S. 10 / Nr. 4 Strafgesetzbuch (d)

BGE 77 IV 10

4. Urteil des Kassationshofes vom 26. Januar 1951 i. S. Morosoli gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.

Regeste:
Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB. Wer anvertrautes Gut, das er dem Berechtigten
jederzeit zur Verfügung zu halten hat, im eigenen oder eines andern Nutzen
verwendet, ohne jederzeit fähig und gewillt zu sein, es zu ersetzen,
veruntreut es.
Art. 140 ch. 1 al. 2 CP. Commet un abus de confiance celui qui emploie à son
profit ou au profit d'un tiers, se mettant ainsi volontairement dans
l'impossibilité de la remplacer en tout temps, la chose fongible qui lui a été
confiée à charge de la tenir en tout temps à la disposition de l'ayant droit.
Art. 140 cifra 1 cp. 2 CP. Commette appropriazione indebita chi impiega a
profitto proprio o di un terzo la cosa affidatagli con l'impegno di tenerla in
ogni tempo a disposizione dell'avente diritto, mettendosi così volontariamente
neIl'impossibilità di restituirla in ogni tempo.

A. - Die Verkäuferin Martha Morosoli entnahm der ihr anvertrauten Ladenkasse
ihres Arbeitgebers Brunner, deren Bestand sie, wie sie wusste, diesem
jederzeit zur Verfügung zu halten hatte, am 16. November 1949 ohne

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Erlaubnis Fr. 150.-, um damit im eigenen Nutzen Stoff zu kaufen und andere
Auslagen zu decken. Sie will die Absicht gehabt haben, am Zahltag, den 23.
November 1949, einen gleichen Betrag in die Kasse zurückzulegen. Am 21.
November 1949 bemerkte Brunner, dass Fr. 150.- fehlten. Er stellte Martha
Morosoli zur Rede und erhielt von ihr sofort Fr. 25.25 zurück, die sie von dem
der Kasse entnommenen Betrage noch besass. Die verbrauchten Fr. 124.75
ersetzte sie am 22. November 1949, und zwar Fr. 74.75 aus eigenem Gelde und
Fr. 50.- aus Geld, das ihr Ehemann ihr zu diesem Zwecke zur Verfügung stellte.
B. - Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte Martha Morosoli am 1.
September 1950 der Veruntreuung nach Art. 140 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB schuldig und
verurteilte sie zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Tagen.
Als veruntreut bezeichnete es in Übereinstimmung mit der Anklage den Betrag
von Fr. 124.75, fügte jedoch bei, dass richtigerweise wegen Veruntreuung von
Fr. 150.- hätte Anklage erhoben werden sollen. Martha Morosoli habe die
Veruntreuung schon dadurch begangen, dass sie einen Betrag ohne Wissen des
Geschäftsinhabers der Kasse entnommen und ihn für ihre persönlichen Zwecke
verwendet habe, im Bewusstsein, dass sie dazu nicht berechtigt war, weil ihr
Arbeitgeber jederzeit über die in der Kasse liegenden Gelder verfügen können
wollte, was die Angeklagte gewusst habe. Die Frage der Ersatzbereitschaft
brauche nicht geprüft zu werden, da Martha Morosoli in keinem Zeitpunkt
berechtigt gewesen sei, sich Geld aus der Kasse anzueignen.
C. - Martha Morosoli führt Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 268 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
. BStP mit
den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und die Beschwerdeführerin
freizusprechen, eventuell die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht
zurückzuweisen.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Auffassung des Obergerichts, dass
die Frage der Ersatzbereitschaft sich nicht stelle. Das Obergericht habe zwei

