S. 202 / Nr. 43 Verfahren (d)

BGE 76 IV 202

43. Entscheid der Anklagekammer vom 30. Juni 1950 i. S. Generalprokurator des
Kantons Bern gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn.

Regeste:
Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB.
1. Die Anklagekammer hat nicht zu prüfen, ob eine den Gerichtsstand
beeinflussende Strafverfolgung zu Recht eingestellt worden ist (Erw. 2).
2. Der Beschuldigte ist selbst dann für alle ihm noch zur Last gelegten
Handlungen am Begehungsort der mit der schwersten Strafe bedrohten Tat zu
verfolgen, wenn das wegen dieser Tat angehobene Verfahren eingestellt worden
ist, ohne mit den an anderen Orten angehobenen Verfahren vereinigt worden zu
sein. Von diesem Gerichtsstand ist nur aus triftigen Gründen - gestützt auf
Art. 263
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
BStP abzuweichen (Erw. 3).
Art. 350 ch. 1 al. 1 CP.
1. La Chambre d'accusation n'a pas à vérifier si une poursuite pénale propre à
influer sur le for a été abandonnée à juste titre (consid. 2).
2. Le prévenu doit être poursuivi pour toutes les infractions encore retenues
à sa charge au lieu où il a commis celle qui est passible de la peine la plus
grave, alors même que la poursuite consécutive à cette dernière infraction a
été abandonnée avant la jonction des enquêtes exécutées ailleurs. Seules des
raisons sérieuses permettent de déroger à ce principe en vertu de l'art. 263
PPF (consid. 3).
Art. 350 cifra 1 cp. 1 CP.
1. La Camera d'accusa non deve esaminare se un procedimento penale, che
influisce sul foro, sia stato abbandonato a buon diritto (consid. 2).
2. L'imputato dev'essere perseguito, per tutti i reati ancora ritenuti a suo
carico, dalle autorità del luogo ove ha commesso quello punibile con la pena
più grave, quand'anche il

Seite: 203
procedimento per questo reato sia stato abbandonato prima della riunione delle
procedure iniziate altrove. Solo dei motivi seri autorizzano una deroga a
questo principio in virtù dell'art. 263 PPF (consid. 3).

A. - Am 12. April 1949 reichte die in Genf wohnende Ida Leiser gesch. Gfeller
bei den Behörden des Kantons Genf gegen ihren in Feldbrunnen (Solothurn)
wohnenden früheren Ehemann Theophil Gfeller Strafklage wegen Vernachlässigung
der Unterstützungspflicht ein.
Am 3. November 1949 ging bei der bernischen Kantonspolizei in Biel eine
Strafanzeige der Louise Graber ein, die einem unbekannten Täter vorwarf, er
habe in Biel eine Damenarmbanduhr im Werte von Fr. 60.- gestohlen. Als Täter
verdächtigt wurde Theophil Gfeller.
Die beiden Untersuchungen wurden getrennt durchgeführt. In Genf wurde Gfeller
dem Polizeigericht (Tribunal de Police) überwiesen. Da sich Gfeller mit der
Klägerin verständigte, verfügte es in der Verhandlung vom 27. März 1950:
«Plainte suspendue - cause rayée du rôle sauf recharge.»
Am 29. März 1950 liess Louise Misteli in Solothurn Theophil Gfeller bei der
solothurnischen Kantonspolizei wegen einer im Kanton Solothurn verübten
Veruntreuung an Fr. 273.90 anzeigen. Der Untersuchungsrichter von
Solothurn-Lebern, der die Untersuchung eröffnete, schrieb den Genfer Behörden
am 18. April 1950, gemäss Bericht des Zentralpolizeibüros stehe Gfeller in
Genf wegen Vernachlässigung der Unterstützungspflicht in Strafuntersuchung,
und ersuchte um Zusendung der Akten zur Prüfung der Gerichtsstandsfrage. Der
Generalprokurator des Kantons Genf entsprach am 21. April dem Begehren und
äusserte die Ansicht, er halte die Solothurner Behörden für zuständig, Gfeller
zu verfolgen. Am 26. April 1950 antwortete der Untersuchungsrichter von
Solothurn-Lebern, der solothurnische Gerichtsstand werde anerkannt.
Am 27. April 1950 bewilligte der Untersuchungsrichter von Solothurn-Lebern auf
Ansuchen des

