S. 237 / Nr. 50 Strafgesetzbuch (d)

BGE 76 IV 237

50. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Dezember 1950 i. S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen Wingeier.

Regeste:
Art. 198
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 198 - 1 Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt,
1    Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt,
2    Die zuständige Behörde kann die beschuldigte Person zum Besuch eines Lernprogramms verpflichten. Absolviert diese das angeordnete Lernprogramm, wird das Verfahren eingestellt.
3    Die zuständige Behörde entscheidet über die Kosten des Verfahrens und über allfällig geltend gemachte Forderungen der Zivilpartei.
, 199
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 199 - Wer den kantonalen Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution und über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen zuwiderhandelt, wird mit Busse bestraft.
StGB.
1. Begriff der Unzucht als Merkmal der einfachen und der gewerbsmässigen
Kuppelei.
2. Gewerbsmässigkeit der Kuppelei.
3. Art. 199 Abs. 2 setzt nicht voraus, dass die unmündige Person
gewerbsmässiger Unzucht ausgeliefert worden sei.
Art. 198 et 199 CP.
1. Notion de la débauche en tant qu'élément du proxénétisme simple et
professionnel.
2. Caractère professionnel du proxénétisme
3. L'art. 199 al. 2 n9 suppose pas que la personne mineure ait été livrée à la
prostitution.
Art. 198 e 199 CP.
1. Concetto della libidine quale elemento del lenocinio semplice e per
mestiere.
2. Carattere professionale del lenocinio.
3. L'art. 199 cp. 2 non presuppone che la persona minore sia stata indotta a
compiere degli atti di libidine per mestiere.

A. - Rosa Wingeier war bestrebt, in der Von ihrem Ellemann geführten
Gastwirtschaft in Selzach den Absatz von Flaschenwein zu heben. Zu diesem
Zwecke gab sie nicht nur sich selber, Notdürftig bekleidet, den Gästen zu
unzüchtigen Handlungen hin, sondern gebot auch dem weiblichen Servierpersonal,
unter anderem einer Unmündigen, in einem als Weinstube, später als Bar,
eingerichteten und mit Sofas ausgestatteten Nebenlokal sich von den Gästen
unsittlich berühren und ausgreifen zu lassen und ihnen am entblössten
Geschlechtsglied zu reiben. Das geschah vom September 1947 bis November 1949.
Zum Beischlaf zwischen Gästen und Servierpersonal kam es nicht, obschon
erstere ihn verlangten.
B. - Rosa Wingeier wurde der gewerbsmässigen

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Kuppelei (Art. 199
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 199 - Wer den kantonalen Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution und über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen zuwiderhandelt, wird mit Busse bestraft.
StGB) angeklagt, vom Obergericht des Kantons Solothurn am
16. Juni 1950 jedoch nur der fortgesetzten einfachen Kuppelei schuldig
erklärt. Das Obergericht verurteilte sie in Anwendung von Art. 198 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 198 - 1 Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt,
1    Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt,
2    Die zuständige Behörde kann die beschuldigte Person zum Besuch eines Lernprogramms verpflichten. Absolviert diese das angeordnete Lernprogramm, wird das Verfahren eingestellt.
3    Die zuständige Behörde entscheidet über die Kosten des Verfahrens und über allfällig geltend gemachte Forderungen der Zivilpartei.
-3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 198 - 1 Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt,
1    Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt,
2    Die zuständige Behörde kann die beschuldigte Person zum Besuch eines Lernprogramms verpflichten. Absolviert diese das angeordnete Lernprogramm, wird das Verfahren eingestellt.
3    Die zuständige Behörde entscheidet über die Kosten des Verfahrens und über allfällig geltend gemachte Forderungen der Zivilpartei.

