S. 28 / Nr. 7 Familienrecht (d)

BGE 77 II 28

7. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. März 1951 i. S. B. gegen St.

Regeste:
Vaterschaftsklage. Erhebliche Zweifel über die Vaterschaft des Beklagten wegen
des Reifegrads des Kindes und des Verhaltens der Mutter (Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB).

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Action en paternité. Doutes sérieux sur la paternité du défendeur en raison du
degré de maturité de l'enfant et de la conduite de la mère (art. 314 al. 2
CC).
Azione di paternità. Seri dubbi sulla paternità dell'attore a motivo del grado
di maturanza dell'infante e della condotta della madre (art. 314 cp. 2 CC).

Das aargauische Obergericht betrachtete als erwiesen, dass der Beklagte der
Mutter am 24. oder 25. April 1947, dem 228. oder 227. Tage vor der am 8.
Dezember 1947 erfolgten Geburt des Klägers, beigewohnt habe. Auf Grund eines
Gutachtens von Dr. L., der für ein reif geborenes (49 cm langes) Kind eine
ungefähre Tragzeit von 260 bis 270 Tagen seit dem Geschlechtsverkehr annahm
und demgemäss den vermutlichen Zeitpunkt der Zeugung auf den 15. - 25. März
1947 berechnete, gelangte das Obergericht jedoch zum Schlusse, der Kläger sei
vor dem Verkehr der Mutter mit dem Beklagten gezeugt worden, und wies daher
die Vaterschaftsklage mit Urteil vom 15. Dezember 1950 in Anwendung von Art.
314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB ab.
Das Bundesgericht weist die Berufung des Klägers ab mit der
Begründung:
1.- (Eintretensfrage).
2.- (Keine offensichtlich auf Versehen beruhende Feststellung).
3.- Nach Art. 314 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB wird die Vaterschaft des Beklagten vermutet, wenn
er der Mutter in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt (in der
kritischen Zeit) beigewohnt hat. Das Gesetz knüpft also die
Vaterschaftsvermutung nicht an die Voraussetzung, dass der zeitliche Abstand
zwischen Beiwohnung und Geburt in den Rahmen der Tragzeiten fällt, die bei
Kindern vom Reifegrad des in Frage stehenden am häufigsten beobachtet werden
und daher die grösste Wahrscheinlichkeit für sich haben, sondern es nimmt in
weitem Masse auf die möglichen Abweichungen von der Norm Rücksicht, m.a.W. die
Vaterschaftsvermutung ist «schon bei der durch die

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Beiwohnung in der kritischen Zeit gegebenen blossen Möglichkeit der
Schwängerung begründet» (BGE 69 11 134). Mit der Erwägung, dass Art. 314 Abs.
1 die Möglichkeit der Schwängerung genügen lässt, um die Vermutung zu
begründen, stimmt auch die Praxis überein, wonach unter Beiwohnung im Sinne
dieser Bestimmung nicht nur der vollendete Beischlaf, sondern jede
geschlechtliche Annäherung zu verstehen ist, die zur Empfängnis führen kann
(BGE 51 II 258).
Die Vermutung fällt nach Abs. 2 weg, sobald Tatsachen nachgewiesen werden, die
erhebliche Zweifel über die Vaterschaft des Beklagten begründen.
a) Solche Zweifel bestehen vor allem dann, wenn nachgewiesen wird, dass
während der kritischen Zeit nicht nur der Beklagte, sondern auch noch ein
bestimmter anderer Mann mit der Mutter intim verkehrt hat. Ein solcher Verkehr
schliesst zwar die Möglichkeit, dass das Kind vom Beklagten stammt, nicht aus,
lässt jedoch regelmässig die Vaterschaft des Dritten als ebenfalls möglich
erscheinen, so dass es sich nicht mehr rechtfertigen lässt, an jene
Möglichkeit die Vermutung zu knüpfen, dass der Beklagte der Vater sei.
b) Der Nachweis, dass die Mutter während der kritischen Zeit mit einem
bestimmten andern Manne verkehrt hat, ist aber immerhin nicht das einzige
Mittel, um die Vermutung von Art. 314 Abs. 1 zu entkräften. Erhebliche Zweifel
an der Vaterschaft des Beklagten können vielmehr unter Umständen auch dann
begründet sein, wenn es dem Beklagten nicht gelingt, der Mutter Mehrverkehr
nachzuweisen, wenn er aber Tatsachen darzutun vermag, die nach den
Erkenntnissen der Wissenschaft gegen die Annahme sprechen, dass der
nachgewiesene Verkehr mit ihm die Schwangerschaft hervorgerufen habe. In
diesem Zusammenhang können (ausser den Bluteigenschaften) namentlich der
Reifegrad des Kindes bei der Geburt und die bei Annahme der Zeugung durch den
Beklagten sich ergebende Schwangerschaftsdauer von Bedeutung sein.