Seite: 204
Untersuchungsrichters von Biel gegen Gfeller eine Hausdurchsuchung, nachdem er
auf Begehren der gleichen Behörde eine solche schon im November 1949
angeordnet hatte. Am 5. Mai 1950 wurde Gfeller durch das
Untersuchungsrichteramt Solothurn-Lebern wegen des Bieler Falles einvernommen.
Am gleichen Tage teilte hierauf der Untersuchungsrichter von Solothurn-Lebern
dem Untersuchungsrichter von Biel mit, dass Gfeller in Solothurn wegen
Veruntreuung und wegen der in Genf angezeigten Vernachlässigung der
Unterstützungspflicht verfolgt werde, und bat um Äusserung zur
Gerichtsstandsfrage. Der Generalprokurator des Kantons Bern, dem die Sache
unterbreitet wurde, bezeichnete mit Schreiben vom 11. Mai 1950 an den
Untersuchungsrichter von Biel den bernischen Gerichtsstand als unzweckmässig,
weil nicht angenommen werden könne, dass Gfeller die Uhr gestohlen habe. Er
ersuchte daher den Untersuchungsrichter, beim Staatsanwalt des Seelandes
Antrag auf Aufhebung der Untersuchung gegen Gfeller zu stellen und das
Verfahren erneut gegen unbekannte Täterschaft zu eröffnen. Der
Untersuchungsrichter von Biel tat das am 26. Mai, und der Staatsanwalt des
Seelandes stimmte am 31. Mai zu, worauf der Generalprokurator des Kantons Bern
am 10. Juni 1950 das Schreiben des Untersuchungsrichters von Solothurn-Lebern
vom 5. Mai dahin beantwortete, dass mit Rücksicht auf die Einstellung des
Verfahrens gegen Gfeller wegen Diebstahls der bernische Gerichtsstand
unzweckmässig sei. Der Untersuchungsrichter von Solothurn-Lebern antwortete am
13. Juni 1950, dass er diese Auffassung nicht teile für die bernische
Gerichtsbarkeit sprächen auch die Umstände, dass Gfeller im Kanton Bern
heimatberechtigt sei und die Ehescheidung, die für das Verfahren wegen
Vernachlässigung der Unterstützungspflichten nicht ohne Bedeutung sei, in Biel
ausgesprochen worden sei.
B. - Mit Gesuch vom 15. Juni 1950 beantragt der Generalprokurator des Kantons
Bern der Anklagekammer des Bundesgerichts, die Behörden des Kantons Solothurn
seien

Seite: 205
zur Verfolgung und Beurteilung der von Gfeller begangenen Straftaten
berechtigt und verpflichtet zu erklären. Er macht geltend, BGE 71 IV 60 treffe
nicht zu, weil im vorliegenden Falle die Strafverfahren noch nicht vereinigt
worden seien, die Einstellung des Bieder Verfahrens also nicht einen Wechsel,
sondern im Gegenteil die Beibehaltung des Gerichtsstandes zur Folge habe, wenn
Solothurn zuständig erklärt werde. Dieser Gerichtsstand sei auch
zweckmässiger, weil Gfeller im Kanton Solothurn wohne und daher die
solothurnischen Behörden bei einem gegenteiligen Entscheid der Anklagekammer
den bernischen Rechtshilfe leisten müssten.
C. - Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn hat durch das
Untersuchungsrichteramt Solothurn-Lebern Gegenbemerkungen anbringen lassen.
Das Untersuchungsrichteramt macht geltend, es sei nicht zulässig, wie die
bernischen Behörden es getan hätten, die Beantwortung einer
Gerichtsstandsfrage hinauszuschieben, um inzwischen das Verfahren einstellen
zu können. Das Solothurner Verfahren sei nicht vorgerückter als das bernische;
in Solothurn sei bis jetzt bloss die Einvernahme des Angeklagten erfolgt. Die
geltend gemachten Zweckmässigkeitsgründe für den solothurnischen Gerichtsstand
bestünden nicht; Gfeller sei zu allen Tatbeständen schon einvernommen worden;
er brauche nur noch vor Gericht zu erscheinen. Der Untersuchungsrichter von
Solothurn-Lebern beruft sich ferner erneut auf die in seinem Schreiben vom 13.
Juni 1950 genannten Gründe (Bürgerrecht, Gerichtsstand der Ehescheidung).
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1. -- Diebstahl (Art. 137
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen,
StGB) ist mit schwererer Strafe bedroht als
Veruntreuung (Art. 140
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB) und Vernachlässigung von Unterstützungspflichten
(Art. 217
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 217 - 1 Wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Das Antragsrecht steht auch den von den Kantonen bezeichneten Behörden und Stellen zu. Es ist unter Wahrung der Interessen der Familie auszuüben.
StGB). Nach Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB ist Gfeller daher im Kanton
Bern zu verfolgen und zu beurteilen, wenn die Strafverfolgung wegen
Diebstahls, die am 31. Mai 1950 von den

