BGE 77 II 250
47. Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Juni 1951 i. S. Scotoni gegen Edward
King A.-G.
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Regeste:
Wechselbürgschaft, Art. 1021 Abs. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1021 - 1 Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |
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1 | Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |
2 | Sie wird durch die Worte «als Bürge» oder einen gleichbedeutenden Vermerk ausgedrückt; sie ist von dem Wechselbürgen zu unterschreiben. |
3 | Die blosse Unterschrift auf der Vorderseite des Wechsels gilt als Bürgschaftserklärung, soweit es sich nicht um die Unterschrift des Bezogenen oder des Ausstellers handelt. |
4 | In der Erklärung ist anzugeben, für wen die Bürgschaft geleistet wird; mangels einer solchen Angabe gilt sie für den Aussteller. |
Wechselbürgschaft geleistet wird, braucht nicht eine ausdrückliche zu sein.
Sie kann sich auch konkludenterweise aus dem Wechsel ergeben.
Aval, art. 1021 al. 4 CO. L'indication de la personne pour le compte de
laquelle l'aval est donné n'a pas besoin d'être expresse. Elle peut aussi
résulter d'indices concluants tirés de l'effet lui-même.
Avallo, art. 1021 cp. 4 CO. L'indicazione della persona per la quale è
prestato l'avallo non abbisogna di essere espressa. Può anche risultare da
indizi concludenti che appaiono dall'effetto stesso.
A. - Die Edward King A.-G., in Zürich, zog am 12. März 1947 für eine
Werklohnforderung auf die Bumax-Werke A.-G. an die Order der Schweiz.
Volksbank Zürich 5 Wechsel für die Gesamtsumme von Fr. 84500.- mit
verschiedenen Verfallterminen. Diese Wechsel wurden von der Bezogenen
angenommen. Die Akzepte, im linken Teil des Wechsels quer geschrieben, wurden
vom Direktor der Bezogenen, Dr. Münzel, und vom Vizepräsidenten ihres
Verwaltungsrates, Scotoni, unterzeichnet. Unmittelbar unter seinem ersten
Namenszug signierte letzterer zusätzlich «per aval: Scotoni». Die Wechsel
wurden in der Folge mangels Zahlung protestiert und gegen Scotoni in
Betreibung gesetzt. Auf provisorische Rechtsöffnung hin reichte Scotoni
Aberkennungsklage ein mit der Begründung, dass er sich für die Ausstellerin
verbürgt habe, um die Bonität des Wechsels zu verstärken, also nicht von ihr
aus dem Wechsel belangt werden könne. Die Verbürgung für die Ausstellerin sei
unbestreitbar, da seine Bürgschaftserklärung nicht angebe, für wen die
Bürgschaft geleistet werde, sie gemäss Art. 1021
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1021 - 1 Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |
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1 | Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |
2 | Sie wird durch die Worte «als Bürge» oder einen gleichbedeutenden Vermerk ausgedrückt; sie ist von dem Wechselbürgen zu unterschreiben. |
3 | Die blosse Unterschrift auf der Vorderseite des Wechsels gilt als Bürgschaftserklärung, soweit es sich nicht um die Unterschrift des Bezogenen oder des Ausstellers handelt. |
4 | In der Erklärung ist anzugeben, für wen die Bürgschaft geleistet wird; mangels einer solchen Angabe gilt sie für den Aussteller. |
Ausstellerin gelte. -
B. - Durch Urteil vom 3. November 1950 wies das Obergericht des Kantons Zürich
in Bestätigung des bezirksgerichtlichen Urteils die Aberkennungsklage ab.
Es geht davon aus, dass Art. 1021
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1021 - 1 Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |
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1 | Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |
2 | Sie wird durch die Worte «als Bürge» oder einen gleichbedeutenden Vermerk ausgedrückt; sie ist von dem Wechselbürgen zu unterschreiben. |
3 | Die blosse Unterschrift auf der Vorderseite des Wechsels gilt als Bürgschaftserklärung, soweit es sich nicht um die Unterschrift des Bezogenen oder des Ausstellers handelt. |
4 | In der Erklärung ist anzugeben, für wen die Bürgschaft geleistet wird; mangels einer solchen Angabe gilt sie für den Aussteller. |
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eine ausdrückliche Angabe, für wen die Bürgschaft geleistet werde, vorsehe.
Darum sei auch eine andere Form, vorausgesetzt nur, dass sie
unmissverständlich sei, genügend. Hier ergebe sich eindeutig aus den
Umständen, dass die Bürgschaft für die Akzeptantin geleistet sei. Die
Bürgenunterschrift stehe unmittelbar unter derjenigen der Akzeptantin, ja
parallel zu dieser, quer auf dem Wechsel, wo üblicherweise der Akzeptant
unterschreibt; wozu noch komme, dass der Bürge selbst als
zeichnungsberechtigtes Organ der Akzeptantin die Wechsel mitakzeptiert habe.
