S. 43 / Nr. 11 Luftverkehr (d)

BGE 76 IV 43

11. Urteil des Kassationshofes vom 27. Januar 1950 i. S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Thurgau gegen Lang und Legler.

Regeste:
1. Art. 113 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
BV. Wirkung der von der Bundesversammlung genehmigten
Staatsverträge.
2. Anhang D des Pariser Luftfahrtabkommens enthielt Vorschriften, die im Sinne
von Art. 37 Abs. 1 BRB betreffend die Ordnung des Luftverkehrs in der Schweiz
vom 27. Januar 1920 (BLV) der Ausführung und Ergänzung dieses
Bundesratsbeschlusses dienen sollten. War Anhang D genügend veröffentlicht
worden?
3. Art. 4 BLV, Art. 36 Geschäftsverkehrsgesetz vom 9. Oktober 1902. Die (nicht
veröffentlichte) Verfügung des eidgenössischen Luftamtes vom 31. Dezember
1947, wonach Anhang D des vom Bundesrat auf 12. Dezember 1947 gekündeten
Pariser Luftfahrtabkommen bis auf weiteres in Geltung bleibe, ist
unverbindlich.
1. Art. 113 al. 3 Cst. Effet des traités ratifiés par l'Assemblée fédérale.
2. L'annexe D à la convention de Paris sur la navigation aérienne contenait
des dispositions complétant l'ACF du 27 janvier 1920 sur la matière et en
assurant 1 exécution au sens de son art. 37 al. 1. A-t-elle été suffisamment
publiée?

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3. Art. 4 de l'ACF du 27 janvier 1920 et 36 de la loi du 9 octobre 1902 sur
les rapports entre les Conseils. La décision non publiée de l'Office aérien du
31 décembre 1947 selon laquelle l'annexe D reste en vigueur jusqu'à nouvel
avis, malgré la dénonciation de la convention de Paris pour le 12 décembre
1947, n'a pas force obligatoire.
1. Art. 113, cp. 3 CF. Efficacia dei trattati ratificati dall'Assemblea
federale.
2. L'allegato D della Convenzione di Parigi conteneva disposizioni che a'sensi
dell'art. 37 cp. 1 DCF regolante la circolazione aerea in Isvizzera dovevano
servire ad eseguire e completare questo decreto del Consiglio federale. É
stato sufficientemente pubblicato?
3. Art. 4 del DCF 27 gennaio 1920 e art. 36 della legge 9 ottobre 1902 sui
rapporti tra i Consigli legislativi. La decisione non pubblicata che l'Ufficio
federale aereo ha presa il 31 dicembre 1947 e secondo cui l'allegato D resta
in vigore fino a nuovo avviso, nonostante la denuncia della Convenzione di
Parigi pel 12 dicembre 1947, non ha forza obbligatoria.

A. - Am 27. November 1947 um 8 Uhr, als die Vogeljagd auf dem Untersee und
Rhein freigegeben wurde, fuhren die Jäger wie üblich mit etwa neunzig
Ruderhooten in den Raum zwischen Triboltingen, dem Konstanzer Ried und der
Reichenaustrasse und bezogen mit unregelmässigen Zwischenräumen von
durchschnittlich fünfzehn Metern Stellung, um massenweise Belchen
abzuschiessen. Kaum hatte der Abschuss begonnen, erschienen Lang und Legler
mit zwei von ihnen gesteuerten Sportflugmaschinen. Sie kreisten über dem
Jagdgebiet und führten Tiefflüge aus, um die Beichen zu verscheuchen und so
den von den Tierschutzfreunden verabscheuten Massenabschuss zu verhindern. Sie
gingen während zwanzig bis dreissig Minuten immer wieder mit grosser
Geschwindigkeit in die Tiefe, bis auf zehn Meter an die Wasserfläche heran.
Die Jäger erschraken, doch ereignete sich kein Unfall.
B. - Am 6. Oktober 1948 verurteilte das Bezirksgericht Kreuzlingen Lang und
Legler in Anwendung des Pariser Luftfahrtabkommens vom 13. Oktober 1919, des
Bundesratsbeschlusses vom 27. Januar 1920 betreffend die Ordnung des
Luftverkehrs in der Schweiz (BLV) und Art. 237 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
StGB zu je Fr. 200.-
Busse.

