S. 321 / Nr. 53 Derogatorische Kraft des Bundesrechts (d)

BGE 76 I 321

53. Auszug aus dem Urteil vom 22. November 1950 i. S. Brack & Müller und Hans
Hörtig & Sohn gegen Regierungsrat des Kantons Zürich.


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Regeste:
Dienstvertrag. Derogatorische Kraft des Bundesrechtes.
Eine kantonale Vorschrift, welche die Arbeitgeber verpflichtet. ihren
Arbeitnehmern für die auf einen Werktag fallenden, schon bisher arbeitsfreien
öffentlichen Ruhetage den Lohn zu bezahlen oder den Lohnausfall zu vergüten,
ist zivilrechtlicher Natur und daher bundesrechtswidrig.
Contrat de travail. Force dérogatoire du droit fédéral.
Une disposition cantonale, qui oblige les employeurs à payer à leurs employés
le salaire ou une indemnité équivalente pour les jours fériés officiels qui
tombent sur un jour ouvrable et qui étaient jusqu'alors déjà chômés, ressortit
au droit civil et est donc contraire au droit fédéral.
Contratto di lavoro. Forza derogante del diritto federale.
Una disposizione cantonale che obbliga i padroni a dare ai loro impiegati il
salario o un indennizzo equivalente per i giorni festivi officiali che cadono
in un giorno feriale in cui fino allora non si lavorava, è una disposizione di
diritto civile e viola il diritto federale.

A. - Im Kanton Zürich wurde durch Volksabstimmung vom 3. April 1949 ein Gesetz
über die öffentlichen Ruhetage und über die Verkaufs- und Arbeitszeit im
Detailhandel (nachstehend kurz «Ruhetagsgesetz» genannt) angenommen. Es
enthält u.a. folgende Bestimmungen:
«§ 1. Bezeichnung der öffentlichen Ruhetage.
Als öffentliche Ruhetage gelten:
a) die Sonntage;
b) Neujahrstag, Karfreitag, Ostermontag, Auffahrtstag, Pfingstmontag.
Weihnachtstag und Stephanstag (26. Dezember).
Fällt der Weihnachtstag auf einen Freitag oder Montag, so gilt der Stephanstag
als Werktag?
§ 5. Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an öffentlichen Ruhetagen. -
Ausnahmen.
Soweit nicht eidgenössische oder kantonale Vorschriften etwas anderes
bestimmen, ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern an öffentlichen Ruhetagen
nicht gestattet. Der Regierungsrat regelt durch Verordnung, inwieweit
Ausnahmen zulässig sind.
§ 6. Anspruch au! Lohnzahlung.
Bei einem auf längere Dauer abgeschlossenen Dienstvertrag, oder sofern das
Dienstverhältnis ununterbrochen mindestens sechs Monate gedauert hat, ist dem
Arbeitnehmer der Lohnausfall an öffentlichen Ruhetagen. die nicht auf Sonntage
fallen, zu vergüten.

