleisch ersucht das Bundesgericht, nach Gesetz und Recht zu
urteilen und möglichste Milde walten zu lassen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung
1.- Nach Art. 11 Abs. 1 BetMG ist strafbar, wer unbefugterweise die in Art. 1
BetMG bezeichneten Stoffe «herstellt, verarbeitet, einführt, ausführt, kauft,
besitzt, lagert, verkauft, entgeltlich oder unentgeltlich abgibt oder zum
Verkauf bezw. zur Abgabe anbietet».
Zu Unrecht meint die Staatsanwaltschaft, dass das

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Vermitteln zwischen Käufer und Verkäufer, wie es den Beschwerdegegnern zur
Last fällt, unter den Begriff des Anbietens zum Verkaufe falle. Auch ein
Anbieten zur Abgabe liegt nicht vor. Diese Handlungen setzen ein Angebot
voraus, das der Täter in eigenem Namen oder zum mindesten als Stellvertreter
eines andern macht, so dass bloss noch die Annahme durch den, dem angeboten
wird, nötig ist, um das Rechtsgeschäft über das Betäubungsmittel (Kauf,
Schenkung usw.) zustande zu bringen. Wer bloss nach Art eines Mäklers,
gleichgültig ob entgeltlich oder unentgeltlich, einen Abnehmer oder einen
Lieferanten sucht oder zwischen beiden bloss Botendienste leistet oder als
Dolmetscher, Schreiber und dgl. mithilft, den Abnehmer zum Lieferanten führt,
zwischen ihnen oder ihren Mittelsmännern Zusammenkünfte vereinbart usw., macht
kein Angebot, ist aber Gehülfe im Sinne des Art. 25
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 25 - Wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet, wird milder bestraft.
StGB, wenn er im
Bewusstsein und mit dem Willen handelt, die Abgabe, ein Anbieten zur Abgabe,
einen Kauf oder einen Verkauf zu unterstützen. Die Strafbarkeit solcher
Handlungen als Gehülfenschaft ergibt sich aus Art. 15 BetMG in Verbindung mit
Art. 334
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 334 - Wird in Bundesvorschriften auf Bestimmungen verwiesen, die durch dieses Gesetz geändert oder aufgehoben werden, so sind diese Verweisungen auf die entsprechenden Bestimmungen dieses Gesetzes zu beziehen.
StGB. Die Möglichkeit, den Vermittler, Boten usw. als Gehülfen zu
bestrafen, macht die von der Staatsanwaltschaft angeregte ausdehnende
Auslegung des Begriffs des Anbietens wie auch die bloss analoge Anwendung des
Art. 11 Abs. 1 BetMG überflüssig, ganz abgesehen, dass die Analogie durch Art.
1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
StGB ausgeschlossen wird, wenn sie dazu dienen soll, eine Handlung zu
bestrafen, die das Gesetz nicht mit Strafe bedroht. Damit wird auch das
Argument der Staatsanwaltschaft bedeutungslos, nach dem Sinn und Zweck der
Vorschrift solle der ganze unbefugte Verkehr mit Betäubungsmitteln erfasst
werden. Wer vermittelt oder sonstwie Hülfe leistet, wird vom Gesetz erfasst
und kann gleich bestraft werden wie der Verkäufer, der Anbietende oder der
Käufer (Art. 25
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 25 - Wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet, wird milder bestraft.
StGB).
Zu keiner anderen Auslegung des Gesetzes gibt Art. 2 Abs. 3 BetMV Anlass.
Diese Bestimmung, die neben dem

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Kauf und dem Verkauf, der Abgabe und anderen Handlungen auch die Vermittlung
nennt, umschreibt den Begriff des «Verkehrs» im Sinne der Verordnung, nicht
den des «Anbietens» im Sinne des Art. 11 Abs. 1 BetMG. Anderseits ist dem Art.
11 BetMG der Begriff des Verkehrs fremd.
Auch den Gesetzesmaterialien lässt sich nicht entnehmen, dass das Anbieten zum
Verkaufe oder zur Abgabe die Vermittlung zwischen dem Lieferanten und dem
Abnehmer mit umfasse. Indem man das Anbieten unter Strafe stellte, wollte man
schon den blossen Versuch des Verkaufs oder der Abgabe treffen, insbesondere
das im Schleichhandel übliche Anbieten zur Nachtzeit auf der Strasse oder in
Vergnügungslokalen (vgl. StenBull 1924 NatR 46, Votum Lachenal, und StR 86,
Votum Moriaud; STÄMPFLI, SJZ 22 199), nicht den Kreis der Täter auf blosse
Vermittler oder andere Hilfspersonen ausdehnen.
2.- Giudicetti macht zu Unrecht geltend, dass er und die beiden andern
Beschwerdegegner Gehülfenschaft bloss zu leisten versucht hätten und dass die
versuchte Gehülfensehaft bloss einem versuchten Anbieten von Rauschgift
gedient habe. Wenger hat Morphium nicht nur anzubieten versucht, sondern an
der Zusammenkunft in Stein tatsächlich angeboten. Dass er die Ware nicht bei
sich hatte, ist unerheblich. Art. 11 Abs. 1 BetMG bedroht mit Strafe schon das
Anbieten zum Verkaufe, also das Angebot (die Offerte) zum Abschluss eines
Rechtsgeschäfts, nicht bloss das Anbieten im Sinne einer versuchten Übergabe
der Ware (Übertragung des Gewahrsams an der Ware). Die Beschwerdegegner
ihrerseits haben zu dem vollendeten Anbieten zum Verkaufe nicht nur Hülfe zu
leisten versucht, sondern tatsächlich geleistet, indem sie durch ihre
Vermittlertätigkeit bewusst und gewollt dazu beigetragen haben, dass Wenger
dem Grazia in Stein das Angebot machen konnte. Fleisch und Giudicetti sind
sogar weiter gegangen, indem sie, nachdem das Angebot gemacht war, sich darum
bemühten, den

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Kauf zwischen Wenger und Grazia zustande zu bringen. In Stein verlangten sie,
dass Wenger ein Muster des angebotenen Morphiums beschaffe, und nach der
Zusammenkunft verhandelten sie weiter mit ihm, Fleisch unmittelbar und
Giudicetti durch Vermittlung des Fleisch.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergericht des
Kantons Basel-Landschaft vom 1. September 1950 aufgehoben und die Sache zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 77 IV 25
Datum : 01. Januar 1951
Publiziert : 16. Februar 1951
Quelle : Bundesgericht
Status : 77 IV 25
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 11 Abs. 1 Beteubungsmittelgesetz. Begriff des Anbietens von Betäubungsmitteln.Art. 11 al. 1 de...


Gesetzesregister
StGB: 1 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
25 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 25 - Wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet, wird milder bestraft.
334
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 334 - Wird in Bundesvorschriften auf Bestimmungen verwiesen, die durch dieses Gesetz geändert oder aufgehoben werden, so sind diese Verweisungen auf die entsprechenden Bestimmungen dieses Gesetzes zu beziehen.
BGE Register
77-IV-25
Stichwortregister
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SJZ
22 S.199