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Auf Berufung hin sprach das Obergericht des Kantons Thurgau am 14. April 1949
die Angeklagten frei. Art. 237 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
StGB sah es nicht als erfüllt an, weil
sie weder Leib und Leben von Menschen gefährdet, noch pflichtwidrig
unvorsichtig gehandelt hätten. Zum Vorwurf, sie hätten die Vorschriften über
den Luftverkehr verletzt, führte es aus, da das Pariser Luftfahrtabkommen
keine Strafrechtssätze enthalte, frage sich nur, ob der Bund auf den Fall
zutreffende Strafnormen aufgestellt habe. Art. 37 Abs. 1 BLV bedrohe mit
Strafe «die Übertretung der vorliegenden Vorschriften sowie der zu ihrer
Ausführung oder Ergänzung erlassenen Verordnungen und Reglemente». Der BLV
selber enthalte keine Einzelheiten über die Art und Weise des Fliegens. Die
«Ergänzenden polizeilichen Vorschriften über den Luftverkehr über
Schweizergebiet», erlassen vom Eidgenössischen Eisenbahndepartement am 3.
August 1923, schrieben ebenfalls nicht vor, dass über offenem Feld oder über
Wasserflächen bestimmte Mindesthöhen einzuhalten seien. Das
Eisenbahndepartement habe auch nicht später durch einen in genügender Form
veröffentlichten Erlass die im Anhang D zum Pariser Luftfahrtabkommen
enthaltenen Verbote übernommen. Die blosse Mitteilung des eidgenössischen
Luftamtes vom 31. Dezember 1947 an die Luftfahrer über die weitere Gültigkeit
des am 15. Mai 1946 letztmals veröffentlichten Anhanges D könne, ganz
abgesehen von der Frage der Zuständigkeit dieses Amtes, kein Strafgesetz
schaffen, sondern stelle nur eine allgemeine Anweisung an die Flieger dar,
sich an die Verkehrsvorschriften des Anhanges D zu halten. Dass diese
Vorschriften nicht gültiges schweizerisches Strafrecht geworden seien, ergebe
sich auch aus dem BRB vom 24. Januar 1921 betreffend Verkehr von
Luftfahrzeugen auf und über Gewässern, der noch in Kraft stehe. Dieser
Beschluss enthalte eine in die Einzelheiten gehende Regelung über das
Verhalten der Flugzeuge gegenüber Schiffen, nicht nur eine allgemeine Regelung
wie Ziff. 4.3 des Anhanges D zum Pariser Luftfahrtabkommen. Insbesondere
umschreibe der

