S. 209 / Nr. 44 Strafgesetzbuch (d)

BGE 76 IV 209

44. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Oktober 1950 i. S. Kaiser
und Attenhofer gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.


Seite: 209
Regeste:
Art. 6
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB ist nicht bloss anwendbar, wenn der Staat des Begehungsortes die
Schweiz ersucht, den Täter zu verfolgen und zu beurteilen.
L'art. 6 CP ne s'applique pas seulement lorsque l'Etat où l'infraction a été
commise invite la Suisse à en poursuivre et juger l'auteur.
L'art. 6 CP non è applicabile soltanto quando lo Stato, ove fu commesso il
reato, chiede alla Svizzera di perseguirne e giudicarne l'autore.

Die Schweizerbürger Alfred Kaiser und Willy Attenhofer wurden wegen im
Auslande (Frankreich und Italien) begangener strafbarer Handlungen, für die
das schweizerische Recht die Aus Lieferung zulässt und nach deren Begehung sie
sich in die Schweiz zurückbegeben hatten, gestützt auf Art. 6
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB in Basel
verfolgt und verurteilt. Sie fochten die Verurteilung mit
Nichtigkeitsbeschwerde an, u.a. mit der Begründung, dass dazu ein Begehren des
ausländischen Staates der Begehung um Übernahme der Strafverfolgung
erforderlich gewesen wäre, das nicht vorliege. Die Beschwerde wird abgewiesen.
Aus den Erwägungen:
1.- Art. 6 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB unterwirft den Schweizer, der im Ausland ein
Verbrechen oder Vergehen verübt, für welches das schweizerische Recht die Aus
Lieferung zulässt, dem schweizerischen Strafgesetzbuch, wenn die Tat auch nach
dem Gesetz des Begehungsortes strafbar ist und der Täter sich in der Schweiz
befindet oder der

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Eidgenossenschaft wegen dieser Tat ausgeliefert wird. Ist das Gesetz des
Begehungsortes für den Täter das mildere, so ist es anzuwenden.
Der Wortlaut dieser Bestimmung macht die Verfolgung und Bestrafung in der
Schweiz nicht von einem dahin gehenden Ansuchen des fremden Staates
(übernahmebegehren) abhängig. Die Beschwerdeführer balten ein solches dennoch
für notwendig. Sie leiten das vor allem aus dem Grundsatze ab, dass jeder
Staat nur die in seinem Gebiete verübten Handlungen verfolgen und bestrafen
dürfe; die Verfolgung und Bestrafung für ausserhalb des Staatsgebiet es
verübte Handlungen könne nur auf Grund sogenannten stellvertretenden
Strafrechts (Strafverfolgungsübernahme) statt finden. Diese Argumentation
verkennt, dass das Recht, zu strafen (jus puniendi), dem Staate nicht von oben
verliehen wird, sondern dass jeder Staat selber bestimmt, unter welchen
Voraussetzungen jemand zu bestrafen sei. Dabei beschränken sich die Staaten
durchaus nicht darauf, bloss die in ihrem Gebiete begangenen Handlungen unter
Strafe zu stellen. Insbesondere steht auch die Schweiz nicht auf diesem Boden.
Sie nimmt das ius puniendi auch für im Auslande begangene Handlungen in
Anspruch, soweit ihre Interessen das erfordern, so in Art. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 4 - 1 Diesem Gesetz ist auch unterworfen, wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung (Art. 265-278) begeht.
1    Diesem Gesetz ist auch unterworfen, wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung (Art. 265-278) begeht.
2    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland ganz oder teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht die vollzogene Strafe auf die auszusprechende Strafe an.
StGB für
Verbrechen und Vergehen gegen den Staat und in Art. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 5 - 1 Diesem Gesetz ist ausserdem unterworfen, wer sich in der Schweiz befindet, nicht ausgeliefert wird und im Ausland eine der folgenden Taten begangen hat:
1    Diesem Gesetz ist ausserdem unterworfen, wer sich in der Schweiz befindet, nicht ausgeliefert wird und im Ausland eine der folgenden Taten begangen hat:
a  Menschenhandel (Art. 182), sexuelle Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191) oder Förderung der Prostitution (Art. 195), wenn das Opfer weniger als 18 Jahre alt war;
abis  sexuelle Handlungen mit Abhängigen (Art. 188) und sexuelle Handlungen mit Minderjährigen gegen Entgelt (Art. 196);
b  sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187), wenn das Opfer weniger als 14 Jahre alt war;
c  qualifizierte Pornografie (Art. 197 Abs. 3 und 4), wenn die Gegenstände oder Vorführungen sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt hatten.
2    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK10, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
3    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgefällte Strafe anzurechnen ist.
StGB für Verbrechen und
Vergehen gegen Schweizer, ferner z. B. in Art. 89 Abs. 4 und Art. 97 des
Luftfahrtgesetzes. Inwiefern sie das in Fällen, in denen ein Schweizer im
Auslande ein Verbrechen oder Vergehen verübt, nur als Stellvertreter» des
fremden Staates sollte tun dürfen, ist nicht einzusehen. Der Auftrag des
fremden Staates, sie solle an seiner Stelle verfolgen und bestrafen, würde für
sich allein der Schweiz das ius puniendi auch gar nicht verleihen, sondern
immer müsste dazu kommen, dass das schweizerische Gesetz den schweizerischen
Behörden erlauben würde, beim Vorliegen eines solchen Auftrages
(Übernahmebegehrens) Strafe auszusprechen. Angewendet wird denn auch
grundsätzlich