StGB zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von neun Monaten.
C. - Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn führt Nichtigkeitsbeschwerde
mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und Rosa Wingeier der
gewerbsmässigen Kuppelei gemäss Art. 199 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 199 - Wer den kantonalen Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution und über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen zuwiderhandelt, wird mit Busse bestraft.
und 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 199 - Wer den kantonalen Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution und über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen zuwiderhandelt, wird mit Busse bestraft.
StGB schuldig zu
erklären.
D. - Rosa Wingeier beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2.- Nach Art. 198
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 198 - 1 Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt,
1    Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt,
2    Die zuständige Behörde kann die beschuldigte Person zum Besuch eines Lernprogramms verpflichten. Absolviert diese das angeordnete Lernprogramm, wird das Verfahren eingestellt.
3    Die zuständige Behörde entscheidet über die Kosten des Verfahrens und über allfällig geltend gemachte Forderungen der Zivilpartei.
StGB begeht Kuppelei, «wer aus Gewinnsucht der Unzucht
Vorschub leistet». Der Kassationshof - im Gegensatz zu HAFTER, besond. Teil,
140 Ziff. 1 - hat diese Bestimmung dahin ausgelegt, dass sie nicht nur
erfasse, wer ausserehelichem Beischlaf oder widernatürlicher Unzucht, sondern
auch, wer anderen die Grenzen des geschlechtlichen Anstandes überschreitenden
Handlungen aus Gewinnsucht Vorschub leistet (BGE 71 IV 94). Immerhin wurde
ausgeführt, dass der Richter in der Anwendung der Bestimmung auf den einzelnen
Fall Marns zu halten habe, wie es der französische Text («débauche») sowie das
Empfinden des Volkes verlangten; nicht jede noch so leichte Überschreitung des
geschlechtlichen Anstandes, welcher ein Dritter aus Gewinnsucht Vorschub
leiste, genüge zum Tatbestand der Kuppelei; namentlich wenn der Täter aus dem
unanständigen Verhalten nur indirekten Gewinn ziehe, sei Zurückhaltung am
Platze, z. B. wenn der Wirt zur Hebung des Geschäftsumsatzes geringfügigen
Zudringlichkeiten der Gäste gegenüber dem Bedienungspersonal Vorschub leiste.
So unbedeutend, als dass nach dieser Rechtsprechung Kuppelei nicht vorläge,
waren im vorliegenden Falle die unsittlichen Handlungen zwischen
Servierpersonal und

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Gästen nicht. Das anstössige Betasten und «Ausgreifen» der Serviertöchter
durch die Gäste und das «Abreiben» des Geschlechtsgliedes der letzteren durch
das Personal ging über das hinaus, was in einer Animierwirtschaft noch
angängig sein kann, ohne dass sie im Volksbewusstsein zur Stätte der Unzucht
wird. Im erwähnten Urteil des Bundesgerichts wurde denn auch das Reiben des
Geschlechtsgliedes des Kunden durch eine Angestellte des Kupplers als
eindeutig unzüchtig erklärt.
3.- «Betreibt der Täter die Kuppelei gewerbsmässig, hält er namentlich ein
Bordell», so ist er nach Art. 199 zu bestrafen. Auch nach dieser Bestimmung
liegt Kuppelei schon vor, wenn der Täter (aus Gewinnsucht) irgendwelcher Art
von Unzucht, die nicht bloss geringfügig unanständiges Benehmen ist, Vorschub
leistet. Dem Obergericht, das im angefochtenen Urteil die Nichtanwendung des
Art. 199 einzig mit dem Hinweis auf die «gegebenen objektiven und subjektiven
Verhältnisse» begründet hat, ist nicht beizupflichten, wenn es in den
Gegenbemerkungen zur Nichtigkeitsbeschwerde ergänzend ausführt, mit der
namentlichen Nennung Von Bordellen, wo jedermann nach einem bestimmten Tarif
seine geschlechtliche Befriedigung finde, habe das Gesetz das eigentliche
Kuppeleigewerbe als qualifiziertes Delikt treffen wollen, nicht auch die
gemässigte Form der Kuppelei, wie sie im vorliegenden Falle zutage trete.
Durch die Erwähnung des Bordelles schränkt Art. 199 den aus Art. 198
übernommenen Begriff der Kuppelei (siehe Randtitel zu dieser Bestimmung) nicht
ein, sondern nennt bloss ein Beispiel gewerbsmässiger Kuppelei. Die
Gewerbsmässigkeit ist das einzige Merkmal, das den Tatbestand des Art. 199
Abs. 1 gegenüber dem des Art. 198 Abs. 1 auszeichnet.
4.- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts handelt gewerbsmässig, wer in
der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, und mit der Bereitschaft,
gegen unbestimmt viele zu handeln, die Tat wiederholt (BGE 701 V 135; 71 IV
85
, 115; 721 V 109; 741 V 141).
Diese Merkmale sind hier zweifellos erfüllt. Die