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Bundesratsbeschluss den Begriff «Schiffe» und verstehe darunter nur «Personen
befördernde Dampf- oder grössere Motorschiffe», also nicht auch Ruderboote.
Übrigens hätten die Angeklagten die Vorschriften des Anhanges D nicht
übertreten, da sie weder den Verkehr allgemein gefährdet, noch Ortschaften
oder Personenansammlungen in unzulässiger Weise, bzw. Schiffe im Sinne des BRB
von 1921 zu nah überflogen, noch Akrobatikflüge ausgeführt hätten.
C. - Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau führt gegen das Urteil des
Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die
Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Die
Beschwerdeführerin ficht nur den Freispruch von der Anklage der Widerhandlung
gegen die Vorschriften über den Luftverkehr, nicht auch den Freispruch von der
Anklage der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs an.
Zur Begründung wird geltend gemacht, auch ein Staatsvertrag gelte als
Strafgesetz, wenn er Strafrechtssätze enthalte. Die Schweiz sei am 18. Juni
1934 dem Pariser Luftfahrtabkommen beigetreten, dessen Art. 25 die
Vertragsstaaten verpflichte, die geeigneten Massnahmen zur Durchführung der
Vorschriften des Abkommens zu treffen und insbesondere auch die Fehlbaren zu
bestrafen. Die An hänge zum Abkommen seien in der Gesetzessammlung nicht
veröffentlicht worden, doch habe das auf Grund von Art. 4 BLV geschaffene
Luftamt alle einschlägigen Vorschriften unter der Rubrik «Sammlung der
offiziellen Mitteilungen des eidg. Luftamtes» in der in Zürich erscheinenden
Aero-Revue, dem Organ des schweizerischen Aero-Clubs, veröffentlicht. So sei
der Text des bereinigten Anhanges D zum Pariser Luftfahrtabkommen in der
Aero-Revue Nr. 5 des Jahrganges 1946 enthalten. Überdies habe das Luftamt
diese Vorschriften allen Pilotenschülern bei der Abgabe des Lernausweises
zugesandt, auch den beiden Angeklagten. Es handle sich um «Verordnungen und
Reglemente», deren Übertretung nach Art. 37 BLV Strafe nach sich ziehe. Die
Vorschriften des Anhanges D seien

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nicht etwa ausser Kraft gesetzt worden. Wohl habe die Schweiz auf den 12.
Dezember 1947 das Pariser Luftfahrtabkommen als für sich nicht mehr massgebend
bezeichnet. Doch habe das Luftamt, dem der Bundesrat die Kompetenz erteilt
habe, in Luftfahrtsfragen die zum Vollzug und zur Ergänzung der
Luftverkehrsordnung nötigen Verordnungen und Reglemente zu erlassen, am 31.
Dezember 1947 allen Luftfahrern mitgeteilt, dass der Anhang D in der Fassung
vom 15. Mai 1946 bis auf weiteres in Geltung bleibe. Die Frage der Anwendung
milderen Rechts zu Gunsten der Angeklagten stelle sich daher nicht. Der BRB
vom 24. Januar 1921 sei durch den Beitritt der Schweiz zum Pariser Abkommen
aufgehoben worden. Die Angeklagten hätten die mit den Ziffern 4.1 und 4.3 des
Anhanges D aufgestellten Verkehrsregeln übertreten. Durch Anfliegen von
Schiffen hätten sie jedenfalls Ziff. 4.3 verletzt.
D. - Lang und Legler beantragen, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen und
es sei ihnen im Sinne von Art. 278 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
BStP eine angemessene Entschädigung
zuzusprechen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Art. 37 Abs. 1 BLV bedroht «die Übertretung der vorliegenden Vorschriften
sowie der zu ihrer Ausführung oder Ergänzung erlassenen Verordnungen und
Reglemente» mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldbusse bis zu Fr.
10000.-. Da der Bundesratsbeschluss, der diese Bestimmung enthält, über die
Art und Weise des Fliegens selber nichts vorschreibt, setzt die Bestrafung der
Beschwerdegegner voraus, dass sie die zu seiner «Ausführung oder Ergänzung
erlassenen Verordnungen und Reglemente» verletzt haben. Solche Verordnungen
sind die vom Bundesrat am 24. Januar 1921 erlassenen «Vorschriften betreffend
den Verkehr von Luftfahrzeugen auf und über Gewässern» und die vom
Eidgenössischen Eisenbahndepartement am 3. August 1923 mit Ermächtigung