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§ 18. Strafbestimmungen.
Übertretungen de Vorschriften dieses Gesetzes oder der Vollzugsbestimmungen
werden mit Busse von Fr. 5.- bis Fr. 500.-, in schweren oder in
Wiederholungsfällen bis Fr. 1000.- bestraft...»
B. - Viele der dem Verband der Möbelfabrikanten und Mech. Schreinereien Zürich
angeschlossenen Firmen, da -runter auch die heutigen Beschwerdeführerinnen,
vergüteten ihren Arbeitern den Lohnausfall für den Auffahrtstag und den
Pfingstsonntag 1949 nicht voll. sondern richteten ihnen lediglich die im
(Gesamtarbeitsvertrag für das Schreiner- und Glasergewerbe vorgesehene
Tagesentschädignng von Fr. 12.--- bis Fr. 16. aus. Die Direktion der
Volkswirtschaft des Kantons Zürich setzte hierauf diesen Firmen mit Verfügung
vom 15. Oktober 1949 eine Frist bis Ende Oktober zur Erfüllung der Pflicht zur
vollen Lohnausfallvergütung für die genannten zwei Feiertage, nter Androhung
de Verzeigung zur Bestrafung im Unterlassungsfalle.
Die Beschwerdeführerinnen rekurrierten gegen diese Verfügung an den
Regierungsrat unter Berufung auf den Grundsatz der derogatorischen Kraft des
Bundesrechts und auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, insbesondere BGE
61 II 353 ff.
Der Regierungsrat des Kantons Zürich wies den Rekurs am 17. November 1949 ab.
In den Erwägungen dieses Entscheids wird ausgeführt; § 6 des Ruhetagsgesetzes
sei eine Arbeiterschutzvorschrift, die öffentlich-rechtlicher Natur sie und
denn auch unter der Strafsanktion des § 18 stehe. Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung über das Verhältnis des kantonalen öffentlichen Rechtes zum
Bundeszivilrecht seien die Kantone befugt, durch öffentlich-rechtliche
Vorschriften von allgemeiner sozialer Bedeutung die Vetragsfreiheit zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuschränken. Das Bundesgericht habe daher den
Erlass kantonaler Vorschriften zugelassen, die zur Gewährung jährlicher Ferien
und zur Lohnzahlung während derselben verpflichten. Da dies das Verhältnis
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stärker berühre

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als die Verpflichtung zur Lohnausfallvergütung für nicht auf Sonntage fallende
öffentliche Feiertage, sie nicht einzusehen, wieso § 6 des Ruhetagsgesetzes
gegen den Sinn und Geist des Bundeszivilrechts verstossen sollte. Das
Bundesgericht habe eine ähnliche Regelung zwar im Urteil BGE 61 II 353 ff. als
unzulässig erklärt, dann aber in Abweichung davon mit Entscheid vom 31. März
1939 i. S. Schild S. A. eine Vorschrift geschützt, die den 1. August ab 12 Uhr
als nationalen Feiertag erklärte und den Arbeitnehmern einen Anspruch auf
Vergütung des Lohnausfalls einräumte. Wenn auch bei den öffentlichen Ruhetagen
nicht, wie bei den Ferien, unbedingt gesagt werden könne, dass das Moment der
Gesundheit des Arbeitnehmers bei der Lohnvergütungspflicht im Vordergrund
stehe, so sei doch die öffentliche Ordnung nach der sozialen Richtung
entscheidend. Der Arbeitnehmer sie an den sieben, auf einen Werktag fallenden
öffentlichen Ruhetagen gezwungen, nicht zu arbeiten, und erleide dabei eine
beträchtliche finanzielle Einbusse. Eine solche Härte liege nicht im
öffentlichen Interesse. Das Allgemeininteresse verlange gegenteils, dass die
Existenz des Arbeitnehmers an solchen Feiertagen nicht infolge Lohnausfalls
beeinträchtigt werde. § 6 des Ruhetagsgesetzes stelle daher keinen
unzulässigen Eingriff in das Bundeszivilrecht dar. Ein Widerspruch zu
öffentlichem Recht des Bundes aber liege nicht vor, weil der Bund über diese
Frage noch nicht legiferiert habe, obwohl er dies auf Grund von Art. 34ter
lit. a BV hätte tun können.
C. - Mit der vorliegenden strafrechtlichen Beschwerde stellen die Firmen Brack
& Müller und Hans Hörtig & Sohn den Antrag, den Entscheid des Regierungsrates
des Kantons Zürich vom 17. November 1947 wegen Verfassungswidrigkeit
aufzuheben. Zur Begründung wird unter Berufung auf ein Gutachten von Prof.
Hans Huber hauptsächlich geltend gemacht:
§ 6 des zürch. Ruhetagsgesetzes verstosse gegen den Grundsatz der
derogatorischen Kraft des Bundesrechts,