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Beschwerdegegnerin hat die Gäste und das Servierpersonal verkuppelt, um den
Absatz von Flaschenwein zu steigern und damit den Ertrag der Gastwirtschaft zu
verbessern. Die Gewinnsucht - die von der Vorinstanz bejaht wird und zum
Begriff der Kuppelei gehört bewog die Beschwerdegegnerin nicht nur
gelegentlich, sondern vom September 1947 bis November 1949 ohne Unterbruch,
der Unzucht Vorschub zu leisten. Aus der Feststellung des Obergerichts, dass
das strafbare Verhalten auf einem einheitlichen Willensentschluss beruhte,
ergibt sich der Wille der Beschwerdegegnerin, sich eine Einkommensquelle zu
schaffen. Ob sie das Einkommen sich selbst oder ob sie es ihrem Ehemanne als
dem Inhaber der Gastwirtschaft zuhalten wollte, ist unerheblich (BGE 70 IV
134
). Auch erfordert Gewerbsmässigkeit nicht, dass der Täter die Einnahmen aus
der strafbaren Handlung zum einzigen oder doch hauptsächlichen Erwerbe machen
wollte (BGE 71 IV 85). Es kommt deshalb nichts darauf an, dass die Führung des
unzüchtigen Betriebes in der Weinstube (Bar) nur ein Teil der beruflichen oder
gewerblichen Tätigkeit der Beschwerdegegnerin bildete. Ebensowenig wird die
Gewerbsmässigkeit dadurch ausgeschlossen, dass die Unzucht des
Servierpersonals nicht «nach Tarif», sondern durch Bestellung und Bezahlung
von Flaschenwein, den der Gast sonst nicht erstanden hätte, entschädigt wurde.
Angesichts der Vielheit der Begehung und der Anweisungen, welche die Täterin
dem Servierpersonal erteilt hat, besteht auch kein Zweifel, dass die
Beschwerdegegnerin bereit war, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln. Es
liegt deshalb gewerbsmässige Kuppelei (Art. 199 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 199 - Wer den kantonalen Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution und über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen zuwiderhandelt, wird mit Busse bestraft.
StGB) vor.
5.- Art. 199 Abs. 2 droht schärfere Strafe an wenn der gewerbsmässig handelnde
Täter «eine unmündige Person verkuppelt» hat. Die romanischen Texte verlangen,
dass die unmündige Person der gewerbsmässigen Unzucht ausgeliefert worden sei
(«si le délinquant a livré à la prostitution une personne mineure»; «se il
colpevole ha prostituita una persona minore»).

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Da die Texte der drei Amtssprachen gleichwertig sind, muss, wenn sie
voneinander abweichen, für die ganze Schweiz jene Fassung massgebend sein, die
nach den üblichen Methoden der Auslegung den wahren Sinn des Gesetzes
wiedergibt. Das gilt für das Strafrecht sogut wie für andere Gebiete der
Rechtsordnung. Insbesondere steht dem der Grundsatz «keine Strafe ohne Gesetz»
(Art. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
StGB) nicht im Wege. Auch kann sich der Täter nicht darauf berufen,
dass er sich auf einen bestimmten Text verlassen habe, wenn dieser ihn nicht
das Gefühl, unrecht zu handeln, Vollständig genommen, sondern ihn höchstens in
die Meinung versetzt haben kann, er mache sich nicht strafbar oder, wie im
vorliegenden Falle, nicht qualifiziert strafbar (BGE 69 IV 180).
Nach diesem Grundsatze verdient die deutsche Fassung des Art. 199 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 199 - Wer den kantonalen Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution und über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen zuwiderhandelt, wird mit Busse bestraft.
StGB
den Vorzug:
Die Verschiedenheit der Texte erklärt sich aus dem Werdegang des Gesetzes. Der
Vorentwurf von 1908, Art. 129 (heute Art. 198), verstand unter Kuppelei nur
die gewinnsüchtige Ausbeutung gewerbsmässiger Unzucht, und die Erläuterungen
zu dieser Bestimmung sowie das Protokoll der zweiten Expertenkommission
erwähnen die gewinnsüchtige Ausbeutung weiblicher und homosexueller männlicher
Prostitution (vgl. ZÜRCHER, Erläuterungen zum VE S. 234 ff. Protokoll II. ExpK
3 214 ff.). Der französische Text des Art. 129 des Vorentwurfes von 1908
bedrohte dementsprechend mit Strafe «celui qui, dans un but de lucre,
exploitera la prostitution d'une personne», und das Wort «prostitution» war
auch in der Bestimmung des Art. 130 Ziff. 2 (heute Art. 199 Abs. 2) (Protokoll
Il. ExpK 3 224) zutreffend verwendet. Später jedoch, im Vorentwurf von 1916,
auf dem der Entwurf des Bundesrates von 1918 beruht, wurde unter einfacher
Kuppelei (Art. 177) nur noch das gewinnsüchtige Vorschubleisten zu «Unzucht»
verstanden, ein Begriff, den die französische Fassung mit «débauche»
wiedergab. Was die gewerbsmässige Kuppelei betrifft, bedrohte schon Art. 178