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des Bundesrates aufgestellten «Ergänzenden polizeilichen Vorschriften für den
Luftverkehr über Schweizergebiet» (BBl 1923 11 722). Doch macht die
Staatsanwaltschaft mit Recht nicht geltend, dass einer dieser beiden Erlasse
eine Vorschrift enthalte, welche die Angeklagten übertreten hätten. Nach
Ziffer 1 der Vorschriften vom 24. Januar 1921 dürfen sich zwar Luftfalrrzeuge
«einem Personen befördernden Dampf- oder grösseren Motorschiffe» nicht auf
weniger als 200 m nähern; doch wird nicht bestimmt, dass diese Entfernung auch
gegenüber Ruderbooten einzuhalten sei. Nur solcher haben sich die Vogeljäger
am 27. November 1947 bedient. Als Vorschriften, welche durch die Strafdrohung
von Art. 37 BLV verstärkt und von den Beschwerdegegnern verletzt worden sein
könnten, kommen somit nur jene des Anhanges D zum Pariser Luftfahrtabkommen in
Betracht.
2.- Dem Pariser Luftfahrtabkommen ist der Bundesrat in Vollziehung des
Bundesbeschlusses vom 18. Juni 1934 auf den 1. Oktober 1934 beigetreten. Mit
Art. 25 dieses Abkommens verpflichtet sich jeder der Vertragsstaaten, durch
geeignete Massnahmen die Beobachtung der im Anhang D vorgesehenen
Luftverkehrsregeln sicherzustellen und für die Verfolgung und Bestrafung der
Fehlbaren zu sorgen. In Art. 34 des Abkommens wurde unter der Bezeichnung
«Internationale Luftfahrtkommission» eine ständige internationale Kommission
eingesetzt, der unter anderem die Befugnis eingeräumt wurde, die Vorschriften
der Anhänge A bis G zu andern und zu ergänzen. Der die Luftverkehrsregeln
enthaltende Anhang D wurde von dieser Kommission letztmals mit Wirkung auf den
15. Mai 1946 revidiert.
Ziffer 4.1 des Anhanges D bestimmt, dass kein Luftfahrzeug so unvorsichtig
oder fahrlässig verwendet werden darf, dass es eine Gefahr für Personen oder
Sachen bildet. Eine Verletzung dieser Bestimmung kann den Beschwerdegegnern
nicht vorgeworfen werden, nachdem die Staatsanwaltschaft eine Verkehrsstörung
im Sinne des Art. 237
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.


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StGB verneint, weil weder Personen noch Sachen gefährdet worden seien. Dagegen
haben sich die Beschwerdegegner nicht an Ziffer 4.3 des Anhanges D gehalten,
wonach ein Luftfahrzeug, das in der Nähe der Wasseroberfläche fliegt, sich von
allen Schiffen entfernt halten und deren Fahrt so wenig als möglich stören
soll. Die Auffassung des Obergerichts, dass diese Bestimmung vor Ziffer 1 der
Vorschriften des Bundesrates vom 24. Januar 1921 zurückzutreten habe, hält
schon deshalb nicht stand, weil das Staatsvertragsrecht dem Bundesrecht
vorgeht (BGE 57 I 22 f.). Übrigens können die beiden Erlasse recht wohl neben
einander bestehen in dem Sinne, dass die Luftfahrer sich an beide zu halten
haben.
3.- Durch den vom Bundesrat in Vollziehung eines Beschlusses der
Bundesversammlung erklärten Beitritt der Schweiz zum Pariser Luftfahrtabkommen
sind die Vorschriften dieses Abkommens und der hiezu erlassenen Anhänge ohne
weiteres auch internes schweizerisches Recht geworden, und zwar die Anhänge in
der ihnen durch die «Internationale Luftfahrtkommission» jeweils gegebenen
Fassung, da das Abkommen dieser Kommission das Recht zur Abänderung und
Ergänzung der Anhänge eingeräumt hat. Nicht zutreffend ist daher die
Auffassung des Obergerichts, dass der Anhang D des Abkommens auf die
Beschwerdegegner deshalb nicht anwendbar sei, weil er nicht vom Bundesrat oder
Eisenbahndepartement «in einen eigenen Erlass» gekleidet worden ist. Die
Normen eines von der Bundesversammlung genehmigten Staatsvertrages stehen in
ihren Wirkungen einem internen Gesetze gleich und müssen wie ein solches von
den Behörden vollzogen werden (BGE 49 I 196).
Der Bestrafung der Beschwerdegegner wegen Übertretung der Ziffer 4.3 des
Anhanges D steht auch nicht die Überleitung im Wege, dass der Anhang D nicht
als eine zur Ausführung und Ergänzung des BRB vom 27. Januar 1920 (BLV)
erlassene Verordnung aufzufassen sei und folglich Art. 37 BLV nicht angewendet
werden könne. Inhaltlich

