S. 136 / Nr. 30 Strafgesetzbuch (d)

BGE 77 IV 136

30. Urteil des Kassationshofes vom 18. September 1951 i. S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Aargau gegen Widmer.

Regeste:
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
und 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB.
a) Wann ist der Schaden «gerichtlich oder durch Vergleich festgestellt»?
b) Der Richter, der die Voraussetzungen des Abs. 2, soll auch der Haltung
Rechnung tragen, die der Verurteilte in Anbetracht des verursachten, aber
weder gerichtlich noch durch Vergleich festgestellten Schadens eingenommen
hat.
Art. 41 ch. 1 al. 2 et 4 CP.
a) Quand le dommage est-il «fixé judiciairement ou par accord avec le lésé»?
b) Le juge qui examine les conditions de l'al. 2 doit aussi tenir compte de
l'attitude du condamné envers le dommage causé, mais non fixé judiciairement
eu par accord avec le lésé.
Art. 41 cifra 1 cp. 2 e 4 CP.
a) Quando il danno è «stabilito giudizialmente o mediante transazione»?

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b) Il giudice, esaminando se ricorrano le condizioni del cp. 2, deve anche
tener conto del comportamento del condannato per quanto concerne il danno
cagionato, ma non stabilito giudizialmente o mediante transazione.

A. - Der taube Wilhelm Widmer, dem am 29. November 1950 auf eigenes Begehren
ein Beistand ernannt wurde und der eine trübe Jugendzeit hinter sich hat,
wurde vom Kriminalgericht des Kantons Aargau am 13. Juni 1951 wegen
wiederholten Betruges zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Das Gericht schob
den Vollzug der Strafe bedingt auf, setzte dem Verurteilten vier Jahre
Probezeit und verband damit die Weisung, dass er jeden Monat Fr. 60.- an seine
Schulden aus Betrug und Fr. 40.- an seine früheren nichtdeliktischen Schulden
abbezahle, und zwar im Verhältnis der Forderungsbeträge der einzelnen
Gläubiger.
Zur Begründung führte das Gericht aus, es sei zwar richtig, dass Widmer am 22.
November 1944 zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von fünf Tagen
verurteilt und nach Ablauf der dreijährigen Probezeit wieder straffällig
geworden sei, sich also nicht dauernd gebessert habe. Es sei ihm jedoch, wenn
auch nicht ohne Bedenken, das Vertrauen zu schenken, dass er die zweite Probe
besser bestehen werde als die erste. Zwar habe er sich nach einem
Polizeibericht vom 27. Dezember 1950 anfänglich auch in Frauenfeld, wo er als
Zeughausschneider arbeite, nicht ganz klaglos gehalten, indem er trotz rechten
Verdienstes (Fr. 470.80 im Monat) seine Pensionsschulden nicht zu begleichen
vermocht habe. Der infolge seines Gehörleidens etwas unbeholfene Angeklagte
scheine immerhin gewisse Schulden abgetragen zu haben. Auch billige der
Polizeibericht ihm zu, dass er solid lebe und nur wenig Alkohol zu sich nehme.
Entscheidend sei, dass er als Zeughausschneider unter der strengen und wachsam
en Obhut von Oberstleutnant Widmer stehe und einen Beistand in der Person
eines Amtsvormundes erhalten habe, dem er monatlich Fr. 100.- bis 150.-