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Abs. 2 des Vorentwurfes Von 1916 mit schärferer Strafe den Täter, der eine
unmündige Person «verkuppelt», womit das gewinnsüchtige Vorschubleisten zu
jeder Art von Unzucht - nicht bloss zu gewerbsmässiger - gemeint war. Es muss
auf einem Versehen beruhen, dass der französische Text dieser Bestimmung dem
Art. 177 nicht angepasst wurde, sondern entsprechend der überholten
Auffassung, dass Kuppelei gewinnsüchtiges Vorschubleistung zu gewerbsmässiger
Unzucht sei, die Fassung beibehielt, wonach die unmündige Person der
«prostitution» ausgeliefert worden sein müsse. Blosses Versehen ist es auch,
dass dieser Ausdruck in das Gesetz kam. Es fehlen Anhaltspunkte, dass man die
gewerbsmässige Verkupplung Unmündiger nur dann Von Art. 199 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 199 - Wer den kantonalen Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution und über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen zuwiderhandelt, wird mit Busse bestraft.
StGB habe
erfassen lassen wollen, wenn die unmündige Person die vom Kuppler geförderte
Unzucht gewerbsmässig betreibt.
Auch ist nicht zu ersehen, welche Gründe den Gesetzgeber hiezu bewogen haben
könnten, sieht er doch im Falle der einfachen Kuppelei nach der Fassung in
allen drei Amtssprachen einen Strafschärfungsgrund allein schon in der
Unmündigkeit der verkuppelten Person, nicht erst darin, dass diese
gewerbsmässiger Unzucht ausgeliefert worden ist. Da die Unmündigkeit der
verkuppelten Person die einfache Kuppelei auszeichnet (Art. 198 Abs. 2), ist
es folge richtig, dass das Gesetz auch bei gewerbsmässiger Kuppelei schon die
Unmündigkeit des Opfers als Strafschärfungsgrund genügen lässt (Art. 199 Abs.
2, deutscher Text), nicht ausserdem Prostitution der Verkuppelten verlangt.
Dass schon das Merkmal der Gewerbsmässigkeit der Kuppelei den Strafrahmen
hinaufsetzt (Art. 199 Abs. 1), ist kein Grund, die weitere Schärfung bei
Unmündigkeit des Opfers nur eintreten zu lassen, wenn dieses gewerbsmässiger
Unzucht ausgeliefert wird. Sonst stünden auf einfacher Verkupplung Unmündiger
zu nicht gewerbsmässiger

Seite: 243
Unzucht wahlweise Zuchthaus bis zu fünf Jahren und Gefängnis nicht unter drei
Monaten (Art. 198 Abs. 2) und auf gewerbsmässiger Verkupplung Unmündiger zu
nicht gewerbsmässiger Unzucht wahlweise Zuchthaus bis zu fünf Jahren und
Gefängnis nicht unter sechs Monaten, nebst Einstellung in der bürgerlichen
Ehrenfähigkeit (Art. 199 Abs. 1). Die Gewerbsmässigkeit der Kuppelei hätte
hier also bloss zur Folge, dass die Mindeststrafe von drei auf sechs Monate
erhöht würde und der Täter in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt
werden müsste, während das Gesetz, wie der Vergleich der Strafrahmen von Art.
198 Abs. 1 und Art. 199 Abs. 1 zeigt, doch sonst der Gewerbsmässigkeit der
Kuppelei viel grösseres Gewicht beilegt. Es wäre nicht zu verstehen, warum das
gewerbsmässige Handeln des Täters bei Verkupplung Mündiger so schwer wiegt,
wenn es die Verkupplung Unmündiger zu einfacher Unzucht verhältnismässig so
wenig erschweren würde und es erst bei Verkupplung Unmündiger zu
gewerbsmässiger Unzucht voll in die Wagschale geworfen werden sollte. Der
deutsche Text des Art. 199 Abs. 2 ist im System der Strafrahmen der Art. 198
und 199 folgerichtig, die romanischen Fassungen dagegen sind es nicht.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des
Kantons Solothurn vom 16. Juni 1950 gegenüber Rosa Wingeier aufgehoben und die
Sache zur Anwendung von Art. 199 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 199 - Wer den kantonalen Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution und über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen zuwiderhandelt, wird mit Busse bestraft.
und 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 199 - Wer den kantonalen Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution und über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen zuwiderhandelt, wird mit Busse bestraft.
StGB an die Vorinstanz
zurückgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 76 IV 237
Date : 01. Januar 1949
Published : 15. Dezember 1950
Source : Bundesgericht
Status : 76 IV 237
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 198, 199 StGB.1. Begriff der Unzucht als Merkmal der einfachen und der gewerbsmässigen...


Legislation register
StGB: 1  198  199
BGE-register
69-IV-178 • 70-IV-134 • 71-IV-82 • 71-IV-94 • 76-IV-237
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