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ist der Anhang D eine Ausführungsverordnung zum BRB vom 27. Januar 1920.
Gewiss ist er nicht vom Bundesrat erlassen worden, der in Art. 4 Abs. 2 BLV
das Recht, die zum Vollzug und zur Ergänzung des Bundesratsbeschlusses
notwendigen Verordnungen und Reglemente zu erlassen, sich selber vorbehält.
Diese Bestimmung spricht jedoch bloss den dem Bundesrat unterstellten
Instanzen das Recht zum Erlass von Ausführungsvorschriften ab, schliesst nicht
auch die Aufstellung solcher Vorschriften in einem von der Bundesversammlung
genehmigten Staatsvertrag aus.
Fraglich ist dagegen, ob die Veröffentlichung des Anhanges D in der Aero-Revue
des Jahres 1946 und seine Übergabe an die Pilotenschüler, darunter auch die
beiden Beschwerdegegner, genügte, damit er die Beschwerdegegner verpflichtete,
oder ob er nicht gestützt auf Art. 33 des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1902
über den Geschäftsverkehr zwischen Nationalrat, Ständerat und Bundesrat, sowie
über die Form des Erlasses und der Bekanntmachung von Gesetzen und Beschlüssen
in die amtliche Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen hätte aufgenommen
werden sollen, um diese Wirkung zu haben. Diese Frage kann indessen offen
bleiben, da das angefochtene Urteil selbst dann nicht aufgehoben werden
könnte, wenn der Anhang D die Beschwerdegegner zur Zeit der Tat verpflichtet
hätte.
4.- Der Bundesrat hat das Pariser Luftfahrtabkommen am 12. Dezember 1946 auf
den 12. Dezember 1947 gekündigt (AS 63 1566). Mit diesem Tage ist daher auch
der Anhang D, der ein Teil des Abkommens bildet, ausser Kraft getreten. Mit
Bundesbeschluss vom 13. Dezember 1946 (AS 63 1375) ist die Schweiz dem
internationalen Zivilluftfahrtabkommen von Chicago vom 7. Dezember 1944
beigetreten. Die auf Grund dieses Abkommens zu erlassenden Luftverkehrsregeln
liegen jedoch noch nicht vor.
Nun hat freilich das eidgenössische Luftamt am 31. Dezember 1947 den
schweizerischen Lufffahrern durch