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seines Lohnes zur Schuldentilgung übergebe. Der Beistand glaube denn auch,
wenn der Angeklagte das weiterhin tue, könnten dessen Schulden getilgt werden.
Nach dem Zeugnis des Regierungsbeamten Zöllig habe der Angeklagte bei diesem
das Zimmer und nehme Frühstück und Nachtessen mit der Familie Zöllig ein,
während er in seiner Freizeit in ihrem Garten arbeite. Unter diesen Umständen
glaube das Gericht, dass Gewähr dafür geboten sei, dass der Angeklagte sich in
Zukunft auch ohne Verbüssung der Strafe halten werde.
B. - Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt Nichtigkeitsbeschwerde
mit dem Antrage, das Urteil sei wegen Verletzung von Art. 41 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB
aufzuheben und die Akten seien zwecks Verweigerung des bedingten
Strafaufschubes an das Kriminalgericht zurückzuweisen.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe sich schon deswegen gegen den
bedingten Aufschub des Strafvollzuges ausgesprochen, weil Vorleben und
Charakter des Täters kaum eine günstige Prognose für die Zukunft gestatteten.
Aus dem Lebenslauf des Angeklagten ergebe sich, dass Widmer bei Tanz,
Jassspiel und Wirtshausbesuch sein Geld durchgebracht und über seine
Verhältnisse gelebt habe, dass darunter seine Arbeitsleistungen gelitten
hätten und er zu spät zur Arbeit erschienen sei worauf ihm seine Arbeitgeberin
schliesslich die Stelle gekündigt habe. Auch später habe Widmer nicht solid
gelebt. Er habe nach eigenem Zugeständnis das Vertrauen der Familie Sauter,
bei der er Kost und Logis genoss, krass missbraucht. Widmer verstehe mit
seinem Gelde nicht haushälterisch umzugehen. Dazu komme die Strafe vom 22.
November 1944 wegen Diebstahls. Schon etwa ein halbes Jahr nach Ablauf der
Probezeit habe sich Widmer wieder vergangen. Anderseits sei anzuerkennen, dass
nun durch den gegenwärtigen Arbeitsort und durch die Beistandschaft eine
gewisse vermehrte Gewähr geboten sei, dass er sich künftig besser halten
werde. Die Staatsanwaltschaft hätte daher die auf Vorleben und

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Charakter gestützte Prognose allein nicht angefochten. Es fehle jedoch auch an
der weiteren Voraussetzung der Schadensdeckung. Das Kriminalgericht spreche
sich über sie gar nicht aus. Bei sinngemässer Auslegung des Art. 41 Ziff. 1
Abs. 4 sei ein Schaden schon dann «gerichtlich oder durch Vergleich
festgestellt», wenn der Geschädigte ihn der Höhe nach beziffert und der Täter
ihn in der Strafuntersuchung anerkannt habe oder wenn die Untersuchungsbehörde
ihn durch Sachverständige habe schätzen lassen und der Täter mit dem
geschätzten Werte einverstanden sei. Im vorliegenden Falle habe Widmer vor dem
Untersuchungsrichter die Forderungen aller fünf Betrogenen anerkannt; Thut
habe von ihm Fr. 1068,45 zu fordern, Kaufmann Fr. 150.-, Kistler Fr. 181.-,
Bolliger Fr. 120.- und Meyer Fr. 290.-. Es sei dem Verurteilten zuzumuten
gewesen, einen namhaften Teil dieser Schadensbeträge aus seinem Monatslohn von
Fr. 483.-, den er im Zeughaus Frauenfeld beziehe, zu decken, nötigenfalls
unter Zurückstellung gewisser anderer Schulden. Es stehe indes fest und sei
von ihm nicht bestritten worden, dass er bis zur gerichtlichen Verhandlung vom
22. November 1950 überhaupt keinen Rappen an die durch sein betrügerisches
Verhalten Geschädigten bezahlt habe. Vor Gericht habe er geltend gemacht, er
habe etwa Fr. 500.- andere Schulden bezahlt. Er habe sich aber darüber nicht
ausgewiesen. Einzig aus einem Bericht von Oberstleutnant Widmer vom 14.
Dezember 1950 gehe hervor, dass er auf Druck des Zeughausverwalters hin Fr.
252.- geleistet habe.
C. - Widmer beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 41 Ziff. 1 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB setzt der bedingte Aufschub des
Strafvollzuges voraus, dass der Verurteilte «den gerichtlich oder durch
Vergleich festgestellten Schaden, soweit es ihm zuzumuten war, ersetzt hat».
Diese