Seite: 206
bernischen Behörden eingestellt worden ist, bei der Bestimmung des
Gerichtsstandes berücksichtigt werden muss.
2.- Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB ist eine Gerichtsstandsregel für den Fall, wo
jemand wegen mehrerer, an verschiedenen Orten verübt er strafbarer Handlungen
verfolgt wird. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt bei tatsächlicher
Verfolgung, nicht schon dann, wenn jemand richtigerweise verfolgt werden
sollte. Ob jemand wegen einer bestimmten Handlung zu verfolgen sei, bestimmen
die Behörden des Kantons, in dem sie ausgeführt worden ist. Deren Entscheid,
dass jemand für die betreffende Handlung nicht oder nicht mehr zu verfolgen
sei, ist für die Anklagekammer des Bundesgerichts verbindlich (BGE 75 IV 139
ff.) Daher kommt im vorliegenden Falle nichts darauf an, ob die bernischen
Behörden, wie der Untersuchungsrichter von Solothurn-Lebern glaubt, das
Verfahren wegen Diebstahls gegen Gfeller unter Verzicht auf ursprünglich
vorgesehene weitere Beweisaufnahmen bloss mit Rücksicht auf den
Gerichtsstandsstreit eingestellt haben oder ob die Einstellung objektiv
gerechtfertigt war.
3.- Eine andere Frage ist, ob durch die Einstellung des Verfahrens wegen
Diebstahls Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB unanwendbar geworden ist oder ob für
die Anwendung dieser Bestimmung genügt, dass der Beschuldigte einmal wegen
mehrerer, an verschiedenen Orten verübter strafbarer Handlungen verfolgt war.
Für den Fall, dass die Verfolgung der mehreren Handlungen im Zeitpunkt der
(teilweisen) Einstellung des Verfahrens bereits in die Hand der Behörden ein
und desselben Kantons gelegt worden war, hat das Bundesgericht diese Frage
wiederholt dahin entschieden, dass die Einstellung für sich allein den
nachträglichen Wechsel des Gerichtsstandes nicht rechtfertige (BGE 71 IV 60).
Dagegen wurde bisher offen gelassen, welcher Gerichtsstand gelte, wenn die
Verfolgung der mit der schwersten Strafe bedrohten Tat eingestellt wird, bevor
die in verschiedenen Kantonen durchgeführt en Strafverfahren vereinigt worden
sind denn in einem Falle dieser