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schweizerisches Recht; nach ausländischem wird der Täter nur beurteilt, wenn
es für ihn milder ist (Art. 6 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB). Das ius puniendi kann seine
Grundlage stets nur in der Rechtsordnung des strafenden Staates haben. Von
dieser Rechtsordnung allein hängt es ab, ob eine im Auslande verübte Handlung
nur auf ein Übernahmebegehren des auswärtigen Staates hin oder auch ohne
solches zu verfolgen und zu bestrafen ist. Auch VON CLERIC, der die Meinung
vertrat, der dem Art. 6 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB entsprechende Art. 5 Abs. 1 des
Vorentwurfes verschaffe der Schweiz kein ins puniendi (SJZ 14 376 f.), stand
nicht auf dem Boden, dass eine im Ausland begangene Handlung aus begrifflichen
Gründen im Inlande nur auf Grund «stellvertretenden Strafrechts e Verfolgt und
bestraft werden dürfe. Er anerkannte das Recht der Kantone, ihre Strafgewalt
in internationaler Beziehung nach dem Grundsatze der sogenannten aktiven
Personalität abzugrenzen, d.h. im Auslande begangene Handlungen Von Schweizern
ohne Rücksicht auf die Stellungnahme des Staates des Begehungsortes zu
verfolgen und zu bestrafen (VON CLERIC, Das sogenannte stellvertretende
Strafrecht, in Festgabe für Emil Zürcher, S. 149).
Ob der Schweizer, der im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen verübt, in der
Schweiz nur verfolgt und bestraft werden darf, wenn ein Übernahmebegehren des
Staates des Begehungsortes vorliegt, ist somit eine Frage, die ausschliesslich
in Auslegung des schweizerischen Rechts, insbesondere des Art. 6
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB, zu
beantworten ist.
2.- Den Materialien über die Vorarbeiten zum Gesetz lässt sich nichts
entnehmen, was für die Bejahung dieser Frage spräche. Wieder in den
Expertenkommissionen noch in der Bundesversammlung fielen Äusserungen, die
schliessen liessen, dass man der Meinung gewesen wäre, Art. 6 sei nur auf ein
Übernahmebegehren hin anzuwenden. Das Problem war damals bekannt. Schon Art. 2
Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 22. Januar 1892 betreffend die Aus Lieferung
gegenüber dem Auslande handelte von der V

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erfolgung von Schweizern in der Schweiz «auf Ersuchen e des fremden Staates
für im Ausland begangene Handlungen. CARL STOOSS hatte im Jahre 1892 darauf
hingewiesen, dass gewisse kantonale Gesetze die Bestrafung in die Schweiz
geflüchteter Kantonsbürger davon abhängen liessen, dass der auswärtige Staat
die Bestrafung des Schuldigen verlange. Er hatte die Auffassung vertreten, der
Kanton habe jedoch ein selbständiges Interesse, dass verbrecherische
Angehörige wegen ihrer Handlungen bestraft werden und dass ihnen das Betreten
des heimatlichen Bodens nicht Straflosigkeit sichere; es müsse daher einem
Staate zustehen, seine Angehörigen wegen im Auslande begangener Verbrechen
unbedingt zu bestrafen (CARL STOOSS, Die Grundzüge des schweizerischen
Strafrechts S. 161). In der zweiten Expertenkommission wurde die Auffassung
vertreten, nach Art. 8
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 8 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen gilt als da begangen, wo der Täter es ausführt oder pflichtwidrig untätig bleibt, und da, wo der Erfolg eingetreten ist.
1    Ein Verbrechen oder Vergehen gilt als da begangen, wo der Täter es ausführt oder pflichtwidrig untätig bleibt, und da, wo der Erfolg eingetreten ist.
2    Der Versuch gilt als da begangen, wo der Täter ihn ausführt, und da, wo nach seiner Vorstellung der Erfolg hätte eintreten sollen.
des Vorentwurfes (- Art. 6
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB) habe die Schweiz ihre
Angehörigen für im Auslande begangene Handlungen unabhängig davon zu
bestrafen, ob das Ausland die Anerkennung des Urteils zusichere (Protokoll 2
74, Votum GABUZZI). Das deutet an, dass man die Bestrafung überhaupt nicht von
der Stellungnahme des Auslandes, also auch von keinem Übernahmebegehren wollte
abhängen lassen. Später, und zwar bevor die Bundesversammlung das Gesetz
beriet, wurde die Frage, ob es ein Übernahmebegehren verlange, in der
schweizerischen Literatur behandelt (vgl. die zitierten Aufsätze VON CLERICS).
Dass man in Art. 6
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB nicht ausdrücklich sagte, der Schweizer werde nur auf
Ersuchen des auswärtigen Staates verfolgt, legt den Schluss nahe, dass ein
solches Begehren nicht Voraussetzung der Verfolgung und Bestrafung des Täters
ist.
3.- Nach Art. 6 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB wird der Täter in der Schweiz nicht mehr
bestraft, wenn er im Auslande wegen des Verbrechens oder Vergehens endgültig
freigesprochen worden ist oder wenn die Strafe, zu der er im Auslande
verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist. Aus dem in dieser
Bestimmung niedergelegten

