S. 393 / Nr. 53 Markenschutz (d)

BGE 76 II 393

53. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Dezember 1950 i. S.
Laboratoires Sauter S. A. gegen Sanitingesellschaft Bugmann & Cie.

Regeste:
Markenschutz, Verwirkung des Klagerechts des Inhabers der verletzten Marke,
Voraussetzungen.
Protection des marques, péremption du droit d'action du titulaire de la marque
lésée, conditions.

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Protezione delle marche, perenzione dell'azione dei titolare della marca lesa,
condizioni.

Die Sanitin-Gesellschaft Bugmann & Cie. liess 1939 die Marke «Sanitin» für ein
Desinfektionsmittel eintragen. Die Laboratoires Sauter S.A., seit 1910
Inhaberin der Marke «Salitine» für pharmazeutische Produkte, ersuchte Bugmann
& Cie. 1939/40 wiederholt erfolglos um Löschung ihrer Marke.
1949 reichte die Sauter S.A. gegen Bugmann & Cie. Klage auf Löschung der Marke
und Schadenersatz ein.
Das Kantonsgericht Schwyz erklärte die von der Beklagten erhobenen Einreden
der mangelnden Verwechslungsgefahr, der Verjährung und der Verwirkung des
Klagerechts als unbegründet, wies aber die Klage ab, weil die Marken für
gänzlich verschiedenartige Waren bestimmt seien.
Das Bundesgericht verneint die gänzliche Warenverschiedenheit, hebt das
angefochtene Urteil auf und weist die Sache an die Vorinstanz zurück.
Zur Frage der Verwirkung des Klagerechts führt das Bundesgericht aus:
Die Vorinstanz bezeichnet die von der Beklagten erhobene Einrede der
Verwirkung des Klagerechts als unbegründet. Dabei geht sie davon aus, dass der
Zeicheninhaber sein Klagerecht unter allen Umständen erst mit der Verjährung
seiner Ansprüche einbüsse. Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend. Das
Klagerecht des Markeninhabers kann vielmehr, auch falls es noch nicht verjährt
ist, verwirkt sein, wenn seine Ausübung ein Handeln gegen Treu und Glauben
bedeuten würde (BGE 73 II 190 f.). Einen solchen Verstoss gegen die gute Treue
will die Beklagte in der vorliegenden Klage deshalb erblicken, weil die
Klägerin nach ihren Zuschriften von 1939/40 sie während eines Zeitraumes von
vollen 9 Jahren in der Führung der Marke «Sanitin» in keiner Weise behinderte.
Dem Markeninhaber ein Handeln wider Treu und Glauben vorzuwerfen ist aber
grundsätzlich nur befugt, wer sich

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selber nicht auch den gleichen Vorwurf entgegenhalten lassen muss. Daraus
folgt, dass im allgemeinen nur der gutgläubige Verletzer Verwirkung des
Klagerechtes geltend machen kann (BGE 73 II 192). Gutgläubig war die Beklagte
jedoch entgegen ihren Beteuerungen beim Gebrauch ihrer Marke «Sanitin»
bestimmt nicht. Sie wurde schon kurz nach der Hinterlegung der Marke, in der
allerersten Zeit ihrer Verwendung - ein Gebrauch vor der Hinterlegung ist
nicht behauptet - von der Klägerin wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass
ihre Marke mit dem älteren Zeichen «Salitine» unvereinbar sei. Die Beklagte
beharrte aber auf dem offensichtlich unhaltbaren Standpunkt, eine
Verwechslungsgefahr der beiden Marken bestehe nicht, und zeigte sich allen
Bemühungen der Klägerin um eine gütliche Einigung völlig unzugänglich.
Angesichts dieser Sachlage befand sich die Beklagte in jenem Zeitpunkt bei der
weiteren Verwendung ihrer Marke ohne Zweifel im bösen Glauben. Das schliesst
jedoch entgegen der Meinung der Klägerin die Verwirkung des Klagerechtes nicht
unter allen Umständen aus. Es kann sich vielmehr im Laufe der Zeit eine
Situation herausgebildet haben, bei der das Untätigbleiben des Inhabers der
verletzten Marke den bösen Glauben des Verletzers aufwiegt. Dies ist vor allem
dann der Fall, wenn der Markeninhaber keine stichhaltigen Gründe für sein
langes Zuwarten vorzubringen vermag. Auf Seiten des Verletzers sodann ist von
Bedeutung, ob er während dieser Zeit durch den unangefochtenen Gebrauch seines
an sich unzulässigen Zeichens einen wertvollen Besitzstand hat schaffen
können, dessen er bei Gutheissung der Klage verlustig ginge. In einem solchen
Falle hätte der Inhaber der verletzten Marke die Möglichkeit, sich die Frucht
der Arbeit des Verletzers anzueignen, die im guten Ruf und der Bekanntheit der
jüngeren Marke besteht und nur infolge des langen Zuwartens des Verletzten zur
Entstehung gelangen konnte. Ein derartiges Verhalten wäre aber
rechtsmissbräuchlich und daher des Rechtsschutzes nicht teilhaftig. Es fragt
sich daher, ob im vorliegenden