Der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Bürgschafts- und der
Annahmeerklärung sei offensichtlich. Die Vorinstanz fügt bei - ohne dem
wechselrechtlich Bedeutung beizumessen -, dass sich übrigens auch aus dem
Beweisverfahren ergebe, dass der Kläger die Bürgschaft für die Akzeptantin
eingegangen sei.
Gegen dieses Urteil reichte der Kläger Berufung ein, mit der er an der
Aberkennung der Wechselforderungen festhält.
Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Es ist anzuerkennen, dass die von der Vorinstanz angeführten Gründe
deutlich machen, dass die Bürgschaft sich für die Akzeptantin versteht. Der
Berufungskläger bestreitet es auch gar nicht. Er macht vielmehr lediglich
geltend, dass Art. 1021
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1021 - 1 Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |
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1 | Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |
2 | Sie wird durch die Worte «als Bürge» oder einen gleichbedeutenden Vermerk ausgedrückt; sie ist von dem Wechselbürgen zu unterschreiben. |
3 | Die blosse Unterschrift auf der Vorderseite des Wechsels gilt als Bürgschaftserklärung, soweit es sich nicht um die Unterschrift des Bezogenen oder des Ausstellers handelt. |
4 | In der Erklärung ist anzugeben, für wen die Bürgschaft geleistet wird; mangels einer solchen Angabe gilt sie für den Aussteller. |
Bürgschaft geleistet werde, verlange, und dass mangels solcher Angabe die
Fiktion der Bürgschaft für den Aussteller bestehe.
Art. 1021 Abs. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1021 - 1 Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |
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1 | Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |
2 | Sie wird durch die Worte «als Bürge» oder einen gleichbedeutenden Vermerk ausgedrückt; sie ist von dem Wechselbürgen zu unterschreiben. |
3 | Die blosse Unterschrift auf der Vorderseite des Wechsels gilt als Bürgschaftserklärung, soweit es sich nicht um die Unterschrift des Bezogenen oder des Ausstellers handelt. |
4 | In der Erklärung ist anzugeben, für wen die Bürgschaft geleistet wird; mangels einer solchen Angabe gilt sie für den Aussteller. |
betreffend die Loi uniforme concernant la lettre de change et le billet à
ordre von 1930 wieder. Das Bundesgericht hat sich über seine Bedeutung, dahin
formuliert, ob er eine widerlegbare Vermutung oder eine (unwiderlegbare)
Fiktion enthalte, im Verhältnis zwischen dem Wechselbürgen und seinem
Regresspflichtigen bereits in BGE 74 11 246 ausgesprochen und im erstern
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Sinne entschieden, die Frage jedoch für das Verhältnis zwischen Wechselinhaber
und Wechselschuldner, um das es sich hier handelt, ausdrücklich offen
gelassen.
2.- Die Vorinstanz stellt richtigerweise die zu entscheidende Frage dahin, ob
die Angabe, für wen die Bürgschaft geleistet wird, ausdrücklich zu geschehen
habe oder sonstwie aus dem Wechsel hervorgehen könne, nicht, ob Art. 1021 Abs.
4 eine Fiktion oder eine widerlegbare Vermutung enthalte.
Vor dem Genfer Abkommen galt allgemein, dass die Bezeichnung desjenigen, für
den die Bürgschaft gelte, sich konkludenterweise aus dem Wechsel ergeben
könne, vor allem dass der Anschluss der Bürgenunterschrift an eine andere die
Verbürgung für diesen andern zum Ausdruck bringe (vgl. z. B. für Deutschland
MICHAELIS W. O. S. 356 Anm. 7, für Frankreich HOUIN, Revue trimestrielle de
Droit commercial 1949, S. 137, für die Schweiz BGE 62 11 39 oben, für Italien
MOSSA, La cambiale secundo la nuova legge, S. 515). Nun war es nicht der
eigentliche Zweck von Art. 31 Abs. 4 der Loi uniforme, eine Vorschrift über
die Art und Weise der Bezeichnung des Avalierten aufzustellen; vielmehr sollte
er bestimmen, wer als Avalierter zu gelten habe, wenn es an einer Bezeichnung
fehle. Das ist der Inhalt der Auslegungsregel des Abs. 4, und sie ist
allerdings unabdingbar, eine Fiktion. Die Frage der Art und Weise der
Bezeichnung des Avalierten stellt sich gesondert neben der Auslegungsregel, d.
h. ihr vorausgehend. Erst wenn feststeht, dass ein Avalierter nicht angegeben
ist, bekommt die Auslegungsregel Bedeutung; m.a.W. das Fehlen der Angabe ist
die Ausgangstatsache für die (unwiderlegbare) Vermutung des Avals für den
Aussteller.