Seite: 213
«Erledigungssystem» leitet VON CLERIC ab, dass Art. 6 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB der Schweiz
kein jus puniendi verleihe, denn dieses System widerspreche dem aktiven
Personalitätsprinzip (SJZ 14 377). Das trifft nicht zu. Nichts hindert die
Schweiz, ein ius puniendi nur in Anspruch zu nehmen, wenn der Fall im Auslande
noch nicht durch Freisprechung oder Vollzug, Erlass oder Verjährung der Strafe
abgeschlossen worden ist. Diese Rücksichtnahme auf die ausländische Erledigung
ist Ausfluss des allgemein anerkannten Grundsatzes, dass niemand für die
gleiche Tat zweimal verfolgt werden soll («ne bis in idem»).
Gerade Art. 6 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB zeigt, dass die Verfolgung und Bestrafung in der
Schweiz nicht von einer Übernahmeerklärung abhängig gemacht werden wollte.
Diese Bestimmung wäre überflüssig, ja unverständlich, wenn Art. 6 Ziff. 1 die
Verfolgung und Bestrafung nur auf Übernahmebegehren hin zuliesse; denn es ist
klar, dass ein solches nie gestellt wird, wenn der auswärtige Staat den Täter
freigesprochen oder ihn verurteilt und die Strafe vollzogen oder erlassen hat.
Aus dem gleichen Grunde kann der Strafgesetzgeber nicht davon ausgegangen
sein, das Erfordernis eines

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Übernahmebegehrens ergebe sich schon aus Art. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
des Bundesgesetzes
betreffend die Aus Lieferung gegenüber dem Auslande und brauche daher in Art.
6 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB nicht erwähnt zu werden. In der Tat kann Art. 2 Abs. 2 des Aus
Lieferungsgesetzes nicht verbieten wollen, einen Schweizer in der Schweiz für
eine im Ausland begangene Handlung auch ohne Übernahmebegehren zu verfolgen
und zu bestrafen. Diese Bestimmung setzt als Gegenstück zu der
Nichtauslieferung von Schweizern (Art. 2 Abs. 1 Aus Lieferungsgesetz)
lediglich fest, dass die Schweiz auf Ersuchen des fremden Staates oder bei
Ablehnung der Aus Lieferung die Verfolgung in der Schweiz zusichere. Sich
weitergehend in das beim Erlass der Bestimmung noch kantonal geregelte
Strafrecht einzumischen und den Kantonen geradezu die Verfolgung beim Fehlen
eines Übernahmebegehrens zu verbieten, bestand für den Bundesgesetzgeber kein
Anlass (vgl. hiezu VON CLERIC in der Festgabe für Zürcher S. 149). Daran
ändert der Umstand nichts, dass nach Art. 2 Abs. 2 des Aus Lieferungsgesetzes
die Zusicherung der Verfolgung in der Schweiz nur gegeben werden soll, wenn
der ersuchende Staat erklärt, dass er den Täter nach Verbüssung der in der
Schweiz verhängten Strafe nicht nochmals bestrafen werde. Damit wollte der
Bundesgesetzgeber nur die erwähnte Zusicherung von einer solchen Erklärung
(«ne bis in idem-Erklärung») des fremden Staates abhängig machen, nicht den
Kantonen verbieten, einen Schweizer für eine im Auslande begangene Handlung zu
verfolgen und zu bestrafen, wenn keine solche Erklärung vorliegt. Ein solches
Verbot kann daher auch heute, wo das materielle Strafrecht eidgenössisches
Recht ist, nicht aus Art. 2 Abs. 2 des Aus Lieferungsgesetzes herausgelesen
werden.
Gewiss ist an sich denkbar, dass der Schweizer im Auslande ein zweites Mal
bestraft wird, wenn ihn die Schweiz ohne Übernahmebegehren und folglich auch
ohne «ne bis in idem-Erklärung» des fremden Staates bestraft. Diese Gefahr ist
aber gering, und zudem kann ihr der Schweizer aus dem Wege gehen, indem er
nach Verbüssung der Strafe in der Schweiz bleibt, bis die Verfolgung oder
Vollstreckung im Auslande verjährt ist.
Das Erfordernis eines Übernahmebegehrens und einer «ne bis in idem-Erklärung»
des fremden Staates kann auch nicht damit begründet werden, dass Art. 6
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB
selber auf die Grundsätze des Aus Lieferungsrechts verweise. Die Bestimmung
nimmt auf das Aus Lieferungsrecht bloss insofern Bezug, als nur bestraft
werden darf für Verbrechen und Vergehen, für welche das schweizerische Recht
die Aus Lieferung zulässt. Das erklärt sich daraus, dass die Bestrafung des
Schweizers für im Ausland begangene Verbrechen und Vergehen als Ersatz dafür
angesehen wird, dass der Täter wegen seines Schweizerbürgerrechts nicht
ausgeliefert wird. Nur in Fällen, in denen das Hindernis

