S. 144 / Nr. 20 Obligationenrecht (d)

BGE 76 II 144

20. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. August 1950 i. S.
Witzig gegen Röthlisberger.


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Regeste:
Darlehen.
Kein unbefristetes Darlehen gemäss Art. 318
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 318 - Ein Darlehen, für dessen Rückzahlung weder ein bestimmter Termin noch eine Kündigungsfrist noch der Verfall auf beliebige Aufforderung hin vereinbart wurde, ist innerhalb sechs Wochen von der ersten Aufforderung an zurückzubezahlen.
OR liegt vor bei Verabredung der
Rückzahlung «sobald nach dem Geschäftsergebnis möglich»
Zulässigkeit dieser Abrede.
Bestimmung der .Zahlungszeit.
Prêt.
On n'est pas en présence d'un contrat ne fixant pas le temps de la restitution
(art. 318 CO) lorsque les parties sont convenues que celle-ci aurait lieu
«aussitôt que ce sera possible d'après les résultats de l'affaire».
Admissibilité d'une telle clause.
Détermination de l'époque du paiement.
Mutuo.
Non si è in presenza d'un mutuo di cui non è stata pattuita la restituzione
(art. 318 CO), quando le parti hanno convenuto che la restituzione sarà fatta
«tosto che sarà possibile secondo il risultato dell'affare».
Ammissibilità d'una siffatta clausola.
Determinazione dell'epoca del pagamento.

3.- Streitig ist einzig die Frage, ob der Kläger berechtigt sei, seine der
Höhe nach unbestrittene Darlehensforderung von Fr. 22,164. geltend zu machen.
Zu der Frage der Rückzahlung des Darlehens bemerkt die Vorinstanz, die Meinung
der Parteien sei offenbar die gewesen, dass der Kläger der Beklagten das Geld
zur Gründung einer Existenz zur Verfügung stelle und dass die Beklagte es nach
und nach aus den Erträgen des Geschäftes dem Kläger zurückzahlen solle. Diese
Feststellung über den Willen der Parteien ist für das Bundesgericht
verbindlich, denn sie beruht nicht auf einer blossen Auslegung der Erklärungen
der Parteien, insbesondere der Beklagten, im Lichte der allgemeinen
Lebenserfahrung, sondern auf der Würdigung der Ergebnisse des gesamten
Beweisverfahrens,

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namentlich auch der Zeugenaussagen, sowie der Würdigung der gesamten Umstände
des Falles und des von beiden Parteien ersichtlich, also einverständlich
angenommenen und daher grundsätzlich zu beachtenden Zweckes der Geldhingabe.
Mit Rücksicht hierauf erweist sich die Rüge des Klägers als unbegründet, die
Vorinstanz habe trotz Fehlens jedes Beweises eine von der Beklagten zwar
behauptete, aber vom Kläger bestrittene Tatsache als festgestellt behandelt
und dadurch die bundesrechtlichen Beweisvorschriften von Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.
ZGB verletzt.
Auf Grund der genannten tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz liegt
entgegen der Meinung des Klägers nicht ein Darlehen vor mit der Verabredung
der Rückzahlung «sobald wie möglich» und unabhängig vom Geschäftserfolg,
sondern ein Darlehen mit Rückzahlungsverpflichtung «sobald nach dem
Geschäftsergebnis möglich» und im Rahmen dieses Geschäftsertrages.
4.- Die Verabredung der Rückzahlung, sobald das Geschäftsergebnis eine solche
gestatte, schliesst die Anwendung von Art. 318
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 318 - Ein Darlehen, für dessen Rückzahlung weder ein bestimmter Termin noch eine Kündigungsfrist noch der Verfall auf beliebige Aufforderung hin vereinbart wurde, ist innerhalb sechs Wochen von der ersten Aufforderung an zurückzubezahlen.
OR aus. Die dort vorgesehene
Möglichkeit der Kündigung des Darlehens zur Rückzahlung auf 6 Wochen besteht
nur, wo weder ein bestimmter, noch ein bestimmbarer Rückzahlungszeitpunkt
vereinbart wurde. Im vorliegenden Fall ist aber der Rückzahlungstermin
objektiv bestimmbar, indem die Rückzahlungspflicht vom Geschäftsertrag
abhängig sein und nach dem Parteiwillen eintreten sollte beim Verbleiben eines
Ertragsüberschusses nach Deckung der Betriebskosten und der Kosten des
Lebensunterhaltes der Beklagten. Bei dieser Regelung liegt also überhaupt kein
unbefristetes Darlehen im Sinne von Art. 318
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 318 - Ein Darlehen, für dessen Rückzahlung weder ein bestimmter Termin noch eine Kündigungsfrist noch der Verfall auf beliebige Aufforderung hin vereinbart wurde, ist innerhalb sechs Wochen von der ersten Aufforderung an zurückzubezahlen.
OR vor.
Der Kläger vertritt nun freilich die Ansicht, dass die in einer solchen
Ordnung liegende Wegbedingung der Kündbarkeit des Darlehens durch den
Gläubiger unstatthaft sei, weil sie gegen zwingendes Recht verstosse. Diese
Auffassung trifft jedoch nicht zu. Unzulässig ist wohl der Ausschluss der
Kündigungsmöglichkeit auf Seiten des

