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BGE-77-IV-106


S. 106 / Nr. 23 Strassenverkehr (d)

BGE 77 IV 106

23. Urteil des Kassationshofes vom 11. Mai 1951 i. S. Schönbächler gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.

Regeste:
Art. 59 Abs. 2 MFG. Begriff des Rückfalles bei Fuhren in angetrunkenem
Zustande.
Art. 59 al. 2 LA. Notion de la récidive au sens de cette disposition.
Art. 59 cp. 2 LA. Nozione della recidiva a norma di queste disposte.

A. - Alois Schönbächler ist mehrmals vorbestraft. Unter anderem wurde er schon
öfters wegen Führens eines Motorfahrzeuges ohne Führerausweis gebüsst. Am 2.
Juli 1946 verurteilte ihn das Polizeirichteramt Zug wegen Führens in
angetrunkenem Zustande und Störung des öffentlichen Verkehrs zu Fr. 200.-
Busse. Am 7. Dezember 1948 verhängte das Schwurgericht des Kantons Zürich
gegen ihn wegen Betruges und anderer Verbrechen zehn Monate Gefängnis. Soweit
diese Strafe nicht durch Untersuchungshaft getilgt erklärt wurde, verbüsste
Schönbächler sie im Januar 1949.
Am 18. Dezember 1949 setzte sich Schönbächler in Zürich nach dem Verlassen
einer Gaststätte ohne Führerausweis und mit 1,4 Gewichts-Promille Alkohol im
Blute an das Steuer eines Personenwagens und fuhr durch die Torgasse weg. Noch
ehe er diese Gasse verliess, wurde er

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von zwei Polizisten angehalten und am Weiterfahren verhindert.
B. - Wegen dieses Vorfalles verurteilte das Bezirksgericht Zürich Schönbächler
am 1. Juli 1950 in Anwendung von Art. 59 Abs. 2 und 61 Abs. 2 MFG zu zwei
Monaten Gefängnis.
Auf Berufung des Verurteilten, mit der nur die Anwendung des Art. 59 Abs. 2
MFG angefochten wurde, bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 27.
November 1950 das Urteil des Bezirksgerichts. Es nahm an, diese Bestimmung
treffe zu, weil Schönbächler sich im Rückfall des Führens in angetrunkenem
Zustande schuldig gemacht habe. Den Einwand des Verurteilten, Rückfall dürfe
nicht angenommen werden, weil die einjährige Frist des Art. 108
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 108
StGB seit der
Verurteilung vom 2.
Juli 1946 bei Begehung der neuen Tat abgelaufen gewesen sei, hielt es für
unbegründet.
C. - Schönbächler führt Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 268 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 108
. BStP mit dem
Antrage, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er macht geltend, für das
Führen in angetrunkenem Zustande dürfte er nicht nach Art. 59 Abs. 2, sondern
nur nach Art. 59 Abs. 1 MFG bestraft werden, denn der Fall sei nicht schwer
und Rückfall liege nicht vor, weil die frühere Verurteilung wegen Führens in
angetrunkenem Zustande mehr als ein Jahr vor Begehung der neuen Tat erfolgt
sei.
D. - Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichtet auf
Gegenbemerkungen; sie verweist auf die Begründung des angefochtenen Urteils.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Wer in angetrunkenem Zustande ein Motorfahrzeug führt, wird nach Art. 59
Abs. 1 MFG in Verbindung mit Art. 333 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 333 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen.
StGB mit Haft bis zu zwanzig
Tagen oder mit Busse bis zu tausend Franken bestraft. In schweren Fällen oder
«bei Rückfall» wird gemäss Art. 59 Abs.