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verschiedene Tatbestände der Veruntreuung konstruiert, nämlich einen solchen,
bei dem das anvertraute Gut erst in einem bestimmten Zeitpunkt
zurückzuerstatten sei, und einen zweiten, bei dem der Empfänger es ständig zur
Verfügung des Berechtigten zu halten habe. Art. 140
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB mache aber diesen
Unterschied nicht. Das Obergericht gehe über den Willen des Gesetzes hinaus.
zwei verschiedene Tatbestände zu schaffen, die dieses nach seinem klaren
Wortlaut gleich behandelt haben wollte. Es sei willkürlich, ein und denselben
Täter bei ein und demselben subjektiven Tatbestand und bei Anwendung des
gleichen Artikels einmal zu verurteilen und das andere Mal freizusprechen,
bloss weil der objektive Tatbestand etwas ändere.
D. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die
Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB macht sich strafbar, wer anvertrautes
Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seine In oder eines andern Nutzen
verwendet. Obwohl diese Bestimmung, im Gegensatz zu Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1,
nicht ausdrücklich sagt, dass der Täter in der Absicht unrecht mässiger
Bereicherung gehandelt haben müsse, verlangt die Rechtsprechung des
Bundesgerichts dieses Merkmal auch hier (BGE 74 IV 30).
Die Absicht unrecht mässiger Bereicherung besteht nicht, wenn der Täter im
Augenblick, wo er das anvertraute Gut in seinem oder eines andern Nutzen
verwendet, bereit und auch fähig ist, es zu ersetzen. Aber nicht jede
Ersatzbereitschaft und Ersatzfähigkeit genügt. Sie müssen der Verpflichtung
angepasst sein, die der Täter mit der Übernahme des anvertrauten Gutes
eingegangen ist. Hat er das anvertraute Gut dem Berechtigten jederzeit zur
Verfügung zu halten, so bereichert er sich unrecht mässig, wenn er es in
seinem oder eines andern Nutzen verwendet, ohne fähig und gewillt zu sein, es
jederzeit sofort zu ersetzen. Kann oder will er es in einem solchen Falle erst
später einmal

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ersetzen, so hat er die Absicht, sich oder den Dritten, in dessen Nutzen er es
verwendet, für die Zwischenzeit zu bereichern. Diese vorübergehende
Bereicherung genügt, und sie ist auch unrechtmässig, weil der Täter das Gut
jederzeit zur Verfügung halten muss. Nur wenn das nicht der Fall ist, die
Abrechnung und Rückgabe vielmehr erst in einem bestimmten Zeitpunkt nach
Empfang zu erfolgen hat, schliessen die Fähigkeit und der Wille, es in diesem
Zeitpunkt zu ersetzen, die Absicht unrecht mässiger Bereicherung aus, kann
also der Täter, ohne sich der Veruntreuung schuldig zu machen, ohne
Bereitschaft und Fähigkeit sofortigen Ersatzes über das Gut in seinem oder
eines andern Nutzen verfügen. Es ist nicht einzusehen, wieso diese
Unterscheidung zwischen Fällen, in denen der Täter das anvertraute Gut dem
Berechtigten jederzeit zur Verfügung zu halten hat, und den Fällen, in denen
er das vereinbarungsgemäss erst später zu tun braucht, nicht zulässig sein
sollte., Der Verschiedenheit der objektiven Tatbestände entspricht auch ein
Unterschied nach der subjektiven Seite. Wer anvertrautes Gut, das er jederzeit
zur Verfügung zu halten hat, ohne den Willen und die Fähigkeit jederzeitiger
Ersatzleistung in seinem oder eines andern Nutzen verbraucht, tut subjektiv
nicht das gleiche wie jemand, der zwar auch nicht jederzeit, aber doch auf den
Zeitpunkt vertragsgemässer Abrechnung ersatzbereit und ersatzfähig ist.
2.- Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts war die
Beschwerdeführerin verpflichtet, den Inhalt der ihr anvertrauten Ladenkasse
ihrem Arbeitgeber jederzeit zur Verfügung zu halten, und wusste sie das auch.
Anderseits steht fest, dass sie weder gewillt noch fähig war, die der Kasse
entnommenen Fr. 150.- jederzeit zu ersetzen. Nach ihren eigenen Aussagen
wollte sie den Betrag erst am 23. November 1949, also eine volle Woche nach
der Wegnahme, ersetzen. Sie hat denn auch die nicht verbrauchten Fr. 25.25
nicht sofort zurückgelegt, sondern erst nach der Entdeckung ihrer Tat
abgeliefert. Ebensowenig

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war sie fähig, dem Arbeitgeber das weggenommene Geld jederzeit voll zu
ersetzen, musste sie doch die Hilfe ihres Ehemannes in Anspruch nehmen, um
ihren Arbeitgeber am 22. November 1949 schadlos zu halten. Sie ist zu Recht
wegen Veruntreuung bestraft worden.
Dennach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 77 IV 10
Datum : 01. Januar 1951
Publiziert : 26. Januar 1951
Quelle : Bundesgericht
Status : 77 IV 10
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Wer anvertrautes Gut, das er dem Berechtigten jederzeit zur Verfügung...


Gesetzesregister
BStP: 268
StGB: 140
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
BGE Register
74-IV-27 • 77-IV-10
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
anklage • arbeitgeber • bereicherung • brunnen • bundesgericht • empfang • entscheid • ersetzung • frage • geld • kassationshof • maler • sachverhalt • stelle • strafgesetzbuch • tag • verurteilter • verurteilung • ware • wegnahme • weiler • wille • wissen • zahl