Seite: 51
Zirkular mitgeteilt, dass die Regeln des Anhanges D zum Pariser Abkommen «bis
auf weiteres in Geltung bleiben». Doch damit wären diese ausser Kraft
getretenen Regeln nur dann wieder verbindlich geworden, wenn das Luftamt
zuständig gewesen wäre, sie zu erlassen, und seinen Erlass in gesetzlicher
Weise veröffentlicht hätte. Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt.
a) Die Staatsanwaltschaft behauptet, der Bundesrat habe die Kompetenz, die er
sich in Art. 4 Abs. 2 BLV vorbehalten hatte, auf das Luftamt übertragen,
dessen Schaffung Art. 4 Abs. 3 BLV vorsehe. Es fehlt jedoch der Nachweis, dass
dem so sei. Eine Kompetenzdelegation ist nicht veröffentlicht worden und wird
auch im Zirkular vom 31. Dezember 1947 nicht erwähnt. Die Befugnisse des
Luftamtes sind nie genau umschrieben worden. Nicht einmal der
Bundesratsbeschluss vom 9. März 1920, durch den das Luftamt geschaffen wurde,
ist veröffentlicht worden. Dem Luftamt muss deshalb die Befugnis zum Erlass
von Luftverkehrsregeln schon mangels Kompetenzdelegation abgesprochen werden.
Übrigens wäre der Bundesrat nicht berechtigt gewesen, es zum Erlass solcher
Regeln zu ermächtigen. Man kann sich schon fragen, ob er dazu nicht der
Zustimmung der Bundesversammlung bedurft hätte, umsomehr als der BRB vom 27.
Januar 1920 auf einem Vollmachtenbeschluss beruht; in der Literatur wird die
Auffassung vertreten, dass die Subdelegation nur mit ausdrücklicher Zustimmung
des Gesetzgebers zulässig sei (vgl. z. B. FLEINER, Institutionen des deutschen
Verwaltungsrechts, 8. Auflage, S. 71; GIACOMETTI in der Festgabe für Fleiner
1937, S. 76). Die Frage kann offen bleiben, denn der erwähnte
Bundesratsbeschluss selber schliesst die Delegation der Rechtsetzungsbefugnis
an das Luftamt aus, indem er das Recht zum Erlass der zu seinem Vollzug und
seiner Ergänzung notwendigen Verordnungen und Reglemente ausdrücklich dem
Bundesrat vorbehält (Art. 4 Abs. 2) und die Einräumung von Befugnissen an das
Luftamt nur «im Rahmen

Seite: 52
der vorliegenden Vorschriften» gestattet (Art. 4 Abs. 3). Nach allgemein
anerkannten Grundsätzen des Staats- und Verwaltungsrechts bindet die eine
Verordnung erlassende Behörde auch sich selber, d. h. sie ist, solange die
Verordnung besteht, verpflichtet, sich an sie zu halten, und handelt
rechtswidrig und willkürlich, wenn sie davon abweicht (nicht veröffentlichtes
Urteil des Bundesgerichts i. S. Jagdgesellschaft Gränichen-Oberentfelden vom
20. Dezember 1929; O. MAYER, Verwaltungsrecht I S. 82; FLEINER, Institutionen,
8. Aufl., S. 139 f.; WALZ, Staatsrecht des Grossh. Baden, S. 224; RüEGG, Die
Verordnung nach zürcherischem Staatsrecht, S. 53 f.). Art. 4 BLV ist nie
geändert worden.
b) Die Verfügung des Luftamtes vom 31. Dezember 1947 hat dem Anhang D zum
Pariser Luftfahrtabkommen auch deshalb nicht weitere Geltung verliehen, weil
sie nicht veröffentlicht worden ist. Die Veröffentlichung ist ein Willensakt
der Behörde, der darauf gerichtet ist, einen Erlass in verbindlicher Form
amtlich zur allgemeinen Kenntnis zu bringen (BGE 7 712). Die Mitteilung eines
Erlasses bloss an einzelne Personen ist nicht Veröffentlichung. Nur einzelnen
Personen, den ihm bekannten Luftfahrern, hat das Luftamt seine Verfügung durch
Zirkular vom 31. Dezember 1947 mitgeteilt. Dass ein Gesetzeserlass erst mit
seiner Veröffentlichung verbindlich wird, ist allgemein anerkannt (BGE 7 712;
28 I 108; 61 I 417; 64 I 67) und ergibt sich für das eidgenössische Recht auch
aus Art. 36 des Geschäftsverkehrsgesetzes vom 9. Oktober 1902, wonach ein
Erlass fünf Tage nach seiner Veröffentlichung «in Wirksamkeit tritt», wenn
über den Zeitpunkt des Beginnes der «Wirksamkeit» nichts bestimmt worden ist
(vgl. hiezu Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 1939 Nr. 9 und 10, S. 19
ff.; 1940 Nr. 14, S. 29).
5.- Hat somit der Anhang D des Pariser Luftfahrtabkommens nicht mehr gegolten,
als das Obergericht die Tat der Beschwerdegegner beurteilte, so muss es beim
Freispruch der Beschwerdegegner sein Bewenden haben. Nach