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Borgers, da sonst eine übermässige, mit dem Rechte der Persönlichkeit
unvereinbare und darum gegen die guten Sitten verstossende Bindung einträte.
Eine derartige die persönliche Unabhängigkeit übermässig einschränkende
Bindung steht aber beim Darleiher ausser Frage; für ihn stellt das Darlehen
ein blosses Geldgeschäft dar. Die Berufung des Klägers auf die zwingende
beidseitige Kündbarkeit bei Dienstvertrag und Gesellschaft ist unbehelflich;
denn dort besteht im Gegensatz zum Darlehen für beide Teile ein
Schutzbedürfnis gegen zu lange persönliche Bindung. Die von den Parteien
getroffene Abmachung ist daher rechtlich zulässig.
5.- Wird die Rückzahlungspflicht des Borgers in der hier vorgesehenen Weise
vom Geschäftsertrag abhängig gemacht, so hat im Streitfall nach allgemein
anerkannter Auffassung der Richter die Zahlungszeit unter dem Gesichtspunkt
von Treu und Glauben nach Billigkeit festzusetzen. Es fragt sich daher, ob
nach den bisherigen Geschäftsergebnissen der Beklagten billigerweise und nach
Treu und Glauben die ganze oder wenigstens die teilweise Rückzahlung der
Darlehenssumme zugemutet werden könne.
Die Vorinstanz hat zur Abklärung dieser Frage ein Expertengutachten eingeholt,
dessen Schlussfolgerungen sie kritisch gewürdigt und auf Grund verschiedener
sachlicher und persönlicher Umstände auf Seiten der Beklagten teilweise
berichtigt hat. Sie ist dabei zum Schlusse gekommen, dass unter
Berücksichtigung aller Umstände und vom Gesichtspunkt der Billigkeit aus es
der Beklagten jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Urteilsfällung, d. h. bis zum
21. Februar 1950, nicht möglich gewesen sei, an das Darlehen des Klägers etwas
abzuzahlen, so dass es an einer auch nur teilweisen Fälligkeit desselben
fehle.
Soweit der Experte und die Vorinstanz sich bei ihren Darlegungen mit
tatsächlichen Verhältnissen befassen, steht dem Bundesgericht eine Überprüfung
nicht zu. Dass ihnen ein offensichtliches, in die Augen springendes

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Versehen unterlaufen wäre, lassen die Akten nicht erkennen der Kläger
behauptet auch selber nichts dergleichen. In rechtlicher Beziehung lässt sich
gegen die auf sorgfältiger Abwägung sämtlicher in Betracht fallender Umstände
beruhende Beurteilung der Vorinstanz nichts Stichhaltiges einwenden. Sie wird
übrigens auch vom Kläger in der Berufungsschrift in keinem Punkte angefochten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 76 II 144
Datum : 01. Januar 1949
Publiziert : 17. August 1950
Quelle : Bundesgericht
Status : 76 II 144
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Darlehen.Kein unbefristetes Darlehen gemäss Art. 318 OR liegt vor bei Verabredung der Rückzahlung...


Gesetzesregister
OR: 318
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OR Art. 318 - Ein Darlehen, für dessen Rückzahlung weder ein bestimmter Termin noch eine Kündigungsfrist noch der Verfall auf beliebige Aufforderung hin vereinbart wurde, ist innerhalb sechs Wochen von der ersten Aufforderung an zurückzubezahlen.
ZGB: 8
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ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.
BGE Register
76-II-144
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