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Da Art. 314 Abs. 1 die blosse Möglichkeit der Zeugung genügen lässt, um die
Vermutung der Vaterschaft des Beklagten zu begründen, erscheinen jedoch
erhebliche Zweifel im Sinne von Abs. 2 nicht schon dann als gerechtfertigt,
wenn dargetan wird, dass die Vaterschaft des Beklagten mit Rücksicht auf den
Reifegrad und den zeitlichen Abstand zwischen Beiwohnung und Geburt wenig
wahrscheinlich ist, sondern der Beklagte, der behaupten will, dass sich allein
schon aus diesen Momenten erhebliche Zweifel an seiner Vaterschaft ergeben,
muss den Beweis anstreben, dass der Verkehr mit ihm nicht zur Empfängnis
geführt haben könne. (Entsprechendes gilt auch in Fällen, wo die Klägerin
unter Berufung auf den Reifegrad und die zwischen Drittverkehr und Geburt
liegende Zeitdauer geltend macht, dass der Drittverkehr ausnahmsweise keine
erheblichen Zweifel an der Vaterschaft der Beklagten begründe).
An den Nachweis, dass der Beklagte angesichts des Reifegrads des Kindes und
des Zeitabstandes zwischen Beiwohnung und Geburt nicht der Vater sein könne,
obwohl die Beiwohnung in die kritische Zeit fällt, dürfen indessen der Natur
der Sache nach nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden. Es muss für den
Ausschluss der Vaterschaft des Beklagten genügen, wenn eine an Gewissheit
grenzende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass er nicht der Vater ist. In
Abweichung von frühern, etwas engem Formulierungen (vgl. BGE 51 II 114, 61 II
313
) erklärt daher die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts, es genüge zur
Entkräftung der Vermutung von Art. 314 Abs. 1, wenn es nach dem Reifegrad des
Kindes «äusserst unwahrscheinlich» sei, dass es beim nachgewiesenen Verkehr
mit dem Beklagten gezeugt wurde (BGE 68 II 279, 69 II 134, 137). Dass die
Vaterschaft des Beklagten äusserst unwahrscheinlich sei, liess das
Bundesgericht im Falle BGE 68 11 277 ff. gelten, wo eine im ärztlichen
Gutachten wiedergegebene Tabelle besagte, dass nur 0,1% der Neugeborenen von
der

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Körperlänge des in Frage stehenden Kindes eine Tragzeit von 200-210 Tagen
aufweisen, wie sie sich bei Annahme der Zeugung durch den Beklagten ergeben
hätte. Anderseits erklärte es im Falle BGE 69 II 137 ff., eine
Wahrscheinlichkeit von 6% (wie sie dort gemäss dem ärztlichen Gutachten für
die Zeugung nach dem 7. Mai 1941, d. h. nach dem 251. Tage vor der Geburt
bestand) könne nicht als äusserst gering bezeichnet werden. (Um mit Hilfe von
Feststellungen über den Reifegrad die erheblichen Zweifel an der Vaterschaft
des Beklagten zu beseitigen, die ein in die kritische Zeit fallender
Drittverkehr zunächst begründet, muss die klagende Partei nach der heute
massgebenden Rechtsprechung nachweisen, dass die Wahrscheinlichkeit der
Zeugung durch den Dritten so gering ist, dass die Möglichkeit seiner
Vaterschaft praktisch ausser Betracht fällt; vgl. BGE 68 11 153, 69 II 285, 76
II 7
. Im zuletzt genannten Falle, wo die Mutter am 242. Tage vor der Geburt
mit einem Dritten verkehrt hatte, verneinte das Bundesgericht das Vorliegen
dieser Voraussetzung unter Hinweis darauf, dass Prof. LABHARDT laut Schweiz.
med. Wochenschrift 1944 S. 130 unter 5962 Neugeborenen von 50 cm Länge
immerhin 75 zählte, die zwischen dem 249. und 240. Tage vor der Geburt gezeugt
worden waren, was sich auch in der Weise ausdrücken lässt, dass für die
Zeugung des in Frage stehenden Kindes im erwähnten Zeitraum eine statistische
Wahrscheinlichkeit von 1,3% besteht vgl. a.a.O. S. 131 Tabelle 7).
c) Erhebliche Zweifel über die Vaterschaft des Beklagten können endlich auch
dann bestehen, wenn weder der Beweis für den Verkehr mit einem bestimmten
Dritten geleistet ist noch der Reifegrad des Kindes die Zeugung durch den
Beklagten als ausgeschlossen oder äusserst unwahrscheinlich erscheinen lässt,
aber die Vaterschaft des Beklagten nach dem Reifegrad und dem Datum der
Beiwohnung doch wenig wahrscheinlich ist und die Mutter sich so verhalten hat,
dass ihr nach der Lebenserfahrung

