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BGE-77-IV-188


S. 188 / Nr. 43 Strassenverkehr (d)

BGE 77 IV 188

43. Urteil des Kassationshofes vom 28. September 1951 i. S. Engeler gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen.

Regeste:
Art. 57 MFV ist auch anwendbar, wenn der auf Schweizerischen Strassen
verkehrende Führer den Alkohol im Auslande getrunken hat. Begriff der
Präsenzzeit.
L'art. 57 RA s'applique aussi lorsque les boissons alcooliques ont été
consommées à l'étranger. Notion des heures de présence.
L'art. 57 RLA è applicabile anche quando il conducente dell'autoveicolo, che
circola su strade svizzere, ha abusato di bevande alcoli die all'estero.
Nozione delle ore di presenza.

A. - Taxihalter Rudolf Engeler in St. Gallen führte am 29. Mai 1950 mit seinem
vollbesetzten achtplätzigen Personenwagen eine Fahrt von St. Gallen über
Walzenhausen und St. Margrethen nach Bregenz aus. In Lochau bei Bregenz

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nahmen Führer und Reisegesellschaft das Mittagessen ein. Engeler trank bei
dieser Gelegenheit Wein. Auf dem Heimweg kehrte er etwa um 16 Uhr in Dornbirn
mit seinen Fahrgästen nochmals ein und trank wiederum Wein. Dann fuhr er
wieder in die Schweiz ein, um über Heerbrugg-Altstätten-Stoss am gleichen
Abend nach St. Gallen zurück zu gelangen. Etwa um 18.20 Uhr überholte er auf
der Strecke Marbach-Lüchingen eine Radfahrerin. Dabei geriet er etwas über die
Mitte der Strasse und streifte einen aus entgegengesetzter Richtung kommenden
Personenwagen. Die Blutprobe ergab, dass er zur Zeit des Unfalles etwas über
1,09 0/00 Alkohol im Blute gehabt hatte, also angetrunken gewesen war.
B. - Das Bezirksamt Oberrheintal verurteilte Engeler am 20. Juli 1950 in
Anwendung der Art. 57 MFV und 59 Abs. 1 MFG zu fünf Tagen Haft und Fr. 60.
Busse. Den Vollzug der Freiheitsstrafe schob es bedingt auf.
Die Gerichtskommission Oberrheintal wies den Rekurs des Verurteilten am 5.
September 1950 ab und bestätigte den Strafentscheid.
C. - Engeler führt Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 268 ff . BStP mit dem
Antrage, das Urteil der Gerichtskommission sei aufzuheben und die Akten seien
zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Er macht geltend, Art. 57 MFV sei nicht anwendbar, weil er den Alkohol
ausschliesslich im Auslande genossen habe. Die Übertretung, wenn eine solche
überhaupt vorliege, sei im Auslande begangen und abgeschlossen worden und
könne in der Schweiz nicht verfolgt und bestraft werden, weil die
Voraussetzungen des Art. 6
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 6 - 1 Le présent code est applicable à quiconque commet à l'étranger un crime ou un délit que la Suisse s'est engagée à poursuivre en vertu d'un accord international:
StGB nicht zuträfen. Zudem erfülle der
Alkoholgenuss des Beschwerdeführers den Tatbestand des Art. 57 MFV nicht, weil
er nicht während der Arbeits- und Präsenzzeit, sondern während zweier
Fahrtpausen stattgefunden habe. Diese seien nicht Arbeits- und Präsenzzeit im
Sinne des Art. 2 der Verordnung vom 4. Dezember 1933 über die Arbeits- und
Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer.

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D. - Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen beantragt, die Beschwerde
sei abzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- «Den Führern von Motorwagen zur gewerbsmässigen Ausführung von
Personentransporten ist der Genuss alkoholischer Getränke während der Arbeits-
und Präsenzzeit untersagt» (Art. 57 MFV). Diese Bestimmung will Leib und Leben
der gewerbsmässig transportierten Personen und die Verkehrssicherheit auf
Schweizerischen Strassen schützen. Sie richtet sich daher an alle Führer, die
auf Schweizerischen Strassen verkehren, gleichgültig, ob sie den Alkohol im
In- oder im Auslande trinken. Die Übertretung liegt nach dem wohlverstandenen
Sinne des Art. 57 MFV ebensosehr wie im Trinken des alkoholischen Getränkes im
Führen des Motorwagens, nachdem der Führer während der Präsenz- oder
Arbeitszeit Alkohol getrunken hat, wenn nicht überhaupt erst das Führen
strafbar ist, das erst den Täter zum «Führer» im Sinne der Bestimmung macht.
Art. 57 MFV ist daher auf den Beschwerdeführer anwendbar. Das Führen in der
Schweiz nach Genuss von Alkohol im Auslande war Ausführungshandlung der
Übertretung oder zum mindesten Teil ihres tatbestandsmässigen Erfolges. Nach
Art. 7 Abs. 1
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 7 - 1 Le présent code est applicable à quiconque commet un crime ou un délit à l'étranger, sans que soient réalisées les conditions prévues aux art. 4, 5 ou 6:
in Verbindung mit Art. 102
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 102 - 1 Un crime ou un délit qui est commis au sein d'une entreprise dans l'exercice d'activités commerciales conformes à ses buts est imputé à l'entreprise s'il ne peut être imputé à aucune personne physique déterminée en raison du manque d'organisation de l'entreprise. Dans ce cas, l'entreprise est punie d'une amende de cinq millions de francs au plus.
StGB ist die Übertretung somit in der
Schweiz verübt worden, womit gemäss Art. 3 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 3 - 1 Le présent code est applicable à quiconque commet un crime ou un délit en Suisse.
in Verbindung mit
Art. 102
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 102 - 1 Un crime ou un délit qui est commis au sein d'une entreprise dans l'exercice d'activités commerciales conformes à ses buts est imputé à l'entreprise s'il ne peut être imputé à aucune personne physique déterminée en raison du manque d'organisation de l'entreprise. Dans ce cas, l'entreprise est punie d'une amende de cinq millions de francs au plus.
StGB der Täter dem Schweizerischen Gesetze unterworfen ist. Dass
diese Bestimmungen des Strafgesetzbuches auf Übertretungen des
Motorfahrzeuggesetzes und der Vollziehungsverordnung dazu anwendbar sind,
ergibt sich aus Art. 65 Abs. 3 MFG in Verbindung mit Art. 334
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 334 - Lorsqu'une prescription du droit fédéral renvoie à une disposition modifiée ou abrogée par le présent code, le renvoi s'applique à la disposition du présent code qui règle la matière.
und Art. 333
Abs. 1
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 333 - 1 Les dispositions générales du présent code sont applicables aux infractions prévues par d'autres lois fédérales, à moins que celles-ci ne contiennent des dispositions sur la matière.
StGB.
2.- Nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung vom 4. Dezember 1933 über die Arbeits-
und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer gilt als Präsenzzeit die
Zeit