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für die Ausieferung im Schweizerbürgerrecht besteht, erklärt Art. 6
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB den
Schweizer für das im Auslande verübte Verbrechen oder Vergehen strafbar. Für
Handlungen, derentwegen auch der Ausländer nicht ausgeliefert werden könnte,
soll dagegen der Schweizer in der Schweiz nicht bestraft werden, weil er sonst
schlechter gestellt wäre als der Ausländer. An der Verfolgung solcher
Handlungen hat die Schweiz allgemein kein Interesse, wenn sie im Auslande
begangen worden sind. Daraus darf nicht geschlossen werden, dass sie an der
Bestrafung des Schweizers für ein im Auslande verübtes Aus Lieferungsdelikt
nur ein Interesse habe, wenn ein Aus Lieferungsbegehren oder ein
Übernahmegesuch gestellt wird. Es liegt ihr allgemein daran, den heimatlichen
Boden nicht zum Verbrecherasyl werden zu lassen. Daher kann nichts darauf
ankommen, ob der auswärtige Staat Aus Lieferung oder Bestrafung in der Schweiz
verlangt. Viele Verbrecher gingen sonst straflos aus, weil der auswärtige
Staat sie nicht kennt oder nicht weiss, dass sie sich in der Schweiz
aufhalten. Würde Art. 6
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB ein Übernahmebegehren Voraussetzen, so dürfte die
Schweiz ohne ein solches in der Sache gar nicht tätig werden, dem fremden
Staate also auch nicht die Stellung eines Übernahmebegehrens nahelegen. Dazu
kommt die allgemeine Abneigung gewisser Staaten, solche Begehren zu stellen,
weil sie sich das Recht der Verfolgung vorbehalten wollen, solange sie nicht
wissen, ob es in der Schweiz tatsächlich zur Verurteilung des Beschuldigten
kommt und welche Strafe ausgesprochen wird.
Auch der Einwand hält nicht stand, dass der Ausländer in der Schweiz besser
gestellt wäre als der Schweizer, wenn dieser hier ohne Übernahmebegehren
bestraft werden dürfte. Der Ausländer hat die Aus Lieferung oder Ausweisung zu
gewärtigen, der Schweizer nicht.
4.- Durften die Beschwerdeführer somit ohne Übernahmebegehren für alle im
Ausland begangenen Handlungen schon auf Grund des Art. 6
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB bestraft werden,
dessen Voraussetzungen, wie nicht bestritten wird, im übrigen

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erfüllt sind, so kann dahingestellt bleiben, ob Kaiser dafür, dass er in
Italien falsche Banknoten in Umlauf setzte und zu setzen versuchte, in der
Schweiz auch auf Grund des internationalen Abkommens zur Bekämpfung der
Falschmünzerei vom 20. April 1929 verfolgt werden durfte.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 76 IV 209
Date : 01. Januar 1949
Published : 06. Oktober 1950
Source : Bundesgericht
Status : 76 IV 209
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 6 StGB ist nicht bloss anwendbar, wenn der Staat des Begehungsortes die Schweiz ersucht, den...


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76-IV-209
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