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Falle die 1939/40 vorhandene Bösgläubigkeit der Beklagten in Anbetracht des
nachfolgenden Verhaltens der Klägerin im Sinne der vorstehenden Darlegungen
überhaupt noch erheblich sei.
Nach der heutigen Aktenlage hat die Klägerin seit dem Februar 1940 bis zum
Frühjahr 1949 gegen die Beklagte nichts mehr vorgekehrt. Die Behauptung der
Klägerin in ihrer Eingabe an die Vorinstanz vom 29. September 1949, sie habe
die Beklagte in Jahre 1943 neuerdings verwarnt, ist nicht erwiesen, da die
Vorinstanz darüber kein Beweisverfahren durchgeführt hat. Dieses
Untätigbleiben der Klägerin rechtfertigt jedoch entgegen der Meinung der
Beklagten für sich allein noch nicht ohne weiteres den Schluss auf ein
stillschweigendes Einverständnis der Klägerin, da diese in der Korrespondenz
von 1939/40 bestimmt und eindeutig gegen die Zulässigkeit der Marke der
Beklagten Stellung genommen hatte. Doch lässt sich angesichts der langen
Zeitspanne, während der die Klägerin untätig blieb, eine Verwirkung ihres
Klagerechts nur verneinen, wenn sie ihr Verhalten mit stichhaltigen Gründen zu
rechtfertigen vermag. In dieser Hinsicht macht sie geltend, sie sei lediglich
wegen ausserordentlicher anderweitiger Beanspruchung während der Kriegszeit
nicht schon 1940 gegen die Beklagte vorgegangen. Diese Entschuldigung ist
jedoch unzulänglich denn die Klägerin hatte ja die Sache damals bereits einem
Patentanwalt übergeben, der den an sich nicht komplizierten Prozess ohne
wesentlichen Arbeitsaufwand der Klägerin durch einen Anwalt hätte einleiten
lassen können. Zudem wartete die Klägerin nach Kriegsende noch volle 4 Jahre
weiter zu, und für diese Zeitspanne fällt die Entschuldigung der
kriegsbedingten Arbeitsüberlastung zu, vornherein ausser Betracht.
Was die Klägerin in Wirklichkeit veranlasste, mit der Klageerhebung so lange
zuzuwarten, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Aber gerade die wahren
Beweggründe für ihr Verhalten können für die Entscheidung der Frage nach

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dem Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs den Ausschlag geben. So ist von
wesentlicher Bedeutung, in welchem Umfang die Beklagte ihre Marke «Sanitin»
seit 1940 gebraucht hat, welche Reklametätigkeit sie dafür entfaltete, sowie
ob der Umsatz der mit dieser Marke versehenen Ware zunächst während längerer
Zeit nur gering war, und dann namentlich in der letzten Zeit vor der
Klageerhebung stark anstieg, oder ob die Beklagte schon nach kurzem Gebrauch
des Zeichens erhebliche Umsätze zu erzielen vermochte. Ferner ist von Belang,
ob das «Sanitin» der Beklagten schon ab 1940 mit den Erzeugnissen der Klägerin
in Konkurrenz trat oder ob dies erst später der Fall war. Bedeutsam sind alle
diese Verhältnisse deshalb, weil die Klägerin keinen Anlass zum Einschreiten
hatte, wenn sie nach der Sachlage annehmen durfte, ein ernstlicher Schaden
drohe ihr aus dem Bestehen der verletzenden Marke wegen der Geringfügigkeit
des Geschäftsbetriebes der Beklagten nicht. Ueber keine dieser Fragen, nicht
einmal über die behauptete Verwarnung von 1943, hat die Vorinstanz Beweis
erhoben, da sie auf Grund ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung über die
Voraussetzungen der Klageverwirkung hiezu keine Veranlassung hatte. Ohne
Abklärung all dieser Punkte fehlen aber die tatbeständlichen Unterlagen zur
Beurteilung der Stichhaltigkeit der Verwirkungseinrede.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen zur Vervollständigung des Tatbestandes nach der angegebenen
Richtung, soweit dies nach den Vorschriften des kantonalen Prozessrechts noch
angängig ist (Art. 66 OG).
Vgl. Nr. 50. - Voir no 50.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 76 II 393
Date : 01. Januar 1949
Published : 12. Dezember 1950
Source : Bundesgericht
Status : 76 II 393
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Markenschutz, Verwirkung des Klagerechts des Inhabers der verletzten Marke...


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OG: 66
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