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ohne Arbeitsleistung, aber mit der Verpflichtung zu wachsamer Anwesenheit auf
dem Posten und der Bereitschaft zu sofortiger Anhandnahme sich einstellender
Arbeit. Der Präsenzzeit ist gleichgestellt die Zeit, während welcher der
Motorfahrzeugführer mit nicht ermüdender Arbeit beschäftigt ist.
Diese Bestimmung will der Übermüdung des berufsmässigen Motorfahrzeugführers
durch zu lange Arbeit und Präsenzpflicht vorbeugen helfen. Sie versteht
deshalb unter Präsenzzeit nicht notwendigerweise das gleiche wie Art. 57 MFV,
der verhindern will, dass die Verkehrssicherheit durch Genuss von Alkohol
gefährdet werde. Als Art. 57 MFV erlassen wurde, war denn auch die
Begriffsumschreibung des Art. 2 Abs. 2 der Verordnung vom 4. Dezember 1933
noch nicht bekannt. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Zeit,
während welcher der Beschwerdeführer Alkohol genoss, Präsenzzeit im Sinne der
letzteren Bestimmung war.
Sie gehörte jedenfalls zur Präsenzzeit im Sinne des Art. 57 MFV. Der
Beschwerdeführer hatte während der beiden Halte in Lochau und Dornbirn
insofern zur Verfügung der Fahrgäste zu bleiben, als er sich weder nach Hause
begeben noch sich in einen Zustand versetzen durfte, der ihm die Fortführung
des erhaltenen Auftrages (Transport auf einem ganztägigen Ausflug)
verunmöglichen oder erschweren konnte. Wie der Beschwerdeführer zum voraus
wusste, waren die beiden Halte so kurz bemessen, dass der während dieser Zeit
genossene Alkohol notwendigerweise in der Zeit, da der Beschwerdeführer wieder
am Steuer sitzen würde, wirken musste. Es ginge gegen den Sinn und Zweck des
Art. 57 MFV, wenn solche kurze Fahrtunterbrüche nicht zur Präsenzzeit
gerechnet würden. Gerade auf solchen Halten zur Einnahme einer Mahlzeit, eines
Imbisses oder einer Erfrischung ist die Gefahr, dass der Führer durch Genuss
von Alkohol seine Leistungsfähigkeit beeinträchtige, besonders gross. Auch
brauchte der Führer, den auf der Fahrt nach Alkohol gelüstet,

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bloss einen solchen Zwischenhalt einzuschalten, um das Verbot zu umgehen.
Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
77 IV 188 01 janvier 1951 28 septembre 1951 Tribunal fédéral 77 IV 188 ATF - Droit pénal et procédure penale

Objet Art. 57 MFV ist auch anwendbar, wenn der auf Schweizerischen Strassen verkehrende Führer den...

Répertoire des lois
CP 3
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 3 - 1 Le présent code est applicable à quiconque commet un crime ou un délit en Suisse.
CP 6
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 6 - 1 Le présent code est applicable à quiconque commet à l'étranger un crime ou un délit que la Suisse s'est engagée à poursuivre en vertu d'un accord international:
CP 7
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 7 - 1 Le présent code est applicable à quiconque commet un crime ou un délit à l'étranger, sans que soient réalisées les conditions prévues aux art. 4, 5 ou 6:
CP 102
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 102 - 1 Un crime ou un délit qui est commis au sein d'une entreprise dans l'exercice d'activités commerciales conformes à ses buts est imputé à l'entreprise s'il ne peut être imputé à aucune personne physique déterminée en raison du manque d'organisation de l'entreprise. Dans ce cas, l'entreprise est punie d'une amende de cinq millions de francs au plus.
CP 333
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 333 - 1 Les dispositions générales du présent code sont applicables aux infractions prévues par d'autres lois fédérales, à moins que celles-ci ne contiennent des dispositions sur la matière.
CP 334
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 334 - Lorsqu'une prescription du droit fédéral renvoie à une disposition modifiée ou abrogée par le présent code, le renvoi s'applique à la disposition du présent code qui règle la matière.
OSV 57PPF 268
Répertoire ATF