Seite: 53
Art. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
StGB ist das zur Zeit der Beurteilung geltende Recht anzuwenden,
wenn es für den Täter das mildere ist. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für
Handlungen, die das Strafgesetzbuch mit Strafe bedroht oder von Strafe
befreit, sondern auch für solche, die andere bundesrechtliche Bestimmungen
unter Strafe stellen oder gestellt haben, vorausgesetzt, dass nicht der auf
die Materie zutreffende besondere Erlass es anders haben will (Art. 333 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 333 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen.
1    Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen.
2    In den anderen Bundesgesetzen werden ersetzt:
a  Zuchthaus durch Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr;
b  Gefängnis durch Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe;
c  Gefängnis unter sechs Monaten durch Geldstrafe, wobei einem Monat Freiheitsstrafe 30 Tagessätze Geldstrafe zu höchstens 3000 Franken entsprechen.
3    Wird Haft oder Busse oder Busse allein als Höchststrafe angedroht, so liegt eine Übertretung vor. Die Artikel 106 und 107 sind anwendbar. Vorbehalten bleibt Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974492 über das Verwaltungsstrafrecht. Eine Übertretung ist die Tat auch dann, wenn sie in einem anderen Bundesgesetz, welches vor 1942 in Kraft getreten ist, mit einer Gefängnisstrafe bedroht ist, die drei Monate nicht übersteigt.
4    Vorbehalten sind die von Absatz 2 abweichenden Strafdauern und Artikel 41 sowie die von Artikel 106 abweichenden Bussenbeträge.
5    Droht ein anderes Bundesgesetz für ein Verbrechen oder Vergehen Busse an, so ist Artikel 34 anwendbar. Von Artikel 34 abweichende Bemessungsregeln sind nicht anwendbar. Vorbehalten bleibt Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht. Ist die Busse auf eine Summe unter 1 080 000 Franken begrenzt, so fällt diese Begrenzung dahin. Ist die angedrohte Busse auf eine Summe über 1 080 000 Franken begrenzt, so wird diese Begrenzung beibehalten. In diesem Fall ergibt der bisher angedrohte Bussenhöchstbetrag geteilt durch 3000 die Höchstzahl der Tagessätze.
6    ...493
6bis    Wird eine Tat mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe mit einer Mindestanzahl Tagessätzen bedroht, so gilt diese Untergrenze auch für die Mindestanzahl Tage Freiheitsstrafe.494
7    Die in andern Bundesgesetzen unter Strafe gestellten Übertretungen sind strafbar, auch wenn sie fahrlässig begangen werden, sofern nicht nach dem Sinne der Vorschrift nur die vorsätzliche Begehung mit Strafe bedroht ist.

StGB). Das trifft für den BRB vom 27. Januar 1920 nicht zu.
6.- Den Beschwerdegegnern ist für das Verfahren vor Bundesgericht keine
Entschädigung zuzusprechen, da sie zum mindesten unkorrekt gehandelt, wenn
nicht sogar die zur Zeit der Tat geltende Rechtsordnung übertreten haben.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 76 IV 43
Date : 01. Januar 1949
Published : 27. Januar 1950
Source : Bundesgericht
Status : 76 IV 43
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : 1. Art. 113 Abs. 3 BV. Wirkung der von der Bundesversammlung genehmigten Staatsverträge.2. Anhang D...


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BV: 113
StGB: 2  237  333
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28-I-105 • 49-I-188 • 57-I-19 • 61-I-409 • 64-I-66 • 76-IV-43
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