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speziell des eidg. Zivilrechts, da es sich, wie schon das Marginale «Anspruch
auf Lohnzahlung» und die vom öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkt nicht zu
rechtfertigende Unterscheidung von kürzeren und längeren Dienstverhältnissen
zeigten, um eine (zumindest vorwiegend) zivilrechtliche Bestimmung handle.
Dass eine solche kantonale Ordnung unzulässig sei. habe das Bundesgericht
bereits in BGE 61 II 353 ff. ausgeführt. Wenn es in BGE 58 I 26 ff. die durch
kantonales Recht angeordnete Lohnzahlungspflicht für Ferien und im Entscheid
vom 31. März 1939 i. S. Schild diejenige für den Nachmittag des I. August
zugelassen habe, so deshalb, weil den Ferien gesundheitspolitische und dem
Nationalfeiertag staatspolitische Bedeutung zukomme. Bei den in § 1 lit. b des
Ruhetagsgesetzes vorgesehenen Feiertagen handle es sich um solche, die seit
Jahr und Tag bestanden hätten und mit denen bei der Festsetzung der Stunden-,
Tag- und Akkordlöhne von jeher gerechnet worden sei. Es könne daher keine Rede
davon sein, dass die streitige Lohnzahlungspflicht die Innehaltung dieser
Feiertage erst ermögliche sie bezwecke einfach eine Besserstellung des
Arbeitnehmers. ohne dass dafür öffentlich-rechtlichen Gründe angeführt werden
könnten....
D. - Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt die Abweisung der
Beschwerde und führt u. a. aus: Die angefochtene Bestimmung sei durch das
Allgemein Interesse gerechtfertigt. Sie erstrebe die Erfüllung eines
sozial-ethischen Postulates. Wenn die Entschädigung für die Feiertage schon
bei der Festsetzung der Stunden-, Tag- und Akkordlöhne berücksichtigt wäre
wurden nicht zahlreiche Gesamtarbeitsverträge eine Lohnausfallvergütung für
Feiertage vorsehen. § 6 des Ruhetagsgesetzes bezwecke, das erwähnte Postulat
auch für diejenigen Arbeitnehmer zu verwirklichen, die keiner solchen
Abmachungen teilhaftig seien. Ob in dieser sozialen Notwendigkeit ein
«halbarer Grund des öffentlichen Rechts» im Sinne der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung liege, bilde eine

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Ermessensfrage, die zu bejahen sei. Vom Neujahrstag abgesehen, beruhten die
fraglichen Feiertage auf religiös-kirchlichen Motiven, die im Zürcher Volke
tief verwurzelt seien. Ihr Zweck könne für minderbemittelte Arbeitnehmer nur
erreicht werden, wenn sie infolge der Arbeitsruhe keinen Verdienstausfall
erleiden....
E. - In der Replik und Duplik halten beide Parteien an ihrem Standpunkt fest.
F. - Bei der Behandlung der die gleiche Rechtsfrage betreffenden Beschwerde
der Fédération des Syndicats patronaux gegen die Genfer «Loi sur
l'indemnisation des jours fériés vom 11. Dezember 1949 hat die
staatsrechtliche Kammer die I. Zivilabteilung um die Ermächtigung ersucht, von
deren Urteil i. S. Ateliers des Charmilles S.A. (BGE 61 II 353 ff.) abweichen
zu dürfen. Nachdem die I. Zivilabteilung beschlossen hatte, an ihrer
Rechtsprechung festzuhalten, vereinigten sich die beiden Abteilungen zu
gemeinsamer Beratung. Bei dieser wurde die von der staatsrechtlichen Kammer
verlangte Zustimmung zur Änderung der Rechtsprechung verweigert.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1./2. - (Prozessuales).
3.- In der Sache selbst fragt sich, ob § 6 des zürch. Ruhetagsgesetzes gegen
das Bundeszivilrecht und damit gegen Art. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
1    Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2    Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3    Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4    Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.
Üb.-Best. z. BV verstösst.
Da die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiete des Zivilrechts dem Bunde
zusteht, dürfen die Kantone zivilrechtliche Normen nur aufstellen, sofern sie
hiezu vom Bund ausdrücklich ermächtigt sind. Dagegen werden die Kantone in
ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht
grundsätzlich nicht beschränkt (Art. 6 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 6 - 1 Die Kantone werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt.
1    Die Kantone werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt.
2    Sie können in den Schranken ihrer Hoheit den Verkehr mit gewissen Arten von Sachen beschränken oder untersagen oder die Rechtsgeschäfte über solche Sachen als ungültig bezeichnen.
ZGB). Sie dürfen daher an sich
öffentlich-rechtlich über die gleichen Verhältnisse wie der
Bundeszivilgesetzgeber legiferieren und auf diese Weise das Anwendungsgebiet
des Bundeszivilrechts zugunsten des kantonalen öffentlichen Rechtes
beschränken. Diese Befugnis der