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Bestimmung kann nicht analog angewendet werden auf einen Schaden, der weder
gerichtlich noch durch Vergleich festgestellt ist (BGE 70 IV 104). Die
Beschwerdeführerin verlangt das auch nicht, möchte aber den Begriff der
gerichtlichen oder vergleichsweisen Feststellung des Schadens weit ausgelegt
sehen, in dem Sinne, dass die Anerkennung des im Untersuchungsverfahren auf
Grund von Angaben des Geschädigten oder eines Gutachtens ermittelten Schadens
durch den Beschuldigten genüge. Allein das Untersuchungsverfahren dient in der
Regel lediglich der Abklärung der Frage, ob genügend Anhaltspunkte vorhanden
seien, um gegen den Beschuldigten im Strafpunkte Anklage zu erheben und ihn
dem Gerichte zur Beurteilung zu überweisen. Eine Anerkennung des Schadens im
Untersuchungsverfahren hat daher gewöhnlich keine andere Bedeutung als die
eines Geständnisses, wie der Beschuldigte es auch über andere für die
Beurteilung des Straffalles wesentliche Punkte ablegen, aber bis zur
gerichtlichen Beurteilung auch jederzeit widerrufen kann. Sie hat weder die
Wirkung eines Vergleiches, der die Forderung des Geschädigten gegenüber dem
Schädiger endgültig zivilrechtlich festlegt, noch die eines Urteils, durch das
der Richter - ebenfalls endgültig - erkennt, wieviel der Beklagte dem Kläger
schuldet. Gerade auf diese Wirkung, dass die Forderung endgültig durch
Parteivereinbarung oder durch Richterspruch festgelegt ist, kommt es aber dem
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB an, wenn er von dem «gerichtlich oder durch
Vergleich festgestellten Schaden» spricht. Der Täter muss wissen oder wissen
können, dass er zivilrechtlich schuldet, wieviel er schuldet und dass er an
seiner Schuld fortan nicht mehr rütteln kann. Nur wenn die Forderung des
Geschädigten gerichtlich beurteilt oder durch Vergleich festgestellt ist, kann
er das wissen; nur dann kann er sich mit der von Art. 41 Ziff. 1 Abs. 4
verlangten Deutlichkeit bewusst Sein, dass er nunmehr bezahlen muss, nicht
auch schon dann, wenn er in dem der Abklärung des

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Strafpunktes dienenden Verhör vor dem Untersuchungsrichter den Schaden
«anerkennt», d. h. über dessen Höhe Auskunft gibt. Eine Anerkennung vor dem
Untersuchungsrichter kann unter dem Gesichtspunkt des Art. 41 Ziff. 1 Abs. 4
nur von Bedeutung sein, wenn sie den Sinn einer zivilrechtlichen
Willenserklärung (Schuldanerkennung) hat, die an den beim Verhör mitanwesenden
Geschädigten gerichtet ist oder nach dem Willen des Anerkennenden dem
Geschädigten durch den Untersuchungsrichter mitgeteilt werden soll und auch
tatsächlich mitgeteilt wird. Erklärt sich der Geschädigte gegenüber dem
Schädiger mit dem Inhalte einer solchen Willenserklärung einverstanden, so ist
über die Forderung ein Vergleich zustande gekommen.
Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass die «Anerkennungen» der
Schadensbeträge durch den Beschwerdegegner im Untersuchungsverfahren den Sinn
zivilrechtlicher Schuldanerkennungen gehabt hätten und den Geschädigten mit
Willen des Beschwerdegegners mitgeteilt und von ihnen angenommen worden seien,
dass also in diesem Sinne Vergleiche über den Schaden zustandegekommen seien.
Auch die Akten bieten dafür keinen Anhaltspunkt. Art. 41 Ziff. 1 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB
steht mithin dem bedingten Aufschub des Strafvollzuges nicht im Wege.
2.- Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB verbietet den bedingten Aufschub des
Strafvollzuges, wenn Vorleben und Charakter des Verurteilten nicht erwarten
lassen, er werde durch diese Massnahme von weiteren Verbrechen oder Vergehen
abgehalten. Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes darf und soll der
Richter, der die Voraussetzungen dieser Bestimmung prüft, auch der Haltung
Rechnung tragen, die der Verurteilte in Anbetracht des verursachten, aber
weder gerichtlich noch durch Vergleich festgestellten Schadens eingenommen
hat. Augenscheinlich schlechter Wille, den zum vornherein sicheren Schaden zu
ersetzen, oder auch blosse Gleichgültigkeit gegenüber einem solchen