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2 MFG auf Gefängnis bis zu sechs Monaten oder auf Busse bis zu fünftausend
Franken erkannt.
Würde sich der Begriff des Rückfalles nach dieser Bestimmung mit dem Begriff
des Rückfalles nach Art. 67
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 67 - 1 Hat jemand in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begangen, für das er zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr, dass er seine Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbrauchen wird, so kann ihm das Gericht die betreffende oder vergleichbare Tätigkeiten für sechs Monate bis zu fünf Jahren ganz oder teilweise verbieten.94
und 108
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 108
StGB decken, so wäre die Beschwerde zum
vornherein unbegründet, denn am 18. Dezember 1949 war noch kein Jahr
vergangen, seit der Beschwerdeführer wegen Betruges und anderer strafbarer
Handlungen eine Freiheitsstrafe verbüsst hatte. Art. 67
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 67 - 1 Hat jemand in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begangen, für das er zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr, dass er seine Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbrauchen wird, so kann ihm das Gericht die betreffende oder vergleichbare Tätigkeiten für sechs Monate bis zu fünf Jahren ganz oder teilweise verbieten.94
und 108
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 108
StGB verlangen
nicht, dass die frühere und die neue Strafe wegen gleichartiger strafbarer
Handlungen verwirkt worden seien.
2.- Rückfall e im Sinne des Art. 59 Abs. 2 MFG ist indessen nicht das gleiche
wie Rückfall nach Art. 67
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 67 - 1 Hat jemand in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begangen, für das er zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr, dass er seine Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbrauchen wird, so kann ihm das Gericht die betreffende oder vergleichbare Tätigkeiten für sechs Monate bis zu fünf Jahren ganz oder teilweise verbieten.94
und 108
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 108
StGB. Art. 59 Abs. 2 MFG wurde erlassen, als
das Strafgesetz auch noch nicht galt. Das Bundesgesetz vom 4. Februar 1853
über das Bundesstrafrecht, auf das Art. 65 Abs. 3 MFG verweist, kannte keinen
allgemeinen Strafschärfungsgrund des Rückfalles, sondern bestimmte in Art. 31
lit. d bloss, dass der Richter innerhalb der gesetzlichen Grenzen die Strafe
erhöhen werde, je öfter der Schuldige wegen aus gleicher rechtswidriger
Neigung entsprungener Verbrechen bestraft worden sei. Als Art. 59 Abs. 2 MFG
erlassen wurde, genügte dem Gesetzgeber diese Straferhöhung innerhalb des
angedrohten Rahmens nicht er erhob den Rückfall zu einem das Führen in
angetrunkenem Zustande auszeichnenden Tatbestands -merkmal und drohte für
diesen besonderen Straftatbestand schärfere Strafe an (vgl. BGE 74 IV 78). Der
Begriff des Rückfalles war daher nur aus Art. 59 Abs. 2 MFG selbst auszulegen.
Daran hat das Strafgesetzbuch nichts geändert. Dadurch, dass es im Gegensatz
zum Bundesstrafrecht von 1853 einen allgemeinen und durch die sogenannte
Rückfallsverjährung eingeengten Begriff des Rückfalles kennt, hat es am
Begriffe des Rückfalles e im Sinne des Art. 59 Abs. 2 MFG nichts geändert.
Gewiss sind nun an Stelle des ersten Abschnittes des aufgehobenen
Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht (vgl. Art. 398 Abs. 2 lit. a
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 108


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StGB) die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches anzuwenden (Art. 334
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 334 - Wird in Bundesvorschriften auf Bestimmungen verwiesen, die durch dieses Gesetz geändert oder aufgehoben werden, so sind diese Verweisungen auf die entsprechenden Bestimmungen dieses Gesetzes zu beziehen.