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Kantone ist aber nicht unbegrenzt. Sie dürfen nur Vorschriften erlassen, die
ihrem Sinn und Zweck nach dem öffentlichen Recht angehören. Auch dürfen sie
das Anwendungsgebiet des Bundeszivilrechts nur aus haltbaren Gründen des
öffentlichen Rechts beschränken und keine Vorschriften aufstellen, die dem
Sinn und Geist des Bundeszivilrechts widersprechen oder dieses vereiteln (vgl.
BGE 63 I 173, 64 I 28).
Nach der Rechtsprechung gehört eine Vorschrift dem öffentlichen Recht an, wenn
sie wesentlich und in erster Linie im öffentlichen Interesse erlassen ist, die
Förderung der Interessen der Gesamtheit bezweckt (BGE 73 I 52, 58 I 30). Die
Erfüllung der durch eine solche Vorschrift begründeten Pflichten des Einzelnen
gegenüber dem Staate wird in der Regel durch Verwaltungszwang und Strafe
durchgesetzt. Die Verwendung dieser Mittel genügt indessen nicht, um einer
ausschliesslich oder vorwiegend dem Schutz von Privatinteressen dienenden
Vorschrift öffentlich-rechtlichen Charakter zu verleihen. Anderseits ist es
dem kantonalen Gesetzgeber nicht verwehrt, im Rahmen einer aus haltbaren
Gründen des öffentlichen Rechts in das Bundeszivilrecht eingreifenden
öffentlich-rechtlichen Zweckes unerlässlich ist (BGE 73 I 229).
4.- Die im zürch. Ruhetagsgesetz enthaltene Festsetzung der öffentlichen
Ruhetage (§ 1) und das an diesen geltende Verbot der Beschäftigung von
Arbeitnehmern (§ 5) gehören, obwohl auch damit mittelbar in die
privatrechtliche Vertragsfreiheit eingegriffen wird, dem öffentlichen Rechte
an. Es handelt sich um gewerbepolizeiliche Vorschriften, die im Interesse der
öffentlichen Ordnung und Gesundheit aufgestellt sind wie alle Vorschriften,
die für gewisse Tage und Stunden die Einstellung der Arbeit anordnen (BGE 49 I
229
, 58 I 30, 70 I 3). Die weitere Vorschrift, dass den Arbeitnehmern der
Lohnausfall an den nicht auf Sonntage fallenden öffentlichen Ruhetagen zu
vergüten ist (§ 6), greift unmittelbar in das im allgemeinen