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Schaden können unter Umständen die Erwartung, dass sich der Verurteilte unter
dem Einfluss einer bloss bedingt vollziehbaren Strafe dauernd bessern würde,
zunichte machen (BGE 70 IV 106). Ob das zutrifft, ist aber immer eine Frage
des freien Ermessens, das dem Sachrichter bei der Stellung der Prognose nach
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 zusteht (BGE 68 IV 77; 69 IV 113, 201; 73 IV 111; 74 IV
158
; 77 IV 68). In dieses Ermessen hat der Kassationshof auf
Nichtigkeitsbeschwerde hin nicht einzugreifen, sondern er hat nur zu
entscheiden, ob der Sachrichter es überschritten, d. h. seine Voraussage auf
offensichtlich unhaltbare Überlegungen gestützt habe; nur wenn das zutrifft,
verletzt das Urteil eidgenössisches Recht.
Das Kriminalgericht hat sein Ermessen nicht überschritten, selbst wenn man
ausser der Tatsache, dass der Beschwerdegegner bis zur gerichtlichen
Verhandlung an den durch Betrug verursachten Schaden nichts abbezahlt hat,
auch die von der Beschwerdeführerin behaupteten, aber vom Kriminalgericht
nicht festgestellten ungünstigen Tatsachen aus dem Vorleben des
Beschwerdegegners in die Wagschale wirft. Das Gebahren des Beschwerdegegners
in finanziellen Dingen ist vom Kriminalgericht geprüft worden. Dabei hat es
berücksichtigt, dass er gewisse Schulden abgetragen hat und seinem Beistand
monatlich Fr. 100. bis 150.- seines Lohnes zur Schuldentilgung übergibt. Der
Beschwerdegegner ist augenscheinlich bestrebt, nach und nach alle seine
Schulden zu tilgen. Dass er bisher den durch Betrug verursachten nicht den
Vorrang gegeben hat, ist angesichts seiner Verhältnisse nicht offensichtlich
ein Zeichen schlechten Willens oder auch blosser Gleichgültigkeit, sodass die
Erwartung, er lasse sich durch eine bedingt vollziehbare Strafe dauernd
bessern, schlechterdings nicht am Platze sein könnte. Die Staatsanwaltschaft
behauptet das auch nicht. Der Beschwerdegegner kann die Tilgung der durch
Betrug verursachten Schulden auch bloss deshalb zurückgestellt haben, weil
andere Verpflichtungen dringender waren,

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oder auf Druck des Zeughausverwalters von Frauenfeld (Act. 4 S. 110).
Jedenfalls liegt nichts vor, was den Schluss aufdrängen würde, er wolle sich
den Verbindlichkeiten aus den strafbaren Handlungen entziehen und sehe seinen
Fehler nicht ein.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Document : 77 IV 136
Date : 01. Januar 1951
Published : 18. September 1951
Source : Bundesgericht
Status : 77 IV 136
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 und 4 StGB.a) Wann ist der Schaden «gerichtlich oder durch Vergleich...


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