Seite: 207
Art, den die Anklagekammer zu beurteilen hatte, rechtfertigte es sich,
jedenfalls gestützt auf Art. 263
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
BStP über die mit der schwersten Strafe
bedrohte Tat hinwegzusehen und die andere Tat an ihrem Begehungsorte verfolgen
zu lassen (BGE 73 IV 140 ff.). Allein die Antwort auf die grundsätzliche Frage
kann nicht anders lauten als im Falle, wo die Einstellung wegen der mit der
schwersten Strafe bedrohten Tat erst nach Vereinigung der Strafverfolgung
erfolgt. Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB begründet den Gerichtsstand des Ortes,
wo die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat verübt worden ist, unabhängig
davon, ob auch die anderen gleichzeitig verfolgten Handlungen an diesem Orte
verfolgt oder ob dafür an anderen Orten besondere Verfahren durchgeführt
werden. Nicht erst die tatsächliche Vereinigung der Verfahren, sondern schon
die Tatsache der gleichzeitigen Verfolgung für mehrere an verschiedenen Orten
verübte, strafbare Handlungen schafft den Gerichtsstand des Art. 350. Auch
praktische Gründe sprechen für diese Lösung. Die Kantone sollen mehr dadurch,
dass sie den Gerichtsstandsverhandlungen aus dem Wege gehen oder sie verzögern
und über die in ihrem Kanton verübte Handlung vorweg einen
Einstellungsbeschluss fassen oder ein Urteil fällen, sich der Pflicht
entziehen können, die Verfolgung der in anderen Kantonen verübten Handlungen
zu übernehmen. Nur triftige Gründe, welche die Anwendung des Art. 263
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
BStP
rechtfertigen, entheben sie dieser Pflicht, gleich wie die Rechtsprechung der
Anklagekammer das auch in den Fällen annimmt, wo die Einstellung der
Strafverfolgung wegen der mit der schwersten Strafe bedrohten Tat erst nach
Vereinigung der Strafverfahren erfolgt (BGE 71 IV 60).
4. Solche Gründe liegen hier nicht vor. Insbesondere ist der Umstand, dass
Gfeller in Feldbrunnen wohnt, nicht entscheidend; die Rechtshilfe, die der
Kanton Solothurn zu leisten haben wird, kann bei dieser einfachen Strafsache
nicht erheblich sein, und die Entfernung zwischen dem Wohnsitz des
Beschuldigten und dem Gerichtssitz Biel ist

Seite: 208
nicht gross. Der Fall unterscheidet sich wesentlich von dem in BGE 73 IV 140
beurteilten, wo die Klagekammer es nicht für gerechtfertigt hielt, einen in
der Nähe von Winterthur eingetretenen Verkehrsunfall im Kanton Tessin
verfolgen zu lassen, bloss weil der Beschuldigte hier während wenigen Tagen
gleichzeitig wegen Verdachts der Hehlerei an Gold verfolgt worden war.
Auch der Umstand, dass der Untersuchungsrichter von Solothurn-Lebern am 26.
April 1950 sich als zuständig anerkannt hat, Gfeller wegen der in Genf
verfolgten Vernachlässigung der Unterstützungspflicht weuterzuverfolgen,
ändert nichts. Diese Anerkennung war gegenstandslos, da das Verfahren in Genf
vom dortigen Polizeigericht schon am 27. März 1950 eingestellt und nachher
nicht wieder aufgenommen worden war. Selbst wenn die Meinung bei der
Überweisung der Akten nach Solothurn die gewesen sein sollte, dass es nun
wieder aufgenommen werden solle, bestünde kein Grund, deswegen vom bernischen
Gerichtsstand abzuweichen. Die Gründe, die den Gerichtsstand Biel im
Verhältnis zu Solothurn nicht als offensichtlich unzweckmässig erscheinen
lassen, machen ihn auch im Verhältnis zu Genf nicht unhaltbar.
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Die Behörden des Kantons Bern werden berechtigt und verpflichtet erklärt,
Theophil Gfeller zu verfolgen und zu beurteilen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 76 IV 202
Datum : 01. Januar 1949
Publiziert : 30. Juni 1950
Quelle : Bundesgericht
Status : 76 IV 202
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1 StGB.1. Die Anklagekammer hat nicht zu prüfen, ob eine den Gerichtsstand...


Gesetzesregister
BStP: 263
StGB: 137 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen,
140 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
217 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 217 - 1 Wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Das Antragsrecht steht auch den von den Kantonen bezeichneten Behörden und Stellen zu. Es ist unter Wahrung der Interessen der Familie auszuüben.
350
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
BGE Register
71-IV-60 • 73-IV-140 • 75-IV-139 • 76-IV-202
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
untersuchungsrichter • leben • biel • anklagekammer • beschuldigter • diebstahl • strafverfolgung • weiler • strafbare handlung • staatsanwalt • einstellung des verfahrens • bundesgericht • frage • begehungsort • tag • polizeigericht • aufhebung • entscheid • wirkung • strafuntersuchung
... Alle anzeigen