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durch das Bundeszivilrecht, nämlich durch das Obligationenrecht geregelte
Dienstvertragsrecht ein. Dass die Vorschrift, übrigens im Widerspruch zum
Marginale, nicht von Zahlung des «Lohnes», sondern einer
«Lohnausfallsvergütung» spricht, ist für die Beurteilung der Frage, ob sie
öffentlich- oder privatrechtlicher Natur sie, ebensowenig entscheidend wie der
Umstand, dass ihre Missachtung nach § 18 bestraft werden kann. Der Sache nach
begründet sie eine Pflicht zur Lohnzahlung. Diese Pflicht aber ist, da der
Dienstvertrag ein privatrechtlicher Vertrag ist, an sich privatrechtlicher
Natur. Sie kann nur dann ausnahmsweise öffentlich-rechtlichen Charakter
annehmen, wenn sie wesentlich und in erster Linie im öffentlichen Interesse
angeordnet ist. Das trifft bei der Lohnzahlungspflicht für arbeitsfreie Zeit
dann zu, wenn die Lohnzahlungspflicht mit der öffentlich-rechtlichen Norm,
welche die Arbeitseinstellung vorschriebt, dermassen in Zusammenhang steht,
dass der mit dieser Norm verfolgte Zweck ohne die Lohnzahlungspflicht nicht
erreicht werden kann. So hat das Bundesgericht angenommen, und daran ist
festzuhalten, dass zwischen der den Arbeitgebern auferlegten Verpflichtung,
ihren Arbeitern jährliche Ferien zu gewähren, und der Verpflichtung zur
Vergütung des Lohnausfalles für diese Ferien ein solcher untrennbarer
Zusammenhang besteht, da die grosse Mehrzahl der Dienstpflichtigen bei
Nichtbezahlung des Lohnes auf die Ferien verzichten müsste, und dass
infolgedessen die Verpflichtung zur Lohnvergütung gleich wie diejenige zur
Feriengewährung eine im Interesse der öffentlichen Ordnung und Gesundheit
aufgestellte und somit öffentlich-rechtliche (gewerbepolizeiliche) Vorschrift
sei (BGE 58 I 30 ff. und nicht veröffentlichtes Urteil vom 25. September 1947
i. S. Association suisses des maîtres relieurs). Ferner hat das Bundesgericht
die Verpflichtung, den Arbeitnehmern den Lohnausfall für den Nachmittag des 1.
August zum Halbfeiertag verfolgte Zweck, die Förderung der vaterländischen
Gesinnung, sich nur erreichen lasse,

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wenn der Arbeitnehmer keinen Lohnausfall erleide (nicht veröffentlichtes
Urteil vom 31. März 1939 i. S. Schild S.A.). Im vorliegenden Falle besteht
dagegen, wie im Fall Ateliers des Charmilles S.A. (BGE 61 II 353 ff.), kein
untrennbarer Zusammenhang zwischen der Lohnzahlungspflicht und der die
Arbeitsruhe anordnenden Vorschrift, weil diese Pflicht nicht das unerlässliche
Mittel ist, um den Dienstpflichtigen die Arbeitsruhe an den Feiertagen zu
ermöglichen. Inwieweit die in § 1 lit. b des zürch. Ruhetagsgesetzes
vorgesehenen, auf einen Werktag fallenden Feiertage der religiösen Besinnung
oder der Erholung und Ausspannung von der Arbeit zu dienen bestimmt sind, ist
in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Wesentlich ist, dass sie im Kanton
Zürich gleich den Sonntagen von jeher Feiertage waren, an denen die
Beschäftigung von Arbeitnehmern grundsätzlich im gleichen Umfange wie heute
verboten war, ohne dass diesen der Lohn für diese Tage vergütet worden wäre (§
§ 1 und 8 des zürch. Ruhetagsgesetzes vom 12. Mai 1907). Die mit § 6 des
Ruhetagsgesetzes vom 3. April 1949 eingeführte Lohnzahlungspflicht für seit
jeher arbeitsfreie Tage hat wesentlich und in erster Linie die wirtschaftliche
Besserstellung gewisser Arbeitnehmer zum Ziele. Sie dient also ausschliesslich
oder doch vorwiegend der Förderung von Privat Interessen und ist daher
privatrechtlicher Natur. Zum Erlass einer solchen Vorschrift sind die Kantone
nicht befugt. Der auf § 6 des zürch. Ruhetagsgesetzes beruhende Entscheid des
Regierungsrates vom 17. November 1949 ist deshalb bundesrechtswidrig und wegen
Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts aufzuheben im gleichen
Sinne das Urteil vom heutigen Tage i. S. Fédération des Syndicats patronaux c.
Canton de Genève BGE 76 I 305 ff).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Regierungsrates des
Kantons Zürich vom 17. November 1949 aufgehoben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 76 I 321
Date : 01. Januar 1949
Published : 22. November 1950
Source : Bundesgericht
Status : 76 I 321
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : Dienstvertrag. Derogatorische Kraft des Bundesrechtes.Eine kantonale Vorschrift, welche die...


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49-I-228 • 58-I-26 • 61-II-353 • 63-I-167 • 64-I-16 • 70-I-1 • 73-I-228 • 73-I-47 • 76-I-305 • 76-I-321
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