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intimer Verkehr mit andern Männern während der kritischen Zeit zuzutrauen ist.
Die einerseits aus dem Reifegrad und anderseits aus dem Verhalten der Mutter
sich ergebenden, je für sich allein nicht als erheblich zu wertenden Zweifel
können unter Umständen zusammen so sehr ins Gewicht fallen, dass sich die
Vaterschaftsvermutung, die an die Möglichkeit der Zeugung durch den Beklagten
anknüpft, nicht mehr aufrechterhalten lässt. Dieser Gedanke ist schon in BGE
59 11 342/43 angedeutet, wo das Bundesgericht den strengen Grundsatz, den es
in BGE 51 11 114 mit Bezug auf die Einrede aus dem Reifegrad aufgestellt
hatte, ausdrücklich nur für den Fall als massgebend erklärte, dass «keine
Anhaltspunkte für geschlechtliche Beziehungen der Klägerin mit andern
Mannspersonen während der kritischen Zeit nachgewiesen sind». Auf der gleichen
Linie liegt es auch, wenn das Bundesgericht in BGE 68 11 281 oben darauf
hinwies, dass die Mutter im Zeitpunkte, der dem Beginn einer Schwangerschaft
von normaler Dauer entsprach, noch immer in Beziehungen mit einem frühern
Liebhaber gestanden sei, und feststellte, dieser Umstand sei geeignet, die aus
dem Reifegrad und dem nur 207 Tage betragenden Zeitabstand zwischen der ersten
Beiwohnung des Beklagten und der Geburt sich ergebenden Zweifel zu verstärken,
obwohl der Beklagte den formellen Beweis für eine Fortsetzung des
Geschlechtsverkehrs mit jenem andern Manne bis in die kritische Zeit hinein
nicht habe erbringen können.
4.- Mit diesen Grundsätzen steht die Begründung des angefochtenen Urteils
nicht im Einklang. Es geht nicht an, die Vaterschaftsvermutung schon deswegen
als zerstört anzusehen, weil der Beklagte der Mutter erst nach dem «Zeitpunkt
der vermutlichen Zeugung des Kindes bei wohnte, über den die Vorinstanz den
Experten befragt und dieser in seinen Schlussfolgerungen Auskunft gegeben hat.
Die Feststellung, dass die Beiwohnung nicht auf diesen Zeitpunkt fällt, bzw.
dass der Abstand zwischen Beiwohnung und Geburt kürzer ist als die vom
Experten angegebene

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«ungefähre Schwangerschaftsdauer», besagt noch nicht, dass die Zeugung durch
den Beklagten äusserst unwahrscheinlich sei.
Der Experte hat sich jedoch nicht damit begnügt, den mutmasslichen
Konzeptionstermin anzugeben, sondern ausserdem gesagt, wie hoch Dr. Paul Hüssy
(«Der geburtshilflich-gynaekologische Sachverständige», Verlag Hans Huber,
Bern-Berlin, 1931) die Wahrscheinlichkeit bestimmter Tragzeiten bei reif
geborenen Kindern einschätzt. Bei solchen Kindern beträgt die
Wahrscheinlichkeit, dass die Schwangerschaft mindestens 234 Tage seit dem
Geschlechtsverkehr dauerte, nach Dr. Hüssy 3,333,333: 1, was sich auch so
wenden lässt, dass von 3 1/3 Millionen reif geborenen Kindern nur eines eine
Tragzeit von weniger als 234 Tagen aufweist (vgl. Hüssy S. 38). Sogar
Schwangerschaften von weniger als 240 Tagen gehören nach Hüssy zu den
allergrössten Seltenheiten. Stellt man auf diese Angaben ab, so muss die
Vaterschaft des Beklagten, der der Mutter am 228. oder 227. Tag vor der Geburt
beigewohnt hat, unzweifelhaft als äusserst unwahrscheinlich bezeichnet werden.
Die Vorinstanz hat nun freilich zu den Feststellungen des Experten bzw. seines
Gewährsmannes über diese Wahrscheinlichkeiten nicht (jedenfalls nicht
ausdrücklich) Stellung genommen. Zudem ist aus dem Gutachten nicht
ersichtlich, wie weit die darin wiedergegebenen Wahrscheinlichkeitszahlen auf
Beobachtungen beruhen und wie weit sie lediglich den Charakter von Hypothesen
haben. Hüssy macht im zitierten Werke selber keine klaren Angaben darüber, wie
er zu diesen Zahlen gekommen ist. Ob über die Anwendung von Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.