Enthält nun Abs. 4 eine Vorschrift über die Art und Weise der Bezeichnung des
Avalierten? in der Literatur zum Genfer Abkommen sind die Meinungen hierüber
geteilt. Die einen legen die Vorschrift dahin aus, dass der Avalierte
ausdrücklich bezeichnet sein müsse, wenn nicht der Aussteller als solcher
gelten solle (STAUB-STRANZ, Wechselgesetz Art. 31 Anm. 5, HUPKA, Das
einheitliche
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Wechselrecht der Genfer Verträge, S. 81, ARMINJON & CARRY, La lettre de
change, No. 266 i.f., HOUIN, Revue trimestrielle de Droit commercial 1949 S.
137). Die andern lassen für seine Bezeichnung auch schlüssige Anhaltspunkte
auf dem Wechsel genügen (PERCEROU et BOUTERON, La nouvelle législation
française et internationale de la lettre de change ... S. 103, Mossa, La
cambiale secondo la nuova legge, S. 515 N. 16).
Die massgebenden Texte des Genfer Abkommens, nämlich der französische und der
englische (Abkommen Art. III), lauten:
L'aval doit indiquer pour le compte de qui il est donné.
An «aval» must specify for whose account it is given.
Ob «specify» gleichbedeutend ist mit ausdrücklicher Erklärung, d.h.
namentlicher Nennung des Avalierten, mag offen bleiben. Jedenfalls ist es
«indiquer» nicht; es umfasst die ausdrückliche und die konkludente Erklärung,
wie es denn sowohl der deutsche als auch der schweizerische Gesetzgeber in
ihren Landesgesetzen mit ein der Erklärung ist anzugeben» wiedergegeben haben.
Die Rechtssprache pflegt aber zu präzisieren, wenn von den beiden
Erklärungsformen nur die ausdrückliche zugelassen sein soll. Dazu wäre hier in
Anbetracht der erwähnten bisherigen Übung, die Angabe des Avalierten schon in
der räumlichen Verbindung des Avals mit seiner Unterschrift zu sehen, noch
besonderer Anlass gewesen. immerhin findet sich im Verhandlungsprotokoll S.
238 eine Äusserung, die wohl nur im Sinne der ausdrücklichen Angabe aufgefasst
werden kann. Der niederländische Delegierte SCHELTEMA,
avant de passer au vote sur l'article, désire avoir l'assurance que son
interprétation est exacte. L'article dit: «l'aval doit indiquer pour le compte
de qui il est donné». Suivant la jurisprudence néerlandaise, un aval figurant
sous la signature d'une des autres personnes est considéré comme donné pour
cette personne. Ainsi, pour le juge néerlandais, cette stipulation répondrait
au sens de l'article 30. Est-ce également l'opinion des experts? Darauf
antwortete der Präsident «que si l'on dit: l'aval doit indiquer pour le compte
de qui il est donné, cette formule signifie que l'on doit indiquer un nom».
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Allein bei einer internationalen Konvention, die lediglich kraft des
Beitrittsaktes der einzelnen Staaten für sie Rechtskraft erhält, darf der
Meinung der sie ausarbeitenden Experten nicht jene Bedeutung zugeschrieben
werden, wie sie unter Umständen beispielsweise für die schweizerische
Landesgesetzgebung den Voten in der Beratung der gesetzgebenden Behörde
vielfach beigemessen werden kann. Jene sind noch viel mehr als diese
unverbindliche persönliche Meinung; was allein zählt, ist der Text, der
vorgelegt wird und auf den die Staaten sich verpflichten. So konnte denn auch
der französische Delegierte PERCEROU, der in der Sitzung anwesend war, ohne
dem Präsidenten zu widersprechen, die gegenteilige Auffassung vertreten
(a.a.O.)
Das führt zum Schluss, dass hinsichtlich der Form der Angaben des Avalierten
die neue Ordnung von der bisherigen nicht abweicht. Diese scheint auch gar
nicht als revisionsbedürftig empfunden worden zu sein. So kritisiert z.B.
Hupka (zit. oben), der aus Art. 31 Abs. 4 des Genfer Abkommens die
ausdrückliche Angabe des Avalierten herausliest, diese «unbefriedigende Lösung
von übertriebenem Formalismus». Dass sie immerhin den Vorzug der Klarheit
hätte, wie er dem Wesen des Wechsels entspräche, ist nicht zu verkennen. Denn
ob eine nicht ausdrückliche Angabe des Avalierten unmissverständlich sei, wird
mitunter diskutabel sein können. Allein der Wechselverkehr hat sich daran
bisher nicht gestossen. Und gerade im vorliegenden Falle sind Zweifel nicht
möglich, dass das Aval sich für den Akzeptanten versteht. Seine Erklärung
entspricht der klassischen Form nicht ausdrücklicher Angabe.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der 11. Zivilkammer des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 3. November 1950 bestätigt.