S. 1 / Nr. 1 Rechtsgleichheit {Rechtsverweigerung} (d)

BGE 76 I 1

1. Auszug aus dem Urteil vom 25. Januar 1950 i. S. Albatros A.-G. gegen
Röntgeninstitut Mühlehof und Direktion der Justiz des Kantons Zürich.


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Regeste:
BRB über Massnahmen gegen die Wohnungsnot vom 15. Oktober 1941/8. Februar 1946
(BMW).
Art. 4 BMW. Berücksichtigung anderer Interessen des Mieters als desjenigen,
nicht obdachlos zu werden.
ACF du 15 octobre 1941/8 février 1946 instituant des mesures contre la pénurie
de logements (APL).
Art. 4 APL. L'intérêt qu'a le locataire à ne pas être sans asile n'est pas le
seul qui puisse être pris en considération.
DCF 15 ottobre 1941/8 febbraio 1946 che istituisce misure per rimediare ella
penuria degli alloggi (DPA).
Art. 4 DPA. L'Interesse dell'inquilino a non restare senz'alloggio non è il
solo che possa entrare in linea di conto.

Aus dem Tatbestand:
Die Beschwerdeführerin kündigte das als Röntgeninstitut benützte Mietobjekt
und anerbot den Mietern andere Räumlichkeiten im gleichen Hause. Die
Übersiedlung dahin hätte den Mietern wegen des Abbruchs und der Neueinrichtung
der elektrischen Installationen Kosten im Betrage von etwa Fr. 20000.-
verursacht. Sie erklärten, die ihnen zum Ersatz angebotenen Räumlichkeiten aus
diesem Grunde nicht annehmen zu können und erhoben gegen die Kündigung
Einsprache, die von

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beiden kantonalen Instanzen geschützt wurde. Das Bundesgericht hat eine
staatsrechtliche Beschwerde dagegen abgewiesen.
Erwägungen:
1./2.-..
3.- Bei Entscheidung der Frage, ob eine Kündigung nach Art. 4 BMW
gerechtfertigt sei, braucht nicht ausschliesslich darauf abgestellt zu
werden., ob der Mieter bei Zulässigerklärung der Kündigung obdachlos würde.
Wenn es auch richtig ist, dass der BMW erlassen wurde, um die Folgen der
Wohnungsnot zu mildern und Obdachlosigkeit möglichst zu vermeiden, so zeigt
doch die Beschränkung der Gründe, bei deren Vorliegen eine Kündigung
gerechtfertigt ist eindeutig, dass ein bestehender Mietvertrag soweit möglich
geschützt werden soll. Die Kündigung des Vermieters kann wohl unter Umständen
dann gerechtfertigt sein, wenn dieser dem Mieter eine andere passende
Unterkunft zur Verfügung stellt; die Annahme des Ersatzes muss jedoch dem
Mieter auch zumutbar sein (Urteil vom 17. Juni 1946 i. S. Henry). Dabei dürfen
die sämtlichen Umstände, wie Preis, Grösse, Qualität und Lage der Ersatzräume,
aber auch ausserordentliche Kosten, die durch den Umzug entstehen würden,
berücksichtigt werden. Hier ist unbestritten, dass den Mietern aus der
Versetzung der elektrischen Installationen in ein anderes Mietobjekt
ausserordentliche Unkosten entstehen würden, deren Amortisation die Miete auf
Jahre hinaus erheblich verteuern musste. Sie träfen die Mieter umso schwerer,
als diese keine Gewähr dafür haben, dass der neue Mietvertrag mit der
Beschwerdeführerin langfristig abgeschlossen werden könnte. Angesichts dieses
Umstandes durfte die Justizdirektion wiederum ohne Willkür das Angebot der
Beschwerdeführerin als für den Mieter nicht annehmbar erklären, selbst dann,
wenn diesem von der Vermieterin an die Umzugskosten ein kleinerer Beitrag
gewährt würde. Die

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Einwendung, es stehe nicht fest, wie lange das Mietnotrecht noch Geltung habe,
und es lasse sich daher nicht zum voraus feststellen, dass die Mieter die
neuen Räumlichkeiten binnen kurzem wieder verlassen müssten, ist unzutreffend
denn gerade die Tatsache, dass die Dauer der mietnotrechtlichen Bestimmungen
nicht bekannt ist, zeigt das Ungewisse der Lage des Mieters, den der BMW
schützen will, wenn es dem Mieter nicht gelingt, sich durch den Abschluss
eines langfristigen Vertrages selbst zu schützen. Einen derartigen Vertrag
abzuschliessen, lehnt aber die Beschwerdeführerin ab.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 76 I 1
Datum : 01. Januar 1949
Publiziert : 25. Januar 1950
Quelle : Bundesgericht
Status : 76 I 1
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : BRB über Massnahmen gegen die Wohnungsnot vom 15. Oktober 1941/8. Februar 1946 (BMW).Art. 4 BMW...


BGE Register
76-I-1
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