ZGB auf Grund einer blossen Hypothese über die Wahrscheinlichkeit der
Empfängnis in einem bestimmten Zeitpunkt entschieden werden dürfe, ist
zweifelhaft. Auffällig ist schliesslich auch, dass der Experte die Forschungen
von LABHARDT, die das Bundesgericht schon in zahlreichen Gutachten zitiert
gefunden hat, und nach denen die

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Wahrscheinlichkeit für die Zeugung des Klägers in der Zeit vom 223. bis zum
232. Tage vor der Geburt 0,5 bis 0,6% (gegenüber höchstens 0,00003% nach
Hüssy) beträgt, überhaupt nicht erwähnt, geschweige denn sich damit
auseinandergesetzt hat.
Die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die Bedeutung der vom
Experten genannten Wahrscheinlichkeitszahlen ermittle und auf Grund dieser
Abklärung neu prüfe, ob erhebliche Zweifel im Sinne von Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB
vorliegen, ist jedoch nicht notwendig.
a) Auch wenn man sich nämlich statt an Hüssy an LABHARDT hält, dessen Zahlen
auf einer sehr grossen Zahl von Einzelbeobachtungen beruhen, darf wohl gesagt
werden, dass die Vaterschaft des Beklagten äusserst unwahrscheinlich sei,
zumal da genaue Beobachtungen über die Dauer der Schwangerschaft post coitum,
wie LABHARDT selber feststellt, praktisch kaum möglich sind, so dass es
angezeigt sein dürfte, statistische Angaben über Grenzfälle, die nicht einmal
1% der Gesamtzahl der untersuchten Fälle ausmachen, mit einer gewissen
Zurückhaltung zu würdigen.
b) Auf jeden Fall aber darf heute schon als fest stehend gelten, dass die
Wahrscheinlichkeit der Zeugung des Klägers beim Verkehr der Mutter mit dem
Beklagten gering ist. Dazu kommt nun, dass die Mutter ein verdächtiges
Verhalten an den Tag gelegt hat. Abgesehen davon, dass sie schon einmal ein
uneheliches Kind gehabt und sich dem Beklagten nach ziemlich kurzer
Bekanntschaft hingegeben hat, ist sie nach ihrem eigenen Zugeständnis mit dem
Wirte K., der mit seiner Frau im Streit lebte, und bei dem sie als
Serviertochter angestellt war, mitten in der Nacht zum Bruder K. s nach E.
gefahren und 3-4 Tage dort geblieben. Dass es bei dieser Gelegenheit zum
Geschlechtsverkehr gekommen sei, ist freilich bestritten und nicht
festgestellt, und zudem wäre eine Zeugung in diesem Zeitpunkt noch
unwahrscheinlicher als eine Zeugung beim Verkehr mit dem Beklagten, da

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sich der fragliche Vorfall nach der Darstellung des Beklagten erst im Mai,
also einige Zeit nach dem Verkehr mit dem Beklagten, zugetragen hat. Der
Vorfall ist auch nicht so schwerwiegend, dass er geradezu den Vorwurf des
unzüchtigen Lebenswandels zu begründen vermöchte. Das Verhalten der Mutter
beweist aber doch eine derartige Bedenkenlosigkeit, dass ihr sehr wohl
zuzutrauen ist, während der kritischen Zeit ausser mit dem Beklagten noch mit
andern Männern verkehrt zu haben. In Verbindung mit diesem Umstande
rechtfertigt die geringe Wahrscheinlichkeit der Zeugung am 24. oder 25. April
1947 erhebliche Zweifel im Sinne von Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
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Document : 77 II 28
Date : 01. Januar 1951
Published : 20. März 1951
Source : Bundesgericht
Status : 77 II 28
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Subject : Vaterschaftsklage. Erhebliche Zweifel über die Vaterschaft des Beklagten wegen des Reifegrads des...


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51-II-112 • 51-II-257 • 61-II-307 • 68-II-277 • 69-II-132 • 69-II-137 • 69-II-282 • 76-II-4 • 77-II-28
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defendant • mother • siring • day • doubt • presumption • federal court • sexual intercourse • number • behavior • pregnancy • father • duration • question • man • lower instance • sex • action to determine paternity • statistics • fixed day
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