StGB). Wie jedoch Art. 59 Abs. 2 MFG im Verhältnis zu Art. 31 lit d BStR
Sondernorm war, enthält er auch heute eine Sonderregelung, die von der durch
Art. 334
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 334 - Wird in Bundesvorschriften auf Bestimmungen verwiesen, die durch dieses Gesetz geändert oder aufgehoben werden, so sind diese Verweisungen auf die entsprechenden Bestimmungen dieses Gesetzes zu beziehen.
StGB berichtigten Verweisung des Art. 65 Abs. 3 MFG unberührt bleibt.
Die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches sind nicht überall und
uneingeschränkt anwendbar, wo der Strafrichter nach eidgenössischem Recht
urteilt. Nach Art. 333 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 333 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen.
StGB finden sie auf Taten, die in andern
Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, nur insoweit Anwendung, als diese
Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen. Diese vom Strafgesetzbuch
selbst gewollte Beschränkung gilt nicht nur, wenn seine allgemeinen
Bestimmungen kraft des Art. 333 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 333 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen.
StGB, sondern auch, wenn sie kraft des
Art. 334 in Verbindung mit einer im Sondergesetz enthaltenen Verweisung
gelten.
Versteht demnach Art. 59 Abs. 2 MFG unter «Rückfall» nicht das gleiche wie
Art. 67
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 67 - 1 Hat jemand in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begangen, für das er zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr, dass er seine Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbrauchen wird, so kann ihm das Gericht die betreffende oder vergleichbare Tätigkeiten für sechs Monate bis zu fünf Jahren ganz oder teilweise verbieten.94
und 108
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 108
StGB, so kann damit nur die Wiederholung der Tat nach einer
wegen Führens in angetrunkenem Zustande erfolgten früheren Verurteilung
gemeint sein. So hat der Kassationshof Art. 59 Abs. 2 MFG schon in einem nicht
veröffentlichten Urteile vom 12. November 1948 i. S. Hartmann ausgelegt. Dass
Rückfall nur vorliege, wenn die neue Tat binnen bestimmter Frist seit der
früheren Verurteilung begangen wurde, lässt sich dem Wortlaut des Gesetzes
nicht entnehmen. Ob eine zeitliche Beschränkung sich aus Billigkeitsgründen
aufdrängt, ist fraglich, kann doch der Richter dem Zeitablauf schon dadurch
Rechnung tragen, dass er im Rahmen des Art. 59 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 59 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn:
bloss Busse ausfällt
oder die Gefängnisstrafe sehr kurz (auf mindestens drei Tage: Art. 36 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 36 - 1 Soweit der Verurteilte die Geldstrafe nicht bezahlt und sie auf dem Betreibungsweg (Art. 35 Abs. 3) uneinbringlich ist, tritt an die Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe. Ein Tagessatz entspricht einem Tag Freiheitsstrafe. Die Ersatzfreiheitsstrafe entfällt, soweit die Geldstrafe nachträglich bezahlt wird.

StGB) bemisst. Jedenfalls besteht im vorliegenden Falle kein Anlass, den
Rückfall wegen Zeitablaufes zu verneinen, sind doch von der Verurteilung vom
2. Juli 1946 bis zum erneuten Führen in angetrunkenem Zustande am 18. Dezember
1949 nur

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dreieinhalb Jahre verstrichen. Die Verkehrssicherheit verträgt Nachsicht
gegenüber angetrunkenen Motorfahrzeugführern nicht.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
77 IV 106 01. Januar 1951 11. Mai 1951 Bundesgericht 77 IV 106 BGE - Strafrecht und Strafvollzug

Gegenstand Art. 59 Abs. 2 MFG. Begriff des Rückfalles bei Fuhren in angetrunkenem Zustande.Art. 59 al. 2 LA...

Gesetzesregister
BStP 268 StGB 36
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 36 - 1 Soweit der Verurteilte die Geldstrafe nicht bezahlt und sie auf dem Betreibungsweg (Art. 35 Abs. 3) uneinbringlich ist, tritt an die Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe. Ein Tagessatz entspricht einem Tag Freiheitsstrafe. Die Ersatzfreiheitsstrafe entfällt, soweit die Geldstrafe nachträglich bezahlt wird.
StGB 59
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 59 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn:
StGB 67
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 67 - 1 Hat jemand in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begangen, für das er zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr, dass er seine Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbrauchen wird, so kann ihm das Gericht die betreffende oder vergleichbare Tätigkeiten für sechs Monate bis zu fünf Jahren ganz oder teilweise verbieten.94
StGB 108
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 108
StGB 333
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 333 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen.
StGB 334
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 334 - Wird in Bundesvorschriften auf Bestimmungen verwiesen, die durch dieses Gesetz geändert oder aufgehoben werden, so sind diese Verweisungen auf die entsprechenden Bestimmungen dieses Gesetzes zu beziehen.
StGB 398
BGE Register